Antwort der Bundesärztekammer auf den offenen Brief des Gendertreff

Aufgrund eines Hinweises im Gendertreff-Forum hatten wir am 06. Januar 2017 einen offenen Brief an die Bundesärztekammer verfasst. In diesem nahmen wir zu einem von der Bundesärztekammer veröffentlichten Positionspapier „Blutspendeausschluss von Personen mit sexuellem Risikoverhalten“ Stellung. Moniert wurde unsererseits insbesondere, dass Trans*-Personen als Hochrisikogruppe für AIDS eingestuft wurden. Diese Einstufung erfolgte, da – so die Bundesärztekammer – sich viele Trans*-Personen prostituieren würden, um Geld für geschlechtsangleichende Maßnahmen zu verdienen. Dabei werden die geschlechtsangleichenden Maßnahmen im monierten Positionspapier der Bundesärztekammer sachlich falsch als „Geschlechtsumwandlung“ bezeichnet.

Der Gendertreff rügte diese Einschätzung als diskriminierend, sachlich falsch und empirisch nicht nachweisbar. Der Gendertreff führte aus, dass die überwiegende Mehrzahl der Trans*-Personen völlig normalen bürgerlichen Berufen nachgehe. Auch sei es nicht schlüssig, weshalb sich Menschen prostituieren sollten, um Leistungen zu erhalten, die in Deutschland von den Krankenkassen übernommen werden.

Den offenen Brief veröffentlichten wir auf der Gendertreff Plattform und übermittelten diesen per E-Mail sowie per Briefpost mit Schreiben vom 07.01.2017 an die Bundesärztekammer.

Mit Schreiben vom 01.02.2017 antwortete die Bundesärztekammer und informierte uns darüber, dass die in unserem offenen Brief zitierten „Erläuterungen und Regelungsoptionen zum Blutspende-Ausschluss bzw. zur Rückstellung von Personen, deren Sexualverhalten ein Risiko für den Empfänger von Blutprodukten birgt“, Stand 25.04.2012, inzwischen überarbeitet wurden.

Die Bundesärztekammer führt aus, dass eine gemeinsame Arbeitsgruppe aus Vertretern des „Arbeitskreises Blut“ nach § 24 Transfusionsgesetz (TFG), des Ständigen Arbeitskreieses „Richtlinien Hämotherapie“ nach §§ 12a und 18 TFG des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesärztekammer, des Robert-Koch-Instituts, des Paul-Ehrlich-Instituts und des Bundesministeriums für Gesundheit die aktuellen epidemiologischen Daten zusammengestellt und ausgewertet hat.

Das Arbeitsergebnis der oben genannten gemeinsamen Arbeitsgruppe wurde laut dem uns zugegangenen Schreiben vom „Arbeitskreis Blut“ nach § 24 TFG am 04.10.2016 zustimmend zur Kenntnis genommen und befindet sich nun im Beratungsprozess der Gremien der Bundesärztekammer. Vor dem Hintergrund der laufenden Beratungen bittet die Bundesärztekammer um Verständnis, dass man zu Inhalten und einem möglichen Veröffentlichungszeitpunkt noch keine Angaben machen könne.

Der Gendertreff begrüßt die Überarbeitung der zitierten Richtlinien. Wir hoffen, dass nun ein realistisches Profil von Trans*-Personen zugrunde gelegt wurde, da das in dem monierten Positionspapier „Blutspendeausschluss von Personen mit sexuellem Risikoverhalten“ gezeichnete Bild von Trans*-Personen sachlich falsch, abwertend und diskriminierend war. Gerne stehen wir jederzeit für den fachlichen Austausch zur Verfügung.

Mehr zum Thema:

>> Offener Brief des Gendertreff an die Bundesärztekammer

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Offener Brief an die Bundesärztekammer

Offener Brief des Gendertreff an die Bundesärztekammer bez. diskriminierender Aussagen über Transgender bzw. transidente Personen in Zusammenhang mit Blutspenden

Sehr geehrte Damen und Herren der Bundesärztekammer,

der Gendertreff ist eine ehrenamtlich geführte Trans*-Organisation. Die Ziele des Gendertreff sind Hilfe zur Selbsthilfe für Trans*-Menschen und ihre Angehörigen sowie politische Arbeit und Öffentlichkeitsarbeit. Wir streben an, die Lebenssituation von Trans*-Menschen und ihren Angehörigen nachhaltig zu verbessern. Dazu betreiben wir unter www.gendertreff.de eine große Internet-Plattform, Selbsthilfegruppen in Düsseldorf und Leverkusen sowie mit dem Gendertreff-Forum (www.gendertreff-forum.de) eine virtuelle Selbsthilfegruppe.

Im Zuge der Foren-Diskussion zu unserem offenen Leserbrief an die Welt-Redaktion wurden wir auf Ihr Positionspapier „Blutspendeausschluss von Personen mit sexuellem Risikoverhalten“ aufmerksam. Dort vertreten Sie die Auffassung, dass Trans*-Personen eine AIDS-Risikogruppe wären. Unter anderem heißt es dort:

In Studien zur HIV-Prävention werden Transsexuelle häufig zur Kategorie der Männer gezählt, die Sex mit Männern haben (MSM) [■ Bockting 2001]. Die AIDS-Aufklärungsprogramme erreichen aber häufig diese Zielgruppe nicht, da sich die Betroffenen als Frau fühlen, auch wenn das Geschlechtsorgan, der Penis, meist noch vorhanden ist [■ Weeks 1995]. Aus medizinischer Sicht werden dagegen lediglich diejenigen Menschen als transsexuell bezeichnet, die eine Geschlechtsanpassung in allen körperlichen, sozialen und rechtlichen Bereichen vollzogen haben oder noch vollziehen wollen. Über die Prävalenz der Transsexualität nach dieser engen Definition gibt es keine gesicherten Angaben. Die Schätzungen schwanken zwischen 1:10.000 bis 1:1000 [■ Olyslager 2007].

Da sich viele Transsexuelle, die eine vollständige Geschlechtsumwandlung anstreben, beruflich ausgegrenzt und gesellschaftlich diskriminiert fühlen, arbeiten viele als Prostituierte, um auf diese Weise nicht nur den Lebensunterhalt zu verdienen, sondern auch die Operationskosten zu erwirtschaften. Zur Größenordnung dieser Gruppe liegen international keine Statistiken vor. Eine einschlägige deutsche Erotik-Webseite, auf der Transsexuelle ihre Dienste bundesweit anbieten, enthält ca. 300 Inserate (Stand April 2011). Die tatsächliche Zahl dürfte höher sein. Unter den hier inserierenden transsexuellen Sexarbeiterinnen befinden sich auffällig viele mit asiatischer oder südamerikanischer Herkunft.

Die häufig anzutreffende, häufig vielleicht auch nur temporäre Arbeit im Sexgewerbe führt dazu, dass Transsexuelle ein noch größeres HIV-Risiko haben, nicht nur im Vergleich zu Sexarbeiterinnen, sondern auch im Vergleich zu Männern, die Sex mit Männern haben

Diese Aussagen verwundern, da es sich bei der Bundesärzekammer um eine Spitzenorganisation der ärztlichen Selbstverwaltung handelt. Weshalb also werden allgemein anerkannte medizinische Forschungesrgebisse im Rahmen der getroffenen Risikoanalyse nicht berücksichtigt? Der Gendertreff kritisiert mit diesem offenen Brief die getroffenen Aussagen als sachlich falsch. Die getroffenen Aussagen stellen zudem eine massive Diskriminierung sowie eine entwürdigende Beleidigung von Trans*-Personen dar.

Zunächst einmal ignoriert der zitierte Text, dass es sowohl Transfrauen als auch Transmänner gibt. Transmänner sind Personen, deren Identitätsgeschlecht männlich ist, die jedoch weibliche äußere Geschlechtsmerkmale besitzen. Transfrauen sind Personen, deren Identitätsgeschlecht weiblich ist, die jedoch männliche äußere Geschlechtsmerkmale besitzen. Weiter wird mit dieser Aussage unterstellt, dass Transidentität irgendeinen Bezug zur sexuellen Orientierung von Menschen besitzen könnte. Auch dies ist jedoch sachlich falsch, da es empirisch erwiesen ist, dass die sexuelle Orientierung vollkommen unabhängig vom Identitätsgeschlecht ist. Um es ganz klar zu formulieren: Die Aussage, dass „Transsexuelle häufig zur Kategorie der Männer gezählt [würden], die Sex mit anderen Männern haben“, ist empirisch selbst für medizinische Laien ohne weiteres widerlegbar. Weshalb also wird ausgerechnet seitens der Bundesärztekammer eine derart realitätsferne These aufgestellt?

Die Bundesärztekammer legt demnach ihrer Analyse zum HIV-Risiko von Trans*-Personen das sachliche falsche Bild des „Mannes in Frauenkleidern, der Sex mit Männern“ anstrebt zugrunde. Die wissenschaflich unhaltbaren Thesen des oben zitierten Textes basieren demnach auf einem zu massiver Beleidigung geeigneten Vorurteil. Dabei werden Studien zitiert, die offenbar ebenfalls sehr realitätsferne Annahmen zugrunde legen.

Auch ansonsten verwundert der Text, da er durch erhebliche fachliche Defizite auffällt. Denn bereits Begriffe wie „Transsexuelle“ oder „Geschlechtsumwandlung“ lassen erkennen, dass sich die Autoren des Papiers nicht einmal ansatzweise mit dem Themenkomplex Transidentität auseinandergesetzt haben. Der Gendertreff empfiehlt der Bundesärztekammer deshalb dringend, sowohl den Kontakt mit einschlägigen Trans*-Organisationen – wie z.B. dem Gendertreff – als auch mit Fachmedizinern aus den Reihen der eigenen Mitglieder aufzunehmen. Es gilt als medizinisch anerkannt, dass eine Angleichung an das Identitätsgeschlecht angestrebt wird. Der korrekte fachliche Terminus lautet demnach nicht „Geschlechtsumwandlung“, sondern „geschlechtsangleichende Maßnahmen“. Weiter ist darauf hinzuweisen, dass der Terminus „Transidentität“ treffender ist, da er auf das Identitätsgeschlecht abhebt.

Die Aussagen zur Prostitution von Trans*-Personen sind schlichtweg völlig unqualifiziert und stellen eine abstoßende Beleidigung dar. Zwar mag es tatsächlich Trans*-Personen geben, die sich prostituieren. Bei sorgfältiger Recherche sollte die Bundesärztekammer jedoch feststellen, dass die überwiegende Mehrzahl der Trans*-Personen völlig normalen bürgerlichen Berufen nachgeht. Auch sollte der Bundesärztekammer bekannt sein, dass geschlechtsangleichende Maßnahmen in Deutschland von den Krankenkassen übernommen werden. Weshalb also sollte sich jemand zwecks Durchführung einer medizinischen Maßnahme prostituieren, deren Bezahlung die jeweilige Krankenversicherung übernimmt? Diese Aussage ist demnach in ihrer Argumentation nicht schlüssig. Desweiteren überrascht sie auch insofern, als die Bundesärztekammer die Spitzenorganisation von Ärzten ist, denen die Abrechnung medizinischer Leistungen mit den Krankenversicherungen aus der eigenen beruflichen Praxis hinlänglich bekannt sein sollte.

Das Zitieren einer einschlägigen deutschen Erotik-Webseite kann nicht als wissenschaftlich fundierte Recherche bzw. Datenanalyse bezeichnet werden. Im Wege einer Vorverurteilung und pauschalen Herabsetzung wird offenbar das gewünschte Ergebnis durch gezieltes Ausblenden der statistisch relevanten Grundgesamtheit herbeigeführt, indem man eben gerade nicht die zu betrachtende Grundgesamtheit – also alle Trans*-Personen – in die Erhebung einbezieht. Dies ist umso unverständlicher, als es in Deutschland und auch anderen Ländern namhafte Mediziner und auch Trans*-Organisationen gibt, die zur Erfassung der zur Ableitung einer validen Statistik benötigten Grundgesamtheit beitragen könnten.

Aus den hier monierten Passagen und den Einwürfen des Gendertreff wird deutlich, dass die Aussage, nach der Transidente ein besonders hohes HIV-Risiko haben sollen, wissenschaftlich nicht zu halten ist. Statt einer wissenschaftlich fundierten Analyse präsentiert die Bundesärztekammer Recherchen auf Erotik-Webseiten. Die Bundesärztekammer ignoriert die gängige Abrechnungspraxis der Krankenkassen und stellt statt dessen die realitätsferne Behauptung auf, dass sich viele Transidente prostituieren würden, um ihren Lebensunterhalt und insbesondere die Kosten von medizinischen Maßnahmen zu verdienen. Weiter ignoriert die Bundesärztekammer die empirisch sehr leicht zu überprüfende Tatsache, dass es sowohl Transfrauen als auch Transmänner gibt und legt ihren Ausführung ein empirisch nicht zu haltendes Vorurteil zugrunde.

Der Gendertreff fordert die Bundesärztekammer vor diesem Hintergrund auf, das zitierte Positionspapier in naher Zukunft zu überarbeiten und sich fachliche Unterstützung aus den Reihen einschlägiger Mediziner und Trans*-Organisationen einzuholen, um derart herabwürdigende und diskriminierende sowie medizinisch unhaltbare Aussagen in Zukunft zu vermeiden. Über eine Stellungnahme Ihrerseits würden wir vom Gendertreff uns ebenso wie die vielen Trans*-Personen freuen. Darüber hinaus bietet der Gendertreff seine Unterstützung bei der Erstellung einer fachlich fundierten Analyse an.

Dieser offene Brief wird der Bundesärztekammer per Briefpost ebenfalls zugestellt und vorab per E-Mail übermittelt.

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