Was bedeuten Begriffe wie Transgender, Transidentität, Trans*, etc.?
In den letzten Jahren ist die Thematik Transgender bzw. Transidentität in den Medien und in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit präsenter geworden. Doch immer noch bestehen Informationsdefizite. Der Gendertreff möchte mit den folgenden Definitionen den Einstieg in das komplexe Thema Trans* erleichtern.
Mitunter bestehen in der Allgemeinheit Vorurteile, die es abzubauen gilt. Folgende Aussagen mögen als Beispiele für derartige Vorurteile gelten:
- Transgender sind homosexuell
- Transgender sind schrill, laut und tuntig
- Transgender wollen sich umoperieren lassen
Schon Bezeichnungen wie „Transe“ passen nicht wirklich und stellen Verallgemeinerungen dar die zeigen, dass große Teile der Gesellschaft sehr wenig über Trans*- Personen wissen. Aber was ist denn nun ein Transgender (Englisch für Transgeschlechtlich)? Der Begriff „Transgender“ ist im Prinzip der Überbegriff für alles was mit Trans* zu tun hat. Mittlerweile aber wird der Begriff Trans* bevorzugt:
-) Trans*-Themen
-) Trans*-Menschen
-) Trans*-Personen
-) etc.
Transidentität beschreibt ein natürlich bedingtes Phänomen, bei dem die Geschlechtsidentität mit dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht nicht übereinstimmt.
Unter dem Begriff Transgender oder Trans* sind teilweise die Bezeichnungen fließend. So kann ein transidenter Mensch mit Crossdressing begonnen haben, weil er_sie noch nicht wusste was mit ihr_ihm los ist oder war.
Trans*-Menschen/Transgender bezeichnet Menschen, deren äußerliche Geschlechtsmerkmale (und damit das bei der Geburt zugewiesene Geschlecht) nicht mit ihrem gefühlten Geschlecht, dem sogenannten Identitätsgeschlecht, übereinstimmen. Salopp könnte man auch sagen: „Transgender fühlen sich im falschen Körper“. Diese einfache Definition verwendet der Gendertreff im Flyer für Interessierte, mit dem er der interessierten Öffentlichkeit einen Einstieg in das komplexe Thema der Transidentität geben möchte.
Allerdings lassen sich die Lebensumstände von Trans*- Menschen nicht auf diese einfache Formel reduzieren. Denn das Thema erstreckt sich auf sehr viele weitere Teile des Lebens als lediglich das Körperliche. Außerdem lehnen viele Trans*- Menschen diese Formulierung für sich persönlich ab, z.B. weil sie ihren Körper nicht als „falsch“ bezeichnen wollen, nur weil sie Trans*-Personen sind. Die Erfahrungen sind eben vielfältig und lassen sich nur schwer vereinheitlichen.
Transgender sind keine Modeerscheinung der Neuzeit. Transgender hat es in allen Epochen der menschlichen Geschichte und in allen Kulturen gegeben. Häufig waren sie in der früheren Geschichte sogar sozial anerkannter und respektierter als in den vergangenen Jahrzehnten hier in Europa. So stellten Menschen, die nach heutigen Maßstäben wohl als Transgender bezeichnet werden könnten, z.B. in den Kulturen der Ureinwohner von Nordamerika („Two-Spirits“) oder Hawaii („Mahu“) wichtige Teile der Gesellschaft, hatten dort eigene Aufgaben, waren vernetzt und respektiert. Die Diskriminierung und Unterdrückung dieser Menschen fand in diesen und vielen anderen Fällen erst statt, als westeuropäische Siedler ihre religiösen und gesellschaftlichen Wertvorstellungen verbreiteten. In vielen Kulturen gibt es aber noch heute (wenn auch häufig in kleinerem Maßstab) diese traditionell in der Gesellschaft verankerten Transgender.
>> Gendertreff Flyer
>> Info Flyer
>> Transgender in der Geschichte
>> Transgender in unterschiedlichen Kulturen
>> Diagnose der Transgender-Eigenschaft
Einige Begriffsdefinitionen
Coming-out:
Vorgang, bei dem eine Person ihre sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität anerkennt, akzeptiert und wertschätzt und diese anderen mitteilt. Dieser Prozess kann eine große Herausforderung darstellen und von einer Vielzahl von Emotionen begleitet sein, da die „outende“ Person oft nicht weiß, wie Freunde, Verwandte, Mitarbeiter und andere Personen darauf reagieren.
Geschlecht:
Die auf biologischen Merkmalen basierende Fähigkeit zur Fortpflanzung, aus der sich die Bezeichnung einer Person als männlich oder weiblich ableitet. Die Klassifizierung ergibt sich aus der visuellen Beurteilung der Geschlechtsorgane des Babys durch einen Arzt.
Gender:
Soziale Dimension des biologischen Geschlechts. Die Gender-Rolle eines Individuums spiegelt die Pflichten, Eigenschaften und Erwartungen der Gesellschaft auf der Basis des sozialen Geschlechts (Gender) wider und umfasst erlerntes Verhalten wie die Gangart, das Aussehen, das Verhalten, den Kleidungsstil, den gewählten Beruf, den Vornamen usw.
Geschlechtsausdruck:
Der Begriff „Geschlechtsausdruck“ verweist auf die äußeren Merkmale und Verhaltensweisen, die gesellschaftlich als männlich oder weiblich angesehen werden, z. B. Kleidung, Körperpflege, Eigenheiten, Sprechweise und die soziale Interaktion. Soziale und kulturelle Normen können dabei weit voneinander abweichen. Merkmale, die in der einen Kultur als männlich, weiblich oder diverse gelten, können in einer anderen Kultur völlig anders bewertet werden.
Geschlechtsidentität:
Der Begriff „Geschlechtsidentität“ ist die innerpsychisch gefühlshafte Gewissheit, weiblich, männlich, trans, weder-noch usw. zu sein.
Geschlechtsangleichung:
Der operative Prozess, bei dem eine Person ihre physischen Merkmale und/oder ihr geschlechtliches Ausdrucksverhalten an die eigene Geschlechtsidentität anpasst.
Für Außenstehende sieht es nach einer Umandlung aus und deshalb wird fälschlicherweise auch von einer Geschlechtsumwandlung gesprochen.
Transgender:
Eine Vielzahl unterschiedlicher Menschen, die ihr soziales Geschlecht (Gender) als abweichend von ihrem biologischen Geschlecht empfinden und/oder ihr soziales Geschlecht davon abweichend ausdrücken, entweder durch ein entsprechendes soziales Verhalten oder durch eine Geschlechtsangleichung. Es handelt sich dabei um einen Sammelbegriff, der transsexuelle/transidente Menschen sowie andere Menschen, die nicht den gängigen Geschlechterrollen entsprechen, zusammenfasst. Nicht alle Menschen, die sich als Transgender verstehen, unterziehen sich einer Geschlechtsangleichung.
Geschlechtsinkongruenz:
Geschlechtsinkongruenz beschreibt die fehlende Übereinstimmung zwischen dem Zuweisungsgeschlecht und der Geschlechtsidentität.
Geschlechtsdysphorie:
Geschlechtsdysphorie ist das Leiden an der Inkongruenz zwischen den körperlichen Geschlechtsmerkmalen und der Geschlechtsidentität.
Transvestit:
Der Begriff „Transvestismus“ bezeichnet allgemein das freiwillige Tragen der Kleidung des gegenläufigen Geschlechts. Der Begriff wurde vom Arzt und Sexualforscher Magnus Hirschfeld 1910 geprägt.
Crossdresser:
Der Begriff „Crossdressing“ bezeichnet allgemein das Tragen der Kleidung des gegenläufigen Geschlechts. Dabei ist es unerheblich, welche Motive ein Crossdresser hat. Crossdressing kann Ausdruck der Transgender-Eigenschaft sein. Andere Motivationen reichen von bloßen Verkleidungen über Auftritte in Filmen oder Theatern bis hin zu politisch motiviertem Crossdressing, rituellen Handlungen oder erotischer Stimulanz durch das Tragen der gegengeschlechtlichen Kleidung (Fetischismus). Die Abgrenzung zum ähnlich geprägten Begriff „Transvestismus“ ist fließend bzw. in der Fachliteratur strittig.
Transidentität (Transsexualität):
Transidentität beschreibt ein natürlich bedingtes Phänomen, bei dem die Geschlechtsidentität mit dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht nicht übereinstimmt. Transidente Menschen wollen nicht in ihrem zugewiesenen Geschlecht, sondern in ihrem Identitätsgeschlecht leben, was sich auf viele verschiedene Aspekte ihres Lebens beziehen kann, aber nicht muss. Der Vorgang, das eigene Leben vom zugewiesenen auf das Identitätsgeschlecht umzustellen, wird Transition genannt. Sie kann gesellschaftlich (Coming-Out), juristisch (Änderung von Vornamen und Personenstand) oder medizinisch sein (z.B. Hormontherapie, geschlechtsangleichende Operationen). Nach der Geschlechtsangleichung von Mann zu Frau bzw. von Frau zu Mann verstehen sich Transidente (Transsexuelle) mitunter als Transfrau bzw. als Transmann, um dieser Geschlechtsangleichung Rechnung zu tragen. Die Wünsche und Erwartungen an eine Transition sind dabei bei jeder Person unterschiedlich, so will z.B. nicht jede_r Transidente den medizinischen Weg gehen. Die Transidentität einer Person lässt keinen direkten oder vorhersagbaren Rückschluss auf die sexuelle Orientierung der Person zu.
Der Begriff „Transsexualität“ ist irreführend (und verschwindet mehr und mehr aus dem Sprachgebrauch), weil Transsexualität in dem Sinne nichts mit der sexuellen Ausrichtung zu tun hat, sondern mit dem gefühlten bzw. psychologischen Geschlecht. Besser ist es, in diesem Zusammenhang den Begriff „Transidentität“ zu benutzen, weil die Identität hier der bestimmende Faktor ist. Deshalb spricht man in diesem Zusammenhang auch vom Identitätsgeschlecht.
Travestie:
Ganz außen vor ist die Travestie. Travestie ist eine reine Kunstform bei der die Darstellung des anderen Geschlechts in einer überspitzten Form z.B. auf einer Bühne dargestellt wird.
Sexuelle Orientierung:
Die „sexuelle Orientierung“ verweist darauf, ob sich eine Person physisch und/oder emotional zu demselben oder zum anderen Geschlecht hingezogen fühlt. „Heterosexuell“, „bisexuell“ und „homosexuell“ sind sexuelle Orientierungen. Die sexuelle Orientierung ist von der Geschlechtsidentität und dem Geschlechtsausdruck einer Person zu unterscheiden.
Transidentität selbst hat viele Facetten. Eine grundsätzliche Unterscheidung bietet sich zwischen nichtbinären und binären transidenten Personen. Die Begriffe binär und nichtbinär beziehen sich auf das Geschlechtersystem. Die „traditionelle“ Version, die lediglich die Kategorien „männlich“ und „weiblich“ umfasst (binär), wird als überholt eingestuft, da viele Menschen sich und ihre Geschlechtsidentität nicht in diese beiden Kategorien einordnen können. Man spricht hier von nichtbinärer Transidentität. Menschen mit dieser Eigenschaft bezeichnen sich selbst häufig als „Nonbinaries“.
Binäre Transidentität liegt in der Regel dann vor, wenn Menschen, denen bei der Geburt das weibliche Geschlecht zugewiesen wurde, ein männliches Identitätsgeschlecht haben oder umgekehrt. Bei weiblichem zugewiesenem Geschlecht und männlichem Identitätsgeschlecht spricht man von Transmännern, bei männlichem zugewiesenem Geschlecht und weiblichem Identitätsgeschlecht von Transfrauen. Während also in der Öffentlichkeit beim Begriff „Transgender“ vielfach die Assoziation zum „Mann in Frauenkleidern“ besteht, ist die Trans*- Eigenschaft in Wahrheit unabhängig vom körperlichen Geschlecht.
Da die Grenzen zwischen den oben beschriebenen Kategorien fließend sind, spricht man im allgemeinen von Transgendern oder besser Trans*- Menschen. So ist es vielen Trans*- Menschen beispielsweise aus beruflichen und /oder familiären Gründen nicht immer möglich, ganz in ihrem Identitätsgeschlecht zu leben. Viele haben sich mit „Teillösungen“ arrangiert. Wichtig ist auch, dass es viele unterschiedliche Ansichten unter Trans*- Menschen zu Begriffen gibt. Nicht alle, die unter eine der oben genannten Definitionen fallen, identifizieren sich auch so. Es ist daher im Kontakt mit Trans*- Menschen immer empfehlenswert, sich auf die Identität seines Gegenübers einzulassen und dessen Selbsteinschätzung zu respektieren.
Die Trans*- Eigenschaft ist unabhängig von der sexuellen Orientierung. Es ist demnach ein Irrglaube, dass Trans*- Personen homosexuell wären. Ohnehin setzt die Unterscheidung zwischen homosexuell und heterosexuell ein bipolares Geschlechtermodell voraus, das es jedoch de facto nicht gibt. Homosexualität und Heterosexualität, sowie Bisexualität, Pan- und Asexualität verteilen sich auf die Gesamtheit der Trans*- Menschen genauso wie unter anderen Menschen auch.
Transidentität wird wissenschaftlich erforscht. Die Diagnose der Trans*- Eigenschaft richtet sich in Deutschland nach der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) herausgegebenen Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, kurz ICD.
Der Gendertreff e.V. hat sich zum Ziel gesetzt, Aufklärungsarbeit zu leisten und Trans*- Menschen, Angehörigen und Interessierten eine Plattform zum Austausch und zum Kennenlernen zu bieten. Denn unsere Erfahrungen zeigen, dass die Wirklichkeit vielfältiger als die oben genannten Kategorien ist.
Wie viele Trans*-Menschen gibt es?
In einer Erhebung, die 1983 für die alten Bundesländer erstellt wurde, wird von 6.000 bis 8.000 transidenten Menschen gesprochen. Diese Zahlen müssen jedoch falsch sein, denn es wurden nur chirurgisch Behandelte in Deutschland erfasst. Operationen, die im Ausland stattfanden, sind in diesen Zahlen nicht enthalten. Ebenso wurden Personen nicht berücksichtigt, die für sich eine stabile Lösung oder Zwischenlösung ohne Operation gefunden haben, unabhängig davon, wie lange diese hält.
Nach den heute zugänglichen Statistiken und Hochrechnungen, gestützt auf Untersuchungen in den USA bzw. den Niederlanden, soll es in der Bundesrepublik ca. 170.000 (0,2%) transidente Menschen geben. Andere Quellen, die z.B. über Wikipedia erreichbar sind, zitieren Auswertungen aus dem Jahr 2013. Diesen zufolge wird das Verhältnis der Transfrauen mit einer von 1.000 angegeben. Das Verhältnis der Transmänner wird auf einen von 2.000 geschätzt. Viele Trans*- Menschen leben allerdings in der Anonymität und können deshalb von Statistiken nicht erfasst werden. Auch gibt es Trans*- Menschen, die zwar durchaus offen zu ihrer Transidentität stehen, jedoch keinerlei medizinische oder juristische Maßnahmen in Bezug auf eine Transition in Anspruch genommen haben und somit ebenfalls nicht erfasst sind.
Manche Schätzungen gehen sogar von einer viel höheren Anzahl Trans*- Personen aus, die bei ca. 5% der deutschen Bevölkerung liegt, wenn man Transfrauen und Transmänner berücksichtigt. Der Gendertreff hält aufgrund seiner eigenen Beobachtungen 1 – 2% der Bevölkerung für realistisch.
Kein Mensch macht sich selbst, d.h. als transidenter Mensch wird man geboren, festgelegt bei der Entwicklung im Mutterleib. Bezüglich der genauen Vorgänge, welche eine Transidentität hervorrufen, ist weitere Forschung notwendig.
Eines ist aber sicher: Trans* lässt sich weder an-erziehen noch weg-therapieren! Wie vieles andere ist es ein Teil unseres Lebens.