Xenia`s Interview im Unternehmen

Die Abteilung Diversität und Inklusion eines großen japanischen Kamera- und Mikroskop- Herstellers bat mich letztens ein Interview zu geben. Dieses Interview wurde in Englisch und in Deutsch im Intranet veröffentlicht. Zudem bekam ich die Erlaubnis mein Interview auch im Blog des Gendertreff e.V. zu veröffentlichen. Was ich hiermit gerne tue:

 

Ena (E): Hi Xenia. In the last volume our colleague from England asked if you could share your story with us concerning LGBTQIA+*, specifically your experience and understanding with regards to transgender? (*Widely recognized as Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender, Queer, Intersex, Asexual with the plus sign covering anyone else not included)

Xenia (X): Many people aren’t aware that the spectrum of transgender is quite large and extensive, and diversity in transgender is not well understood. For instance, the distinction between transvestite and transgender identity, or between transgender identity and sexual orientation should be made. Being transgender isn’t the same thing as being lesbian, gay or bisexual. Gender identity is about who we are inside, while sexual orientation is about whom we are attracted to.

E: Indeed. People often get confused and misunderstand, which may be making transgender (hereafter Trans*) people’s life even more challenging.

X: Certainly. Basically Trans* is a term for people like me whose gender identity is different from the sex assigned at birth. Unfortunately, no one can choose how they come into the world. I was born with a male body, but I wasn’t even sure what I was struggling with until the 90s when the internet made all of this information accessible. And it took many years for me to come to terms with myself before I could tell other people.

E: You told me it took you about a decade before you could talk about it to your family. Can you share more about your story with us?

X: Yes. I had been married to my wife for almost 20 years and we had a teenage son at the time. My identity had been hidden from family, friends and co-workers. We were living a “normal” family life and I was terrified that they would leave me if I came out. But one day I gathered all my courage and wrote my wife a letter. After she read the letter, we cried and talked all night and of course beyond that. I am really glad that my family stayed with me and stood by me.

E: How did you feel at that time?

X: It was like opening the valve on a pressure cooker – I could release all these things I’d had to suppress for so many years!

E: I can only imagine and coming out is one of the biggest challenges facing Trans* people. Many still face stigma and discrimination in societies.

X: Sadly, the suicide rate is relatively high among Trans*. Many things in society – such as social norms, laws, medical systems – do not always make things easy for Trans*.

E: We still have a long road ahead to foster an environment that is truly inclusive for Trans* people. What about in the workplace?

X: It took a few more years before I was able to come out to the company. We prepared everything together with my family and in 2011 I spoke to HR and the works council (organisations which provide representation for employees in the workplace). The cooperation with HR was great and so the next steps were taken together. From November, Xenia came to work. Of course, I was very nervous and uncertain about the reaction I would get from my colleagues. When I got to the office, I was pleasantly surprised and overwhelmed by the many nice emails and conversations in the hallways and offices. A heart shaped cake on my desk with the message „Welcome Xenia“ made me lose control and burst into tears.

E: I am glad to hear that you felt safe enough for you to bring authentic yourself to the German office. Together with your wife, you have founded a non-profit organization Gendertreff e.V. Can you tell us more about it?

X: It is a self-help organization that provides information and an exchange platform on the subject of Trans* people. It is not only for Trans* people themselves, but also for their families and relatives, which I deem very important. Our aim is to help them to find their own individual paths at their own pace and which feel right for them. Not all Trans* want to jump onto hormone prescriptions or sex reassignment surgery.

E: Xenia, thank you so much for being so open and sharing your story with us. Would you like to pass a baton onto the next person with a question?

X: Sure. I would like to ask my colleague – what motivated you to be involved as Equal Opportunities Officer at our company?

E: Let us have a chat with our colleague from IT-department in the next volume.

 

Comment from an email:
I had wanted to be able to make a donation to Gendertreff e.V. before reaching out to you with a personal message. Like so many at our company I was incredibly moved by your personal story in the recent company communication. I wanted to find some way thank you for your courage, honesty and also charitable good work. Your focus on helping others is incredibly admirable and deserves to be supported. I wish you every success and a profound happiness that each of us should have the opportunity to enjoy in this precious life that we have. 

>> My story
>> Flyer „Transgender identity at the workplace“
>> Glossary

 

Ena (E): Hallo Xenia, in der letzten Ausgabe bat unsere Kollegin aus England darum, uns Ihre Geschichte zum Thema LGBTQIA+* zu erzählen, insbesondere Ihre Erfahrung und Ihr Verständnis von Transgender. (* Steht für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender, Queer, Intersexuelle, Asexuelle, wobei das Pluszeichen für alle weiteren steht.)

Xenia (X): Viele Menschen wissen nicht, wie groß und umfangreich das Spektrum von Transgender ist und verstehen nicht wirklich, wie vielfältig Transgender sein kann. Beispielsweise sollte man zwischen Transvestiten- und Transgender-Identität oder zwischen Transgender-Identität und sexueller Orientierung unterscheiden. Transgender ist nicht dasselbe wie lesbisch, schwul oder bisexuell zu sein. Bei der Geschlechtsidentität geht es darum, wer man innerlich ist. Bei der sexuellen Orientierung geht es darum, zu wem man sich hingezogen fühlt.

E: Genau. Das führt oft zu Verwirrungen und Missverständnissen, was Transgender-Menschen (im Folgenden Trans* genannt) das Leben noch schwerer machen kann.

X: Das stimmt. Grundsätzlich ist Trans* ein Begriff für Menschen wie mich, deren Geschlechtsidentität sich von dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht unterscheidet. Leider können wir uns nicht aussuchen, wie wir auf die Welt kommen. Ich wurde mit einem männlichen Körper geboren, aber ich war mir nicht einmal sicher, womit ich zu kämpfen hatte. Erst in den 90er Jahren wurden all diese Informationen durch das Internet zugänglich. Und es hat viele Jahre gedauert, bis ich mich mit mir selbst abgefunden hatte, bevor ich anderen Menschen davon erzählen konnte.

E: Sie haben mir erzählt, dass es ungefähr ein Jahrzehnt dauerte, bis Sie mit Ihrer Familie darüber sprechen konnten. Können Sie uns ein wenig mehr über Ihre Geschichte erzählen?

X: Ja. Ich war fast 20 Jahre mit meiner Frau verheiratet und wir hatten damals einen Sohn im Teenageralter. Meine Identität hielt ich vor meiner Familie, meinen Freunden und Kollegen geheim. Wir führten ein „normales“ Familienleben und ich hatte schreckliche Angst, dass sie mich verlassen würden, wenn die Wahrheit ans Licht käme. Aber eines Tages nahm ich all meinen Mut zusammen und schrieb einen Brief an meine Frau. Nachdem sie den Brief gelesen hatte, weinten und redeten wir die ganze Nacht und natürlich noch darüber hinaus. Ich bin wirklich froh, dass meine Familie bei mir geblieben ist und zu mir gehalten hat.

E: Wie fühlten Sie sich damals?

X: Es war, als würde ich das Ventil eines Schnellkochtopfs öffnen – ich konnte all die Dinge herauslassen, die ich so viele Jahre lang unterdrücken musste!

E: Ich kann mir das gut vorstellen. Sich zu outen ist eine der größten Herausforderungen für Trans*-Menschen. Viele leiden immer noch unter gesellschaftlicher Stigmatisierung und Diskriminierung.

X: Leider ist die Selbstmordrate unter Trans*-Menschen relativ hoch. Viele Dinge in der Gesellschaft – wie gesellschaftliche Normen, Gesetze, medizinische Systeme – machen es Trans*-Menschen nicht immer leicht.

E: Wir haben noch einen langen Weg vor uns, um ein Umfeld zu schaffen, das Trans*-Menschen wirklich einschließt. Wie erging es Ihnen am Arbeitsplatz?

X: Es dauerte noch ein paar Jahre, bis ich mich in der Firma outen konnte. Ich habe alles gemeinsam mit meiner Familie vorbereitet und 2011 mit der Personalabteilung und dem Betriebsrat gesprochen. Die Zusammenarbeit mit der Personalabteilung war toll. Die nächsten Schritte haben wir dann zusammen unternommen. Ab November kam Xenia zur Arbeit. Natürlich war ich sehr nervös und unsicher, wie meine Kollegen reagieren würden. Als ich ins Büro kam, war ich angenehm überrascht und überwältigt von den vielen netten E-Mails und Gesprächen in den Fluren und Büros. Beim Anblick eines Kuchens in Herzform mit der Nachricht „Willkommen Xenia“ auf meinem Schreibtisch verlor ich die Fassung und brach in Tränen aus.

E: Ich freue mich zu hören, dass Sie sich sicher genug gefühlt haben, um sich authentisch in die Niederlassung einzubringen. Zusammen mit Ihrer Frau haben Sie den gemeinnützigen Verein Gendertreff e.V. gegründet. Können Sie uns mehr darüber erzählen?

X: Das ist eine Selbsthilfeorganisation, die Informationen und eine Austauschplattform zum Thema Trans*-Menschen bietet. Sie richtet sich nicht nur an Trans*-Menschen selbst, sondern auch an ihre Familien und Verwandten, was ich für sehr wichtig halte. Unser Ziel ist, diese Menschen dabei zu unterstützen, in ihrem eigenen Tempo ihren individuellen Weg zu finden, der sich für sie richtig anfühlt. Nicht alle Trans*-Menschen wollen sich auf Hormonpräparate oder eine geschlechtsangleichende Operation einlassen.

E: Xenia, vielen Dank, dass Sie uns Ihre Geschichte so offen erzählt haben. Möchten Sie mit einer Frage den Stab an die nächste Person übergeben?

X: Sicher. Ich möchte diese Frage an meinen Kollegen richten: Was hat dich motiviert, sich als Beauftragter für Chancengleichheit bei uns zu engagieren?

E: In der nächsten Ausgabe sprechen wir mit dem Kollegen aus der IT-Abteilung.

 

Kommentar aus einer eMail:
Ich wollte dem Gendertreff e.V. eine Spende zukommen lassen, bevor ich mich mit einer persönlichen Nachricht an Sie wende. Wie so viele in unserem Unternehmen war ich unglaublich bewegt von Ihrer persönlichen Geschichte in der jüngsten Unternehmenskommunikation. Ich wollte einen Weg finden, mich bei Ihnen für Ihren Mut, Ihre Ehrlichkeit und auch karitative gute Arbeit zu bedanken. Ihr Fokus darauf, anderen zu helfen, ist unglaublich bewundernswert und verdient es, unterstützt zu werden. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg und ein tiefes Glück, das jeder von uns in diesem kostbaren Leben, das wir haben, genießen sollte.

>> In kleinen Schritten, mein Weg zum Ich – Dokumentation
>> Flyer „Transidentität am Arbeitsplatz“
>> Glossar

 

INHALTSVERZEICHNIS

Digitale Grüße statt Messestand

Autorin: Nicole

Da die Gendertreff-Messe & Fachtagung aufgrund der Pandemie in diesem Jahr leider nicht stattfinden konnte, möchten wir von BLEND, der Bayer LGBT+ Community, dennoch ein paar Worte an alle Besucherinnen und Besucher richten, die uns gerne persönlich getroffen hätten. Wie bereits bei der letzten Gendertreff Messe & Fachtagung, hatten wir wieder einen Stand geplant und wären dieses Mal sogar mit einem Vortrag dabei gewesen. Unser Ziel: Bayer als attraktiven Arbeitgeber und Ausbildungsbetrieb vorstellen. Es gibt eben auch Betriebe, Unternehmen und Konzerne, die mit „uns“ keine Probleme haben. Ich sage an dieser Stelle bewusst „uns“, denn ich gehöre auch dazu.

Weiterlesen

Mögliche betriebliche Richtlinien zur Geschlechtsangleichung

Die aufgeführten Richtlinien können dazu dienen, die Probleme am Arbeitsplatz anzusprechen, mit denen Transgender-Mitarbeiter eventuell im Laufe ihres Arbeitslebens konfrontiert werden könnten. Alle Mitarbeiter haben das Recht, ihre Geschlechtsidentität offen und ohne Angst vor möglichen Konsequenzen auszudrücken. Alle Mitarbeiter sind fair und mit Respekt zu behandeln.

Weiterlesen

Auf dem Weg zur Arbeit

Autorin: Petra

 

So Ihr Lieben,

mal wieder was zum Schmunzeln von mir und ich weiß jetzt schon, ich kriege auch wieder Schimpfe im Forum. 🙂

Seit Anfang des Jahres gehe ich als Petra zumindest in die Firma und verlasse diese auch so wieder. Eine Abmachung mit meinem Chef, denn solange ich noch keine Personenstandsänderung habe, könnte er das nicht anders vertreten. Nach der ist alles in Ordnung.
Da ich während der Arbeit Blaumann und Sicherheitsschuhe trage, ist das kein Problem für mich.

Seit 2 Wochen geht das jetzt so, wobei ich Feigling, letzte Woche noch mit dem Auto zur Arbeit bin. Ich lehne das aus tiefstem Herzen ab und benutze normalerweise entweder Fahrrad, Bus oder Bahn. Also dann, diese Woche galt es.

Um 5:20 Uhr in der Früh sind in der Stadt noch nicht allzu viele Menschen. Auf dem Weg zum Bahnhof war nichts Auffälliges. Am Bahnhof angekommen, schon ein etwas anderes Bild. Bahnsteig 4 um 5:35Uhr – Blicke…….
Einer der Herren die dort standen, wusste nicht wohin er schauen sollte, ein anderer vergaß fast das Einsteigen in den Zug und rammte den Türrahmen. Eine Frau, die ich morgens dort regelmäßig treffe, musste einen Augenblick überlegen. „Irgendwoher kenne ich doch die Person.“ Aber als sie mich erkannte, ein herzliches Guten Morgen und Respekt, sie trauen sich was.

Im Zug selber saßen meine beiden Kollegen, die meine Transition von der Weihnachtsfeier zwar kannten, aber nicht um die Zeit im Zug. Aber auch hier, kein Problem.

Ich war reichlich mehr als nur nervös, vor dem ersten Mal und bin es auch jetzt noch (Clara, müsste  dir bekannt vor kommen). Zudem bin ich mit meinem morgendlichen Erscheinungsbild noch nicht ganz zufrieden. Aber, es lohnt sich über seinen Schatten zu springen. Es gibt neben den üblichen, halbgaren Reaktionen jede Menge positive Feedbacks. Übrigens etwas, zu dem mir der Gendertreff mit seinen Treffen viel Mut gemacht hat.

>> Inhaltsverzeichnis

Xenia am Arbeitsplatz

Kurz nach meinem 10-Jährigen Firmenjubiläum lud ich eine Kollegin vom Betriebsrat und die AGG-Beauftragte zu einem Meeting ein. Mir war flau im Magen und so trafen wir uns in einem der freien Konferenzräume. Ich stammelte los und schwups war es raus – Ich hatte mich als transidente Person geoutet. Alles war vorher mit meiner Frau gut vorbereitet. Die Reaktion war, wie ich gehofft hatte, super positiv. Parallel zu dem Gespräch in der Firma hatte ich bereits meine Unterlagen an das Amtsgericht geschickt und seit ca. einem halben Jahr nahm ich bereits Hormone. Meine Kolleginnen sprachen mir ihren Respekt aus und wir trennten uns nach ca. einer 3/4 Stunde.  Ich flatterte immer noch am ganzen Körper.

Zurück im Büro, natürlich mit Pokerface, saß ich keine viertel Stunde am Schreibtisch, da stand auch schon die AGG-Beauftragte wieder neben mir und meinte, dass wir uns doch gleich noch mal zusammensetzen sollten. Diesmal gleich mit der Geschäftsleitung und dem Vorgesetzten, sonst wäre erst wieder in 4 Wochen ein Termin frei um alle zusammen zu bringen. Also saßen wir wieder in dem besagten Konferenzraum, aber diesmal in einer größeren Runde. Ich erzählte meine Geschichte und zeigte Alltagsbilder von mir. Niemand hatte ein Problem und alle hatten Respekt vor meinem Mut.

Wir gingen dann auch gleich in den nächsten Tagen an die Planung. Wie bringen wir es ins Unternehmen und wann geht es los. Wir guckten uns ein verlängertes Wochenende mit Brückentag aus, ca. 4 Wochen nach den Gesprächen. Diese 4 Wochen waren zugegeben für alle Beteiligten die schlimmste Phase.

Meine Frau und ich hatten eine eMail verfasst, die an meinem letzten Arbeitstag zusammen mit einer Erklärung der Geschäftsleitung an alle Kollegen und Kolleginnen gesendet werden sollte. Ich verschwand in den Kurzurlaub und alle Mitarbeiter bekamen etwas „spannendes“ zu lesen. Gerne hätte ich Mäuschen gespielt.

*

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

beigefügt möchten wir Ihnen heute einen offenen Brief Ihres Kollegen übersenden. Bitte nehmen Sie sich die Zeit, um diesen in Ruhe zu lesen. Wir möchten unterstreichen, dass die Firma die Entscheidungen und die kommenden Änderungen voll mitträgt und unterstützt. Auch Sie möchten wir alle bitten, das Thema mit Respekt und Toleranz zu behandeln. Wir möchten an dieser Stelle ausdrücklich betonen, dass die Firma in diesem Sachverhalt keine Diskriminierung akzeptieren wird.

Wir hoffen auf Ihr Verständnis und danken – auch im Namen Ihres Kollegen – für Ihre Unterstützung.

Mit freundlichen Grüßen
Präsident, Personalchefin, Abteilungsleiter, Teamleiter

[Offener Brief im Anhang]
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
viele von Ihnen kennen mich als langjährigen Mitarbeiter der Firma. Ich bin gerne in diesem Unternehmen tätig und hatte im Juli dieses Jahres mein 10-jähriges Dienstjubiläum. Was Sie nicht wissen konnten und können, ist wie es in mir aussieht. Mein Leben lang schlummerte etwas in mir, was mir früher auch nicht klar war, aber ich endlich seit 2004 zulassen kann.

Ich bin Transsexuell und lebe privat seit meinem Outing 2004 fast ausschließlich nur noch als Frau, seit Anfang dieses Jahres zu 100%. Hier im Unternehmen verkleide ich mich quasi als Mann. Durch eine Therapeutin erfahre ich professionelle Unterstützung. Meine Familie und Freunde stehen zu mir und unterstützen mich. Ganz wichtig für mich ist es, dass meine Frau und mein Sohn auch die weiteren Schritte mittragen werden.

Die AGG-Beauftragte und der Betriebsrat, sowie die Personalabteilung und direkten Vorgesetzten sind unterrichtet, dass ich in Zukunft als Frau hier meine Tätigkeit weiter ausüben werde. Auch dieser offene Brief entstand in einvernehmlichen Gesprächen. Der Antrag zur Personenstandsänderung wurde beim Amtsgericht Düsseldorf eingereicht und es bedarf nun noch einiger Gutachten und Formalitäten, bis die Änderung rechtskräftig ist.

Die meisten von Ihnen werden sich mit diesem Thema noch nicht auseinander gesetzt haben, deshalb müssen wir uns gegenseitig die Zeit nehmen und geben, um sich aneinander zu gewöhnen. Gerne stehe ich für Fragen zur Verfügung.

Ich hoffe, dass das gute kollegiale Verhältnis zu Ihnen weiter bestehen bleibt und Sie mich als Frau genauso akzeptieren wie vorher als Mann. Sie werden eine ausgeglichene Kollegin bekommen, aber ich werde der gleiche Mensch bleiben wie vorher.

Ich freue mich auf weitere Jahre der Zusammenarbeit.

Vielen Dank
Xenia
[/Offener Brief]

*

Nach dem langen Wochenende war dann Xenia`s Premiere. Mit leicht wackligen Beinen betrat ich mein Büro. Für den ersten Arbeitstag hatte ich Strumpfhose, Jeanshose, ein helles Longshirt und Pumps mit einem leichten Absatz angezogen. Ich war leicht geschminkt und die Haare brauchten nur noch entsprechend geföhnt zu werden, denn die Länge stimmte bereits. Ich öffnete meine eMails und staunte nicht schlecht über die vielen positiven Reaktionen aus dem Unternehmen. Der Höhepunkt aber war eine Torte in Herzform mit der Aufschrift „Herzlich Willkommen Xenia“ von einer Kollegin. Ich verlor kurz die Fassung. Dann versuchten alle einen normalen Arbeitstag zu verbringen.

Das aber scheiterte daran, dass ich im Gebäude, im Laufe des Tages, immer wieder  umarmt wurde oder mir mit Handschlag gratuliert wurde. So ging der erste Tag zu Ende.

Ein halbes Jahr später sagte mein damaliger Chef zu mir, dass man es auch an meiner Arbeitsleistung merken würde, dass ich nun glücklich, zufrieden und befreit bin.

Ich durchlief eine pubertäre Phase (Hormone) und ca. 2 Jahre nach dem Outing im Betrieb bekam ich einen Termin zur geschlechtsangleichenden Operation. Wir sprachen uns ab und ich konnte den Termin in der Uniklinik Essen bestätigen. Nach ca. 6 Wochen war ich wieder einsatzbereit.

Zwischenzeitlich hatte der Chef gewechselt und ich hatte wohl in den letzten Wochen einigen Bockmist verzapft, so dass mein Chef und ich aneinander gerieten. Mein neuer Chef musste sich auch noch einarbeiten und so drehte sich jeder um sich selbst. Meine 2. OP folgte ein paar Wochen später.

Wieder im Betrieb gingen mein Chef und ich uns ein wenig aus dem Weg. Das funktionierte gut, weil einer meiner Kollegen nun Teamleiter im Innendienst geworden war. Die Monate flogen so dahin und es gab hier und da auch immer mal wieder ein kurzes Gespräch über meinen Werdegang.

Nun ist das Outing bereits 6 Jahre her und das Verhältnis zu meinem Chef ist wieder gut. Es hat eine bis mehrere Aussprachen gegeben und außerdem sind Kollegen, Kolleginnen, Teamleiter und Chef sehr zufrieden mit meiner Arbeitsleistung und meiner Zwischenmenschlichkeit.

Was aber mit Kunden und Lieferanten? Dazu muss ich sagen, dass ich in der Auftragsabwicklung arbeite und auch für den Einkauf im In- und Ausland zuständig bin. Bei Kunden gibt es heute noch teilweise Aufklärungsbedarf wegen der etwas dunkleren Stimme, aber das lässt sich meist kurz erklären. Ich sage dann schon mal: „Keiner macht sich selber“, „Keiner sucht sich das aus“, „Jeder muss das Beste aus seinem Leben machen“ oder „Frau mit männlichem Migrationshintergrund“. Ein Problem gab es auf jeden Fall noch nie!

Bei Lieferanten war es ähnlich, wobei man sich ja schon einige Jahre kannte. Eigentlich alle hatten es positiv aufgenommen, egal ob im In- oder Ausland. Einige benötigten noch eine gewisse Übergangszeit und wollten meinen Mann sprechen oder fragten an, ob mein Mann nicht mehr dort arbeiten und ich jetzt die Stelle besetzen würde. Auch eMails wurden noch an die alte Adresse geschickt, die aber unsere IT-Abteilung weitergeschaltet hatte. So kam es teilweise zu lustigen und interessanten Gesprächen.

Alles in allem habe ich nur gute und positive Erfahrungen gesammelt und bin glücklich und zufrieden wie es jetzt ist. Dass mal ab und zu noch ein falsches Pronomen rausrutscht stört mich nicht. Meist regelt es sich von ganz alleine unter den Kollegen oder man überhört es schlichtweg. Aber man muss natürlich aufpassen, dass es nicht Absichtlich geschieht und in Mobbing oder Diskriminierung ausartet. Ich für meinen Teil kann das allerdings nicht bestätigen.

Da ich auch noch Sicherheitsbeauftragte im Unternehmen und viel im Gebäude unterwegs bin, schauen schon mal Handwerker oder Laufkundschaft einmal mehr hin, aber es ist alles ganz easy. Auch bei Schulungen usw. werde ich als Mensch akzeptiert, der_die einen kleinen Geburtsfehler hat. Mittlerweile ist der behoben und alles ist gut!

Xenia

 

>> Trans* am Arbeitsplatz

>> In kleinen Schritten, mein Weg zum Ich – Dokumentation

>> Zur Inhaltsübersicht

Andreas halbes Jahr in Kurzform

Autorin: Andrea

Hallo Mädels

Sorry, dass ich mich schon seit einer Ewigkeit nicht mehr gemeldet habe. Ich glaube es ist fast ein halbes Jahr her, dass ich das letzte Mal im Gendertreff-Forum war. Aber so wie mein Leben in der Zeit verlaufen ist, ist es vermutlich zu entschuldigen. Aber entscheidet bitte ihr nach meinem Bericht.

Alles begann im Januar mit meiner ersten Sitzung bei meiner Psychologin. Mit ihr habe ich das große Los gezogen. Sie kennt sich mit Transidentität super aus und arbeitet sogar als Gutachterin für das Gericht. Bei meiner 3. Sitzung fragte ich vorsichtig wegen einer Hormontherapie an. Sie gab mir mehrere Adressen von Ärzten, die diese durchführen und sagte, sie setze noch ein Schreiben für den dann mich behandelnden Arzt auf. Dieses Schreiben konnte ich bei der nächsten Sitzung mitnehmen. Sie meinte, das erste Gespräch mit diesem Arzt würde erst mal nur ein Beratungsgespräch, aber das werde ja auch schon ein weiterer Schritt zu meinem wahren Ich. Inzwischen hatte ich einen Termin bei einer Gynäkologin in Dresden gemacht. Allerdings musste ich noch 4 Wochen warten bis dahin.

In der Zwischenzeit stand mein Outing in der Firma an. Das war glaube ich für mich der schwerste Schritt in mein neues Leben, aber es musste sein. Schwer war es dadurch, dass ich in einem männerdominierten Beruf arbeite und meine Kollegen alles Männer sind. Außer ein paar Frauen, die im Büro arbeiten. Mit meiner Psychologin und der Hilfe des Gendertreff erstellten wir gemeinsam einen offenen Brief, welchen ich dann noch mit unserer Betriebsleitung durchsprach und der dort für gut empfunden wurde. An einem festgesetzten Termin, mein letzter Arbeitstag vor meinem ersten Urlaub, wurde der Brief an alle Mitarbeiter verteilt. Nach meinem Urlaub (1Woche) ging ich natürlich mit Herzklopfen zur Arbeit. Ich hätte nicht gedacht, dass das so reibungslos verlaufen würde.

Es kamen keine blöden Sprüche oder Bemerkungen, manche Kollegen begrüßten mich sogar mit „Guten Morgen Andrea“. Die Frauen aus dem Büro sagten mir einige Tage später, dass mir das Weibliche besser stehen würde. Ein Kollege sagte mir ca. 2 Wochen später auf Montage, dass es unter den Kollegen schon lange Gerüchte gegeben hätte (vor meinem Outing), dass ich schwul sei, aber mit meinem Brief haben sich die Gerüchte verzogen, weil ich dort klar gemacht habe, dass ich nicht auf Männer stehe. Also in der Firma lief und läuft alles bestens. Dann kam mein Termin zum „Beratungsgespräch“.

Ich gab der Gynäkologin das Schreiben von meiner Psychologin und sie fragte mich dann selbst noch 10 min. aus. Wir sprachen über die Hormontherapie und weitere 10 Minuten später hielt ich ein Rezept mit einem Antiandrogen und einem Östrogengel in den Händen. Ich war an diesem Tag so happy! Die Zeit bis zum Abend konnte gar nicht schnell genug vergehen, bis ich die „Medikamente“ das erste Mal anwenden konnte.

Mitte April beantragte ich dann die Namens- und Personenstandsänderung beim Amtsgericht. Mitte Juni hatte ich meinen ersten Gutachtertermin und Ende Juli dann den zweiten. Alle beide verliefen einfach super und von beiden Gutachtern kam das OK. Jetzt im August habe ich 2 Wochen Urlaub. Die erste Woche haben wir in Bayern bei unserer Tochter verbracht, weil unsere Enkeltochter getauft wurde. Ein bisschen Magengrummel hatte ich schon, da die Schwiegereltern unserer Tochter von mir nichts wussten und zutiefst katholisch sind, aber auch das verlief prima. Und an unserem 26.+ 1. Hochzeitstag (+1 weil meine Frau sagt, für uns gehe eine neue Zeitrechnung los) hielt ich unsere Enkeltochter das erste Mal im Arm. Das war vielleicht ein Gefühl für mich, kann ich euch sagen.

So, das war mein letztes halbes Jahr in Kurzform. Zwischendurch musste ich natürlich auch arbeiten. Und das die meiste Zeit auf Montage, z.B. in Karlsruhe, Berlin und Frankenthal.

Liebe Grüße von Andrea

>> Inhaltsverzeichnis

Berufliches Desaster

Autorin: Katja

Hallo,
es ist in dieser Zeit sehr viel passiert, schöne Erlebnisse aber auch heftige die mein Leben grundlegend Veränderten.

Nun der Reihe nach.

Den Nebenjob bei der Lebensmittelkette war und ist schön gewesen. Vorbei, weil ich dort zu gründlich war und mir etwas zu viel Zeit gelassen habe. Auch bei einem anderen Markt ging es nicht gut. Meine Gründlichkeit war der Vorarbeiterin ein Dorn im Auge. Konserven und Tiernahrungsprodukte waren auch anstrengend. Von meinen Arbeitseinsatz waren sie wohl zufrieden auch zu meiner Person waren sie sehr angetan, ein schönes Klima eben dachte ich.

Zum Ende des Jahres kam ein Disput mit der Vorarbeiterin als sie sich Kopfschüttelnd von mir entfernte. Meine Gründlichkeit fiel den Festangestellten auf, was sie auch honorierten. Nur die Vorarbeiterin wies mich ab. Ich zog die Konsequenzen und kündigte erhobenen Hauptes.

In dieser Zeit war es sehr turbulent. Es ging auf und ab in dieser Zeit auch im noch realen Hauptjob war der Druck gestiegen. Das da jemand mit mir ein Spiel spielt, konnte ich bis dahin nicht sagen. Das Jahr endete mit einem Paukenschlag, mehr kann ich dazu zurzeit nicht sagen. Das neue Jahr begann mit einem schönen Erlebnis, Eine Silvester Feier aufm Rhein und verabschiedete das alte. Ja das war sehr schön. Aber was danach kam ist die Hölle auf Erden und habe ich in meinem Leben noch nie erlebt. Es war ein Schlag in die Magengrube und brachten meine Nerven zum Zusammenbruch. Es war so schlimm, dass ich in Betracht zog mein Leben zu beenden. Ich konnte einfach nicht mehr. Psychische Behandlung und Medikamente päppelten mich wieder auf. In dieser Zeit standen meine Freunde und Familie hinter mir. Ja ich wurde eingeladen zu unserem jährlichen Grünkohlwandern. Es hat mir gut getan und ich konnte ein wenig Abschalten.

Am 25 02.2015 war ein Termin, bei dem mich Nathalie begleitete. Meine Gefühle fuhren Achterbahn und ich sah in dieser Zeit mein Leben wie im Film ablaufen als diverse Mitstreiter mich beruhigten.

Mein Bruder entführte mich auch und lud mich zum Skifahren in eine Skihalle ein. Das hat mir gut getan. An diesem Wochenende hab ich meine Einkäufe erledigt, als wieder Gedanken in meinen Kopf schossen. Ich nahm einen Umweg und fuhr nicht direkt nach Hause. Es zog mich zu einem Berliner Curry Imbiss in der Landeshauptstadt und ich bestellte. Ich weinte die ganze Zeit, so dass das Essen fast nur noch nach Tränenflüssigkeit schmeckte. Gedanken die ich keinem wünsche. Ich fuhr dann in Richtung Heimat. Beschissen habe ich mich gefühlt und es war ein Schlüsselerlebnis. Gut das ich in ärztlicher Behandlung war.

Mittlerweile geht es ein wenig besser und der Kontakt zu Freunden tut mir gut und ist sehr wichtig. Von einem Termin im Mai hängt meine Zukunft ab und hoffe dass ich mein Leben neu gestalten kann. Beruflich werde ich mich dann neu orientieren müssen.

Möchte noch an die Berufstätigen sagen, passt auf euch auf. Es kann sein, dass der Schein trügt oder es ist nicht alles Gold was glänzt. Wenn ihr euch bedrängt fühlt, sagt es euren Vorgesetzten und verheimlicht es nicht.

Viele Liebe Grüße
Eure Katja.

<< Inhaltsverzeichnis

Julias Vorbereitung im Betrieb

Autorin: Julia

Erledigt! Das erste Gespräch mit meinem Sozialberater im Betrieb ist gelaufen. Ich muss sagen, dass ich mehr als Überrascht bin, denn ich bin nicht die Erste, die er auf dem Weg der Transition/des Outings bei uns im Konzern begleitet.

Er hat das ganze Thema vor einiger Zeit schon einmal in einer unserer Niederlassungen mit einer (heutigen) Kollegin durchgeführt. Dort hat es wohl wunderbar funktioniert und die Vorgesetzten haben dort wohl prima mitgemacht.

Mein Sozialberater kennt meine Vorgesetzten persönlich. Bei beiden geht er aktuell davon aus, dass es keinerlei Probleme geben dürfte. Wir haben lange darüber Gesprochen wer alles Informiert werden sollte und wie wir das anstellen. Er hatte an der Stelle noch ein paar gute Ideen, die mir so noch nicht in den Sinn gekommen waren. Es war also eine gute Entscheidung mit Ihm als erstes zu sprechen.

Meine Vorgesetzten wird er um einen Termin bitten und dabei auch erwähnen, dass es um das Thema „Transidentität am Arbeitsplatz“ geht. Bei diesem Gespräch wird er meinen Vorgesetzten dann die Flyer (Gendertreff und Arbeitsplatz) überreichen. Wer die Person ist, wird er aber erst einmal nicht ansprechen. So komme ich erst mal nicht ins Gespräch und kann das Outing an dieser Stelle kontrolliert durchführen.

Ansonsten gibt es nichts Weiteres zu berichten. Es war ein sehr lockeres und entspanntes Gespräch das mir eine Sorge genommen hat. Jetzt bin ich auf die nächsten Termine gespannt.

Julia

>> Inhaltsverzeichnis

Katjas Vorgespräch in der Uni Essen zur GaOP

Autorin: Katja

 

Hallo,
im August war ich in der Uni Essen zur Voruntersuchung, zum Kennenlernen und die Operationsmethode wurde mit mir besprochen. Es war ein gutes Gespräch und ich habe ein gutes Gefühl mich hier operieren zu lassen. Ich möchte im Nahbereich bleiben, so dass ich auch bei der Nachversorge und meine Angehörigen nicht zu weit fahren müssen.
Leider wurde ich nicht zur Operation zugelassen, weil mein BMI (Body-Mass-Index) unter 30 sein muss, wegen dem Bindegewebe unterhalb der Gürtellinie.

Im September habe ich angefangen meine Ernährung umzustellen und langsam purzeln meine Pfunde. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, aber wenn der Kopf mitspielt und eine Entscheidung steht, dann schafft man das. Man sollte nur nicht vergessen genügend Flüssigkeit zu sich zu nehmen, weil es sonst erhebliche Gesundheitliche Probleme gibt.
Zusätzlich habe ich mir auch noch ein Studio für Fitness und Ausdauer gesucht.

Im August habe ich auch wieder angefangen Nebenberuflich zu arbeiten, was mir erst einmal andere Probleme erträglicher macht.

Im Oktober wurde noch das 10 jährige Jubiläum des Gendertreff gefeiert und danach musste ich als Betriebsratsmitglied zu einem Fortbildungslehrgang. Es war eine lehrreiche und schöne Zeit und habe mich auch ein wenig erholt.

Viele neue Eindrücke und ich bleibe Glücklich!

Viele Grüße
Katja

<< Inhaltsverzeichnis