So kann es funktionieren – Aus der Sicht einer Partnerin

Autorin: Ute

Hallo,

ich denke, dass es hilfreich ist, mal die Sichtweise einer Partnerin aufzuzeigen.

Als sich meine Partnerin 2004 bei mir outete, hat mich das verwirrt, verletzt, beschämt, enttäuscht, verängstigt, erschreckt, es hat unglaublich viele Fragen aufgeworfen, mein Vertrauen in meine Partnerschaft weggeblasen und meine Lebensentwurf über den Haufen geworfen. Und jetzt? Ja, was nun? Was wird aus unserer Ehe? Wie komme/n ich/wir damit zurecht? Kommen wir überhaupt damit zurecht? Hat unsere Beziehung noch eine Chance? Was können wir tun, damit wir eine Chance haben? Fragen über Fragen und keine Sicherheit und Verlässlichkeit mehr. Jetzt kommt etwas in Bewegung, dessen Ausgang wir beide nicht mehr sicher in der Hand haben. Das machte mir große Angst und mir war klar, dass ich keine Chance hatte irgend etwas an der Situation zu ändern.

Nicht zuletzt blieb die Frage: Will ich das ganze überhaupt? Und das ist eine durchaus berechtigte Frage, denn hätte ich eine Frau heiraten wollen, dann hätte ich es getan. Für mich ändert sich schließlich auch einiges. Ich habe genauso ein Recht auf meine eigenen Lebensentscheidungen wie mein*e Partner*in. Das wird oft nicht gesehen. Das hat auch oft gar nichts mit dem immer wieder gerne angebrachten Satz: „Meine Frau versteht mich nicht!“ zu tun. Sie hat vielleicht einfach eine andere Lebensvorstellung, die sich nun nicht mehr mit der, der des/der Partner*in deckt. Das muss man aber auch zugestehen. Verständnis ist keine Einbahnstraße.

Und meine Frau? Sie hat mir von ihren Gefühle berichtet. Und dann hat sie das einzig richtige für unsere Beziehung getan. Sie hat mir alle Zeit gelassen, die ich brauchte, um:
• den ersten „Schock“ zu überwinden
• mich mit dem Outing auseinanderzusetzen
• gegenseitig zu verstehen, was das für Gefühle freisetzt
• wieder Vertrauen in meine Partnerin und damit in die Beziehung zu bekommen
• mich zu entscheiden, ob ich meinen Lebensentwurf weiterverfolgen oder anpassen möchte

Was hat sie noch getan? Sie hat:
• mich in ALLE Entscheidungen einbezogen
• mir teilweise das Tempo für weitere Schritte überlassen
• mir die Zeit gegeben, Erfahrungen mit „meiner Frau“ an meiner Seite zu machen
• mich meine eigene Entscheidung treffen lassen

So nach und nach durfte ich die Erfahrung machen, dass sich „meine Frau“ im Wesentlichen gar nicht verändert hatte und nicht verändern wird. „Trans*“ war immer schon ein Teil ihrer Persönlichkeit. Langsam begriff ich, dass das noch genau der Mensch ist, den ich so sehr liebte und mit dem ich zusammen leben wollte. Ohne den Druck ihr Inneres verstecken zu müssen, konnte sie frei zu sich und ihren Gefühlen stehen. Natürlich war mir klar, dass sich in unserer Beziehung sicher etwas ändern würde, aber ich hatte das Gefühl, dass ich eher etwas hinzugewinnen würde, als etwas zu verlieren. Das konnte ich nur, weil meine Frau sich zurückgenommen hat, um mir Zeit für das langsame hineinwachsen in die „neue“ Beziehung zu geben.

Mein Tipp:
Redet miteinander, seit offen und steht zu euren Gefühlen, bleibt dabei bei euch (keine du-Botschaften), lasst euch Zeit beieinander zu bleiben oder wieder zueinander zu finden, nehmt Rücksicht auf das Tempo des anderen, vereinbart klare Regeln für die weitere Vorgehensweise, haltet die Regeln ein, passt sie auch ggf. an – bleibt im Gespräch und nehmt immer wieder mal die Position des anderen ein (Sichtwechsel). Und ganz wichtig: Nehmt euch einfach mal in den Arm und fühlt die Nähe.

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