Outing vor Eltern und Schülern

Autorin: Ann-Sophie
 

Heute habe ich fast den kompletten Tag geschlafen, denn diese Woche war so emotional erlebnisreich, dass ich das ganze erst mal verarbeiten muss.
Die Outings gehen weiter, auch noch kommende Woche, von Kurs zu Kurs. Und was ich bisher einfach mal so sagen kann: Unsere Jugend ist weltoffener, toleranter und herzlicher als so manch Erwachsener. Ausnahmslos in allen Klassen und Kursen wurde ich von den Schüler_innen angenommen, ausgefragt und auf dem Pausenhof auch als Frau G. angesprochen. Die Kids gucken natürlich, ich werde jetzt erst mal im Rampenlicht stehen, freue mich aber auch jetzt schon darauf, wenn dann die Normalität endlich einkehrt.

Die häufigsten Fragen, die bisher auftauchten, sind wohl die typischen:
1. Lassen Sie sich dann umoperieren?
2. Stehen Sie dann jetzt auf Männer?
3. Schminken Sie sich dann auch?
4. Auf welche Toilette gehen Sie denn dann?
5. Haben Sie dann jetzt einen neuen Namen?

Ich habe alle Fragen recht offen, aber natürlich nicht zu persönlich beantwortet. Die Kids konnten sich so dann gut mit der Situation abfinden, denn Neugierde muss manchmal auch etwas befriedigt werden. Ich fühle mich nach diesen Feedbacks einfach selig und bin glücklich. Jetzt freue ich mich darauf, nach den Osterferien den allerersten Tag endlich unverstellt zur Schule gehen zu dürfen.

Das alles überwiegt. Meine Schulleitung hat sich dennoch mal wieder in meinen Augen taktlos eingemischt. Vor mehreren Kolleg_innen kam sie im Lehrerzimmer auf mich zu und sagte mir, ich solle doch bitte bis auf Weiteres die geschlechtsneutralen Toiletten benutzen (wir haben derlei vier in zwei Teamräumen). Ich weiß aus verlässlicher Quelle, dass eigentlich niemand ein größeres Problem damit hätte, wenn ich das Damenklo benutzte... außer meiner Chefin... Sie benutzt als letzte in Meetings meinen noch rechtlich gültigen Deadname. Fingerspitzengefühl = 0.

Seit meinem Outing bei ihr liegen nun über sechs Monate, in denen ich langsam, behutsam und mit viel Feingefühl vorangegangen bin und trotz begonnener HRT und außerhalb der Schule nahezu vollständig abgeschlossener sozialer Transition immer noch als Herr G. in die Schule gegangen bin, was mir sehr zugesetzt hat und in den letzten Wochen immer schwieriger wurde.

Es wird Zeit, dass sie merkt, dass sie sich eine sehr unangenehme Sparringspartnerin ausgesucht hat...

Und trotzdem freue ich mich darüber, dass Kolleg_innen und Schüler_innen weitaus toleranter und respektvoller mit mir umgehen. Das ist die Quintessenz dieser ersten Outingmarathonwoche. Das macht Mut!