Autorin: Flora
Als allererstes danke für eure Antworten zum letzten Beitrag! Ich freue mich jedes Mal. 🙂
In letzter Zeit war ich ja (leider?) etwas weniger aktiv im Forum, was an schwierigen Problemen in meinem Freundeskreis lag. Aber vielleicht kann ich zu einem späteren Zeitpunkt etwas mehr darüber schreiben. Ich kann aber sagen, dass ich wahrscheinlich in nächster Zeit wieder mehr beitragen werde! 🙂
Jetzt aber zu dem, worüber ich schreiben wollte:
Das mag vielen anderen Trans*Menschen zwar anders gehen, aber für mich ist es ziemlich leicht, im Alltag zu vergessen, dass ich Trans* bin. Ich bin vollständig geoutet, mittlerweile traut sich niemand mehr, mich offen anzufeinden, weitgehende Toleranz und an so mancher Stelle auch wohltuende Akzeptanz sind für mich normal. Und dafür bin ich unglaublich dankbar!! Aber manchmal, so auch in letzter Zeit, nimmt es mich dann umso mehr mit, wenn mir plötzlich unerwartet oft vor Augen geführt wird, dass ich „normal“ im Sinne der Gesellschaft wohl nie sein werde.
Angefangen hat es vor ein paar Wochen, als mein Bruder mir erzählte, ein Kumpel von ihm hätte nach mir gefragt. Besagter Typ ist Anfang 20 und hat sich in seinem ganzen Leben nicht die Bohne für mich interessiert- mit seinem Bruder hatte ich sogar regelmäßig Konflikte, als wir noch zur selben Schule gingen. Und genau dieser Typ hatte ihn jetzt nach mir gefragt, nach meinen „Veränderungen“, wie ich denn jetzt aussehe usw. Kommentar von meinem Bruder: „Du bist halt jetzt Dorfgespräch!“
Ich will jetzt gar nicht lange alle Arten ausbreiten, auf die mich die ganze Situation aufgeregt hat, deshalb die Kurzfassung: Leute, denen ich immer völlig egal war, interessieren sich jetzt auf einmal für mich, weil ich ja ach so exotisch bin. „Dorfgespräch“…als hätten die alle nichts Besseres zu tun. Und wie es mir geht, was mein Umfeld macht, das alles hat ihn nicht interessiert, nur wie ich denn jetzt aussehe. Da habe ich mich doch glatt gefühlt wie ein Ausstellungsstück im Museum. Alle glotzen es an, finden es mehr oder weniger interessant, reden ausgiebig darüber, aber es ist trotzdem hinter einer Scheibe, getrennt von den Menschen und ihren Gesprächen.
Kurze Zeit später hatte meine Oma Geburtstag, also fuhren meine Eltern und ich hin. Mein Bruder kam auch nach der Arbeit, genauso wie mein Onkel und meine Tante. Es war insgesamt ein schönes Fest(chen), ein typischer Familien-Kaffeeklatsch eben. Aber im Nachhinein wird meine Erinnerung daran überschattet von ein paar wenigen Momenten: Ein paar Mal ging es wieder mal um mich und meine Transidentität. Warum genau, weiß ich schon gar nicht mehr, ich glaube es ging um die PÄ/VÄ oder so, aber immer wieder fiel mein alter Name im Zusammenhang mit meiner Vergangenheit. Zu allem Überfluss bekam dann meine Oma noch einen Anruf von ihrem Bruder, der sich nicht mehr daran erinnern konnte, dass ich nicht Enkel sondern Enkelin bin. Meine Oma musste es ihm dann so mühsam am Telefon erklären wie es eben ist. Insgesamt hat sie es toll gemacht, aber die Benutzung von Pronomen war eine Katastrophe. Als ich am Abend mit meiner Mutter nach Hause fuhr, habe ich ihr versucht zu erklären, warum es mich so stört, wenn von mir immer noch als „er“ mit meinem alten Namen geredet wird. Dass es für meine Identität schlicht falsch ist, wenn man davon ausgeht, dass ich einmal ein Junge gewesen wäre. Dass ich nicht einfach durch einen komischen Zaubertrick von einer Sekunde zur anderen auf einmal zur Frau wurde. Dass es mich eben einfach verletzt, wenn meine Weiblichkeit mehr oder weniger unterbewusst so oft hintereinander in Frage gestellt wird. So richtig eingesehen hat sie es nicht. Da musste ich merken, dass es egal ist, ob man noch so tolles „Passing“ hat, wie lange man schon zu seiner Identität steht, wie aufgeschlossen und tolerant gegenüber Intoleranz man ist- es gibt immer noch Dinge, die zu fest in den Köpfen der anderen verankert sind, um sie zu ändern. Dass ich eine Frau bin, haben alle verstanden. Dass ich aber nie ein Junge war, das geht auch in die Köpfe der nettesten Menschen offensichtlich noch nicht rein.
Und dann heute die Krönung:
Unsere Stufe plant momentan unser Abimotto für das nächste Jahr, weshalb in der WhatsApp-Gruppe viel los ist. Normalerweise halte ich mich da zurück, aber ich schickte diesmal eine Nachricht zu dem Motto, was ganz banales, das nichts mit dem zu tun hatte, was danach kam. Wenig später kam eine Sprachnachricht von irgendeinem Typen, der sich offensichtlich das Handy von einem aus meiner Stufe geschnappt hatte. Sie war nur 2 Sekunden lang, also hörte ich es mir an. Es war…etwas anderes als ich erwartet hatte. Die fremde Stimme stöhnte theatralisch erregt meinen Namen ins Mikro. Kurz darauf das ganze nochmal mit einem passenden „Jaaa“ dazu. Ich war (wie ihr euch vielleicht vorstellen könnt) ziemlich geschockt und verwirrt. Da ich zu dem Zeitpunkt wo die Nachrichten geschickt wurden nicht online war, also bloß eine halbe Stunde später das ganze Gespräch lesen bzw hören konnte, konnte ich auch die Antworten der anderen aus dem Chat lesen. Nach einem „Was hast du für Freunde?“ kam noch ein „Name des Typen am Mikro ist cool!!!!!!!“ von zwei anderen ging es dann wieder weiter mit dem Gespräch über das Abimotto. Da war ich wieder richtig wütend, weil das typisch ist. Einer baut scheiße, 65 Leute schauen zu und tun nichts dagegen. Es läuft eben online genauso wie auf der Straße.
Jedenfalls habe ich dann die Initiative ergriffen und ihn im Einzelchat angeschrieben. Sinnlos provozieren und dann abhauen, damit sollte er nicht davon kommen. Ich wollte ihn zumindest stellen, auch wenn ich dafür noch mehr einstecken müsste. Die Details über den…“Austausch“ will ich euch lieber ersparen, aber so viel vielleicht: Ich erklärte ihm, dass ich das total ekelhaft fand und dass er was auch immer lieber privat und nicht in so einem Chat machen soll. Es ging dann hin und her, er schickte immer nur kurze Antworten und erzählte mir wirre Geschichten davon, wie er mich von der Bettkante stoßen würde oder davon dass sein Freund einen großen …. hätte, genau wie ich. Irgendwann bekam ich ihn aber zum Reden und am Ende erklärte er mir (in überraschend passender Wortwahl im Verhältnis zu davor), dass er gar nichts gegen Transgender hätte (er kannte sogar das Wort!!!) und dass ich einfach nur seinen „Humor“ (Damit meinte er die Nachrichten im Gruppenchat) nicht verstanden hätte. Wir verblieben dann so, dass er das nicht mehr in so einem großen Chat macht und ich mich mit seinem „Humor“ abfinde. Er wünschte mir sogar ein schönes Wochenende.
Ich weiß nicht, wie die Situation auf euch jetzt wirkt, vor allem in eingekürzter Version (gut, ganz so kurz war sie auch wieder nicht…), aber dafür, dass ich einen schwer pubertierenden, betrunkenen Typen vor mir hatte, der sich auf irgendeiner Party das Handy von seinem Kumpel geschnappt hat um damit wahllos Leute zu erniedrigen, lief es doch ganz gut! Ich muss dazu sagen, dass ich (leider) viel Erfahrung mit dieser Art Junge habe, deshalb waren meine Erwartungen sehr niedrig. Umso besser, dass es so ausgegangen ist!
Also halten wir fest: Auch als „gestandene“ Transfrau (und als solche empfinde ich mich mittlerweile) können solche Dinge immer wieder passieren. Entscheidend ist aber, was man daraus macht! Die (auf gut Deutsch gesagt) strunzblöden Meinungen kann man vielen nicht nehmen, aber man kann sie zumindest dazu bringen, sich bewusst zu werden, dass sie sie nicht einfach folgenlos irgendwo auskotzen können. Es kostet zwar viel Kraft, aber danach fühlt man sich gleich viel stärker!
Liebe Grüße,
Flora