Julia im Betrieb

Autorin: Julia

Hallo zusammen,

es wird dann doch mal Zeit, dass ich die letzten Wochen ein wenig zusammenfasse. Mal sehen ob ich das noch alles rekonstruieren kann.

Vorbereitung und Durchführung meines Outings am Arbeitsplatz:
Im Vorfeld hatte ich mit meinem Therapeuten grob den Plan durchgesprochen wie ich das ganze angehen wollte. Nachdem wir das ganze besprochen hatten habe ich einen Termin in der folgenden Woche mit meinem Sozialberater ausgemacht. Am 30.10.2014 hat das Gespräch dann auch stattgefunden. Wir haben in diesem Termin darüber gesprochen wie weit ich das Thema Transidentität auch am Arbeitsplatz ausleben möchte. Nachdem das geklärt war, haben wir dann festgehalten wen wir alles informieren, bevor wir meine direkten Kollegen einweihen. In dem Gespräch haben wir uns auch überlegt wie wir, aus unserer Sicht, das kritischste Gespräch gestalten. Nämlich meine direkten Vorgesetzten.

Die Taktik dazu sah folgendermaßen aus:
Mein Sozialberater hat mit meinen beiden Vorgesetzten einen Termin vereinbart. In diesem Termin hat er dann kurz erklärt um welches Thema es geht. Nachdem er die Zusagen auf Unterstützung hatte, bin ich zu diesem Termin dazu gestoßen. So konnte das Thema Personen unabhängig besprochen werden. Das weitere Gespräch verlief dann etwas holprig. Beide Vorgesetzten waren zu überrascht als das ein flüssiges Gespräch noch möglich gewesen wäre. Nach einer Zeit hatten sich beide dann aber gefangen und wir konnten die nächsten Schritte durchsprechen.
Als nächstes habe ich dann den Betriebsrat informiert. Das Gespräch war sehr kurz und diente lediglich der Information. Aber da ich ein gutes Verhältnis zum BR habe, wollte ich ihn auch direkt informieren. Wer weiß wozu man ihn noch braucht.

Zusammen mit meinem Sozialberater habe ich dann einen Termin mit der Personalabteilung gemacht. Diesen haben wir dann ebenfalls über die anstehende Veränderung informiert. Er stand der ganzen Sache sehr aufgeschlossen gegenüber. Daher war das Thema Transidentität schnell besprochen. Länger haben wir dann über die Möglichkeiten gesprochen wie und ob man meine Identität auch in den Systemen anpassen kann. Es gab dazu ein paar interessante Ansätze. Allerdings konnte er mir nichts versprechen und wollte sich dazu bei anderen Stellen erkundigen was möglich ist. Das fand ich erst mal sehr positiv. Er hat seine Einstellung zu dem Thema Transidentität in einem kurzen Satz sehr deutlich auf den Punkt gebracht: "Wenn so etwas bei uns nicht geht, wo denn dann".

Nachdem ich damit alle Stellen abgeklappert hatte war es bereits der 19.11.2014 geworden. Bei den Terminen hatte ich viel Glück das keine der Personen im Urlaub oder anderweitig verhindert war. Damit reifte aber auch der Plan den Wechsel im Beruf über die Winterpause zu vollziehen. Mit diesem Plan bin ich dann zu meinen Vorgesetzten gegangen. Gemeinsam haben wir dann überlegt wie wir die Information am besten in allen angeschlossenen Bereichen und bei meinen Kollegen platzieren. Nach einigem hin und her stand der Plan.

Unser Betrieb hatte am 19.12.2014 den letzten Arbeitstag. Ich sollte in der letzten Woche aber noch mal nach München zu einer Dienstreise. Damit stand der Termin für das Outing auf dem 12.12.2014 fest. Da die Mitarbeiter die ich informieren wollte auf der ganzen Welt verteilt sind, haben wir uns für eine eMail entschieden. Diese wollte mein Abteilungsleiter versenden und dort auch eine entsprechende Ansage machen. In die eMail war ein offener Brief von mir eingebettet. In diesem habe ich dann erklärt um was es geht.

Der Zeitplan an diesem Freitag war sportlich:
10 Uhr Information der Teamleiter in unserer Abteilung. Das Gespräch hat mein Abteilungsleiter eingeleitet und hatte auch vorher eine Anwesenheitspflicht ausgesprochen. Daher waren auch wirklich alle da. Die Resonanz der Teamleiter war durchweg positiv und man hat mir sehr viel Respekt für diesen Schritt gezollt.
Um 13 Uhr habe ich dann mit meinem Teamleiter zusammen mein Team informiert. Auch hier wurde mir viel Respekt entgegengebracht. In beiden Runden kamen zaghafte Nachfragen zu dem Thema. Die Vorsicht nicht in ein Fettnäpfchen zu treten, konnte man aber in beiden Runden spüren.
Nach den beide Runden habe ich mich dann in das Wochenende verabschiedet und sollte meinen ersten Arbeitstag auch erst im neuen Jahr haben. Nachdem ich Feierabend gemacht hatte wurde die eMail versendet. Es hat knappe 30 Sekunden gedauert bis mein Handy klingelte und eine Kollegin dran war. Sie wollte sich unbedingt noch verabschieden und mir alles Gute wünschen. Ganz nebenbei fand sie meine Entscheidung sehr mutig und toll.
Da ich über den Jahreswechsel immer meinen Laptop mit nach Hause nehme, konnte ich auch noch später in meine eMails schauen. Es gab einige Rückmeldungen aus dem In- und Ausland. Alle fanden meine Entscheidung gut und haben mir ihre Unterstützung zugesagt. Das hat sehr gut getan.

Die Dienstreise habe ich dann schon komplett en femme verbracht. Vorher hatte ich dem Schulungszentrum einen kurzen Hinweis auf meine Transidentität gegeben. Als ich dann dort ankam war alles vorbereitet. Die Namensschildchen, die Teilnehmerliste und auch die Teilnahmebestätigung waren auf den richtigen Namen ausgestellt. Einzig der Flug nach München war nicht so toll. Man hat es geschafft meinen Koffer direkt in Düsseldorf zu verschlampen. Daher stand ich in München ohne Koffer da und musste neben meiner Schulung auch noch hinter meinem Koffer her telefonieren. Leider konnte er die ganze Zeit nicht gefunden werden. Erst in Düsseldorf am Flughafen konnte ich dann im "Lost and Found" meinen Koffer wiederbekommen.

Heute sollte mein erster Arbeitstag sein. Mit einem leicht mulmigen Gefühl bin ich heute morgen dann zur Arbeit gefahren. Noch mal tief eingeatmet und rein ins Büro. Bei uns ist es üblich das jeder persönlich begrüßt wird. Bei jedem einzelnen stimmte der Name und die Personalpronomen. Ich war sehr überrascht. Ansonsten gab es keinen einzigen Kommentar. Alles ist so wie es immer gewesen ist. Auch die Kollegen die ich nicht über eMail informiert habe bekommen die Veränderung gerade mit. Aber auch da ist bisher noch nichts negatives gekommen und ich denke auch nicht das da noch irgendetwas kommt.

Das heißt für mich, dass ich ab jetzt meinen Alltag genießen kann... 🙂

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