Massenouting

Joselle hat ja schon einiges erlebt und hier auch an alle weiter gegeben, aber lest selbst ihre erlebte Geschichte über ihr Massenouting:

Hast Du eine Wette verloren….?

oder ist bei Dir schon Karneval?

Das waren die zwei häufigsten gestellten Fragen am gestrigen Samstagabend.

Was war geschehen?

Lange geplant war der Besuch auf der Hüttengaudi (Oktoberfest) bei uns im Ort. Die Karten schon lange vor unserem Urlaub besorgt und ich habe mir immer wieder Gedanken um diesen Abend gemacht. Denn es sollte der erste „öffentliche Auftritt“ von Josi sein. Der Auftritt alleine ist ja mittlerweile relativ unspektakulär, aber die überwiegende Mehrheit des erweiterten Freundeskreis, Bekannten und Vereinsmitglieder aus dem Kreise der Schützen und Karnevalisten kannten Josi bisher noch nicht. Und da ich aber schon der / dem ein oder anderen begegnet bin, ohne dass ich erkannt wurde, wollten wir beide (meine Frau und ich) das „abstellen“. Es ist doch eine unschöne Begegnung, wenn man nicht grüßen kann.

Es ist quasi ein „Massenouting“ geworden.

Denn jeden einzelnen per Mail darüber zu informieren um was es bei mir geht, fanden wir doof und wollten wir auch nicht. Warum also nicht gleich die Person vorstellen um die es geht?

Mein Vorstellungsflyer wurde auf DIN A 5 beidseitig reduziert und so musste ich auch nicht gegen die Lautstärke ankämpfen, auch weil unsere beider Stimmen sehr lädiert waren und der Abend eh in den Sternen stand. Viele Überlegungen wurden vorher bezüglich des Outfits, des Flyers und den bevorstehenden Reaktionen gemacht. Auch wenn wir beide wussten, dass bisher zu 99 % immer alles gut gelaufen ist, so ist die Anspannung doch recht groß gewesen.

Nach dem ein zweites Dirndl besorgt wurde, weil ich mich in meinem ersten nicht mehr so wohl fühlte (war von der Farbe doch sehr auffällig – Knallgrün mit Lila abgesetzt), wurde die vergangenen 14 Tage der Flyer überarbeitet.

Ab Mittwoch veränderte sich die Lage aber zusehends, weil meine Frau erkrankte. Ihr Teamführer kennt uns beide gut, und hatte ab Freitagmittag ein Erbarmen und schickte sie zur Erholung nach Hause. Am Donnerstag begann auch mein Hals zu kratzen……
Der Freitag begann bei mir mit einem Frisörbesuch. Nach der ersten Ernüchterung am Telefon, dass die von mir bevorzugte Frisörin nicht mehr dort arbeitet, bin ich dennoch in den Salon gefahren, habe mir die Haare ausdünnen lassen, die Augenbrauen zupfen (tat gar nicht weh) und färben lassen.
Als kleinen Einschub, muss erklärt werden, dass ich vor fünf Wochen mit meiner Frau beschlossen habe, die Haare wachsen zu lassen, da die Perücke im Sommer doch teilweise unangenehm war. Nachdem meine über 20-jährige Beziehung zur Frisörin abrupt durch Schließung beendet wurde, musste ich mir einen Tag vor unserem Urlaub eine neue suchen. Das gelang ja auch sehr gut, denn der Salon kennt mich nun nicht nur als Mann.

Doch weiter geht es.

Alles wurde am Freitag parat gelegt und ab Samstagmorgen, stieg der Puls von Stunde zu Stunde an. Ich war nicht allein, und so konnte ich dennoch meinem Auftritt gelassen entgegen sehen. Begleitet hat mich meine über alles liebende Frau, ihre Nichte, und drei sehr gute Freunde. Gegen 16.00 Uhr habe ich erst mich und anschließend meine Frau in aller Ruhe geschminkt. Wir wurden abgeholt und standen nun vor dem Einlass. Knappe 10 Minuten zu früh.

Zuerst wurde stets meine Frau erkannt, und dann erst beim zweiten oder gar dritten Hinsehen auch dann ich. Jede (r) musste den ersten „Schock“ doch erst einmal verarbeiten und so entwickelten sich über den Abend verteilt eine ganze Menge an tollen Gesprächen, die wenn ich sie im Einzelnen wiedergeben würden, den Rahmen sprengen würden. Besonders wurde mein Mut gelobt, mein Aussehen, unser beider selbstsicheres Auftreten und die Bewunderung für meine Frau wie sie mit der doch für die meisten ungewohnten Situation umgeht. Ich habe derart viel Rückendeckung in dieser Garde (Karneval) dass ein Gedanke an ein Aufhören in diesem Verein wohl doch erst einmal beiseitegelegt wurde. Das wäre für uns seine Konsequenz gewesen.
Aber, wie gesagt im Gegenteil.
Viele bekannte Gesichter mussten mehrfach hinsehen und haben es erst am späten Abend bemerkt, wer ich bin. Bei so vielen guten Zusprüchen viel es schwer die Tränen zurückzuhalten. Es ist aber gelungen und somit ein Verlaufen der Mascara verhindert worden.
Eine vollkommen neue Erfahrung war das Tanzen auf der „anderen Seite“. Ich wurde so super geführt und fühlte mich auch auf der leeren Tanzfläche Pudel wohl.
Gegen 01.00 Uhr wurde es Zeit nach Hause zu fahren. Eine Freundin fuhr uns heim, und so hingen die Gedanken beim Einschlafen noch lange an diesem Abend.
Wir beide wussten, dass diese Art des Outings auch nach Hinten hätte losgehen können. Da diese Veranstaltung jetzt auch nicht von zu hohem Alkoholkonsum geprägt war, machte die Sache für uns auch ein wenig leichter, ebenso die guten Freunde um uns herum. Mein Erlebnis soll auch keine Allerweltsanweisung eines Outings sein. Jede(r) muss für sich selbst entscheiden wann, was in welcher Form seinem Gegenüber beigebracht wird.
Fast alle meine Entscheidungen wurden von mir in erster Linie wohlüberlegt und in zweiter Instanz nach dem Gefühl entschieden. Ich habe auch schon Entscheidungen an einem Tag über den Haufen geworfen! Wir beide können nun wieder einen ticken Entspannter durch unsere Ortschaft und unser Leben gehen.

Auch wenn noch keine Entscheidung darüber gefallen ist….. Wir wissen beide nicht wohin mich meine Reise als Frau führen wird.

Heute könnte ich trotz starker Erkältung Bäume ausreißen.

Eure
Josi (Joselle)

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