Chrissies 18. Mai 2012

Autorin: Chrissie

Der gestrige Donnerstag war wiedermal geprägt von „Outings“. Vormittags machte ich mich auf den Weg zu meiner zehn Jahre jüngeren Schwester, die alleine einige Kilometer von uns entfernt wohnt. Telefonisch angemeldet mit dem Hinweis, dass ich wegen einer großen Veränderung in meinem Leben mit ihr sprechen müsste, war sie schon sehr neugierig darauf.

Obwohl die Sonne schien, war es eiskalt und so entschied ich mich dementsprechend gekleidet abzufahren. Also dunkle Damenhose, rosafarbener Pulli, schwarze halbhohe Pumps, Perücke und dezent geschminkt. Sie muss mich schon in die Einfahrt einfahren haben sehen, denn kaum stand der Wagen, war sie schon bei mir. Ungläubig, aber auch unsicher fragte sie: „Christian? Bist du das wirklich?“ Nach meinem Kopfnicken bat ich sie, ob wir nicht ins Haus gehen könnten. Hier betrachtete sie mich ausgiebig. Von oben bis unten und stellte dann „lakonisch, eher rein rhetorisch“ fest: „Das ist also deine Veränderung. Mein Gott, die ist aber wirklich nicht klein“.

Klar war ich zu Beginn wiederum äußerst unsicher. Wackelige Stimme und Beine. Und immer die gleich bohrende Frage, wird alles gut gehen? Gott sei dank legte sich die Aufregung und ich erzählte zum wiederholen Mal meine Geschichte, immer wieder unterbrochen von Fragen, die neue Antworten erforderten.

Wir unterhielten uns aber so gut, dass wir ganz die Zeit vergaßen und als sie auf die Uhr blickte, wars schon knapp 12:30 Uhr. So nahmen wir beide die Gelegenheit beim Schopf und gingen zum naheliegenden Italiener, um eine Kleinigkeit zu essen. Auch hier löcherte sie mich mit Fragen über Fragen, die ich zum Teil mir selbst noch nicht beantworten kann. Aber im gesamten Gespräch war kein einziger Vorwurf, kein böses Wort und schon gar keine Belehrungen ihrerseits. Und als ich mich verabschiedete wünschte auch sie mir alles Liebe, Gute und viel Glück im neuen Leben. Dass ich mich irre freute, als sie fragte, ob sie nächste Woche mal zum Nachschauen bei uns vorbei kommen könnte, ist leicht Untertrieben.

Am Spätnachmittag waren dann meine Schwiegereltern dran. Hier spürte nicht nur ich eine deutliche Reserviertheit, als sie sahen und hörten, was mit mir los ist. Aber was soll`s? Leben, arbeiten und zurechtkommen muss ja schließlich ich. Ebenso habe ich mir meine Transsexualität sicher nicht ausgesucht und so gingen die beiden denn mit noch vielen offenen, nicht ausgesprochenen Fragen. Also abwarten, was die Zeit hoffentlich bessern wird. Und mit der Zeit werde ich ja auch immer sicherer im Umgang mit mir und anderen. Und so gesehen war ich eigentlich recht froh, dass die Schwester meiner Frau für heute abgesagt hat.

Entschädigt für dieses nicht so optimal gelaufene Gespräch wurde ich wieder mal heute früh. Es ist ein nicht zu beschreibendes aber „Himmel hoch jauchzendes“ Vergnügen, wenn man nach dem Aufwachen überlegen kann, was man heute anzieht. Rock oder doch Kostüm, Hosenanzug oder nur leger, Bluse oder Pulli? Welches Tuch, welcher Schal würde dann passen? Und dazu welche Schuhe? Das sind dann Momente, die einem gefühlsmäßig so aufbauen.

Und, sorry, aber ich kann es nicht anders ausdrücken, aber ich bin stolz eine transsexuelle Frau zu sein. Mit all den Vorteilen aber auch Nachteilen.

So, genug für heute geschwafelt. Euch allen ein schönes, hoffentlich angenehm warmes Wochenende.

LG
Chrissie

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