Menschen hautnah – Mädchen oder Junge?

WDR Fernsehen, Do., 27.07.2017, 22:10 Uhr – 22:55 Uhr

Menschen hautnah
Mädchen oder Junge?

Aufwachsen als Transgender-Kind

Ein Film von Norbert Lübbers

Sophia ist acht Jahre alt. Sie sieht aus wie ein Mädchen, sie fühlt sich als Mädchen. Geboren
aber wurde Sophia als Philipp. Doch mit gerade mal 4 Jahren beschließt sie, kein Junge mehr
zu sein. Sie will nur noch Röcke und Kleider tragen, lässt sich die Haare lang wachsen und
nennt sich wie die Prinzessin aus ihrer Lieblings-Fernsehserie. Am Anfang denken ihre Eltern,
das sei vielleicht nur eine Phase. Doch Sophia scheint genau zu wissen, wer sie ist. Sie sagt
nicht, dass sie ein Mädchen sein möchte. Sie sagt, dass sie ein Mädchen ist. Wenn sie mit
Philipp angesprochen wird, reagiert sie aggressiv. Schließlich überzeugt sie ihre Eltern und ihre
drei Brüder, sie als Tochter und Schwester zu akzeptieren.

Heike hatte immer die Tochter, die sie sich gewünscht hat. Seit vier Jahren heißt ihre Tochter
nun Fynn. Der Transjunge hatte mit 14 sein Coming-out. Die Mutter sagt, es sei nicht leicht
gewesen, sich von der Tochter zu verabschieden und einen Sohn zu bekommen. Heute geht es
ihr vor allem darum, dass Fynn die Unterstützung erhält, die er braucht. Er hat gerade sein
Abitur gemacht und hat jetzt nur einen Wunsch: eine Operation, um sich die Brüste abnehmen
zu lassen. Aber wieviel Veränderung muss wirklich sein, um ein glückliches Leben als Trans-
Mensch führen zu können?

Saskia Fahrenkrug leitet die Spezialambulanz am UKE in Hamburg. Mit ihrem Team betreut die
Psychotherapeutin fast 500 transidente Kinder und Jugendliche. Nachdem sie die Diagnose zur
sexuellen Identität gestellt hat, übernimmt der Hormonspezialist Achim Wüsthof die
medizinischen Maßnahmen. Gerade mit dem Einsetzen der Pubertät, wenn sich Brüste oder
Barthaare entwickeln, beobachtet der Endokrinologe bei vielen Patienten Verzweiflung und
Depressionen. Manche haben sogar Suizidversuche hinter sich. Eine Hormonbehandlung zu
unterlassen und abzuwarten, sei meist keine Option, sagt Wüsthof. Denn die als falsch
empfundene Pubertät würde den Leidensdruck deutlich verstärken.

Auch der 14-jährige Alexander und die 15-jährige Klara sind bei ihm in Behandlung. Beide
haben vor wenigen Monaten mit der gegengeschlechtlichen Hormonbehandlung begonnen.
Durch das Testosteron verändert sich Alexander äußerlich langsam zum Mann. Seine Stimme
wird tiefer, die Schultern breiter und die Körperbehaarung nimmt zu. Bei Klara sorgen die
Östrogene dafür, dass ihre Formen weicher werden und langsam das Brustwachstum einsetzt.
Beide Teenager haben das Gefühl, sich nicht mehr verstecken zu müssen und endlich auch
körperlich das zu erleben, was sie fühlen.

Die Jugendlichen selbst stehen im Zentrum einer kontroversen Diskussion: Können sie wirklich
schon eine dauerhafte Aussage über ihre Geschlechtsidentität treffen? Ist Transidentität bei
Kindern und Jugendlichen eine Laune der Natur oder nur eine Phase? Und wie wird sich das
Kind weiterentwickeln?

Sophia, Klara, Alexander und Fynn: zwei Transmädchen und zwei Transjungen zwischen acht
und 19 Jahren. Menschen hautnah begleitet sie und ihre Familien auf ihrem Weg zu einer
selbstbestimmten Identität.

Redaktion: Ulrike Schweitzer

Quelle: Presseinformation des WDR vom 25.07.2017

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Rückblick: Campus CSD in Düsseldorf

Am 17.05.2017 fand auf dem Gelände der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf der Campus CSD statt. Nachdem der Gendertreff am Wochenende zuvor bereits einen Vortrag zum Thema Transidentität am Arbeitsplatz gehalten hatte, informierten wir beim Campus CSD bei bestem Sommerwetter über das Informations- und Selbsthilfeangebot des Gendertreff.

Da der Standbau seitens der Organisatoren erfolgte, war unser Stand schnell eingerichtet. Unser Roll-up wies auf das Gendertreff-Forum, unsere Selbsthilfetreffen und unsere weiteren Angebote hin. Und natürlich wurde auch fleißig die Werbetrommel für die Gendertreff Messe & Fachtagung gerührt.

Das folgende Foto zeigt uns beim Aufbau. Der Gendertreff-Stand ist schon fast fertig. Aber unsere Standnachbarn fehlen noch.

Natürlich haben wir auch wieder auf unsere Aktion Die Grüne Karte für Diversity aufmerksam gemacht – und auch wieder reichlich Grüne Karten verteilt.

Ayden war unser Ansprechpartner für Transmänner und natürlich auch für Studierende – Rita und Ava gehören ja nun doch schon zu den etwas älteren Semestern. 😉

Apropos ältere Semester: Ava präsentiert die Grüne Karte für Diversity – und fühlte sich an der Uni Düsseldorf fast heimisch. Denn – lang ist es her – sie hat ja die Universitätsbibliothek der Uni Düsseldorf für ihre Diplomarbeit vor vielen Jahren reichlich in Anspruch genommen.

Rita und Ava vor dem Gendertreff Stand. Auch ein Interview mit der Arbeitsgruppe Campus TV der Uni Düsseldorf gehörte selbstverständlich zur Öffentlichkeitsarbeit rund um Transidentität.

Ava vor dem Aufsteller zur Aktion anders als erwartet. Mit dieser Aktion zeigen wir, dass Trans*-Menschen – anders, als es manchmal noch im „Kopfkino“ verankert ist – ganz normale Menschen sind.

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Düsseldorf für Wertschätzung, Teilhabe und Vielfalt – auch mit dem Gendertreff

Am 02.12.2016 fand im ZAKK in Düsseldorf unter dem Motto Düsseldorf für Wertschätzung, Teilhabe und Vielfalt die Diversity-Auftaktveranstaltung statt. Auch der Gendertreff war selbstverständlich eingeladen.

Im Rahmen der Veranstaltung wurden diverse Teilnehmer interviewt und gaben Statements zum Thema Diversity ab. Auch Ava vom Team Gendertreff gab ein kurzes Interview. Dabei bekräftigte sie die Wichtigkeit von Diversity für die Gesellschaft. Denn letztlich ist es immer negativ für eine Gesellschaft, wenn sich Individuen nicht entsprechend ihrer Identität bzw. Eigenschaften entfalten können.

Nun hat die Stadt Düsseldorf ein Video mit Eindrücken von der Veranstaltung und den Interviews veröffentlicht.
>> Auf YouTube ansehen (Gendertreff 3:03 – 3:48)

Düsseldorf tritt ein für Diversity. Für Vielfalt und Toleranz.

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Vortrag Trans* am Arbeitsplatz an der Uni Düsseldorf

Am 13.05.2017 hielt der Gendertreff auf Einladung der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf einen Vortrag zum Thema Trans* am Arbeitsplatz.

In einer lebendigen Präsentation stellte der Gendertreff zunächst sich und seine Arbeit vor, um dann in das Thema Transidentität und berufliches Umfeld einzusteigen. Referentin Ava erläuterte, dass sich die zum Thema Trans* am Arbeitsplatz auf der Gendertreff Plattform hinterlegten Informationen nicht nur an Trans*-Personen richten. Vielmehr sollen die zahlreichen Erfahrungsberichte und auch der vom Gendertreff erarbeitete Ablaufplan zum Coming-out im beruflichen Umfeld auch Kolleg_inn_en, Personalverantwortlichen, AGG-Beauftragten usw. als Informationsquelle dienen.

Warum ist das Thema Trans* am Arbeitsplatz so wichtig?

Transidentität und Arbeitsplatz ist ein komplexes Themenfeld mit vielen möglichen Konfliktsituationen. Denn schließlich sichert der Beruf das eigene Einkommen und ggf. auch das Einkommen der Familie. Vor diesem Hintergrund hat sich der Gendertreff das Ziel gesetzt, im Rahmen der Aktion Trans* am Arbeitsplatz Informationen und Hilfestellung für transidente Menschen und Unternehmen in Zusammenhang mit der Transition im beruflichen Umfeld anzubieten. Denn ohne Anspruch auf Vollständigkeit gibt es zahlreiche mögliche Problematiken rund um Transidentität und das berufliche Umfeld:

Aus Sicht transidenter Menschen:

  • Angst vor Arbeitsplatzverlust
  • Angst vor Mobbing / Diskriminierung
  • Fragestellungen zu einem möglichen Vorgehen. Konkret: „Wie trage ich das Thema in das betriebliche Umfeld und welche Teilschritte sind empfehlenswert?“

Aus Sicht der Arbeitgeber:

  • Angst vor Komplikationen im organisatorischen Umfeld. Hier sind beispielhaft zu nennen: Unruhe in Arbeitsabläufen, Arbeitsausfälle in Zusammenhang mit medizinischen Maßnahmen (z.B. aufgrund der geschlechtsangleichenden Operation), organisatorische Fragestellungen (z.B. Lohnbuchhaltung, Krankenkassen, Steuerangelegenheiten)
  • Angst vor Umsatzeinbußen aufgrund möglicherweise negativer Reaktionen von Kunden
  • Informationsdefizite aufgrund ggf. fehlender Erfahrungswerte zum Thema Transidentität
  • Reaktionen der Mitarbeiter / Kolleg_inn_en, z.B. zu den Fragen, welche Toilette oder Umkleide die Trans*-Person künftig nutzt

Welche Angebote gibt es beim Gendertreff rund um das Thema Trans* am Arbeitsplatz?

Einstiegsportal Trans* am Arbeitsplatz

Auf der Gendertreff Plattform gibt es Einstiegsportale zu diversen Themenkomplexen. Das Einstiegsportal Trans* am Arbeitsplatz bietet eine Übersicht über die Informationsangebote rund um das Thema Transidentität und Beruf. Hier ist auch die jeweils aktuellste Version der Präsentation und auch des Ablaufplans zum Coming-out im beruflichen Umfeld hinterlegt.

Ablaufplan zum Coming-out im beruflichen Umfeld

Der Ablaufplan zum Coming-out im beruflichen Umfeld wurde aufgrund persönlicher Erfahrungen entwickelt. Er stellt einen idealtypischen Ablauf dar, der sowohl Trans*-Personen als auch Unternehmen, Personalverantwortlichen usw. als Hilfsmittel für ein auf die jeweilige individuelle Situation anzupassendes Vorgehen dient. Dabei ist natürlich zu berücksichtigen, dass ein derartiger Ablaufplan immer nur ein Empfehlungsmodell darstellt und dass die Rahmenbedingungen des eigenen beruflichen Umfeldes vor diesem Hintergrund ein in Teilen anderes Vorgehen erforderlich machen können.

Aktions-Webseite Transidentität am Arbeitsplatz

Die Aktions-Webseite Transidentität am Arbeitsplatz informiert über die Aktion und erleichtert die Auffindbarkeit im Internet. Darüber hinaus listet die Webseite Unternehmen, Institutionen und Kommunen auf, die die Aktion Trans* am Arbeitsplatz unterstützen. So zeigen diese Organisationen, dass Transidentität ein ernsthaftes Thema ist. Gleichzeitig demonstrieren sie ihr Bekenntnis zu Diversity und geben ein Beispiel für Vielfalt und Toleranz.

Erfahrungsberichte

Aufgrund eigener Erfahrungen aus den Reihen des Gendertreff-Teams sowie aus den Erfahrungen aus der Selbsthilfearbeit verfügt der Gendertreff über einen Fundus persönlicher Erfahrungsberichte, die der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. So kann dieses Hintergrundwissen niederschwellig jederzeit abgerufen werden. Entsprechende Berichte sind in der Kategorie Transition des Gendertreff-Magazins zu finden bzw. mit dem Stichwort Arbeitsplatz verschlagwortet.

Gendertreff Forum und Selbsthilfetreffen

Im Anschluss an der Vortrag gab es noch eine lange Diskussion, bei der Xenia, Nathalie und Ava die zahlreichen Fragen des Publikums beantworteten. Dabei griffen die Referentinnen auf ihre persönlichen Erfahrungen sowie die Erfahrungen aus der Selbsthilfearbeit des Gendertreff zurück. Schließlich ist im Laufe der Jahre eine riesige Informationssammlung entstanden, die der Gendertreff nutzt, um Trans*-Personen und ihre Angehörigen sowie selbstverständlich auch Personalverantwortliche und Kolleg_inn_en über das Themenspektrum Trans* am Arbeitsplatz zu informieren.

Gleichzeitig zeigten die Referentinnen damit auf, wie ein weiteres Hilfsangebot zum Thema Trans* am Arbeitsplatz funktioniert. Denn das Gendertreff-Forum und die Selbsthilfetreffen des Gendertreff dienen dem direkten Austausch transidenter Menschen und ihrer Angehörigen und so können dort natürlich auch die eigenen Erfahrungen rund um Trans* und das berufliche Umfeld ausgetauscht werden. Die Erfahrung zeigt, dass der psreönliche Austausch eine sehr wertvolle Hilfestellung gerade zu diesem komplexen Themenfeld darstellt.

Im Themenportal Trans* am Arbeitsplatz auf der Gendertreff Plattform stehen die Präsentation sowie der Ablaufplan zum Coming-out im beruflichen Umfeld zum Download im Format pdf zur Verfügung.

>> Themenportal Trans* am Arbeitsplatz

>> Angebot

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Transidentität in der Schule: Ein Rückblick

Autorin: Flora99Transidentität in der Schule: Flora berichtet über ihre Erfahrungen, Erlebnisse und Empfindungen sowie ihre Transition während der Schulzeit.

In zwei Wochen gehe ich ins schriftliche Abitur, und damit wird meine Schullaufbahn (fast) zu Ende sein. Ich habe die letzten acht Jahre auf demselben, mittelgroßen Gymnasium zwischen Menschen aller Art verbracht und wäre mit Sicherheit damals nie darauf gekommen, wie mein Leben heute aussieht. In die Zeit auf dieser Schule fiel nahezu mein gesamter bisheriger „transidenter Lebenslauf“, wie man so schön sagt, weswegen ich jetzt so kurz vor dem Schluss viel darüber nachgedacht habe, wie er denn so verlaufen ist, mein „Weg“ in diesem Umfeld.

Eins ist klar: Obwohl ich vor acht Jahren nicht die geringste Ahnung hatte, dass ich eines Tages eine Transition antreten würde (im Gegensatz zu so manch anderer trans*-Geschichte war mir das nicht „schon immer klar“), hätte ich damals keine bessere Wahl treffen können. Die Schule ist mit knapp 700 Schüler_innen nicht allzu groß und das Kollegium habe ich durchgehend als aufgeklärt und unterstützend erlebt. Ich hatte bei verschiedensten Problemen die Unterstützung der Schulleitung, eine Rückendeckung, die alles andere als selbstverständlich ist. Auch sind die Schüler_innen (größtenteils) zumindest weltoffen genug erzogen, Themen wie Transidentität nicht feindlich gegenüber zu stehen. Und seien wir mal ehrlich: Für Kinder und Jugendliche zwischen, sagen wir, 10 bis 18 Jahren ist das schon eine ganze Menge.

Ich könnte viele Momente aufzählen, in denen ich von meinen Mitschülerinnen (und selten auch mal von Mitschülern) Unterstützung bekam. Die Klassenfahrt nach Mannheim vor ziemlich genau zwei Jahren wäre wohl das beste Beispiel, denn dort outete ich mich endgültig in der Schule. Ich erinnere mich bis heute daran, wie ich eines der ehrlichsten Gespräche über meine Transidentität mit meinen Mitschülerinnen hatte, bei Sonnenuntergang am alten Wasserturm. Es war genau die richtige Mischung aus Unterstützung und Wachrütteln die ich dort nötig hatte, und ich bin den Beteiligten bis heute dankbar.

Das bringt mich aber auch zu meinem großen Kritikpunkt: Solche Gespräche gab es danach nicht mehr oft. Ich „transitionierte“ so vor mich hin, Haare, Makeup, Klamotten und parallel das Selbstbewusstsein wurden komplettüberholt und aufgebessert, und es ging mir immer besser. Heute, zwei Jahre später, gibt es an meiner Rolle als Frau in der Schule absolut gar nichts mehr zu rütteln, von keiner Seite. Alle möglichen Idioten und Uninformierten wurden teils durch mich und teils hinter meinem Rücken abgewehrt, aufgeklärt oder auch beides. Mittlerweile habe ich oft das Gefühl, viele haben meine Transidentität schon wieder vergessen, und bei manchen Neuen weiß ich nicht einmal, ob ihnen überhaupt jemand davon erzählt hat. Was mein großes Problem dabei ist, wird am besten am Beispiel einer Mitschülerin von mir klar, die sich gern sehr weltoffen gibt. Sie ist immer engagiert und hilft wo sie kann, schützt mich auch mal in meiner Abwesenheit vor Lästerattacken usw. Jedoch bin ich mir auch bei ihr immer sicherer, dass sie eigentlich viel weniger Ahnung von Transidentität hat als sie vorgibt. Wenn sie mich nach zwei Jahren als Frau an dieser Schule auf einmal fragt, welche Toilette ich benutze, macht mich das schon stutzig. Ihr fiel auch erst neulich auf, dass „Transsexualität“ ja offiziell eine psychische Störung sei und dass man es als transidente Person ja doch nicht so einfach hätte bei Ämtern und Gerichten. Außerdem kommen von ihr manchmal Sätze, die sehr falsch rüberkommen können, sowas wie „Du solltest echt froh über deinen Körper sein, wenigstens kriegst du deine Tage nicht“. Dieses Statement könnte man in einem eigenen, seitenlangen Text diskutieren, aber ich glaube der Punkt ist klar: Nettes Mädchen, hat aber von vielem keine Ahnung.

Geübte Gendertreff-Leser_innen kennen das Patentrezept, das hier helfen würde: Reden, aufklären, an das Thema vielfältig heranführen. Und genau da liegt mein Problem und das, was ich an meiner Zeit auf dieser Schule manchmal bereue: Dass ich genau dazu so wenig Gelegenheiten hatte, und sie mir nicht selbst geschaffen habe.

In einem Schulsystem, dessen Lehrpläne das Thema Geschlechtsidentität (noch) komplett außen vor lassen ist es schwer, es in den Unterricht einzubauen, ohne dass es zum nervigen „hier kommt Flora zum zehnten Mal mit ihrem Gerechtigkeits-Firlefanz“-Dauerbrenner wird. Und es ist genauso schwierig, eine offene Diskussion auf das Thema umzulenken, wenn niemand sonst Ahnung oder Lust genug hat, darüber mit dir zu diskutieren. Am allerschlimmsten ist aber der Fakt, dass sich nahezu niemand traut, Fragen zu stellen.
Ich sehe das aus meiner persönlichen Erfahrung heraus als ein riesiges Problem an. Die Leute bekommen nur extrem wenig tatsächliche Information über Transidentität, werden aber überschüttet mit irreführenden trans*-Reality-Shows und Gruselgeschichten über all die „social justice warriors“ und „political correctness-Fanatiker“ die alles, absolut alles ankreiden würden, was nicht 100% unangreifbar korrekt ausgedrückt sei. Natürlich sind das größtenteils übertriebene Ammenmärchen. Dennoch ist es wahr, dass es oft genau die kleineren Diskussionen über bestimmte Ausdrücke, einen schlecht dargestellten Film, oder irgendeine problematische Promi-Aussage sind, die tatsächlich die breitere Öffentlichkeit erreichen, anstatt die großen Probleme, die viel mehr trans* Menschen betreffen, wie die medizinische Versorgung oder juristische Hürden. In den Köpfen existieren also nicht nur die altbekannten Vorurteile, sondern auch die ständige Angst davor, etwas Falsches zu sagen, und damit den Zorn des Gegenübers auf sich zu ziehen.

Ich habe es für meine Verhältnisse schon viel zu oft erlebt, dass wenn sich überhaupt einmal jemand traut, eine Frage zu stellen, davor erstmal eine fünfminütige Einleitung à la „ich will dir ja wirklich nicht zu nahe treten“ kommt, obwohl die Frage völlig harmlos ist. Und ich bin davon überzeugt, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen dieser Angst, etwas falsch zu machen und unserem Verhalten als trans* Menschen (ich schließe mich da nicht aus). Wenn z.B. eine bekannte Person, auch wenn sie ganz offensichtlich nicht transphob ist, wegen einer Fehlformulierung von der Community öffentlich zerlegt wird, sendet das natürlich ein anderes Signal als eine trans* Community, die freundlich und sachlich aufklärt und auch innerhalb verschiedene Meinungen zulässt.

Mir ist dieser „Fehler“, wenn man es denn so nennen will, auch schon passiert. Ich wusste schon früh genau, dass „Geschlechtsumwandlung“ kein passendes Wort ist und habe das auch offen kommuniziert. Dass es aber vielleicht nicht das Einladendste ist, wenn man gleich bei der ersten Frage, die jemand stellt, Formulierungsdetails bemängelt, hatte ich nicht bedacht. Dass danach (wenn überhaupt) nur noch vorsichtig nachgefragt wird, ist dann ja wohl kein Wunder. Für mich war es selbstverständlich, dass das Lernen der „richtigen“ Wörter dazu gehört, wenn man sich über Transidentität informiert. Aber für viele der Leute, mit denen ich darüber spreche, ist das Thema absolutes Neuland, sie wagen bei jeder Frage den Sprung ins kalte Wasser. Und für diese Leute kam es dann wahrscheinlich so an, als würde ich mit erhobenem Zeigefinger korrigieren und ihnen vorhalten, wie wenig sie wissen. Und das zerstört natürlich jede Unterhaltung, die danach hätte kommen können.

Ich weiß jetzt, dass es eines meiner Ziele sein wird, Transidentität in meinem Umfeld nicht nach hinten zu schieben, sondern es für die anderen so normal zu machen wie für mich selbst. Die Leute sollten nicht nur mit einem „ich bin so tolerant, macht ihr doch wie ihr wollt“-Ansatz denken, sondern auch tatsächlich etwas darüber wissen, wie man als trans* Mensch lebt, und was das alles für Probleme mit sich bringt. Und damit das so wird, muss man als trans* Mensch auch auf die Leute zugehen, geduldig sein, nicht Leute gleich als „problematisch“ abstempeln, und immer bereit sein zu erklären. Zumindest sehe ich das im Moment so und werde auch versuchen, das besser zu machen. Und wer weiß, vielleicht hole ich damit in den wenigen verbliebenen Wochen auf dieser Schule ja noch so einiges nach!

Trotz allem muss eins klar sein: Dass es mich enttäuscht hat, wie wenig Wissen über Transidentität letztendlich bei vielen in meiner Schule da war, ist eigentlich ein Luxusproblem. Ich hatte nur das Gefühl, dass durch mein mittlerweile souveränes Auftreten als Frau und durch die wenigen Gespräche über das Thema bei vielen der Eindruck entstanden war, dass man sich als trans* Frau outet, sich die Haare wachsen lässt und dann ist alles super. Es hat mich geärgert, dass fast niemand von den vielen Kämpfen wusste, die für jeden Erfolg auf diesem Weg nötig sind. Trotzdem ist der Umgang meiner Schule insgesamt schon fast vorbildlich, schließlich wären die meisten anderen jungen trans* Menschen froh und dankbar, hätten sie so ein verständnisvolles Umfeld in der Schule gehabt. Es gibt so viele Geschichten von kleinen Nettigkeiten die ich aus meiner Schulzeit erzählen kann, wie von meinem Oberstufenberater, der mich monatelang immer wieder gefragt hat wie es um meine Personenstandsänderung steht, weil er mir endlich ein Zeugnis „richtig“ ausstellen wollte. Die Leute auf meiner Schule mögen zwar keine Expert_innen zum Thema Transidentität sein, aber haben mich im Großen und Ganzen wie selbstverständlich aufgenommen.

Anfang Juli findet nun der Abiball statt, der endgültige Abschluss meiner Schulzeit. Dort werde ich nicht nur als eine ganz normale Schülerin mein Abiturzeugnis entgegennehmen, sondern darf auch als Moderatorin durch den Abend führen. Wie selbstverständlich in einem Kleid auf der Bühne vor dieser vollen Halle stehen zu dürfen, wird letztlich einer von vielen Beweisen sein, dass „Trans* und Schule“ in meinem Fall trotz aller Makel eine Erfolgsgeschichte war.

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Ava – ein Interview

Das folgende Interview habe ich im Januar 2016 für das Magazin STRAIGHT anlässlich des Filmstarts von The Danish Girl gegeben. Da es bislang nicht online veröffentlicht wurde und viele teils sehr persönliche Eindrücke wieder gibt, habe ich es aktualisiert und gebe es an dieser Stelle wieder. Ich habe es zudem um einige Fotos aus dem vergangenen Jahr 2016 ergänzt – Ava

Wie war Dein Gefühl  als Du zum ersten Mal Ava sein zu durftest?

Wie es vermutlich bei den meisten transidenten Menschen der Fall ist, war es ein Gefühl der Befreiung. Wobei eine Formulierung wie „zum ersten Mal Ava sein durftest“ letztlich falsch ist. Denn ich bin Ava und war es schon immer.

Transidente Menschen entscheiden sich nicht, plötzlich einen „anderen Lebensentwurf“ zu leben. Vielmehr ist es so, dass eine Diskrepanz zwischen dem äußeren Erscheinungsbild (bei mir ist dies ein männlicher Körper) und dem Inneren, dem Identitätsgeschlecht (bei mir weiblich), gibt.

Die beschriebene Diskrepanz führt häufig zu einer Unzufriedenheit und Zerrissenheit. Dabei muss man bedenken, dass ich zu einer Zeit geboren wurde und auch aufgewachsen bin, zu der man noch nicht jede beliebige Information über das Internet bekam. Folgerichtig war es damals – letztlich bis in die 1990er Jahre – schwer, eine Definition dafür zu erhalten. Auch war es ungleich schwieriger, sich mit anderen Transidenten auszutauschen. Die heute verfügbaren Informations- und Selbsthilfeangebote gab es damals noch nicht.

Im Wesentlichen verfügte man über ein „Halbwissen“, das aus Erzählungen oder überwiegend dem Klamauk zuzuordnenden Filmen resultierte und aus dem sich noch heute viele Vorurteile ableiten. So hat Transidentität überhaupt nichts mit Sexualität zu tun, weshalb viele Transidente dem Begriff „Transsexualität“ eher ablehnend gegenüberstehen.

Mit zunehmender Verbreitung des Internet gab es dann nach und nach die ersten Informationsangebote. Irgendwann meldete ich mich dann in einem Internet-Forum an, gab mir den Namen Ava und einige Zeit später besuchte ich zum ersten Mal ein Selbsthilfetreffen.

Es tat einfach nur unendlich gut, zu sehen, dass man nicht alleine ist, sich mit anderen auszutauschen und auch von ihnen zu lernen. Sich nach all den Jahren einfach auszuleben, die ersten Schritte in die Öffentlichkeit zu wagen, das war ein unbeschreibliches Gefühl.

Wann hast Du für Dich das erste Mal gespürt, irgendwie schere ich aus?

Einen genauen Zeitpunkt kann ich nicht wirklich benennen. Vielmehr merkte ich es an vielen kleinen Dingen. Ich konnte z.B. nie mit dem Imponiergehabe anderer Jungen etwas anfangen. Ich habe mich immer schon für weibliche Kleidung interessiert und bin bis heute bekennendes Fashion Victim mit einer deutlichen Vorliebe für elegante Kleider und Kostüme.

Aufgrund der männlichen Sozialisierung und auch mangelnder Informationen war es jedoch für mich nicht einzuordnen, welchen Grund es dafür wirklich gibt. Meine Kindheit habe ich in den 1970er Jahren erlebt, die Pubertät in den 1980er Jahren. Damals gab es keine Informationen, die zu den Empfindungen gepasst hätten.

Also habe ich die Transidentität, eine Eigenschaft, für die ich damals nicht einmal einen Begriff kannte, letztlich nach außen hin verdrängt. Natürlich habe ich damals schon heimlich Damenkleidung anprobiert. Aber das habe ich natürlich geheim gehalten. Nach außen war ich „der ganz normale Junge“ und später eben „der ganz normale Mann“.

Letztlich leidet man innerlich. Manche mehr, manche weniger. Zum Glück bin ich eher pragmatisch eingestellt und habe immer schon ein recht dickes Fell gehabt. Trotzdem steht es einem natürlich immer wieder im Weg, wenn man sich ständig mit sich selbst beschäftigt.

Auf der Paracelsus Messe 2016 in Düsseldorf – Gespräch mit einer Messebesucherin

Wann und wie war Dein Leidenspunkt erreicht und der Wendepunkt kam?

Wie gesagt habe ich eine recht pragmatische Einstellung und bin auch mit einem relativ dicken Fell ausgestattet. Allerdings ist es so, dass niemand seine Identität jahrzehntelang verstecken kann. Irgendwann kommt der Punkt, an dem bildlich gesprochen der Druck so groß ist, dass der Kessel irgendwann zum Platzen kommt. Bei mir war dieser Punkt Mitte der 2000er Jahre erreicht.

Niemand, der es nicht selbst erlebt hat kann sich vorstellen, was es bedeutet, jahrzehntelang ein Geheimnis mit sich herumzuschleppen, über das man mit niemandem auf der Welt sprechen kann. Als ich dann irgendwann in den 1990er Jahren die ersten Webseiten entdeckte, die sich mit dem Thema befassten, stellte ich erstmals fest, dass es offenbar wesentlich mehr Transidente gab, als ich bis dahin angenommen hatte. Wichtig war auch, dass ich erstmals über Begriffe wie „Transgender“ oder „Transidentität“ stolperte, die meinem Empfinden einen Namen gaben.

Es folgten einige Jahre, in denen ich nur still mitgelesen habe. Manche Transgender hatten Webseiten mit tollen Fotos und ich habe damals gedacht, dass ich so etwas wohl niemals erreichen könnte. Doch schließlich wurde der Druck immer größer. Wie bereits beschrieben habe ich mich dann zunächst in einigen Internet-Foren angemeldet und irgendwann den Schritt gewagt, zu einem Selbsthilfetreffen zu gehen.

Diesen Schritt kann man tatsächlich als Wendepunkt betrachten. Denn ich konnte feststellen, dass es noch viele andere Transgender gab. Sehr wichtig war es auch, mir selber einzugestehen, dass ich transident bin.

Durch das Selbsthilfetreffen konnte ich damals die ersten Schritte in die Öffentlichkeit unternehmen, mich mit anderen austauschen und lernen, in der Öffentlichkeit zu meinem Identitätsgeschlecht zu stehen. Das ist ein sehr wichtiger Schritt, denn das hilft, einen individuellen Weg zu finden, mit der eigenen Transidentität umzugehen.

Allerdings muss ich sagen, dass ich wirklich Glück hatte, immer schon mit einer gewissen Dickfelligkeit ausgestattet zu sein. Ich habe im Laufe der Jahre durch unsere Selbsthilfearbeit im Gendertreff-Team Menschen kennen gelernt, die weitaus größere Probleme mit ihrer Geschlechtsidentität hatten als ich selber. Burn-out, Depressionen oder Alkoholismus sind durchaus Symptome, die mit der Transidentität in einem Zusammenhang stehen können. Transidentität ist keine Krankheit, kann aber sehr krank machen, da sie vielfach mit einem hohen Leidensdruck einhergeht. Deshalb ist es ja auch so wichtig, transidenten Menschen und ihren Angehörigen eine Anlaufstelle zu bieten. Das ist auch der Grund, weshalb ich mich weiterhin im Gendertreff engagiere.

Mit Gendertreff-Team-Kollegin Nathalie auf der Paracelsus Messe 2016 in Düsseldorf

Wie sieht Dein Alltag aus?  

Derzeit lebe ich meine Transidentität in Teilzeit aus. Das bedeutet, dass ich als Mann arbeiten gehe. Den überwiegenden Teil meiner Freizeit verbringe ich im Identitätsgeschlecht.

Das ist weniger spektakulär, als manche sich das vielleicht vorstellen: Ich gehe Essen oder ins Kino, Shoppen usw. Es ist der ganz normale Alltag einer ganz normalen Frau.

Die Entscheidung für eine Teilzeitlösung habe ich für mich aus einer ganzen Reihe von Gründen getroffen. Es kann aber durchaus sein, dass irgendwann der Punkt kommt, an dem mir auch das nicht mehr möglich ist. Das wird die Zeit zeigen.

Wer weiß, wie Du tickst?

Die Formulierung „wie Du tickst“ suggeriert, dass man sich für Transidentität entscheiden könnte. Das ist aber, wie weiter oben ausgeführt, nicht der Fall. Fragen wir also besser danach, wer von meiner Transidentität weiß.

Im privaten Umfeld wissen die meisten Bekannten Bescheid. Das lässt sich ja schlecht verhindern, wenn man privat überwiegend im Identitätsgeschlecht lebt. Auch einige berufliche Kontakte wissen es.

Wie reagiert Dein Umfeld – wie offen gehst Du damit um?

Ich gehe im beruflichen Umfeld nicht mit meiner Transidentität hausieren, verstecke mich aber auch nicht. Da ich mich im Gendertreff engagiere, nehme ich an allen möglichen Aktivitäten rund um unsere Öffentlichkeitsarbeit teil: Wir haben in jedem Jahr Infostände auf diversen Gesundheitsmessen, Informationsveranstaltungen usw. Wenn man z.B. auf dem Selbsthilfetag in der Düsseldorfer Innenstadt auf der Bühne ein Interview gibt, dann ist das schon ziemlich öffentlich.

Da ich mich auch ansonsten nicht verstecke, kann es natürlich ständig vorkommen, dass ich auch mal jemandem über den Weg laufe, der noch nicht von meiner Transidentität weiß. Ich fahre im Identitätsgeschlecht in den Urlaub oder gehe auch auf Geschäftsreisen nach meinen Terminen im Identitätsgeschlecht aus. Ich gehe so einkaufen, treffe mich mit Freunden usw. Auch auf der Gendertreff Plattform im Internet gibt es ja diverse Fotos von mir, ebenso auf dem Gendertreff-Facebook-Account usw. Man kann also sagen, dass ich sehr offen mit meiner Transidentität umgehe.

Das Umfeld reagiert überwiegend positiv. Großartige Probleme habe ich bislang nicht damit gehabt. Leider tut sich ausgerechnet meine Familie mit dem Thema sehr schwer. Sollte ich mich irgendwann dafür entscheiden, die Transition (die juristische und medizinische Angleichung an das Identitätsgeschlecht) durchzuführen, dann könnte das demnach noch Konfliktpotential beinhalten.

Mit Gendertreff-Gründerin Xenia auf der Bühne beim Düsseldorfer Selbsthilfetag 2015

Welche Gedanken treiben viele Menschen um, die sich in ihrem biologischen Körper nicht uneingeschränkt zufrieden fühlen?

Dass die Diskrepanz zwischen Identitätsgeschlecht und körperlichem Geschlecht zu einem hohen Leidensdruck führen kann, hatte ich ja bereits erwähnt. Wir haben über die Jahre unserer Selbsthilfetätigkeit viele Menschen kennen gelernt, die alle möglichen Vermeidungsstrategien hatten, nur um diesem Leidensdruck zu entfliehen. Von Workoholics über die Flucht in den Extremsport bis hin zu Menschen mit Depressionen oder Suchtkrankheiten haben wir schon viele teils schwere Probleme gesehen.

Deshalb ist es wichtig, Transidenten und ihren Angehörigen Anlaufstellen zu bieten, bei denen sie ihre Probleme besprechen und Erfahrungen, Ängste und Nöte austauschen können. Denn bis man soweit ist, dass man mit seiner Transidentität ungezwungen umgehen kann, muss man durchaus an sich arbeiten und sollte ggf. durchaus auch psychologische Hilfe in Anspruch nehmen.

Weitere Bausteine sind Fragen wie die, ob man z.B. mit einer Transition beginnen sollte. Soll man eine Hormontherapie beginnen? Wann ist der geeignete Zeitpunkt? Wie steht die Familie dazu? Wie bringe ich es meinen Freunden, Verwandten usw. bei? Die Themenliste ist schier endlos.

Ein großes Problemfeld ist nach wie vor das Thema Transidentität und Beruf. Zwar kennen wir auch sehr viele Beispiele, bei denen das Coming-out und die Transition im beruflichen Umfeld sehr gut verlaufen sind. Leider gibt es jedoch auch immer noch Fälle, in denen es zu teils großen Problemen bis hin zum Verlust der Arbeitsstelle gekommen ist. Hier ist noch viel Öffentlichkeitsarbeit zu leisten. Deshalb hat der Gendertreff die Aktion Trans* am Arbeitsplatz ins Leben gerufen. Hier finden Transidente Hilfestellung, wie z.B. einen auf realen Erfahrungen basierenden idealtypischen Ablaufplan für das Coming-out im beruflichen Umfeld. Weiter finden Personalverantwortliche, Kollegen usw. Informationen aus erster Hand. Auf der Aktions-Webseite Trans* am Arbeitsplatz können zudem Unternehmen und Institutionen ihre Unterstützung signalisieren. Bislang konnten wir die SODEXO-Gruppe, das Universitätsklinikum Essen, die Stadt Düsseldorf, die Behörde IT.NRW sowie den DGB und die Gewerkschaft IG BCE als Unterstützer gewinnen. Weitere Unternehmen und Institutionen sind selbstverständlich herzlich eingeladen, die Aktion zu unterstützen und sich als fortschrittliche Institutionen zu präsentieren, die dem Thema Diversity offen gegenüber stehen.

Wo kann der Gendertreff helfen?

Der Gendertreff bietet zunächst einmal mit der Gendertreff-Plattform eine große Informationssammlung. Wir haben ein Verzeichnis von Links und Adressen, Erfahrungsberichte, Hintergrundwissen usw. veröffentlicht. Hier finden Transidente, Angehörige und auch die interessierte Öffentlichkeit demnach jede Menge Informationen zum Thema Transidentität.

Weiter betreiben wir mit dem Gendertreff-Forum eine Plattform zum virtuellen Austausch sowie mit dem Gendertreff Düsseldorf, dem Gendertreff Leverkusen, dem Gendertreff Iserlohn und dem Gendertreff Berlin vier Selbsthilfetreffen, bei denen sich Transidente und ihre Angehörigen austauschen können. Im Verlauf des Jahres 2017 kommt darüber hinaus mit dem Gendertreff Dessau ein weiteres Selbsthilfetreffen hinzu.

Unsere Treffen finden in öffentlichen Lokalen statt. Dies hat folgenden Hintergrund: Zum einen müssen die Besucher unserer Selbsthilfetreffen eine gewisse Hemmschwelle überwinden. Das ist wichtig, damit sie lernen können, in der Öffentlichkeit zu ihrem Identitätsgeschlecht zu stehen. Denn Schwimmen lernt man ja auch nur, wenn man ins Wasser steigt.

Weiter merken die Besucher unserer Selbsthilfetreffen dann ganz schnell, dass sie sich problemlos in der Öffentlichkeit bewegen können. So machen sie im Schutz einer Gruppe die ersten Schritte, die sich meist mehr und mehr verselbständigen. Zu guter Letzt ist es natürlich auch einfacher, sich in einer gemütlichen und lockeren Atmosphäre mit anderen auszutauschen.

Unsere Selbsthilfetreffen haben somit bewusst keinen „Stuhlkreis-Charakter“. Moderiert werden sie nur insofern, als wir darauf achten, dass Neuankömmlinge gut in die Treffen integriert werden. Weiter achten wir darauf, dass z.B. keine Dinge berichtet werden, die gefährlich werden könnten. Dinge wie z.B. das „Ausprobieren von Hormonen“ können die Gesundheit gefährden. Deshalb würden wir in einem solchen Fall einschreiten. Auch achten wir darauf, dass keine Gruppendynamik entsteht und die Besucher unserer Selbsthilfetreffen so einen individuellen Umgang mit der eigenen Transidentität finden.

Ebenfalls wichtig ist es, den Besuchern unserer Selbsthilfetreffen zu helfen, die Transidentität nicht nur aus der eigenen Sicht zu sehen. Wenn sich z.B. in einer Familie der Ehemann nach mehreren Ehejahren als transident outet, so ist es ganz normal, dass in der Familie Ängste vorhanden sind. Eine Methode nach dem Motto „mit dem Kopf durch die Wand“ ist da meist wenig hilfreich. Hier ist es wichtig, dass im Gendertreff-Team auch mehrere Partnerinnen von Transgendern als Ansprechpartner zur Verfügung stehen.

Der Gendertreff hilft insbesondere durch die Sammlung von Erfahrungen aus erster Hand. So kann man sich im Gendertreff-Forum oder auf unseren Selbsthilfetreffen mit anderen austauschen und von deren Erfahrungen profitieren. Auf unserer Gendertreff-Plattform gibt es das Gendertreff Blog / Magazin mit vielen Erfahrungsberichten. So haben wir z.B. ganze Transitions-Tagebücher veröffentlicht, in denen Transgender von ihren Erfahrungen von den ersten Empfindungen bis hin zur geschlechtsangleichenden Operation berichten.

Beispielsweise hat Gendertreff-Gründerin Xenia den Brief veröffentlicht, mit dem sie sich damals bei ihrer Frau offenbart hat. Weiter haben wir einen idealtypischen Transitionsablauf oder das „kleine 1 x 1 der Hormone“ veröffentlicht, in dem beschrieben wird, wie Hormone im Körper wirken. Zurzeit stehen im Gendertreff Blog / Magazin beispielsweise über 150 Artikel mit Informationen und Erfahrungsberichten zur Transition und über 200 weitere Erfahrungsberichte zur Verfügung. Hinzu kommen die Beiträge im Gendertreff-Forum. Alleine das Internet-Angebot des Gendertreff bietet somit einen riesigen Fundus an Informationen.

Wichtig ist: Der Gendertreff kann helfen, Probleme zu lösen. Aber lösen muss man die Probleme schon selber. Nur wer sich wirklich mit seiner Transidentität auseinandersetzt, kann auch zufrieden im Identitätsgeschlecht leben. Jeder Mensch muss einen eigenen, individuellen Weg finden, mit der Transidentität umzugehen. Das berufliche oder familiäre Umfeld ist bei jedem Menschen anders. Ziel muss es sein, dass Transidente ihre Arbeit oder auch ihre Familie behalten und dennoch ihre Transidentität nicht verstecken.

Darüber hinaus betreiben wir Öffentlichkeitsarbeit und nehmen auch an der politischen Diskussion zum Thema Transidentität teil. Hier haben wir das Ziel, durch Information Vorurteile abzubauen und somit die Lebenssituation transidenter Menschen nachhaltig zu verbessern. Seit 2016 etablieren wir zudem mit der Gendertreff Messe eine Veranstaltungsreihe zum Austausch zwischen Transgendern, Angehörigen, der interessierten Öffentlichkeit sowie Fachleuten wie Chirurgen, Psychologen, Beratungsstellen und speziellen Dienstleistern rund um Trans*-Bedarf.

Am Stand der Düsseldorfer Selbsthilfe-Organisationen während der Feierlichkeiten zum Jubiläum 70 Jahre NRW in 2016 in Düsseldorf

Was sind die häufigsten Vorurteile gegenüber Transgendern?

Mitunter werden Transidentität und Travestiekünstler verwechselt. Wir sind aber keine schrill-bunten Kunstfiguren wie z.B. Olivia Jones. Die überwiegende Zahl Transidenter sind „ganz normale Menschen“: Ganz normale Frauen, die in einem Männerkörper geboren wurden oder ganz normale Männer, die in einem Frauenkörper geboren wurden, um es mal anschaulich zu beschreiben. Zudem gibt es auch Menschen, die sich keinem Geschlecht eindeutig zugehörig fühlen und sich als non-binary bezeichnen.

Oft wird auch Transidentität mit Homosexualität verwechselt, dies insbesondere bei Transfrauen. Dabei verteilen sich Heterosexualität und Homosexualität über die Grundgesamtheit transidenter Menschen ebenso wie beim Rest der Bevölkerung. Hinzu kommt, dass derartige Begriffe von einem Geschlechtermodell ausgehen, in dem es eine klare Trennung zwischen männlich und weiblich gibt. Doch die Frage, ob z.B. ich, Ava, nun ein heterosexueller Mann mit einem weiblichen Identitätsgeschlecht bin oder aber eine lesbische Frau, die in einem Männerkörper leben muss, zeigt, dass diese Zuordnung völlig unpassend ist.

Insgesamt muss ich jedoch feststellen, dass mir selten Menschen begegnen, bei denen ich aufgrund von Vorurteilen negative Erfahrungen mache.

Dass das berufliche Umfeld mitunter problematisch sein kann, habe ich weiter oben bereits erwähnt.

Was kann da ein Film wie The Danish Girl oder die Serie Transparent beitragen?

Grundsätzlich ist es hilfreich, wenn das Thema Transidentität in den Medien präsent ist, denn dies führt dazu, dass sich Menschen mit dem Thema auseinandersetzen. Fehlende Information ist bis heute nämlich die häufigste Ursache für vermeintliche und auch tatsächliche Diskriminierung.

Dabei ist es m.E. egal, über welches Medium die Information transportiert wird. Dies kann ein Kinofilm wie The Danish Girl ebenso sein wie ein Theaterstück, ein Song, ein Infoflyer oder ein Zeitungsartikel. Wichtig ist aber, dass die Information im Mittelpunkt steht und nicht Selbstdarstellung oder Sensationsgier. Leider neigen manche Medien jedoch dazu, sich eher an „Quote bringenden Charakteren“ zu orientieren und zeigen mitunter ein verzerrtes bzw. einseitiges Bild transidenter Menschen, das eben nicht der Mehrzahl der Transgender entspricht.

Der Film The Danish Girl orientiert sich an der Biographie von Lili Elbe und basiert somit auf dokumentierten Fakten. Der Trailer, den ich im Internet gesehen habe, machte einen guten Eindruck. Insofern erwarte ich, dass der Film dazu beiträgt, dass das Thema Transidentität weiter in die Mitte der Gesellschaft rückt.

Gerade in den letzten Jahren fällt auf, dass das Thema Transidentität sehr häufig in den Medien ist. Das halte ich grundsätzlich für eine positive Entwicklung, da die Medien dank ihrer enormen Reichweite viele Menschen sensibilisieren können.

Scheint es nur so, oder würdest Du bestätigen, dass die Offenheit der Gesellschaft größer geworden ist? 

Ich finde schon, dass die Gesellschaft grundsätzlich offener geworden ist. Es gibt zwar sicherlich noch viel zu bewegen, aber wir sind meiner Meinung nach auf einem guten Weg.

Auch deshalb engagiere ich mich weiterhin im Gendertreff. Denn ich bin überzeugt, dass wir mit fundierter Selbsthilfe- und Öffentlichkeitsarbeit noch sehr vielen Transgendern und ihren Angehörigen helfen können.

Im Winter 2016 auf der Zugspitze

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Antwort der Bundesärztekammer auf den offenen Brief des Gendertreff

Aufgrund eines Hinweises im Gendertreff-Forum hatten wir am 06. Januar 2017 einen offenen Brief an die Bundesärztekammer verfasst. In diesem nahmen wir zu einem von der Bundesärztekammer veröffentlichten Positionspapier „Blutspendeausschluss von Personen mit sexuellem Risikoverhalten“ Stellung. Moniert wurde unsererseits insbesondere, dass Trans*-Personen als Hochrisikogruppe für AIDS eingestuft wurden. Diese Einstufung erfolgte, da – so die Bundesärztekammer – sich viele Trans*-Personen prostituieren würden, um Geld für geschlechtsangleichende Maßnahmen zu verdienen. Dabei werden die geschlechtsangleichenden Maßnahmen im monierten Positionspapier der Bundesärztekammer sachlich falsch als „Geschlechtsumwandlung“ bezeichnet.

Der Gendertreff rügte diese Einschätzung als diskriminierend, sachlich falsch und empirisch nicht nachweisbar. Der Gendertreff führte aus, dass die überwiegende Mehrzahl der Trans*-Personen völlig normalen bürgerlichen Berufen nachgehe. Auch sei es nicht schlüssig, weshalb sich Menschen prostituieren sollten, um Leistungen zu erhalten, die in Deutschland von den Krankenkassen übernommen werden.

Den offenen Brief veröffentlichten wir auf der Gendertreff Plattform und übermittelten diesen per E-Mail sowie per Briefpost mit Schreiben vom 07.01.2017 an die Bundesärztekammer.

Mit Schreiben vom 01.02.2017 antwortete die Bundesärztekammer und informierte uns darüber, dass die in unserem offenen Brief zitierten „Erläuterungen und Regelungsoptionen zum Blutspende-Ausschluss bzw. zur Rückstellung von Personen, deren Sexualverhalten ein Risiko für den Empfänger von Blutprodukten birgt“, Stand 25.04.2012, inzwischen überarbeitet wurden.

Die Bundesärztekammer führt aus, dass eine gemeinsame Arbeitsgruppe aus Vertretern des „Arbeitskreises Blut“ nach § 24 Transfusionsgesetz (TFG), des Ständigen Arbeitskreieses „Richtlinien Hämotherapie“ nach §§ 12a und 18 TFG des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesärztekammer, des Robert-Koch-Instituts, des Paul-Ehrlich-Instituts und des Bundesministeriums für Gesundheit die aktuellen epidemiologischen Daten zusammengestellt und ausgewertet hat.

Das Arbeitsergebnis der oben genannten gemeinsamen Arbeitsgruppe wurde laut dem uns zugegangenen Schreiben vom „Arbeitskreis Blut“ nach § 24 TFG am 04.10.2016 zustimmend zur Kenntnis genommen und befindet sich nun im Beratungsprozess der Gremien der Bundesärztekammer. Vor dem Hintergrund der laufenden Beratungen bittet die Bundesärztekammer um Verständnis, dass man zu Inhalten und einem möglichen Veröffentlichungszeitpunkt noch keine Angaben machen könne.

Der Gendertreff begrüßt die Überarbeitung der zitierten Richtlinien. Wir hoffen, dass nun ein realistisches Profil von Trans*-Personen zugrunde gelegt wurde, da das in dem monierten Positionspapier „Blutspendeausschluss von Personen mit sexuellem Risikoverhalten“ gezeichnete Bild von Trans*-Personen sachlich falsch, abwertend und diskriminierend war. Gerne stehen wir jederzeit für den fachlichen Austausch zur Verfügung.

Mehr zum Thema:

>> Offener Brief des Gendertreff an die Bundesärztekammer

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Ava im Zugspitzland

Zwischen Weihnachten und Neujahr habe ich das Zugspitzland in Oberbayern unsicher gemacht. Natürlich nicht alleine: Gendertreff-Teamkollegin Marina sowie Maria und Julchen aus dem Gendertreff-Forum waren ebenfalls dabei.

Wir hatten uns in einem Hotel in Grainau eingemietet und haben dann die Gegend unsicher gemacht. Hier sieht man mich auf dem Parkplatz der Eibseeseilbahn.

An diesem Tag sind wir aber nicht auf den Zugspitzgipfel gefahren. Wir haben nur Maria zur Seilbahn gebracht, da sie auf dem Zugspitzplatt Skifahren wollte.

Wir anderen haben uns dann Garmisch-Partenkirchen und Grainau angeschaut. Hier sieht man mich in Grainau vor dem beeindruckenden Wettersteinmassiv. Quasi über mir seht Ihr die Waxensteine und rechts über der Kirche die Zugspitze.

Am nächsten Tag war das Wetter noch besser und wir fuhren zum Schloss Linderhof, das wir uns natürlich angeschaut haben. Leider darf man innen keine Fotos machen. Aber das Schloss und der Park sind wirklich sehenswert.

Der Schlosspark geht nahtlos in die grandiose Bergwelt über. Wir nutzten also das schöne Wetter nach der Schlossbesichtigung für einen ausgiebigen Spaziergang.

Ja, und dann waren wir natürlich doch noch auf der Zugspitze. Hier sieht man mich vor dem Gipfelkreuz, das den höchsten Punkt Deutschlands markiert.

Wir hatten eine beeindruckende Fernsicht. Das Alpenpanorama ist bei solch einem tollen Wetter ein echtes Erlebnis.

Oben auf der Zugspitze verläuft die Landesgrenze zwischen Deutschland und Österreich. Auf der einen Seite liegt der Freistaat Bayern …

… und auf der anderen Seite liegt das österreichische Bundesland Tirol.

Und noch ein Bild mit der herrlichen Alpenkulisse im Hintergrund.

Dann fuhren wir runter auf das Zugspitzplatt, wo wir Maria trafen, die dort Skifahren war. Und ja: Auch ich habe viel fotografiert. 🙂

Hier seht Ihr ein Foto von Marina und mir auf dem Zugspitzplatt, das ein anderer Tourist freundlicherweise von uns gemacht hat.

Ich steige Deutschland aufs Dach. 😉

Der Tag oben auf der Zugspitze hat richtig Spaß gemacht.

Da oben ist der Zugspitzgipfel.

Und noch ein Selfie von Marina und mir mit dem Gipfel der Zugspitze.

Am nächsten Tag sind wir morgens durch die beeindruckende Partnachklamm gewandert. Ob es kalt war? Ich denke, das Foto sagt alles. 😉

Am Ende der Partnachklamm bietet sich diese beeindruckende Kulisse.

Selbstverständlich haben wir auch eine schöne kleine Silvesterfeier gemacht. Und da wir ja in Bayern waren habe ich mir es nicht nehmen lassen, am Silvesterabend ein schönes Dirndl zu tragen. 🙂

Es war ein richtig schöner Urlaub, der mir lange in Erinnerung bleiben wird.

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Offener Brief an die Bundesärztekammer

Offener Brief des Gendertreff an die Bundesärztekammer bez. diskriminierender Aussagen über Transgender bzw. transidente Personen in Zusammenhang mit Blutspenden

Sehr geehrte Damen und Herren der Bundesärztekammer,

der Gendertreff ist eine ehrenamtlich geführte Trans*-Organisation. Die Ziele des Gendertreff sind Hilfe zur Selbsthilfe für Trans*-Menschen und ihre Angehörigen sowie politische Arbeit und Öffentlichkeitsarbeit. Wir streben an, die Lebenssituation von Trans*-Menschen und ihren Angehörigen nachhaltig zu verbessern. Dazu betreiben wir unter www.gendertreff.de eine große Internet-Plattform, Selbsthilfegruppen in Düsseldorf und Leverkusen sowie mit dem Gendertreff-Forum (www.gendertreff-forum.de) eine virtuelle Selbsthilfegruppe.

Im Zuge der Foren-Diskussion zu unserem offenen Leserbrief an die Welt-Redaktion wurden wir auf Ihr Positionspapier „Blutspendeausschluss von Personen mit sexuellem Risikoverhalten“ aufmerksam. Dort vertreten Sie die Auffassung, dass Trans*-Personen eine AIDS-Risikogruppe wären. Unter anderem heißt es dort:

In Studien zur HIV-Prävention werden Transsexuelle häufig zur Kategorie der Männer gezählt, die Sex mit Männern haben (MSM) [■ Bockting 2001]. Die AIDS-Aufklärungsprogramme erreichen aber häufig diese Zielgruppe nicht, da sich die Betroffenen als Frau fühlen, auch wenn das Geschlechtsorgan, der Penis, meist noch vorhanden ist [■ Weeks 1995]. Aus medizinischer Sicht werden dagegen lediglich diejenigen Menschen als transsexuell bezeichnet, die eine Geschlechtsanpassung in allen körperlichen, sozialen und rechtlichen Bereichen vollzogen haben oder noch vollziehen wollen. Über die Prävalenz der Transsexualität nach dieser engen Definition gibt es keine gesicherten Angaben. Die Schätzungen schwanken zwischen 1:10.000 bis 1:1000 [■ Olyslager 2007].

Da sich viele Transsexuelle, die eine vollständige Geschlechtsumwandlung anstreben, beruflich ausgegrenzt und gesellschaftlich diskriminiert fühlen, arbeiten viele als Prostituierte, um auf diese Weise nicht nur den Lebensunterhalt zu verdienen, sondern auch die Operationskosten zu erwirtschaften. Zur Größenordnung dieser Gruppe liegen international keine Statistiken vor. Eine einschlägige deutsche Erotik-Webseite, auf der Transsexuelle ihre Dienste bundesweit anbieten, enthält ca. 300 Inserate (Stand April 2011). Die tatsächliche Zahl dürfte höher sein. Unter den hier inserierenden transsexuellen Sexarbeiterinnen befinden sich auffällig viele mit asiatischer oder südamerikanischer Herkunft.

Die häufig anzutreffende, häufig vielleicht auch nur temporäre Arbeit im Sexgewerbe führt dazu, dass Transsexuelle ein noch größeres HIV-Risiko haben, nicht nur im Vergleich zu Sexarbeiterinnen, sondern auch im Vergleich zu Männern, die Sex mit Männern haben

Diese Aussagen verwundern, da es sich bei der Bundesärzekammer um eine Spitzenorganisation der ärztlichen Selbstverwaltung handelt. Weshalb also werden allgemein anerkannte medizinische Forschungesrgebisse im Rahmen der getroffenen Risikoanalyse nicht berücksichtigt? Der Gendertreff kritisiert mit diesem offenen Brief die getroffenen Aussagen als sachlich falsch. Die getroffenen Aussagen stellen zudem eine massive Diskriminierung sowie eine entwürdigende Beleidigung von Trans*-Personen dar.

Zunächst einmal ignoriert der zitierte Text, dass es sowohl Transfrauen als auch Transmänner gibt. Transmänner sind Personen, deren Identitätsgeschlecht männlich ist, die jedoch weibliche äußere Geschlechtsmerkmale besitzen. Transfrauen sind Personen, deren Identitätsgeschlecht weiblich ist, die jedoch männliche äußere Geschlechtsmerkmale besitzen. Weiter wird mit dieser Aussage unterstellt, dass Transidentität irgendeinen Bezug zur sexuellen Orientierung von Menschen besitzen könnte. Auch dies ist jedoch sachlich falsch, da es empirisch erwiesen ist, dass die sexuelle Orientierung vollkommen unabhängig vom Identitätsgeschlecht ist. Um es ganz klar zu formulieren: Die Aussage, dass „Transsexuelle häufig zur Kategorie der Männer gezählt [würden], die Sex mit anderen Männern haben“, ist empirisch selbst für medizinische Laien ohne weiteres widerlegbar. Weshalb also wird ausgerechnet seitens der Bundesärztekammer eine derart realitätsferne These aufgestellt?

Die Bundesärztekammer legt demnach ihrer Analyse zum HIV-Risiko von Trans*-Personen das sachliche falsche Bild des „Mannes in Frauenkleidern, der Sex mit Männern“ anstrebt zugrunde. Die wissenschaflich unhaltbaren Thesen des oben zitierten Textes basieren demnach auf einem zu massiver Beleidigung geeigneten Vorurteil. Dabei werden Studien zitiert, die offenbar ebenfalls sehr realitätsferne Annahmen zugrunde legen.

Auch ansonsten verwundert der Text, da er durch erhebliche fachliche Defizite auffällt. Denn bereits Begriffe wie „Transsexuelle“ oder „Geschlechtsumwandlung“ lassen erkennen, dass sich die Autoren des Papiers nicht einmal ansatzweise mit dem Themenkomplex Transidentität auseinandergesetzt haben. Der Gendertreff empfiehlt der Bundesärztekammer deshalb dringend, sowohl den Kontakt mit einschlägigen Trans*-Organisationen – wie z.B. dem Gendertreff – als auch mit Fachmedizinern aus den Reihen der eigenen Mitglieder aufzunehmen. Es gilt als medizinisch anerkannt, dass eine Angleichung an das Identitätsgeschlecht angestrebt wird. Der korrekte fachliche Terminus lautet demnach nicht „Geschlechtsumwandlung“, sondern „geschlechtsangleichende Maßnahmen“. Weiter ist darauf hinzuweisen, dass der Terminus „Transidentität“ treffender ist, da er auf das Identitätsgeschlecht abhebt.

Die Aussagen zur Prostitution von Trans*-Personen sind schlichtweg völlig unqualifiziert und stellen eine abstoßende Beleidigung dar. Zwar mag es tatsächlich Trans*-Personen geben, die sich prostituieren. Bei sorgfältiger Recherche sollte die Bundesärztekammer jedoch feststellen, dass die überwiegende Mehrzahl der Trans*-Personen völlig normalen bürgerlichen Berufen nachgeht. Auch sollte der Bundesärztekammer bekannt sein, dass geschlechtsangleichende Maßnahmen in Deutschland von den Krankenkassen übernommen werden. Weshalb also sollte sich jemand zwecks Durchführung einer medizinischen Maßnahme prostituieren, deren Bezahlung die jeweilige Krankenversicherung übernimmt? Diese Aussage ist demnach in ihrer Argumentation nicht schlüssig. Desweiteren überrascht sie auch insofern, als die Bundesärztekammer die Spitzenorganisation von Ärzten ist, denen die Abrechnung medizinischer Leistungen mit den Krankenversicherungen aus der eigenen beruflichen Praxis hinlänglich bekannt sein sollte.

Das Zitieren einer einschlägigen deutschen Erotik-Webseite kann nicht als wissenschaftlich fundierte Recherche bzw. Datenanalyse bezeichnet werden. Im Wege einer Vorverurteilung und pauschalen Herabsetzung wird offenbar das gewünschte Ergebnis durch gezieltes Ausblenden der statistisch relevanten Grundgesamtheit herbeigeführt, indem man eben gerade nicht die zu betrachtende Grundgesamtheit – also alle Trans*-Personen – in die Erhebung einbezieht. Dies ist umso unverständlicher, als es in Deutschland und auch anderen Ländern namhafte Mediziner und auch Trans*-Organisationen gibt, die zur Erfassung der zur Ableitung einer validen Statistik benötigten Grundgesamtheit beitragen könnten.

Aus den hier monierten Passagen und den Einwürfen des Gendertreff wird deutlich, dass die Aussage, nach der Transidente ein besonders hohes HIV-Risiko haben sollen, wissenschaftlich nicht zu halten ist. Statt einer wissenschaftlich fundierten Analyse präsentiert die Bundesärztekammer Recherchen auf Erotik-Webseiten. Die Bundesärztekammer ignoriert die gängige Abrechnungspraxis der Krankenkassen und stellt statt dessen die realitätsferne Behauptung auf, dass sich viele Transidente prostituieren würden, um ihren Lebensunterhalt und insbesondere die Kosten von medizinischen Maßnahmen zu verdienen. Weiter ignoriert die Bundesärztekammer die empirisch sehr leicht zu überprüfende Tatsache, dass es sowohl Transfrauen als auch Transmänner gibt und legt ihren Ausführung ein empirisch nicht zu haltendes Vorurteil zugrunde.

Der Gendertreff fordert die Bundesärztekammer vor diesem Hintergrund auf, das zitierte Positionspapier in naher Zukunft zu überarbeiten und sich fachliche Unterstützung aus den Reihen einschlägiger Mediziner und Trans*-Organisationen einzuholen, um derart herabwürdigende und diskriminierende sowie medizinisch unhaltbare Aussagen in Zukunft zu vermeiden. Über eine Stellungnahme Ihrerseits würden wir vom Gendertreff uns ebenso wie die vielen Trans*-Personen freuen. Darüber hinaus bietet der Gendertreff seine Unterstützung bei der Erstellung einer fachlich fundierten Analyse an.

Dieser offene Brief wird der Bundesärztekammer per Briefpost ebenfalls zugestellt und vorab per E-Mail übermittelt.

Mehr zum Thema:

>> Antwort der Bundesärztekammer auf den offenen Brief des Gendertreff

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Offener Leserbrief an die Welt-Redaktion

Durch eine E-Mail aus unserem Netzwerk wurden wir auf einen Artikel auf dem Online Portal der Welt aufmerksam. In diesem Artikel geht es um ein neu in der EU zugelassenes Medikament, das die Ansteckungsgefahr mit AIDS minimieren soll. In diesem Artikel ist im weiteren Verlauf folgender Abschnitt zu lesen:

Als Anwender der Prophylaxe kommt nach Angaben der Deutschen Aids-Gesellschaft eine kleine Gruppe mit hohem Risiko infrage: Männer und Transgender, die auch ungeschützten Sex mit häufig wechselnden Männern haben, sowie Partner unbehandelter HIV-Infizierter.

Diese Aussage ist pauschal herabsetzend sowie in höchstem Maße beleidigend, ehrverletzend, diskriminierend und darüber hinaus sachlich falsch. Denn sie unterstellt fälschlicherweise, dass Transidentität irgendeinen Bezug zur sexuellen Ausrichtung von Menschen hätte. Weiter unterstellt sie fälschlicherweise, dass bei Transgendern Sex ein wesentlicher Motivationsfaktor sei.

Die Autoren des Beitrags zeichnen so ein Bild eines Mannes in Frauenkleidern, dessen Motivation häufiger Sex mit Männern sei. Dabei verkennen sie bereits, dass es sowohl Mann-zu-Frau- als auch Frau-zu-Mann-Transgender gibt. Das Bild des „Mannes in Frauenkleidern“ entspricht bereits deshalb schon nicht der Realität.

Weiter verkennen die Autoren, dass Transidentität bedeutet, dass die geschlechtliche Identität eines Menschen nicht mit den körperlichen Geschlechtsmerkmalen übereinstimmt. Salopp bezeichnet man dieses Phänomen als „sich im falschen Körper fühlen“. Es ist für den Gendertreff nicht ersichtlich, weshalb dies dazu führen sollte, dass Trans*-Personen häufiger als der Durchschnitt der restlichen Bevölkerung ungeschützten Sex mit Männern haben sollten.

Aus unserer seit 2004 betriebenen Selbsthilfearbeit wissen wir aus erster Hand, dass sich Heterosexualität und Homosexualität über die Grundgesamtheit der Trans*-Personen verteilt wie über die restliche Bevölkerung auch. Nach „klassischem Verständnis“ sind die meisten Transgender demnach heterosexuell. Alleine schon die Behauptung, dass Transgender grundsätzlich Sex mit Männern anstreben würden, ist demnach schlichtweg aus der Luft gegriffen.

Weshalb ausgerechnet Transgender dann auch noch häufig wechselnde Geschlechtspartner haben sollen, vermögen wohl nur die Autoren des Berichts zu sagen, denen wohl offensichtlich die Phantasie dabei durchgegangen ist. Fakt ist: Die meisten Trans*-Menschen streben eine langfristige Beziehung an bzw. leben in langfristigen Beziehungen. So ist z.B. die Gendertreff-Gründerin Xenia seit über 30 Jahren mit ihrer Ehefrau Ute verheiratet. Sex mit häufig wechselnden Männern? Fehlanzeige.

„Auch ich stehe ausschließlich auf Frauen und könnte mir Sex mit Männern niemals vorstellen“, bestätigt Ava, seit 2008 Mitglied im Gendertreff-Team. „Alle meine Partnerschaften waren zudem langfristiger Natur.“ Xenia bestätigt: „Auch innerhalb des Gendertreff-Teams gibt es viele weitere langjährige Partnerschaften und auch zu unseren Selbsthilfetreffen kommen vielfach Menschen mit ihren Partner_inne_n, die in teils langjährigen Beziehungen leben.“

Auch Angehörige von Trans*-Personen, die unsere Selbsthilfetreffen besuchen, zeigen sich angesichts der diskriminierenden Formulierungen entsetzt. Darüber hinaus beeinträchtigt eine derart wahrheitswidrige Berichterstattung die Selbsthilfearbeit des Gendertreff, da wir unser Angebot explizit auch an die Angehörigen von Transgendern wenden, die ggf. durch derartige Diffamierungen verunsichert werden.

Dem Gendertreff ist klar, dass in der Gesellschaft Informationsdefizite zum Thema Transidentität bestehen. Ein Medium wie die Welt bzw. grundsätzlich Journalisten müssen sich jedoch kritisch fragen lassen, weshalb sie derartige Vorurteile und derbe Beleidigungen medial verbreiten. Fakt ist: Die Behauptung, dass Transgender eine besonders anfällige AIDS-Risikogruppe darstellen sollen, ist falsch. Die Behauptung, dass Transgender ungeschützten Sex mit häufig wechselnden Männern hätten, ist ebenfalls falsch und völlig realitätsfern.

Der Gendertreff fordert hiermit alle Journalisten bzw. Zeitungen, Zeitschriften, Online-Portale usw. zu einer fairen, sachlichen und vor allem wahrheitsgemäßen Berichterstattung auf. Der Gendertreff fordert die Welt-Redaktion und alle anderen Redaktionen auf, publizierte Inhalte gründlich zu recherchieren, mithin das zu leisten, was man von Journalisten gemeinhin erwartet: Saubere journalistische Arbeit und nicht ein copy & paste unsubstantiierter Behauptungen und unflätiger Beleidigungen.

Der Gendertreff fordert die Welt-Redaktion darüber hinaus auf, darzulegen, auf welche Quelle der Deutschen Aids-Gesellschaft sie sich bezieht. Ebenso fordern wir die Deutsche Aids-Gesellschaft auf, offenzulegen, weshalb und auf welcher Datenbasis sie derartige Behauptungen postuliert.

>> Inhaltsverzeichnis