Antwort der Bundesärztekammer auf den offenen Brief des Gendertreff

Aufgrund eines Hinweises im Gendertreff-Forum hatten wir am 06. Januar 2017 einen offenen Brief an die Bundesärztekammer verfasst. In diesem nahmen wir zu einem von der Bundesärztekammer veröffentlichten Positionspapier „Blutspendeausschluss von Personen mit sexuellem Risikoverhalten“ Stellung. Moniert wurde unsererseits insbesondere, dass Trans*-Personen als Hochrisikogruppe für AIDS eingestuft wurden. Diese Einstufung erfolgte, da – so die Bundesärztekammer – sich viele Trans*-Personen prostituieren würden, um Geld für geschlechtsangleichende Maßnahmen zu verdienen. Dabei werden die geschlechtsangleichenden Maßnahmen im monierten Positionspapier der Bundesärztekammer sachlich falsch als „Geschlechtsumwandlung“ bezeichnet.

Der Gendertreff rügte diese Einschätzung als diskriminierend, sachlich falsch und empirisch nicht nachweisbar. Der Gendertreff führte aus, dass die überwiegende Mehrzahl der Trans*-Personen völlig normalen bürgerlichen Berufen nachgehe. Auch sei es nicht schlüssig, weshalb sich Menschen prostituieren sollten, um Leistungen zu erhalten, die in Deutschland von den Krankenkassen übernommen werden.

Den offenen Brief veröffentlichten wir auf der Gendertreff Plattform und übermittelten diesen per E-Mail sowie per Briefpost mit Schreiben vom 07.01.2017 an die Bundesärztekammer.

Mit Schreiben vom 01.02.2017 antwortete die Bundesärztekammer und informierte uns darüber, dass die in unserem offenen Brief zitierten „Erläuterungen und Regelungsoptionen zum Blutspende-Ausschluss bzw. zur Rückstellung von Personen, deren Sexualverhalten ein Risiko für den Empfänger von Blutprodukten birgt“, Stand 25.04.2012, inzwischen überarbeitet wurden.

Die Bundesärztekammer führt aus, dass eine gemeinsame Arbeitsgruppe aus Vertretern des „Arbeitskreises Blut“ nach § 24 Transfusionsgesetz (TFG), des Ständigen Arbeitskreieses „Richtlinien Hämotherapie“ nach §§ 12a und 18 TFG des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesärztekammer, des Robert-Koch-Instituts, des Paul-Ehrlich-Instituts und des Bundesministeriums für Gesundheit die aktuellen epidemiologischen Daten zusammengestellt und ausgewertet hat.

Das Arbeitsergebnis der oben genannten gemeinsamen Arbeitsgruppe wurde laut dem uns zugegangenen Schreiben vom „Arbeitskreis Blut“ nach § 24 TFG am 04.10.2016 zustimmend zur Kenntnis genommen und befindet sich nun im Beratungsprozess der Gremien der Bundesärztekammer. Vor dem Hintergrund der laufenden Beratungen bittet die Bundesärztekammer um Verständnis, dass man zu Inhalten und einem möglichen Veröffentlichungszeitpunkt noch keine Angaben machen könne.

Der Gendertreff begrüßt die Überarbeitung der zitierten Richtlinien. Wir hoffen, dass nun ein realistisches Profil von Trans*-Personen zugrunde gelegt wurde, da das in dem monierten Positionspapier „Blutspendeausschluss von Personen mit sexuellem Risikoverhalten“ gezeichnete Bild von Trans*-Personen sachlich falsch, abwertend und diskriminierend war. Gerne stehen wir jederzeit für den fachlichen Austausch zur Verfügung.

Mehr zum Thema:

>> Offener Brief des Gendertreff an die Bundesärztekammer

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Offener Brief an die Bundesärztekammer

Offener Brief des Gendertreff an die Bundesärztekammer bez. diskriminierender Aussagen über Transgender bzw. transidente Personen in Zusammenhang mit Blutspenden

Sehr geehrte Damen und Herren der Bundesärztekammer,

der Gendertreff ist eine ehrenamtlich geführte Trans*-Organisation. Die Ziele des Gendertreff sind Hilfe zur Selbsthilfe für Trans*-Menschen und ihre Angehörigen sowie politische Arbeit und Öffentlichkeitsarbeit. Wir streben an, die Lebenssituation von Trans*-Menschen und ihren Angehörigen nachhaltig zu verbessern. Dazu betreiben wir unter www.gendertreff.de eine große Internet-Plattform, Selbsthilfegruppen in Düsseldorf und Leverkusen sowie mit dem Gendertreff-Forum (www.gendertreff-forum.de) eine virtuelle Selbsthilfegruppe.

Im Zuge der Foren-Diskussion zu unserem offenen Leserbrief an die Welt-Redaktion wurden wir auf Ihr Positionspapier „Blutspendeausschluss von Personen mit sexuellem Risikoverhalten“ aufmerksam. Dort vertreten Sie die Auffassung, dass Trans*-Personen eine AIDS-Risikogruppe wären. Unter anderem heißt es dort:

In Studien zur HIV-Prävention werden Transsexuelle häufig zur Kategorie der Männer gezählt, die Sex mit Männern haben (MSM) [■ Bockting 2001]. Die AIDS-Aufklärungsprogramme erreichen aber häufig diese Zielgruppe nicht, da sich die Betroffenen als Frau fühlen, auch wenn das Geschlechtsorgan, der Penis, meist noch vorhanden ist [■ Weeks 1995]. Aus medizinischer Sicht werden dagegen lediglich diejenigen Menschen als transsexuell bezeichnet, die eine Geschlechtsanpassung in allen körperlichen, sozialen und rechtlichen Bereichen vollzogen haben oder noch vollziehen wollen. Über die Prävalenz der Transsexualität nach dieser engen Definition gibt es keine gesicherten Angaben. Die Schätzungen schwanken zwischen 1:10.000 bis 1:1000 [■ Olyslager 2007].

Da sich viele Transsexuelle, die eine vollständige Geschlechtsumwandlung anstreben, beruflich ausgegrenzt und gesellschaftlich diskriminiert fühlen, arbeiten viele als Prostituierte, um auf diese Weise nicht nur den Lebensunterhalt zu verdienen, sondern auch die Operationskosten zu erwirtschaften. Zur Größenordnung dieser Gruppe liegen international keine Statistiken vor. Eine einschlägige deutsche Erotik-Webseite, auf der Transsexuelle ihre Dienste bundesweit anbieten, enthält ca. 300 Inserate (Stand April 2011). Die tatsächliche Zahl dürfte höher sein. Unter den hier inserierenden transsexuellen Sexarbeiterinnen befinden sich auffällig viele mit asiatischer oder südamerikanischer Herkunft.

Die häufig anzutreffende, häufig vielleicht auch nur temporäre Arbeit im Sexgewerbe führt dazu, dass Transsexuelle ein noch größeres HIV-Risiko haben, nicht nur im Vergleich zu Sexarbeiterinnen, sondern auch im Vergleich zu Männern, die Sex mit Männern haben

Diese Aussagen verwundern, da es sich bei der Bundesärzekammer um eine Spitzenorganisation der ärztlichen Selbstverwaltung handelt. Weshalb also werden allgemein anerkannte medizinische Forschungesrgebisse im Rahmen der getroffenen Risikoanalyse nicht berücksichtigt? Der Gendertreff kritisiert mit diesem offenen Brief die getroffenen Aussagen als sachlich falsch. Die getroffenen Aussagen stellen zudem eine massive Diskriminierung sowie eine entwürdigende Beleidigung von Trans*-Personen dar.

Zunächst einmal ignoriert der zitierte Text, dass es sowohl Transfrauen als auch Transmänner gibt. Transmänner sind Personen, deren Identitätsgeschlecht männlich ist, die jedoch weibliche äußere Geschlechtsmerkmale besitzen. Transfrauen sind Personen, deren Identitätsgeschlecht weiblich ist, die jedoch männliche äußere Geschlechtsmerkmale besitzen. Weiter wird mit dieser Aussage unterstellt, dass Transidentität irgendeinen Bezug zur sexuellen Orientierung von Menschen besitzen könnte. Auch dies ist jedoch sachlich falsch, da es empirisch erwiesen ist, dass die sexuelle Orientierung vollkommen unabhängig vom Identitätsgeschlecht ist. Um es ganz klar zu formulieren: Die Aussage, dass „Transsexuelle häufig zur Kategorie der Männer gezählt [würden], die Sex mit anderen Männern haben“, ist empirisch selbst für medizinische Laien ohne weiteres widerlegbar. Weshalb also wird ausgerechnet seitens der Bundesärztekammer eine derart realitätsferne These aufgestellt?

Die Bundesärztekammer legt demnach ihrer Analyse zum HIV-Risiko von Trans*-Personen das sachliche falsche Bild des „Mannes in Frauenkleidern, der Sex mit Männern“ anstrebt zugrunde. Die wissenschaflich unhaltbaren Thesen des oben zitierten Textes basieren demnach auf einem zu massiver Beleidigung geeigneten Vorurteil. Dabei werden Studien zitiert, die offenbar ebenfalls sehr realitätsferne Annahmen zugrunde legen.

Auch ansonsten verwundert der Text, da er durch erhebliche fachliche Defizite auffällt. Denn bereits Begriffe wie „Transsexuelle“ oder „Geschlechtsumwandlung“ lassen erkennen, dass sich die Autoren des Papiers nicht einmal ansatzweise mit dem Themenkomplex Transidentität auseinandergesetzt haben. Der Gendertreff empfiehlt der Bundesärztekammer deshalb dringend, sowohl den Kontakt mit einschlägigen Trans*-Organisationen – wie z.B. dem Gendertreff – als auch mit Fachmedizinern aus den Reihen der eigenen Mitglieder aufzunehmen. Es gilt als medizinisch anerkannt, dass eine Angleichung an das Identitätsgeschlecht angestrebt wird. Der korrekte fachliche Terminus lautet demnach nicht „Geschlechtsumwandlung“, sondern „geschlechtsangleichende Maßnahmen“. Weiter ist darauf hinzuweisen, dass der Terminus „Transidentität“ treffender ist, da er auf das Identitätsgeschlecht abhebt.

Die Aussagen zur Prostitution von Trans*-Personen sind schlichtweg völlig unqualifiziert und stellen eine abstoßende Beleidigung dar. Zwar mag es tatsächlich Trans*-Personen geben, die sich prostituieren. Bei sorgfältiger Recherche sollte die Bundesärztekammer jedoch feststellen, dass die überwiegende Mehrzahl der Trans*-Personen völlig normalen bürgerlichen Berufen nachgeht. Auch sollte der Bundesärztekammer bekannt sein, dass geschlechtsangleichende Maßnahmen in Deutschland von den Krankenkassen übernommen werden. Weshalb also sollte sich jemand zwecks Durchführung einer medizinischen Maßnahme prostituieren, deren Bezahlung die jeweilige Krankenversicherung übernimmt? Diese Aussage ist demnach in ihrer Argumentation nicht schlüssig. Desweiteren überrascht sie auch insofern, als die Bundesärztekammer die Spitzenorganisation von Ärzten ist, denen die Abrechnung medizinischer Leistungen mit den Krankenversicherungen aus der eigenen beruflichen Praxis hinlänglich bekannt sein sollte.

Das Zitieren einer einschlägigen deutschen Erotik-Webseite kann nicht als wissenschaftlich fundierte Recherche bzw. Datenanalyse bezeichnet werden. Im Wege einer Vorverurteilung und pauschalen Herabsetzung wird offenbar das gewünschte Ergebnis durch gezieltes Ausblenden der statistisch relevanten Grundgesamtheit herbeigeführt, indem man eben gerade nicht die zu betrachtende Grundgesamtheit – also alle Trans*-Personen – in die Erhebung einbezieht. Dies ist umso unverständlicher, als es in Deutschland und auch anderen Ländern namhafte Mediziner und auch Trans*-Organisationen gibt, die zur Erfassung der zur Ableitung einer validen Statistik benötigten Grundgesamtheit beitragen könnten.

Aus den hier monierten Passagen und den Einwürfen des Gendertreff wird deutlich, dass die Aussage, nach der Transidente ein besonders hohes HIV-Risiko haben sollen, wissenschaftlich nicht zu halten ist. Statt einer wissenschaftlich fundierten Analyse präsentiert die Bundesärztekammer Recherchen auf Erotik-Webseiten. Die Bundesärztekammer ignoriert die gängige Abrechnungspraxis der Krankenkassen und stellt statt dessen die realitätsferne Behauptung auf, dass sich viele Transidente prostituieren würden, um ihren Lebensunterhalt und insbesondere die Kosten von medizinischen Maßnahmen zu verdienen. Weiter ignoriert die Bundesärztekammer die empirisch sehr leicht zu überprüfende Tatsache, dass es sowohl Transfrauen als auch Transmänner gibt und legt ihren Ausführung ein empirisch nicht zu haltendes Vorurteil zugrunde.

Der Gendertreff fordert die Bundesärztekammer vor diesem Hintergrund auf, das zitierte Positionspapier in naher Zukunft zu überarbeiten und sich fachliche Unterstützung aus den Reihen einschlägiger Mediziner und Trans*-Organisationen einzuholen, um derart herabwürdigende und diskriminierende sowie medizinisch unhaltbare Aussagen in Zukunft zu vermeiden. Über eine Stellungnahme Ihrerseits würden wir vom Gendertreff uns ebenso wie die vielen Trans*-Personen freuen. Darüber hinaus bietet der Gendertreff seine Unterstützung bei der Erstellung einer fachlich fundierten Analyse an.

Dieser offene Brief wird der Bundesärztekammer per Briefpost ebenfalls zugestellt und vorab per E-Mail übermittelt.

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Der Gendertreff in Solingen 2016

Zum neunten Mal lud u.a. Silvia K. (Mitorganisatorin) zum Selbsthilfetag ins Klinikum Solingen und 42 Selbsthilfegruppen machten mit.

Wie schon im letzten Jahr hatte der Gendertreff wieder den guten Platz am Eingang des Foyers. Diesmal konnten wir auch unsere Beachflag draußen vor dem Eingang platzieren. Bereits während des Aufbaus des Standes konnten tiefgründige Gespräche geführt werden. Um 11:00 Uhr dann war alles fertig und der offizielle Teil begann. Ava, Nathalie, Rita, Ute, Xenia und später auch Jonas waren bereit. Es sollte ein intensiver Samstag werden.

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Anders als erwartet“ aber auch die Themen „Transidentität am Arbeitsplatz“, „Transidentität in der Schule“, „Transidentität und Medizin“ sowie „Transidentität und Recht“  waren die vorherrschenden Themen und wurden zur Diskussion aufgegriffen.

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Der Solinger Bürgermeister drehte seine Runde und verblieb zu einem längeren Gespräch an unserem Stand. Gerne nahm er eine „Grüne Karte für Diversity“ mit. Auch Silvia, die in vielen Gesprächen eingebunden war, besuchte uns zwischendurch gerne.

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Aber die zahlreichen Besucher konnten sich nicht nur über Transgender informieren. Blutdruck- und Blutzuckermessungen wurden durchgeführt. Kinder aber auch Erwachsene wurden auf Wunsch geschminkt und ein Künstler zauberte aus Ballons schöne Figuren.

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Sogar eine kleine Tanzformation zeigte ihr Können und verließ mit viel Applaus und jeweils einem Gendertreff Ballon das Foyer. Und damit nicht genug.

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Am Nachmittag bekam der Gendertreff die Gelegenheit kranke Kinder, auf der Kinderstation im 7. Stock des Klinikums, zu besuchen. Es war herrlich, wie sich die Kinder in ihren Zimmern über diese kleine Geste freuten, als sie die Gendertreff Ballons überreicht bekamen. Für alle war dies eine gelungene Abwechslung und für die Kinder eine schöne Überraschung im Klinikalltag, die ein wenig von der Krankheit ablenkte. Natürlich bekamen die anwesenden Eltern auch gleich noch die „Grüne Karte für Diversity“ als Information an die Hand.

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So sprang der Zeiger der großen Uhr auf 4 und alle bauten ab. Wir verabschiedeten uns und luden das Equipment in die Fahrzeuge.

Wir freuen uns auf den 10. Selbsthilfetag im Solinger Klinikum 2017.

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Fotos vom Gendertreff auf der Paracelsus Messe Düsseldorf 2016

Der Gendertreff klärte auf der Paracelsus Messe Düsseldorf 2016 über Transidentität auf und stand für Fachgespräche zum Thema Transgender zur Verfügung. Bereits zum vierten Mal waren wir mit einem Infostand auf der Gesundheitsmesse dabei.

Parallel zur Paracelsus Messe fanden in den Messehallen auf dem Areal Böhler die Messen Veggie World und Heldenmarkt statt. Wir rechneten also mit vielen Besuchern und tatsächlich: Am Freitag war der Start noch verhalten, denn der Freitag war ja ein ganz normaler Arbeitstag. Aber am Samstag und Sonntag wurde es richtig voll, denn bei bestem Wetter strömten viele Besucher auf das Messegelände.

Die Bilanz: Ungefähr jeweils 2.000 verteilte Flyer und Grüne Karten für Diversity sowie unzählige Gespräche mit Ärzt_inn_en, Psycholog_inn_en, Pflegepersonal und natürlich auch interessierten Messebesuchern.

Die Besucher hatten zahlreiche Fragen, die wir gerne beantworteten.

Marina, Ava und Nathalie im Gespräch mit Messebesuchern.

Ava und Xenia im Gespräch mit einer Messebesucherin. Dabei nutzten wir auch unsere Aktion anders als erwartet zur Aufklärung über Transidentität.

Endspurt zum letzten Messetag: Nach dem Herrichten des Messestands am Sonntagmorgen erwarten Ava und Marina die Besucher der Paracelsus Messe.

Ute und Ava präsentieren die Aktion anders als erwartet.

Manchmal kamen wir mit den Gesprächen kaum noch nach und das gesamte Standpersonal hatte alle Hände voll zu tun.

Nathalie und Ava mit Flyern und Grünen Karten.

Der Blick aus dem Stand heraus zeigt: Es war richtig voll auf der Messe und am Gendertreff-Stand war immer etwas los.

Die Gespräche am Gendertreff-Stand waren zum Teil sehr intensiv und in die Tiefe gehend, da wir auch von unseren persönlichen Erfahrungen mit unserer Transidentität bzw. der Transidentität von Familienangehörigen berichten. Gerade diese persönlichen Erfahrungsberichte regen viele Zuhörer zum Nachdenken an und helfen, falsche Vorstellungen über Transgender zu beseitigen.

Immer wieder stellen wir fest, dass vor allem Informationsdefizite bestehen, die mitunter zu diskriminierenden Situationen führen können. Dagegen hilft nur, die Aufklärungsarbeit in die eigene Hand zu nehmen. Und genau deshalb werden wir auch in Zukunft keine Gelegenheit auslassen, um das Thema Transidentität in der Öffentlichkeit bekannter zu machen.

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Ist Transidentität ein Problem in der Gesellschaft?

Nach den Erfahrungen des Gendertreff aus nunmehr 12 Jahren Selbsthilfe- und Öffentlichkeitsarbeit kann dies verneint werden. Das Thema Transidentität ist nicht zuletzt durch die Aufklärungsarbeit des Gendertreff und anderer Trans*-Organisationen sowie eine Vielzahl von Medienberichten in der Gesellschaft angekommen. Allerdings beobachten wir weiterhin Informationsdefizite, die teils durch eine unzureichend recherchierte Medienberichterstattung gestützt werden. Aus diesen Informationsdefiziten resultieren mitunter Verwechslungen (z.B. mit Homosexualität oder mit Travestie), was wiederum zu Unverständnis oder Vorurteilen führen kann. Demnach ist weiterhin Öffentlichkeitsarbeit zu leisten, um mögliche Diskriminierungen zu vermeiden.

Viele Erlebnisse und unzählige Gespräche der Gendertreff Leser_innen, User_innen und natürlich auch der Mitglieder des Gendertreff-Teams machen Mut, dass man nicht mehr dumm angeschaut wird, nicht mehr jede_r seine Familie verliert und sich nicht mehr der Freundeskreis abwendet. Aber Vorsicht: Das bedeutet nicht, dass es nicht doch noch Diskriminierung gibt. Übrigens ist Diskriminierung nicht nur transidenten Menschen gegenüber zu finden.

Es nützt nichts, überspitzt formuliert im „Keller“ zu sitzen und auf die Gesellschaft zu schimpfen. Man selber ist Teil dieser Gesellschaft und man kann nicht die anderen erziehen oder ändern, sondern muss auch an sich selber arbeiten. Deshalb handelt der Gendertreff nach dem Motto: Raus in die Öffentlichkeit und weiter Aufklären. Aufklärung und Gespräche sind die Schlüsselwörter zum Erfolg. Die Gesellschaft an den Pranger zu stellen ist dagegen der falsche Weg, vgl. hier.

Ebenso ist es aber auch der falsche Weg, die Gesellschaft zu überfüttern und zu überfordern. Ständige Forderungen führen zu einer Abwehrhaltung und zu einer Umkehr der Stimmung. Besser ist es, einen gesunden Mittelweg finden, bei dem sich alle wieder finden können. Es ist wichtig, Information nicht zu überfrachten und vor allem positiv zu formulieren.

Viele Rahmenbedingungen haben sich insbesondere in Deutschland in den letzten Jahren erheblich verbessert. Auch international verbessern sich vielfach die Verhältnisse für transidente Menschen durch rechtliche Grundvoraussetzungen. So gibt es z.B. in einigen Ländern ganz offiziell ein drittes Geschlecht. Aber leider gibt es auch Länder, in denen Diskriminierung, Verfolgung und Unterdrückung nicht nur für Trans*-Menschen an der Tagesordnung sind. Und obwohl Transidentität in Deutschland durchaus in der Gesellschaft angekommen ist, bleibt auch hier noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten. Der Gendertreff lädt alle Menschen zum konstruktiven Dialog ein.

Niemand hat sich selber gemacht. Aber jede_r ist aufgerufen, gemeinsam daran zu arbeiten, dass Vielfalt, Toleranz und Akzeptanz in unserer Gesellschaft selbstverständlich sind und es auch bleiben.

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Jasmins Termine

Autorin: Jasmin

 

Hallo alle zusammen,

ich denke ich fange auch einfach mal einen Thread an, in den ich Ereignisse die mir Widerfahren, einfach aufschreibe.
Zum einen sicherlich deshalb, damit ich das später auch mal nachlesen kann (… und vielleicht über das eine oder andere sogar Lachen kann), zum anderen auch damit ich es selber besser verarbeiten kann und zu guter Letzt natürlich auch für euch alle zur Information.

Hier also gleich der erste Eintrag:

Krankenkasse und Antrag auf Kostenübernahme

Ich hatte es (glaube ich) schon irgendwo mal geschrieben, wiederhole es aber hier noch einmal.
Ich hatte am 6.8.2016 meinen Antrag auf Kostenübernahme (für GaOP, Brustaufbau, Epilation und eventuelle Stimm-OP) bei meiner Krankenkasse persönlich abgegeben.
Im Antrag enthalten waren 1 Attest meines Endokrinologen, 1 Attest meiner Psychologin, die 2 Gutachten die für das Gericht (PÄ) erstellt worden waren und meinen transidenten Lebenslauf.
Am 10.8.2016 bekam ich per eMail eine Eingangsbestätigung sowie die Nachricht das das ganze an den MDK weitergeleitet wurde. An diesem Punkt stellte ich mich schon auf eine längere Wartezeit ein, da man ja weiß, dass der MDK nicht unbedingt der schnellste ist.
Schon am 18.8.2016 erhielt ich eine eMail von meinem Sachbearbeiter, das er sich mit mir in Verbindung setzen wollte bezüglich des Antrages. Wieder gingen mir tausende Gedanken durch den Kopf, zum Beispiel „Was bitte schön fehlt denn dem MDK nun noch“.
Weit gefehlt, am folgenden Tag telefonierte ich mit der Krankenkasse und mir wurde mitgeteilt, dass der Antrag mit Einschränkungen genehmigt wurde.
Im Einzelnen sind dies:

  • GaOP = Volle Genehmigung
  • Bart-Epilation = Volle Genehmigung, jedoch mit der üblichen Auflage dies bei einem Hautarzt machen zu lassen
  • Stimm-OP = Die Empfehlung des MDK lautet zuerst eine Logopädie durchzuführen und bei Nichterfolg eine OP erneut zu beantragen
  • Brustaufbau = Grundsätzlich ja, aber ich muss auf jeden Fall eine 24-Monatige ununterbrochene Hormonbehandlung hinter mir haben (und dann auch noch einmal neu beantragen)

Zum letzten Punkt: Der Sachbearbeiter machte mir die Hoffnung, das, wenn ich ein Schriftstück bringen könne (von einem Facharzt) das das Brustwachstum vollständig und ohne Einschränkungen abgeschlossen ist (also kein höchstwahrscheinlich, sondern absolut sicher) dann könne man die Brust-OP vorziehen.

Beratungstermin im Brust-Zentrum

Ich hatte heute einen Beratungstermin in einem hiesigen Krankenhaus, welches solche Brustaufbauten durchführt (und das mir als sehr kompetent empfohlen wurde). Die Ärztin erklärte mir sehr genau den Ablauf und auch, dass eine gesicherte Aussage über das abgeschlossene oder nicht abgeschlossen Wachstum nicht gemacht werden könne. Außerdem wäre nicht sicher, ob die Krankenkasse einen Aufbau wie er bei mir erforderlich wäre auch wirklich bezahlen würde. Das hat den Grund, dass der Aufbau etwa doppelt teuer wird, da zuerst ein so genannter Expander in die Brüste implantiert wird. Diese werden dann in regelmäßigen Abständen gefüllt, um einen Hohlraum zu schaffen und genügend Gewebe um das endgültige Implantat aufzunehmen. Nach etwa 4 Monaten wäre dann die letzte OP, in der die Expander wieder entfernt und die Implantate eingesetzt werden.
So habe ich nun im Januar einen neuen Termin in der Brust-Klinik um ein Gutachten erstellen zu lassen, mit dem ich dann den Aufbau erneut beantragen kann. (Im Januar sind die 2 Jahre Hormonbehandlung erst abgelaufen). Somit muss ich nun zuerst bis Januar warten, dann die Kostenübernahme abwarten (die hoffentlich genau so zügig bearbeitet wird wie mein letzter Antrag), dann hoffentlich einen kurzfristigen Termin zum Einsetzen der Expander, dann erneut ca. 4 Monate … und wenn alles zügig voran geht, kann ich mich vielleicht Ende April über den Termin zur endgültigen Brust-OP freuen.

Anruf in der Uni-Klinik Essen Mitte

Da ich ja (s.o.) die Kostenübernahme für die GaOP habe, nutzte ich den freien Tag heute um noch in Essen anzurufen. Dort habe ich einen Termin zur Vor-Untersuchung erhalten … am 23. Januar 2017. Ist die Uni-Klinik in Essen wirklich so überlaufen, dass selbst Voruntersuchungen 4 Monate Wartezeit benötigen?
Zusammen mit dem was ich irgendwo gelesen habe, das in Essen die Wartezeiten auf die GaOP ca. 8 bis 10 Monate sind, wird also meine OP erst im Herbst 2017 stattfinden.

Naiv wie ich war, hatte ich gehofft, den Termin für die Vor-Untersuchung schon im Oktober zu bekommen. Dann hätte ich während meines Urlaubs nach Essen fahren können. Wie ich das nun im Januar manage weiß ich noch nicht so genau.
Zu mindestens habe ich erst einmal Termine und kann mich darauf einstellen. Nun heißt es aber erst einmal Warten. In der Zwischenzeit werde ich das Unmögliche Versuchen, und einen Hautarzt suchen, der Bart-Epilationen durchführt. (So weit wie mir bisher bekannt ist, gibt es solche in Berlin aber nicht mehr, da die Behandlung nicht Kostendeckend ist). Wie ich dann weiter verfahre muss ich dann entscheiden. Eine Behandlung aus eigener Tasche, z.B. in einem Kosmetik-Institut, kann ich mir nicht leisten.
Bezüglich der Stimme habe ich ja schon einige Sitzungen bei einem Logopäden hinter mir und werde das weiter durchziehen und hoffen, dass ich es damit schaffe, meine Stimme in den richtigen Bereich zu bekommen.

LG Jasmin

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Hier ist sie, die Geschichte zu Sabines GaOP

Autorin: Sabine

Ich möchte nicht auf Operationsmethoden und medizinische Details eingehen. Das können andere besser und haben das hier auch schon hinreichend getan. Mir geht es vielmehr um die Hintergründe und Erlebnisse, die mit so einer Entscheidung verbunden sein können.

Nach langem hin und her mit Krankenkasse und MDK lag sie nun vor mir, die Kostenübernahme.
Jetzt wurde es ernst mit meiner Entscheidung, mit der ich solange gezaudert hatte. Einer Entscheidung für die ich mir sehr viel Zeit genommen habe. Eine Zeit in der ich mit meiner Partnerin, mit Frauen die den Weg gegangen sind darüber gesprochen habe. Die Zeit die man sich nehmen sollte, um die Entscheidung zu treffen die unumkehrbar ist. Es ging in dieser Zeit um sehr viel Emotionen, Wünsche und auch um Erwartungen an eine solche OP. Es ging um Risiken und darum, dass am Ende all dies nicht in Erfüllung gehen könnte.

Was verbinde ich eigentlich damit? Bin ich dann Frau? Bin ich ohne Operation keine Frau? Macht mich die Operation zur Frau? Oder ist es die Erkenntnis zu der ich für mich persönlich gekommen bin. Zu der Erkenntnis, dass die OP nichts weiter ist als eine kosmetische Korrektur. Sie macht keine Frau aus mir, die ich ohnehin nie sein kann. Ich war, bin und werde immer eine Transfrau bleiben, daran ändert die OP auch nichts. Es ist halt meine Sichtweise auf die Dinge, die nicht die Sichtweise anderer sein muss. Dennoch, hier ist sie, meine Entscheidung für die ich mir solange Zeit genommen hatte. Ich hab es getan und ich bereue es nicht. Auch wenn, wie in meinem Fall das schlimmste was einen erwischen kann eingetreten ist.

Ob ich das noch einmal machen würde? Die Frage ist so einfach nicht zu beantworten. Sie unterteilt sich wohl in einen rationalen und in einen emotionalen Teil. Rational betrachtet wohl eher nicht. Denn die Situation in den Krankenhäusern darf man durchaus als äußerst schwierig betrachten. Die behandelnden Ärzte stehen im Dauerstress, die stationäre Nachsorge ist gezeichnet von schierer Ahnungslosigkeit, Desinteresse der Mitarbeiter und der Tatsache, dass niemand Zeit hat, wenigstens die dringlichsten Fragen zu  beantworten. Das Ganze lebt davon, dass man sehr viel mitdenken und auch selber agieren muss, trotz der Umstände dass man gerade operiert worden ist. Es sind die Folgen eines kranken Gesundheitssystems, unter dem alle Beteiligten zu leiden haben. Die Krankenhäuser werden unter dem ständig wachsenden Kostendruck zum Kaputtsparen genötigt. Der Profit darf natürlich auch nicht zu kurz kommen.

Diese Zustände dürften auch mit dazu beigetragen haben, dass durch die erste Operation eine rekto-vaginale Fistel entstanden ist. Ein Umstand der in naher Zukunft durch eine dritte Operation beseitigt werden soll. Es ist halt schief gelaufen und das sollte noch nicht alles sein. Beim kommenden Eingriff muss zusätzlich eine Narbenbildung im Vaginalkanal beseitigt werden. Die inneren Labien müssen verkleinert werden, zum einen aus optischen Gründen, zum anderen machen diese Probleme beim Wasserlassen. Eine Woche nach Entlassung aus dem Krankenhaus stellten sich Wundheilungsstörungen und heftige Blutungen ein.

Es gibt aber auch positives zu berichten. Ich war eines der ersten Mädels die im April nach der kombinierten Methode operiert worden sind. Angenehm fand ich, als die Stationshilfe am Morgen nach der OP kam und sagte, dass ich aufstehen müsse. Der gesamte operierte Bereich ist nicht so unter Spannung wie bei der ursprünglichen Verfahrensweise, was einen Quantensprung für die Betroffenen bedeutet.

Zurück zur Frage…würde ich das noch einmal machen… und zum emotionalen Teil der Antwort darauf. Ja ich würde es noch einmal machen, trotz der Folgen. Denn was wäre die Alternative? Für mich gab es keine, also stellt sich die Frage eigentlich gar nicht. Ich fühle mich gut und hoffe darauf, dass ich den Rest auch noch hin bekomme.

Abschließend kann ich sagen, dass es ein langer Weg war, der noch nicht zu Ende ist. Er dauert nun mehr als sieben Jahre an. Es bedarf sehr viel Disziplin, kritischer Selbsteinschätzung und Unterstützung durch sein Umfeld. Dazu gehört auch eine in der Sache kompetente SHG, die ich hier gefunden habe. Ohne die ich nicht die wäre, die ich heute sein kann. Sabine…….ich denke, dass es sich gelohnt hat, trotz aller Steine auf meinem Weg.

LG
eure Sabine

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Juliens Mastektomie

Autor: Julien

Tag vor der OP
Vor dem eigentlichen OP Termin und Einzug ins Krankenhaus, wurde noch ein Gespräch mit dem operierenden Arzt geführt. Dieses war im Grunde nichts anderes, wie die Voruntersuchung beim ersten Termin im Krankenhaus. Diesmal sollte ich nur noch die Einweisung von meinem Hausarzt mitbringen. Die anderen Unterlagen waren beim ersten Gespräch notwendig, bevor ich das Schreiben für die Kostenübernahme der Krankenkasse bekommen habe. Ich brachte einfach alles mit, was ich zu dem Zeitpunkt hatte. Unterlagen vom meinem Endokrinologe, die Gutachten von meiner / und auch der vorläufige Beschluss, den ich vom Gericht schon hatte. Dann die Indikation von meiner Therapeutin und der Trans*Lebenslauf.
Der Arzt ratterte nun alles an Informationen runter, als hätte er eine Kassette abgespielt. Ich will sicher auch gar nicht wissen, wie oft er diese Kassette einlegen muss. Dann wird noch die Unterschrift fällig, dass man über alle Risiken informiert wurde. Dann ging es weiter zur Verwaltung, wo ich dann nun angemeldet worden bin. Auch da musste die obligatorische Waschmaschine gekauft werden, indem man auch da wieder ein Autogramm hinterlassen hat. Mit dem nun größeren Papierstapel ging es dann weiter zur Narkoseabteilung. Der so muntere ‚Narkosateur‘, gefühlt auf Speed, ratterte dann noch seine Liste von Risiken der Narkose runter. Wäre ich an dem Tag nicht so aufgeregt gewesen, dass mir sogar schlecht war, hätte ich mich vielleicht ein wenig mehr hinreißen lassen können. So aber war mir das ein wenig zu viel. Auch dieser Schritt wurde dann mit einer Unterschrift meinerseits besiegelt. Man muss ja dazu sagen, dass der Teil eigentlich immer schön war. Immerhin konnte man seine neue Unterschrift überall drunter kritzeln und sich jedes Mal denken, wie toll das doch auf Papier aussieht. Jetzt musste der Stapel an Papieren nur wieder bei der Sekretärin der ersten Station abgegeben werden und fertig. Dann hieß es ab nach Hause und am nächsten Morgen um 7:00 Uhr auf der Matte stehen. Wie sollte ich das nur packen? Mir war so schon so schlecht gewesen und ich hatte Angst, dass ich am nächsten Tag doch noch irgendwo hin spucken müsste.

Der OP Tag
Geschlafen hatte ich gut. Die Baldriantablette hatte geholfen, die ich mir noch in der Apotheke besorgt hatte und der Filmabend mit meiner Mutter war auch schön gewesen. Ich bin entsprechend früh ins Bett gegangen und war vor dem Wecker Klingeln wieder wach. Keine Übelkeit und keine Aufregung. Das Baldrian musste ja bombe sein, auch wenn ich bezweifle, dass es wirklich daran lag. Nach der langen Wartezeit war es nun endlich soweit und ich hatte das Gefühl, dass mir und der OP nun wirklich nichts mehr dazwischen kommen konnte. Das war der Grund meiner Ruhe und Gelassenheit, gar meiner Zufriedenheit.
Ich wurde mit einem anderen Mann in ein Zimmer geführt, wo ich das sexy (Popofreien) Krankenhaushemd anziehen sollte. Es gab eine Art Netzunterhose dazu. Genauso heiß, ja. Ein Mann der geistig behindert war, war bereits im Raum und den anderen machte ich auch als Biomann aus. Ich entschied mich für das kleine Badezimmer, um mich dort umzuziehen. Abgesehen davon, dass es mir unangenehm war mich sonst frei um zu ziehen, hätte es den geistig behinderten Mann sicher auch sehr verstört, wenn ich mich da offen umgezogen hätte. Das die Schwester mich in dieses Zimmer brachte, halte ich auch jetzt noch für unüberlegt. Das hätte nicht sein müssen. Die Jungs dort waren auch wegen OPs an ihrem Bein dort. Als ich von dem neugierigen Mann, oder eher neugierigen Kind im Mann gefragt wurde warum ich da sei, habe ich gesagt, dass meine Brustdrüsen entfernt werden. Näher wollte ich nicht drauf eingehen und ich glaube, dass hat er auch gemerkt. Diese Menschen haben mehr Empathie als man ihnen vielleicht zugesteht.
Nun hieß es warten. Doch diese Wartezeit war völlig entspannt. Es gab dann auch noch die LMAA Tablette. Ich hätte sie nicht gebraucht, aber wer weiß wie ich später ohne sie noch drauf gewesen wäre. So hatte es mir dann auch nichts ausgemacht, dass ich bei der Narkose auch ein Übungsobjekt einer Studentin wurde, die es nicht packte meinen Zugang dafür zu legen. Ihr wurde dann aber noch geholfen und man sagte mir, dass es an der Hand nun was warm werden konnte. „Das fühlt sich eher drückend an, als w….“ Da war ich auch schon weg. Ich dachte eigentlich, ich würde das anzeichnen noch mitbekommen und danach würde ich erst schlafen gelegt – da hatte ich mich getäuscht. Als ich zu mir kam hatte ich Hunger und wollte ein Steak!

Eine Narkose ist nicht zu unterschätzen
Nach der Operation fühlte ich mich sehr gut. Schmerzen hatte ich überhaupt keine. Ich spürte nur den Druck des Verbandes an meiner Brust, aber sonst nichts. Erst am folgenden Morgen wurde mir  richtig bewusst, dass meine Brüste nun nicht mehr da sind. Ich schlug die Augen auf und da klatsche dieser eine Gedanke in mein Hirn, der mich augenblicklich einfach völlig einnahm und so zufrieden stimmte. Es war kein Feuerwerk von Glücksgefühlen, wie ich es erwartet hatte, sondern eine so tiefgreifende Tiefenentspannung und Glückseligkeit. Ich hatte es endlich geschafft und das Gefühl, dass ich nun ausruhen konnte. Der Stress der letzten Monate fiel von mir ab. Es war einfach nur herrlich!
Da ich mich so gut fühlte, wollte ich mir auch noch was die Beine vertreten und ging in der Nacht raus. Dass die Narkose aber noch nicht einfach so überstanden war, wusste ich nicht. Ich hatte keinerlei Erfahrung mit OPs. Das war meine erste überhaupt gewesen. Vor die Tür kam ich, aber dann sackte mir der Kreislauf weg. Ich schaffte es grad noch so mich auf eine Bank zu legen und versuchte einem Mann neben mir zu vermitteln, dass er mir doch bitte Hilfe holen soll. Leider sprach der Mann nur türkisch (mein ich zu mindestens das es diese Sprache war) und verstand mich nicht. Es kam glücklicherweise noch eine Frau, die dann den Notarzt holte. Der Arzt machte mich dann so richtig zur Sau, weil er von der Notzentrale wegen mir weg musste und da nun keiner mehr war und das ich bescheuert bin so schnell ohne Begleitung nach einer OP herum zu laufen. Am nächsten Morgen bekam ich auch noch eine Standpauke von meinem Arzt. Ich kann es ja verstehen. Jetzt. Ich habe definitiv draus gelernt, bin trotzdem der Meinung man hätte mir das vorab begreiflich machen können. Nochmal werde ich aber ganz bestimmt nicht so schnell schon wieder auf Reisen gehen, auch wenn ich mich gut fühle. Die Schmerztabletten können wunderbar für Täuschung sorgen.

Rolf
Da hängt man nun einige Tage im Krankenhaus und hat tatsächlich ein Zimmer für sich ganz allein, auch wenn sich das am vierten Tag ändern sollte. Bisher vermisste ich aber doch etwas Gesellschaft. Ab und an ging ich nach draußen, wobei man öfters einem älteren Herrn begegnet ist. „Beim dritten Mal bekomm ich einen ausgegeben.“, sagte der alte Mann. Das nahm ich beim Wort und fragte meinen Pfleger nach irgendwas, dass ich dem Mann ausgeben könnte. Ich bekam ein verpacktes Knäckebrot. Damit ging ich nach unten auf die Pflegestation. Ich war mir dann aber unsicher. Immerhin wusste ich nicht, ob er das Brot verträgt. Ich fragte die Pflegerin, die mir dann auch sagte, dass Knäckebrot nicht das richtige sei. Besser ein Jogurt. Später habe ich von dem Mann dann auch erfahren, dass er Speisröhrenkrebs hat und das er Rolf heißt. Also bin ich wieder hoch auf meine Station und habe noch den Jogurt besorgt. Rolf hat sich so darüber gefreut, auch ob der Gesellschaft, die ich ihm schenkte. Ich war dann auch immer mal wieder bei ihm, um ein paar Worte zu wechseln. Es tat auch mir gut. Besonders wenn man den ganzen Tag nur rumgammeln kann ist so eine kleine Patientenfreundschaft eine willkommene Abwechslung. Beschweren kann ich mich aber wirklich nicht. Jeden Tag habe ich Besuch bekommen, worüber ich mich so gefreut habe. Hier auch nochmal herzlichen Dank an euch alle, die da waren.

Transmann entdeckt
Auch wenn wir nicht im selben Zimmer lagen und auf der Station selbst auch noch nicht über den Weg gelaufen sind, haben Markus und ich uns draußen gefunden. Anders kann man es wohl nicht sagen. Irgendwie hat man einen Radar für transidente Menschen. Ich habe ihm gleich mal vom Gendertreff erzählt, da er noch keine Selbsthilfegruppe hat. Wahrscheinlich wird er sich aber eher der Gruppe in Essen anschließen, in der auch sein Zimmergenosse ist. Ist eben auch praktisch, wenn man dort in die Stadt zieht. Trotzdem ist es schön auch weitere Kontakte zu finden und wir haben auch gleich mal Kontaktdaten ausgetauscht. Markus sollte an dem Tag operiert werden, als ich entlassen wurde. Er hat mir später geschrieben, dass soweit alles gut gelaufen ist. Es sammelte sich nur danach Flüssigkeit in der Brust, sodass er leider noch mal auf den OP Tisch musste. Nun aber ist alles gut und ich wünsche ihm hier an der Stelle auch noch alles Gute.

Wieder Daheim
Ehrlich gesagt, wollte ich nicht unbedingt wieder nach Hause, aber die Ärzte hatten keinen Grund mich länger im Krankenhaus zu lassen. Der erste Tag daheim war auch noch ganz gut und es war ein Ausflug zur Eifel am Wochenende geplant. Leider ging es mir bereits am nächsten Tag schon nicht mehr so gut. Die Hitze in meiner Dachgeschoßwohnung setzte mir sehr zu, dazu auch Schmerzen die ich mit Bewegung hatte. Der Mieder drückte mir zusätzlich auf das Gemüt und ich hatte manchmal das Gefühl kaum noch Luft zu bekommen, sodass ich mich flach auf den Rücken gelegt habe und den Mieder geöffnet habe. Es wurde nicht besser und so habe ich auch den Ausflug in die Eifel absagen müssen. Ich flüchtete ins Gästezimmer meiner Mutter eine Etage unter meiner Wohnung. Die Nacht dort war auch eindeutig besser und kühler. Miro und meine Schwester waren auch für mich da, haben mir Trinken gebracht, Essen und auch echt wohltuendes Eis. Ich hoffe, dass es mir in den nächsten Tagen wieder besser gehen wird. Ich muss auch die Woche zu einem Chirurgen, der sich die Nähte ansehen soll. Mein Hausarzt ist der Meinung, dass eine Korrektur notwendig sein wird. Mal sehen was der Chirurg dazu sagt.
Es ist schon heftiger, als ich gedacht habe und wirklich nicht ohne. Aber auch das wird wieder vergehen und heilen. Ich bereue nichts und die Schmerzen sind es wert sie zu ertragen, um endlich das Leben führen zu können, das meines ist.

 

Julien

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Miro`s Mini-Tagebuch

Autor: Miro

Hallöchen Zusammen,

nachdem ich ja eigentlich eher zur den Schreibfaulen, dafür aber verbal aktiven Menschen gehöre, soll dies hier trotzdem zu einem kleinen „Mini-Tagebuch“ werden.
(Danke an Captain J.J. und Ava, für den verbalen Tritt in den Allerwertesten.. )

So nun zur eigentlichen Statusmeldung. Der hauptsächliche Anlass bzw. Startschuss hierfür ist, dass ich seit Donnerstag letzter Woche meine Indikation seitens meines Psychotherapeuten habe und ich bei Ihm offiziell Herr … bin.

Nebenbei ist mittlerweile auch mein Vater eingeweiht und geht nach einem langen Gespräch relativ locker damit um … wir waren kurz darauf erst mal Werkzeug-Shoppen und Motoräder gucken ….
Mein Bruder und seine Frau nennen mich bereits Miro. Bei Ma und Pa wird es wohl noch dauern, bis Sie sich umgestellt haben, aber sie sollen alle Zeit bekommen, die Sie dafür brauchen. Wir haben gemeinsam darüber gesprochen, wie wir damit umgehen und ich lasse Ihnen Informationsmaterial zukommen, damit Sie sich weiter informieren können, bevor die Frage aufkommt.
Nein meine Eltern haben kein Internet, kommt evtl. ab September. Demnach werden wir sehen, ob sie damit zurechtkommen und sich im Gendertreff-Forum oder auf der Webseite ebenfalls informieren können. Deshalb erstmal ganz altmodisch mit Druckmedien. Familienseitig ist damit alles in bester Ordnung. Was der Rest der Verwandtschaft denkt ist mir egal. Die werden es schon merken.

Mein engster Freundeskreis ist eingeweiht und die Jungs sind von der Umarmung zum „Checker-Handschlag“ übergegangen, die Mädels knuddeln mich weiter .
Was sich geändert hat ist die Gesprächskultur. Da ich noch nicht wirklich zu den Jungs gehöre ber auch nicht mehr zu den Mädels ist das manchmal etwas seltsam. Aber egal in ein bis zwei Jahren ist das vergessen.

Auf der Arbeit sind die Mädels aus meinem Team eingeweiht. Das war ein pragmatischer und notwendiger Schritt, da ich immer mehr aufpassen musste, was ich wie erzähle. Es ist mir immer häufiger passiert, dass ich mich verplappert habe und der Punkt, an dem es zu Fragen geführt hätte, rückte immer näher. Also hab ich mir die Mädels einzeln proaktiv geschnappt und eingeweiht. Das lief völlig entspannt, dafür werde ich jetzt von den Mädels liebenswert aufgezogen oder auch mal sofern kein Dritter im Raum ist mit Herr angesprochen.
Der nächste Schritt wird hier sein, dass ich meine Bereichsleitung und meine oberste Chefin in Kenntnis setzte, da ich auch mehr oder weniger in den „Startlöchern“ bzgl. der Hormoneinnahme stecke. Ich habe dies ja bereits mit meinem offiziellen Grund für die Psychotherapie eingestielt und kann nun daran anschließen.

Bezüglich der medizinischen Angelegenheiten, habe ich mittlerweile die Überweisung zum Endokrinologen und einen festen Termin im August. Das heißt nun auch, dass mein Hausarzt Bescheid weiß.
Im Juni kann ich bereits den ersten Bluttest machen lassen, wo es sich zeigen wird, ob alles soweit „jut“ ist oder ob sich irgendetwas Kontraindiziertes ergibt.
Der Plan, bzw. die Hoffnung ist, evtl. ab Ende Juli/Anfang August mit den Hormonen beginnen zu können. Dann werden wir auch sehen, ob sich meine Haare vom Oberkopf auf die Brust verlagern,
oder ob ich generell zum Grisly werde (bitte nicht). Beim Stimmbruch hoffe ich, dass ich nicht anfange zu „quietschen“, wie der 14-jährige Sohn meiner Freundin, das käme am Telefon eher doof.

Derzeit sitze ich über meinem „Trans-Lebenslauf“. Das erweist sich gerade als erste nervige Hürde, aber … so what… da müssen wir durch. Ich habe meinen vollständigen Namen gewählt und beschäftige mich also demnach auch so langsam mit dem Thema Personenstandsänderung.

So, mehr hab ich gerade nicht mitzuteilen…
Ich wünsche Euch einen sonnigen Rest-Sonntag und freue mich auf das nächste Selbsthilfetreffen.

LG Miro

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Gendertreff Hausmesse mit der Transgenderchirurgie in den Kliniken Essen-Mitte, ev. Huyssensstiftung

Am 09.04.2016 findet die Gendertreff Hausmesse in Iserlohn statt. Aussteller ist unter anderem die Transgenderchirurgie in den Kliniken Essen-Mitte, ev. Huyssensstiftung. Der folgende Beitrag stellt die Transgenderchirurgie in den Kliniken Essen-Mitte, ev. Huyssensstiftung, vor.

Transgenderchirurgie in den Kliniken Essen-Mitte, ev. Huyssensstiftung

Die Direktorin der Klinik für Urologie, Kinderurologie und urologische Onkologie, Frau Prof. Dr. med. S. Krege, führt seit 1994 die geschlechtsangleichende Operation Mann zu Frau durch. Seit April 2015 ist sie in den Kliniken Essen-Mitte tätig und betreut mit ihrem Team ca. 50 Patientinnen pro Jahr zur ersten Sitzung. Dazu kommen noch zahlreiche Korrektur-Operationen, von kosmetischen Korrekturen bis hin zu sekundären Scheidenneuaufbauten. Die durchschnittliche Wartezeit auf einen OP-Termin zur ersten Sitzung beträgt bei Vorliegen der Kostenzusage der Krankenkasse zurzeit ca. 10 Monate.

Die Technik der Operation basiert auf der Methode von Frau Prof. Speer, bei der in der ersten Sitzung die gesamte Angleichung des äußeren Genitales sowie das Bilden der Neovagina erfolgen; in einer zweiten Operation – frühestens nach 8 Wochen – können dann noch notwendige funktionelle und kosmetische Korrekturen vorgenommen werden. Außerdem kann in derselben Narkose der Brustaufbau mittels Silikonimplantaten vorgenommen werden.
In den Kliniken Essen Mitte wird von insgesamt drei Ärzten operiert, Frau Professor S. Krege, Frau Doktor J. Bohr und Frau I. Kunz (alle Fachärztinnen für Urologie).

Nähere Informationen unter http://www.kliniken-essen-mitte.de

Gendertreff Hausmesse für Transgender, Angehörige und Interessierte

09.04.2016
11:00 Uhr – 17:00 Uhr

Gewerbe- und Gründerzentrum Corunna
Corunnastr. 1
58636 Iserlohn

Der Eintritt ist frei.

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