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Conny und ich

Mit freundlicher Genehmigung von Fenya.

Den folgenden Beitrag hat unser Forumsmitglied Fenya im Gendertreff-Forum veröffentlicht. Fenya ist die Tochter von Conny-Lynn und ihr Bericht dokumentiert eindrucksvoll, wie sich ein Outing eines Transgenders im Rahmen der Familie darstellt. An dieser Stelle noch einmal ein herzliches Dankeschön an die Beteiligten, dass wir diesen Bericht im Rahmen unseres Gendertreff-Blog veröffentlichen dürfen.

Conny und ich

Von Conny habe ich ca. Ende 2006 erfahren. Ich habe vorher schon gemerkt, dass meine Eltern sich wieder näher waren als vorher, hätte aber niemals in Erwägung gezogen, dass so etwas dahinter steckt, um ehrlich zu sein.

Als mein Vater sich vor mir geoutet hat, war es für mich ein ziemlicher Schock und ich verstand nichts. Nach einer Minute habe ich dann komplett die Fassung verloren, geheult und gelacht vor Erleichterung und dem Schock, dessen ich mir bewusst wurde.

Er hat mir erklärt, dass er nicht schwul sei oder so, sondern sich einfach nur gern als Frau gibt, um direkt Missverständnisse aus dem Weg zu räumen. Ich fragte ihn, ob es OK sei, wenn ich nun erstmal in mein Zimmer ginge, um den Schock zu verarbeiten und mir eine zu rauchen. Er gab mir etwas Zeit allein in meinem Zimmer und kam anschließend nochmal hoch zu mir, um nach mir zu sehen und zu fragen, ob alles ok ist.

An das darauf folgende Gespräch kann ich mich nicht mehr erinnern. In meinem Kopf schlugen die Ereignisse Purzelbäume und ich versuchte, irgendwie das Bild von meinem Vater und das von Conny (die ich bis dato noch nicht kannte) miteinander zu verbinden, was nicht funktionierte.

Ich kam mit dem Gedanken, dass mein Vater, der so strenge, zielstrebige und kalte Manager, der mir in diesen Dingen immer ein Vorbild war, eine Transe sein sollte, nicht klar. Ich habe geweint, war sauer, wütend und verletzt zugleich. Denn in diesem Moment hat man mir meinen Vater „genommen“. Und es stellt sich Dir auf einmal eine fremde und doch sehr vertraute Person in Dein Leben.

Nach einigen Tagen hatte ich den größten Schock überstanden und habe angefangen nachzuhaken, da ich von Natur aus ein sehr neugieriger Mensch bin und mich meine Neugier dann doch packte. Ich ging mit Bedacht und Abstand an das Thema, da es mir auch etwas Angst machte. Außerdem wusste zu diesem Zeitpunkt mein großer Bruder noch nichts von Conny. Daher war Vorsicht geboten, wann man das Thema ansprach. Einige Zeit danach habe ich versucht, das Thema zu meiden.

Danach habe ich von Gendertreff erfahren, wollte mich dort allerdings nicht anmelden, da mir die ganze Sache doch noch sehr suspekt war. Schlussendlich habe ich es doch gemacht und das war gut so. Danach kam alles ins Rollen. Ich habe langsam meine Scheu verloren und die neue Welt lockte meine Neugierde wieder raus. Bald habe ich meinen Vater beim Fertigmachen gesehen. Er hat mich auch gefragt, welchen Lidschatten er benutzen sollte oder was vom Outfit her zusammenpasst.

Solche gemeinsamen Sachen nehmen einem Stück für Stück die Hemmungen, dennoch kommt es mir manchmal immer noch utopisch vor. Es wird zum normalen aktiven Teil meines Lebens. So ging ich z.B. mit meiner Mutter bummeln und sie hat einen Rock anprobiert. Sie wollte ihn kaufen und ich bin sehr eigen, was meinen individuellen Kleidungsstil betrifft. In meiner Familie habe ich die Faltenröcke sozusagen annektiert und nun wollte sie sich einen holen. Ich habe angefangen rumzuzicken und habe dann lautstark im Laden gesagt: „Erst Du und nun auch noch Pa, der meinen Stil trägt. Lasst mir wenigstens meine Faltenröcke!“ Die Verkäuferin muss ziemlich doof geguckt haben. Ich habe das allerdings nicht mitbekommen und habe erst draußen bemerkt, was in dem Geschäft von statten gegangen ist und musste anfangen zu lachen.

Später, als für mich so etwas zum Alltag wurde, habe ich mich dann bei Veranstaltungen wie einem Transenschminken wiedergefunden. Manchmal, wenn ich Geschichten meiner Freunde höre, wie cool und ausgeflippt doch ihre Eltern sind, dann denke ich nur: „Wenn Ihr wüsstet!“ und muss in mich hinein grinsen.

Mit Conny war ich das erste Mal bei Anjas Stammtisch in der Öffentlichkeit. Doch so richtig weg war ich mit Conny und meiner Mutter vor kurzem im Centro. Es war komisch, nicht „Pa“ zu rufen sondern „Conny“ und ich muss auch sagen, ich habe es irgendwie auch gemieden. Es ist mir wirklich schwergefallen, denn es bleibt immer noch mein Vater, auch wenn er als Conny rausgeht. Aber ich habe es dennoch getan und ich muss sagen, dass ich persönlich stolz darauf bin, es geschafft zu haben.

Aber irgendwie versuche ich auch, es zu vermeiden und mich anders bemerkbar zu machen, z.B. durch Schulterantippen oder so. Ich habe aber das Gefühl, dass immer eine gewisse Hemmschwelle bleibt. Ich toleriere Conny und akzeptiere sie langsam als Teil meines Vaters. Aber es war ein schwerer und steiniger Weg für mich. Dennoch haben wir es gemeinsam geschafft. Ich bin froh, jetzt von ihr zu wissen, da es in meinen Augen wichtig ist, die Kinder einzubeziehen. Denn sonst gibt es immer eine unsichtbare Barriere.

Fenya

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Erlebnis 2006

19.Februar der Gendertreff Düsseldorf neigt sich dem Ende. Viele wollen noch etwas unternehmen und fragen: "Xenia kommst noch mit?" Ich verneine mit dem Einwand noch etwas anderes vor zu haben. Noch `ne Zigarette und noch eine herzliche Verabschiedung……ich schau auf die Uhr. Uups, viertel nach 6. Jetzt aber mal los. Ich setz mich ins Auto und fahr die Kölner Str. in Richtung Hauptbahnhof. Ich habe doch meine Liebste ab zu holen.


Sag bloß nun macht mir noch ein Parkplatzproblem einen Strich durch mein Vorhaben. Glückesgeschick da fährt einer weg und schwups hinein. Aussteigen an einem Ehepaar vorbei zur Straße – der Stufenrock aus Pannesamt und meine Haare wehen im Wind aber ich hätte vielleicht doch Stiefel dazu anziehen sollen. In den Pumps wird es wohl kalte Füße geben aber egal, denke ich noch so bei mir, da bleiben aber auch schon die Fahrzeuge stehen und ich kann vor ihnen die Straße überqueren.


Der Bahnhof kommt immer näher und ich schau auf die Uhr, 18:35. Bin auf Höhe der Taxistände. Eine scheinbar etwas gestresste Frau mit Koffer und drei Kindern im Schlepp, mustert mich neugierig. Zwei Taxifahrer blicken zu mir rüber und verfolgen mich mit ihren Blicken. Die Eingangstür ist in greifbarer Nähe. Jetzt locker bleiben und nicht an Selbstvertrauen verlieren. Ich stoß die Tür auf und denk noch so bei mir, vielleicht doch besser zurück. Ein Fuß vor den anderen setzend, schreite ich erhobenen Hauptes zu Gleis 15, immer bemüht die Passanten an zu schauen.

Unbeschreiblich! Eine Mischung von toll, super und in die Hosenmachgefühl. Alles was man so vorfindet in einem Bahnhof ist da, nur nicht ganz so geballt wie in der Woche. Ich kenn den Bahnhof fast auswendig aber wie lang das von Bahnsteig 18 bis 15 an diesem heutigen Abend dauert, war mir nicht klar.

Seit ein paar Sekunden steh ich nun am Anfahrtsplan und sehe nach … oder lenk ich mich nur ab und verschnaufe ein wenig. Ich glaube letzteres trifft mehr zu. Nach einer Weile geh ich die Treppen hoch, stöckel an einigen wenigen Wartenden vorbei um zur Raucherzone zu gelangen. Erst einmal setzen und eine rauchen. Ein Zug fährt ein und wieder los. Leute schauen oder auch nicht. Kein Problem! Ich genieße es immer mehr. Der Sprecher kündigt den IC an, der auch gleich einfährt.
Ein paar aussteigende Fußballfans bemerken mich gar nicht und da hab ich auch schon meine Holde wieder im Arm………

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