Mein erster Ausflug zum Gendertreff Düsseldorf

Autorin: Daniela

Sonntag war ein ganz besonderer Tag für mich. Schon seit Wochen habe ich gefiebert, mich gefreut aber auch mit Ängsten gekämpft. Denn an diesem Tag sollte ich viele Dinge zum ersten Mal in meinem Leben tun.

Es sollte zum Gendertreff nach Düsseldorf gehen. Und nicht nur das, es sollte auch direkt en femme sein. Zum ersten Mal außerhalb der eigenen 4 Wände. Ursprünglich wollte ich ja erst mal in meiner männlichen Erscheinung vorbeischauen, aber je näher der Termin rückte, desto mehr fühlte sich das für mich einfach falsch an. Also stand irgendwann der Entschluss, einfach ins kalte Wasser zu springen.

Nun stellte sich die Frage der Umsetzung. Da ich eher Teilzeitfrau bin und meine Frau in unserem Viertel recht berühmt ist, wollen wir aktuell nicht, dass meine weibliche Identität groß bei uns bekannt wird. Gut, wenn es passiert, dann ist das eben so, aber wir wollen es einfach nicht darauf anlegen. Also haben wir mich nur zum Teil hergerichtet. Das Make-up, bis auf die Lippen, das Kleid unter der Jacke versteckt, und den Lidschatten unter einer Sonnenbrille. Zum Glück sind wir auf dem Weg zum Auto dann doch niemandem über den Weg gelaufen, denn an die roten Nägel hatte ich in diesem Moment schon nicht mehr gedacht. Die wären definitiv bemerkt worden.
Also Navi an und auf nach Düsseldorf. Die Fahrt von Bochum lief erwartungsgemäß unspektakulär. Das Navi setzte uns dann an der Einfahrt zum Kaisershaus ab. Alles komplett überfüllt und kein Parkplatz in Sicht, der Puls steigt.
Als wir dann endlich das Auto abgestellt hatten, haben wir schnell den Feinschliff vorgenommen. Perücke, Schmuck, Lippenstift anlegen, schnell die Jeans unter dem Kleid entfernen und die Schuhe wechseln. Keiner gesehen? Gut!

Da standen jetzt meine Frau und ich. Auf dem Grünstreifen in der Einfahrt und ein Rentnerpärchen nach dem anderen schritt an uns vorbei, während ich noch meine Handtasche kontrollierte.
„Schatz, wir sind wohl die einzigen hier. Bist du sicher dass wir hier richtig sind. Die Leute schauen schon etwas skeptisch…“, war von meiner Frau zu hören. Das war der Moment wo mir mein Pulsarmband vibrierend mitteilte, dass die 120 jetzt überschritten waren.
Ja ich war mir sicher richtig zu sein. Zum Glück hatte ich Drachenfrau´s Nummer und nach einem kurzen Text lief sie uns auch schon freudig entgegen. Was für eine Erleichterung! Dies war aber auch der letzte unangenehme Moment des Nachmittags.

Nachdem wir uns begrüßt hatten, zeigte sie uns wo genau die Gruppe saß. Meine Güte waren das viele Menschen. Wir mussten uns noch einen Tisch zum Anbauen besorgen. (Hihi und haben auch direkt einen Rüffel von der Bedienung kassiert, dass wir doch nicht alle Tische einsammeln sollten). Drachenfrau stellte uns vor und wir setzten uns. Ich habe mich direkt angenommen gefühlt. Das war wundervoll und so langsam ging der Puls auch wieder runter. Ganz ablegen konnte ich meine schüchterne Ader allerdings nicht. Das lag aber nicht an der Gruppe, ich brauche immer etwas mehr Zeit um mit neuen Menschen warm zu werden.
Meine Frau und ich haben dann ein bisschen mit den anderen gequatscht aber auch viel einfach auf uns wirken lassen. Wenn wir also etwas still rüber kamen, seid uns nicht böse. Der Tag war ein absolutes Abenteuer für uns beide.

Und er verging wie im Flug! Ich hatte mir vorgenommen ganz viele Fotos von meinem ersten Ausflug zu machen aber bis auf 2 Selfies habe ich nicht mal das geschafft. Noch heute bin ich total überwältigt, allem voran wegen der Freundlichkeit die uns von allen Seiten entgegen gebracht worden ist! Vielen, vielen Dank! Leider hat mich mein verfluchtes Namensgedächtnis mal wieder erwischt, deshalb muss ich so einigen Personen einfach das nächste Mal persönlich meinen Dank übermitteln. Denn ein nächstes Mal mit Daniela und Melanie wird es definitiv geben!

LG Daniela

 

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Ein Tag wie kein anderer

Autorin: Nathalie

Wie gewohnt waren wir auch in diesem Jahr zu unserem Lieblingsort auf Mallorca geflogen, um unseren Sommerurlaub zu genießen. 

In diesem Jahr war es aber etwas anderes, denn wir, Silvia und ich, hatten einen ganz besonderen Tag, unsere Silberhochzeit.

Im Vorfeld zu diesem Tag kam mir ein Gedanke, den ich unbedingt umsetzen wollte, um diesen Tag zu feiern. So schrieb ich die Geschäftsführung unseres Hotels an, ob meine Idee überhaupt umsetzbar sein würde. Die Antwort kam sehr schnell und Sie, Maria und Gayan, taten ihr Möglichstes, so dass wir diesen besonderen Moment in unserem Sinn genießen konnten. Selbstverständlich durfte Silvia von der Aktion nichts erfahren, da es ja eine Überraschung sein sollte.

Auf Mallorca angekommen genossen wir den Urlaub, mit Besuchen an verschiedenen Stränden und Orten, sowie einer sehr schönen Show im Son Amar. Im Hintergrund liefen die Vorbereitungen für die Erneuerung unseres Eheversprechens.

Selbstverständlich hatte ich mir einen Text zurechtgelegt, um Silvia einfach zu sagen wie sehr ich sie liebe und wie ich die vergangenen Jahre erlebte.

Nun standen wir vor unserem selbst gepflanzten Baum und alles war einfach weg. Ich fragte Silvia, ob sie Lust auf die nächsten 50 Jahre hat und sie hat „Ja“ gesagt!

Keine Frage, dass in diesem Moment sämtliche Emotionen heraus kamen. Fast alles hat so funktioniert, wie es geplant war, der Baum wird gepflegt und wir werden bei jedem Besuch sehen wie er gewachsen ist.

Wir möchten uns, auf diesem Weg, ganz herzlich für die Unterstützung bei dem gesamten Team des Parque Mar bedanken, die diesen unvergesslichen Tag möglich machte.

Liebe Grüße

Silvia und Nathalie

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Damenbesuch vom Gendertreff in der Lindenstraße

Folge 1665 („Falsch ist genau richtig“) ist nun ausgestrahlt. Worum ging es?

Sunny Zöllig (vorher "Marek") (gespielt von Martin Walde) zieht im Mai 2016 (Folge 1580) in die Münchener Lindenstraße. Bisher lebte Sunny als Marek mit Ehefrau Anja und dem gemeinsamen Sohn Yannik in Berlin. Nun lebt Sie erst einmal in der Wohnung ihrer Schwester Nina.

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Das Interview zur Folge 1665 der Lindenstraße

Pünktlich zum Weltfrauentag 2018 erscheint das Interview zur Folge 1665 der Lindenstraße auf Lindenstrasse.de/WDR.

Da es in der Lindenstraße um die transidente Sunny (Martin Walde) geht, waren nur Transfrauen eingeladen. Transmänner und vor allem Angehörige und Partner hätten das Gesamtbild abgerundet (wie real auf unseren Selbsthilfetreffen). Aber es ist halt nur eine Momentaufnahme möglich.

 

 

 

Bilder & Texte: Westdeutscher Rundfunk (WDR)

>> Lindenstrasse.de/Videos/Interview

>> Vorschau Folge-1665: Falsch ist genau richtig

>> https://www.gendertreff.de/2018/01/06/Gendertreff in der Lindenstrasse. Wie alles begann.

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Auf dem Weg zur Arbeit

Autorin: Petra

 

So Ihr Lieben,

mal wieder was zum Schmunzeln von mir und ich weiß jetzt schon, ich kriege auch wieder Schimpfe im Forum. 🙂

Seit Anfang des Jahres gehe ich als Petra zumindest in die Firma und verlasse diese auch so wieder. Eine Abmachung mit meinem Chef, denn solange ich noch keine Personenstandsänderung habe, könnte er das nicht anders vertreten. Nach der ist alles in Ordnung.
Da ich während der Arbeit Blaumann und Sicherheitsschuhe trage, ist das kein Problem für mich.

Seit 2 Wochen geht das jetzt so, wobei ich Feigling, letzte Woche noch mit dem Auto zur Arbeit bin. Ich lehne das aus tiefstem Herzen ab und benutze normalerweise entweder Fahrrad, Bus oder Bahn. Also dann, diese Woche galt es.

Um 5:20 Uhr in der Früh sind in der Stadt noch nicht allzu viele Menschen. Auf dem Weg zum Bahnhof war nichts Auffälliges. Am Bahnhof angekommen, schon ein etwas anderes Bild. Bahnsteig 4 um 5:35Uhr – Blicke…….
Einer der Herren die dort standen, wusste nicht wohin er schauen sollte, ein anderer vergaß fast das Einsteigen in den Zug und rammte den Türrahmen. Eine Frau, die ich morgens dort regelmäßig treffe, musste einen Augenblick überlegen. „Irgendwoher kenne ich doch die Person.“ Aber als sie mich erkannte, ein herzliches Guten Morgen und Respekt, sie trauen sich was.

Im Zug selber saßen meine beiden Kollegen, die meine Transition von der Weihnachtsfeier zwar kannten, aber nicht um die Zeit im Zug. Aber auch hier, kein Problem.

Ich war reichlich mehr als nur nervös, vor dem ersten Mal und bin es auch jetzt noch (Clara, müsste  dir bekannt vor kommen). Zudem bin ich mit meinem morgendlichen Erscheinungsbild noch nicht ganz zufrieden. Aber, es lohnt sich über seinen Schatten zu springen. Es gibt neben den üblichen, halbgaren Reaktionen jede Menge positive Feedbacks. Übrigens etwas, zu dem mir der Gendertreff mit seinen Treffen viel Mut gemacht hat.

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Gendertreff in der Lindenstraße

Zirka ein Jahr nach dem ersten Kontakt bekam Nathalie im September 2017 eine eMail von Gitta, der Pressesprecherin der Lindenstraße.

Wortlaut: In unseren neuen Büchern kommen drei Transfrauen vor, die wir sehr gerne mit „Originalen“ besetzen würden, am liebsten Transfrauen unterschiedlicher Ausrichtung, die gemeinsam mit „Sunny“ (Martin Walde) und „Viktoria“ (Zazie de Paris) Szenen spielen würden.

Inhalt: Sunny fühlt sich schon lange nicht als Mann, sondern als Frau. Sein/ Ihr Weg, die eigene Identität zu finden, ist seit Monaten geprägt von vielen Zweifeln, Ängsten und Unsicherheiten. Viktoria war schon einmal bei Sunny in der „Lindenstraße“, um sie zu beraten. Nun schaut Viktoria wieder zu Hause bei Sunny vorbei und hat gleich drei Freundinnen mitgebracht. Sie alle möchten Sunny Mut zusprechen.

Ava, Nathalie, Rita und Xenia meldeten sich zum Casting, nachdem wir das Drehbuch gelesen hatten. Es war unserer Meinung noch nicht ganz stimmig, aber das wollten wir beim Casting und während des Workshops klären. Ende Oktober war es dann soweit und wir vier vom Gendertreff sowie Stella aus Dresden und Julia aus Koblenz kamen zum Casting in die Lindenstraße auf dem WDR-Gelände.

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Nach einer ausgiebigen Vorstellungsrunde vor der Kamera mit der Produzentin und der Regisseurin spielten wir die Szenen einmal durch. Danach gab es noch viele Gespräche und wir wurden zu einer kleinen Feier eingeladen. Immer nach dem letzten Drehtag einer Staffel gibt es ein kleines Treffen aller Schauspieler und so hatten wir Gelegenheit, mit einigen der beteiligten Personen zu reden. Auch „Mutter Beimer“ war anwesend und interessierte sich für unsere Selbsthilfeorganisation.

Zwei Wochen später kam der Bescheid, wer zum Drehtag eingeladen werden sollte. So trafen sich Nathalie und Xenia vom Gendertreff sowie Stella und die Schauspieler Martin Walde und Zazie de Paris in früher Stunde in der Maske.

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Hier wurde zwischendurch Nathalie noch angezogen.

 

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Um 9:45 Uhr ging es zu den Proben ans Set. Mann, waren wir nervös.

 

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Viele Menschen standen um uns herum: Techniker, Producer, Regie, Assistenten, Maske, Kostümbildner, Requisite, Kameraleute, Ton usw., usw. Wir waren von viel Technik umringt und schon ging es los.

 

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Probe, technische Probe, Kameraprobe, Aufnahme und das Ganze nochmal mit neuer Kameraeinstellung. Bis zu 8x pro Szene. Fiel die Klappe, blendete jede von uns die Personen und die Kameras völlig aus und konzentrierte sich auf die Szene.

 

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Nach 16:00 Uhr waren die Aufnahmen im Kasten und wir fix und fertig. Die Regisseurin Esti war begeistert und das tolle sympathische Team hat uns durch den ganzen Tag getragen und uns gleich von Anfang an das Gefühl der Zugehörigkeit gegeben. Alle Anwesenden haben uns beim Dreh phantastisch unterstützt und gaben uns das Gefühl, ein Teil des Teams zu sein. Für alle waren wir Kolleginnen des Lindenstraßenteams.

Gleich nach den Dreharbeiten gaben wir noch ein Interview und danach gab es noch das ein oder andere Gespräch in einem der Büros und auf dem Gang. Wir wollten uns gar nicht trennen, so waren wir von den Ereignissen gefesselt.

 

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Sunny und Viktoria waren tolle und sehr sympathische „Kolleginnen“. Wir waren glücklich über diese tolle Erfahrung und dass die Lindenstraße sich dem Thema „Transgender“ mit Hilfe des Gendertreff stellt. Wir bedanken uns für die Chance, die durch den WDR und die GFF eröffnet wurde, unsere Selbsthilfearbeit zu verbessern und bekannter zu machen.

Von links:

Viktoria, Xenia, Nathalie, Clara, Sunny

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copy: WDR/ Thomas Kost
Mit freundlicher Genehmigung: GFF und WDR

 

>> Ausstrahlung: ARD – Das Erste am 11.03.2018 (Folge 1665 „Falsch ist genau richtig“)

>> https://www1.wdr.de/daserste/lindenstrasse/index.html

>> https://www.fernsehserien.de/lindenstrasse/spoiler-vorschau

>>http://mediathek.daserste.de/Lindenstra%C3%9Fe/Sendung?documentId=5280&topRessort&bcastId=5280

>> https://www.youtube.com/user/Lindenstrasse

>>https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Darsteller_und_Figuren_der_Lindenstra%C3%9Fe

>> https://www1.wdr.de/daserste/lindenstrasse/videos/Lindenstrasse-Live-170.html

>> https://www1.wdr.de/daserste/lindenstrasse/fotos/wochenschau-dezember-siebzehn-156.html

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Diskriminierung durch Update

Schon immer werden meine Frau Ute und ich als „Eheleute“ auf Briefköpfen und Kontoauszügen geführt. Ein Mitarbeiter unserer Bank hatte sich nach meiner Personenstandsänderung dafür eingesetzt, dass dies auch so bleibt. Dafür musste die Software angepasst werden.

Vor ein paar Tagen nun bekamen wir wieder ein Schreiben über irgendwelche Änderungen von unserer Bank. Die Anrede lautete „An die Damen Ute und Xenia …………….“. Ich bin ein wenig zusammen gezuckt. Da wir sowieso einen Gesprächstermin bei der Filialleiterin hatten, wartete ich auf diesen Termin.

Wir sprachen über dies und das und bevor ich auf das Thema kommen konnte, entschuldige sich die Filialleiterin tausend Mal bei uns für die Anrede. Es hätte bereits mehrere Reklamationen und Beschwerden gegeben. Ausgerechnet jetzt nach dem Beschluss der „Ehe für Alle“ so ein Fauxpax der IT-Abteilung.
Durch ein Update der Software war es zu diesem Desaster gekommen. An den Kontoeinstellungen und Freistellungsaufträgen änderte sich nichts, versicherte sie uns. Leider würde die Umstellung ein paar Monate dauern aber die Softwarespezialisten arbeiten fieberhaft an diesem Problem.

Jetzt kann man natürlich auf die Barrikaden gehen und Beschwerdebriefe schreiben oder sich einfach gelassen zurück lehnen und abwarten. Ich habe mich natürlich für die zweite Variante entschieden, denn es gibt eine Erklärung für das Problem und die Bank hat sich in aller Form dafür entschuldigt.
Es ist ihnen sehr peinlich.

Grüße
Xenia

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Marinas erstes Klassentreffen nach der Transition

Autorin: Marina

Seit dem Realschulabschluss sind 30 Jahre vergangen. Alle 10 Jahre gibt es ein Klassentreffen doch dieses ist das erste nach der Transition. Marina berichtet.

Hi,

Es ist schon eine ganze Weile her, dass ich hier in meinem eigenen Thema etwas geschrieben habe. Aber es gab auch keinen Grund hier etwas zu schreiben, denn mein Leben ist, man könnte es schon fast als stinklangweilig normal bezeichnen. Hin und wieder ergeben sich aber doch interessante Begebenheiten. Und davon möchte ich heute mal wieder berichten.

Am Freitag den 10. November fand ein Klassentreffen der Realschule in meinem Heimatort statt, die ich damals besucht habe. Es ist 30 Jahre her, dass wir den Realschulabschluss gemacht haben. Dies war jetzt das dritte Klassentreffen, immer alle 10 Jahre. Fast 8 Jahre bin ich jetzt hier im Gendertreff. Dementsprechend fand das letzte Klassentreffen noch vor meinem Weg hin zu mir selbst statt.

Aber der Reihe nach….
Ende Oktober erhielt ich eine E-Mail von meiner ehemaligen Klassenkameradin, in der sie mich zu dem Klassentreffen einlud. Zu diesem Zeitpunkt war noch nicht klar, ob ich überhaupt an dem Freitag Abend Zeit haben würde, stand doch für Samstag den 11.11. die Gründung des Gendertreff e.V. bevor. Deshalb habe ich erst einmal abgesagt.

Eine Woche später rief mich dann eine andere ehemalige Klassenkameradin an. Sie hatte meine Nummer von meiner Mutter bekommen. Ihre Mutter und meine Mutter sind nämlich gut befreundet. Sie fragte mich noch mal, warum ich denn abgesagt habe. Ich erklärte ihr, dass ich noch gar nicht weiß, ob ich an dem Wochenende in meinen Heimatort kommen kann. Sie boten mir aber an, dass man mich in eine, extra für das Treffen geschaffene, WhatsApp-Gruppe aufnimmt. Dem stimmte ich zu. In dieser Gruppe wurde viel geschrieben und jede Menge alter Bilder ausgetauscht. Das war schon recht interessant, zumal ich feststellen musste, dass ich doch sehr, sehr viel vergessen habe. Ich konnte auch nicht wirklich viel beitragen, denn ich habe überhaupt keine Bilder aus meiner Schulzeit.

Ein paar Leute haben mich persönlich angeschrieben, also nicht über die Gruppe, weil sie doch neugierig wurden. Eine Marina hat es nämlich nie in der Klasse gegeben. Sie wollten wissen, was es mit meinem „neuen“ Namen auf sich hat. Und ich erklärte es eben…

Ich konnte zum Glück meine geschäftlichen Termine so legen, dass ich an dem Freitag Abend in meinem Heimatort sein konnte, und so sagte ich relativ kurzfristig noch zu.

An dem Abend selbst wurde eine Fahrgemeinschaft organisiert, so dass ich nicht selbst fahren musste. Beim Eintreffen am Restaurant wurden erst einmal alle begrüßt. Manche haben sich nicht sehr verändert, andere jedoch so sehr, dass man schon 2-3x hinschauen musste um sie zu erkennen. Ein paar wenige habe ich auch gar nicht mehr erkannt. Ich muss zugeben, dass ich von den meisten auch nur noch das Gesicht erkannt habe, mich aber gar nicht mehr an den Namen erinnern konnte.

So saßen wir nun zusammen und es wurde viel geredet. Es wurde teilweise so laut in dem Raum, dass man sich kaum noch über den Tisch hinüber unterhalten konnte. Viele von meinen ehemaligen Klassenkameradinnen kamen zu mir, gratulierten mir zu meinem Mut, drückten mich und waren ganz neugierig zu erfahren wie wo was wann…. Die Jungs verhielten sich eher reserviert. Sie waren alle sehr daran interessiert zu erfahren, wann ich zum ersten Mal gemerkt habe dass ich Transgender bin. So ganz genau kann ich das selbst nicht sagen, da ich nur sehr wenige Erinnerungen an meine Kindheit und Jugend habe. Das einzige was ich sagen konnte, war dass ich irgendwie immer schon wusste, dass ich irgendwie anders war. Ohne dass ich dieses anders sein hätte benennen können.

Es wurde viel erzählt, auch von dem was ich so alles so getan habe. Und da kamen bei mir viele sehr böse Erinnerungen hoch. Dinge, die ich vollkommen verdrängt hatte. Denn ich war immer ein krasser Außenseiter in der Schule gewesen. Heute würde man das, was mir damals widerfahren ist, eindeutig als Mobbing bezeichnen. Mobbing, an dem sich faktisch die ganze Klasse beteiligt hatte. Und die wenigen, die sich nicht beteiligt haben, haben einfach weggesehen. Ich habe deshalb keine einzige schöne Erinnerung an meine Schulzeit. Die Lehrer haben nicht eingegriffen und mit meinen Eltern konnte ich nie darüber reden wie es mir ging. Diese Erinnerungen sind alte Narben auf meiner Seele. Narben, die nie wirklich völlig verheilt sind.

Ich habe an diesem Abend so manche Träne vergossen. Zumindest anfangs, denn als die anderen gemerkt haben, wie sehr mir diese alten Erinnerungen weh tun, haben sich viele von ihnen ganz förmlich bei mir entschuldigt, für das was sie mir damals angetan haben. Das hat gut getan, aber nichtsdestotrotz, die Narben werden bleiben. Die meisten sagt mir auch, dass sie jetzt besser verstehen, warum ich damals so seltsam war.

Immerhin besserte sich meine Stimmung so sehr, dass ich nach relativ kurzer Zeit mit den anderen mitlachen konnte. Wir haben alte Fotoalben angeschaut und uns über die grottig schlechten, unscharfen und teilweise verwackelten Bilder amüsiert. Tja, vor 30 Jahren haben wir noch analog fotografiert und jedes Bild war eine relativ teure Angelegenheit. Nicht so wie heute, wo man misslungene Bilder einfach wieder löschen kann. Und wie wir damals aussahen…. Es waren eben die 80er Jahre…

Es wurde dann im Endeffekt doch noch ein schöner Abend für mich. Interessant dabei ist, dass ich mich fast ausschließlich nur mit den Frauen unterhalten habe. Nur mit drei von den Männern habe ich geredet, mit denen ich mich damals noch am besten verstanden habe. Das waren eben jene die mich nicht gemobbt haben, auch wenn sie mir nie wirklich geholfen haben.

Von unseren ehemaligen Lehrern sind leider nur zwei gekommen. Unsere ehemalige Mathematiklehrerin, die heute 86 Jahre alt ist und ein ehemaliger Sportlehrer. Von unseren Klassenlehrern hatte leider niemand Zeit, davon mal abgesehen lebt einer davon schon nicht mehr.

Der Abend wurde erheblich länger als gedacht. Wir haben um 2 Uhr morgens als letzte Gäste quasi das Restaurant abgeschlossen.

Was bleibt ist die Erinnerung an einen Abend der zumindest anfangs sehr durchwachsen war. Aber auch gleichzeitig die Hoffnung, dass es nicht wieder 10 Jahre dauert, bis ich sie alle mal wiedersehe jetzt, wo ich endlich zu mir selbst gefunden habe. Über die WhatsApp Gruppe ist es auch leichter, in Kontakt zu bleiben.

Liebe Grüße
Marina

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Xenia am Arbeitsplatz

Kurz nach meinem 10-Jährigen Firmenjubiläum lud ich eine Kollegin vom Betriebsrat und die AGG-Beauftragte zu einem Meeting ein. Mir war flau im Magen und so trafen wir uns in einem der freien Konferenzräume. Ich stammelte los und schwups war es raus – Ich hatte mich als transidente Person geoutet. Alles war vorher mit meiner Frau gut vorbereitet. Die Reaktion war, wie ich gehofft hatte, super positiv. Parallel zu dem Gespräch in der Firma hatte ich bereits meine Unterlagen an das Amtsgericht geschickt und seit ca. einem halben Jahr nahm ich bereits Hormone. Meine Kolleginnen sprachen mir ihren Respekt aus und wir trennten uns nach ca. einer 3/4 Stunde.  Ich flatterte immer noch am ganzen Körper.

Zurück im Büro, natürlich mit Pokerface, saß ich keine viertel Stunde am Schreibtisch, da stand auch schon die AGG-Beauftragte wieder neben mir und meinte, dass wir uns doch gleich noch mal zusammensetzen sollten. Diesmal gleich mit der Geschäftsleitung und dem Vorgesetzten, sonst wäre erst wieder in 4 Wochen ein Termin frei um alle zusammen zu bringen. Also saßen wir wieder in dem besagten Konferenzraum, aber diesmal in einer größeren Runde. Ich erzählte meine Geschichte und zeigte Alltagsbilder von mir. Niemand hatte ein Problem und alle hatten Respekt vor meinem Mut.

Wir gingen dann auch gleich in den nächsten Tagen an die Planung. Wie bringen wir es ins Unternehmen und wann geht es los. Wir guckten uns ein verlängertes Wochenende mit Brückentag aus, ca. 4 Wochen nach den Gesprächen. Diese 4 Wochen waren zugegeben für alle Beteiligten die schlimmste Phase.

Meine Frau und ich hatten eine eMail verfasst, die an meinem letzten Arbeitstag zusammen mit einer Erklärung der Geschäftsleitung an alle Kollegen und Kolleginnen gesendet werden sollte. Ich verschwand in den Kurzurlaub und alle Mitarbeiter bekamen etwas „spannendes“ zu lesen. Gerne hätte ich Mäuschen gespielt.

*

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

beigefügt möchten wir Ihnen heute einen offenen Brief Ihres Kollegen übersenden. Bitte nehmen Sie sich die Zeit, um diesen in Ruhe zu lesen. Wir möchten unterstreichen, dass die Firma die Entscheidungen und die kommenden Änderungen voll mitträgt und unterstützt. Auch Sie möchten wir alle bitten, das Thema mit Respekt und Toleranz zu behandeln. Wir möchten an dieser Stelle ausdrücklich betonen, dass die Firma in diesem Sachverhalt keine Diskriminierung akzeptieren wird.

Wir hoffen auf Ihr Verständnis und danken – auch im Namen Ihres Kollegen – für Ihre Unterstützung.

Mit freundlichen Grüßen
Präsident, Personalchefin, Abteilungsleiter, Teamleiter

[Offener Brief im Anhang]
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
viele von Ihnen kennen mich als langjährigen Mitarbeiter der Firma. Ich bin gerne in diesem Unternehmen tätig und hatte im Juli dieses Jahres mein 10-jähriges Dienstjubiläum. Was Sie nicht wissen konnten und können, ist wie es in mir aussieht. Mein Leben lang schlummerte etwas in mir, was mir früher auch nicht klar war, aber ich endlich seit 2004 zulassen kann.

Ich bin Transsexuell und lebe privat seit meinem Outing 2004 fast ausschließlich nur noch als Frau, seit Anfang dieses Jahres zu 100%. Hier im Unternehmen verkleide ich mich quasi als Mann. Durch eine Therapeutin erfahre ich professionelle Unterstützung. Meine Familie und Freunde stehen zu mir und unterstützen mich. Ganz wichtig für mich ist es, dass meine Frau und mein Sohn auch die weiteren Schritte mittragen werden.

Die AGG-Beauftragte und der Betriebsrat, sowie die Personalabteilung und direkten Vorgesetzten sind unterrichtet, dass ich in Zukunft als Frau hier meine Tätigkeit weiter ausüben werde. Auch dieser offene Brief entstand in einvernehmlichen Gesprächen. Der Antrag zur Personenstandsänderung wurde beim Amtsgericht Düsseldorf eingereicht und es bedarf nun noch einiger Gutachten und Formalitäten, bis die Änderung rechtskräftig ist.

Die meisten von Ihnen werden sich mit diesem Thema noch nicht auseinander gesetzt haben, deshalb müssen wir uns gegenseitig die Zeit nehmen und geben, um sich aneinander zu gewöhnen. Gerne stehe ich für Fragen zur Verfügung.

Ich hoffe, dass das gute kollegiale Verhältnis zu Ihnen weiter bestehen bleibt und Sie mich als Frau genauso akzeptieren wie vorher als Mann. Sie werden eine ausgeglichene Kollegin bekommen, aber ich werde der gleiche Mensch bleiben wie vorher.

Ich freue mich auf weitere Jahre der Zusammenarbeit.

Vielen Dank
Xenia
[/Offener Brief]

*

Nach dem langen Wochenende war dann Xenia`s Premiere. Mit leicht wackligen Beinen betrat ich mein Büro. Für den ersten Arbeitstag hatte ich Strumpfhose, Jeanshose, ein helles Longshirt und Pumps mit einem leichten Absatz angezogen. Ich war leicht geschminkt und die Haare brauchten nur noch entsprechend geföhnt zu werden, denn die Länge stimmte bereits. Ich öffnete meine eMails und staunte nicht schlecht über die vielen positiven Reaktionen aus dem Unternehmen. Der Höhepunkt aber war eine Torte in Herzform mit der Aufschrift „Herzlich Willkommen Xenia“ von einer Kollegin. Ich verlor kurz die Fassung. Dann versuchten alle einen normalen Arbeitstag zu verbringen.

Das aber scheiterte daran, dass ich im Gebäude, im Laufe des Tages, immer wieder  umarmt wurde oder mir mit Handschlag gratuliert wurde. So ging der erste Tag zu Ende.

Ein halbes Jahr später sagte mein damaliger Chef zu mir, dass man es auch an meiner Arbeitsleistung merken würde, dass ich nun glücklich, zufrieden und befreit bin.

Ich durchlief eine pubertäre Phase (Hormone) und ca. 2 Jahre nach dem Outing im Betrieb bekam ich einen Termin zur geschlechtsangleichenden Operation. Wir sprachen uns ab und ich konnte den Termin in der Uniklinik Essen bestätigen. Nach ca. 6 Wochen war ich wieder einsatzbereit.

Zwischenzeitlich hatte der Chef gewechselt und ich hatte wohl in den letzten Wochen einigen Bockmist verzapft, so dass mein Chef und ich aneinander gerieten. Mein neuer Chef musste sich auch noch einarbeiten und so drehte sich jeder um sich selbst. Meine 2. OP folgte ein paar Wochen später.

Wieder im Betrieb gingen mein Chef und ich uns ein wenig aus dem Weg. Das funktionierte gut, weil einer meiner Kollegen nun Teamleiter im Innendienst geworden war. Die Monate flogen so dahin und es gab hier und da auch immer mal wieder ein kurzes Gespräch über meinen Werdegang.

Nun ist das Outing bereits 6 Jahre her und das Verhältnis zu meinem Chef ist wieder gut. Es hat eine bis mehrere Aussprachen gegeben und außerdem sind Kollegen, Kolleginnen, Teamleiter und Chef sehr zufrieden mit meiner Arbeitsleistung und meiner Zwischenmenschlichkeit.

Was aber mit Kunden und Lieferanten? Dazu muss ich sagen, dass ich in der Auftragsabwicklung arbeite und auch für den Einkauf im In- und Ausland zuständig bin. Bei Kunden gibt es heute noch teilweise Aufklärungsbedarf wegen der etwas dunkleren Stimme, aber das lässt sich meist kurz erklären. Ich sage dann schon mal: „Keiner macht sich selber“, „Keiner sucht sich das aus“, „Jeder muss das Beste aus seinem Leben machen“ oder „Frau mit männlichem Migrationshintergrund“. Ein Problem gab es auf jeden Fall noch nie!

Bei Lieferanten war es ähnlich, wobei man sich ja schon einige Jahre kannte. Eigentlich alle hatten es positiv aufgenommen, egal ob im In- oder Ausland. Einige benötigten noch eine gewisse Übergangszeit und wollten meinen Mann sprechen oder fragten an, ob mein Mann nicht mehr dort arbeiten und ich jetzt die Stelle besetzen würde. Auch eMails wurden noch an die alte Adresse geschickt, die aber unsere IT-Abteilung weitergeschaltet hatte. So kam es teilweise zu lustigen und interessanten Gesprächen.

Alles in allem habe ich nur gute und positive Erfahrungen gesammelt und bin glücklich und zufrieden wie es jetzt ist. Dass mal ab und zu noch ein falsches Pronomen rausrutscht stört mich nicht. Meist regelt es sich von ganz alleine unter den Kollegen oder man überhört es schlichtweg. Aber man muss natürlich aufpassen, dass es nicht Absichtlich geschieht und in Mobbing oder Diskriminierung ausartet. Ich für meinen Teil kann das allerdings nicht bestätigen.

Da ich auch noch Sicherheitsbeauftragte im Unternehmen und viel im Gebäude unterwegs bin, schauen schon mal Handwerker oder Laufkundschaft einmal mehr hin, aber es ist alles ganz easy. Auch bei Schulungen usw. werde ich als Mensch akzeptiert, der_die einen kleinen Geburtsfehler hat. Mittlerweile ist der behoben und alles ist gut!

Xenia

 

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