1. Virtuelles Selbsthilfetreffen des Gendertreff

Bekannterweise finden unsere Selbsthilfetreffen in öffentlichen Lokalen statt. Uns ist es wichtig, dass diese Selbsthilfetreffen in der Öffentlichkeit stattfinden, denn wir wollen zeigen, dass es uns gibt und mit allen in einen konstruktiven Dialog treten. Der Gendertreff versucht, jeder_jedem die_der sich noch nicht raus wagt, die nötige Hilfestellung zu geben und Mut zu machen, den ersten Schritt zu wagen. Der Besuch eines der Selbsthilfetreffen ist ein guter Start und kann natürlich in eurem Identitätsgeschlecht oder eurem Geburtsgeschlecht erfolgen.Wir stehen auf dem Standpunkt, dass jede_r Transgender erst einmal ihre_seine persönlichen Erfahrungen im Alltag sammeln und sich ein gesundes Selbstvertrauen aneignen sollte um zu sehen, wie weit er_sie gehen will oder möchte.

Leider sind diese Treffen zur Zeit nicht möglich, weil es aufgrund der Coronavirus Pandemie (COVID-19) untersagt ist. Es sind unter anderem die Ausgangsbeschränkungen, Kontaktverbote und geschlossene Lokale, die ein Treffen unmöglich machen. Wir bedauern dies sehr!

Sobald diese Beschränkungen aufgehoben sind, werden wir natürlich alles Mögliche unternehmen, um die Selbsthilfetreffen wieder stattfinden zu lassen. Bis dahin wollen wir vom Gendertreff e.V. ein virtuelles Selbsthilfetreffen (Gendertreff HOME) ins Leben rufen.

Das bedeutet, dass auch nach den Beschränkungen und wenn alle Selbsthilfetreffen wieder stattfinden, an jedem 2. Freitag im Monat, ein virtuelles Selbsthilfetreffen fest eingerichtet bleibt.
Am 8. und 15. Mai 2020 haben bereits erfolgreiche Testläufe stattgefunden. Das nächste „Selbsthilfetreffen“ findet dann am 12. Juni 2020 statt.

Dieses virtuelle Selbsthilfetreffen hätte den Vorteil, dass alle Forenuser_innen daran teilnehmen könnten, egal aus welcher Ecke der Republik er_sie käme. Und man könnte mal die virtuell kennenlernen die nicht zu den analogen Selbsthilfetreffen kommen können, aus welchen Gründen auch immer.

Die Termine sind (wie auch die analogen Selbsthilfetreffen) fixiert und auf der Gendertreff Plattform für ein Jahr bekannt gegeben. Kurz vor der Sitzung gibt ein Teammitglied den Gruppennamen (URL) und das Passwort im Forum bekannt. Dieses Teammitglied führt dann technisch bedingt die Moderation in dieser Sitzung durch.

Natürlich sind bei den virtuellen Selbsthilfetreffen alle Transgender, Angehörige und Interessierte herzlich willkommen!

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Stimmfeminisierung

Gastbeitrag mit freundlicher Genehmigung der

Medical Voice Center ehemals Deutsche Stimmklinik

 

„Die Stimme ist der Klang der Seele“*

STIMMFEMINISIERUNG

Das Medical Voice Center ist eine renommierte Klinik, die sich ausschließlich um alle Belange der Stimme kümmert und sich auf Stimmfeminisierungen (MzF) spezialisiert hat.

Eine weibliche Stimme ist nicht „nur eine Oktave höher“ als die männliche Stimme. Zum Eindruck der Weiblichkeit gehört neben dem höheren Grundton auch das entsprechende auditive Timbre – nur unzureichend mit Resonanz übersetzbar – sowie die Prosodie der gesprochenen Sprache (Rhythmus, Melodie, Intonation, Akzente, Stimmsitz usw.).

Aus diesen Gründen besteht die Feminisierung der Stimme bei uns nicht nur aus der operativen Anhebung der Stimme (Glottoplastik, Vocal Fold Webbing), sondern zusätzlich aus einem ganzen Paket an ineinandergreifenden Maßnahmen von Stimmtraining, Logopädie und weiteren Serviceleistungen

Im Folgenden schildern wir Ihnen die einzelnen Schritte der Stimmfeminisierung in dem Medical Voice Center.

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Hallo Welt…oder doch lieber erst mal nur das Forum

Autorin: Stefanie_

nachdem ich seit nun knapp zwei Monaten im Gendertreff Forum registriert bin, möchte ich nun auch die Chance nutzen mich vorzustellen. Zu Anfang möchte ich sagen, die Weisheit „in der Kürze liegt die Würze“ ist nicht unbedingt die Weisheit nach der ich lebe. Ich bin gerne sehr ausschweifend.

Anfang der 90er Jahre an einem frühen Sommermorgen, in einem Krankenhaus in einer Großstadt im Ruhrgebiet. Dort im Kreißsaal. Eine Frau liegt dort in den Wehen, wartend auf die Geburt ihres ersten Nachkömmling. Die Zeit verstreicht, Stunde um Stunde, Minute um Minute. Die Schmerzen sind groß. Nach einer gefühlten Ewigkeit ist es endlich soweit, die Geburt beginnt.

Unbemerkt von Allen zieht sich der Himmel zu und ein Unwetter zieht auf. Im Geburtssaal ist das Licht gedimmt, lediglich eine OP-Lampe erhellt den Ort, wo gleich ein Neugeborenes das Licht der Welt erblicken soll. Nach wartenden, schmerzvollen Minuten ist endlich der Kopf des Kindes zu erblicken und wenig später ist die Geburt vollzogen.

Während die Nabelschnur durchtrennt wird, wiegt sich das Kind in den Händen des Arztes. Kurz nach der Trennung von der Mutter, hebt der Arzt das Kind empor, just in diesem Moment erhellt das flackernde Licht eines Blitzes den Raum, die Wassermengen des Regens trommeln an das Fenster, da verkündet der Arzt mit diabolischer Stimme, lachend und leicht vom Licht der Blitze erleuchtet, „es ist ein Junge“. Der weinende und schreiende Protest des Säuglings wird übergangen, ja nahezu von niemanden wahrgenommen. Es wird dunkel…die Erinnerungen verblassen.

Jahre später, der damalige Säugling ist mittlerweile circa zehn Jahre alt, erwacht er aus dem Schock, den dieser erste Tag des noch jungen Lebens hinterlassen hatte. Er merkt, etwas ist anders, irgendetwas passt nicht und beginnt die Suche…

Ob sich wirklich alles so abgespielt hat, wer weiß das schon, schließlich ist doch bei jeder Geschichte etwas dazu geschrieben, aber doch auch immer etwas wahres dran. Was davon, sucht euch bitte selber aus.

Aber nun zum eigentlichen. Soviel sei gesagt, ich bin tatsächlich Ende 20 und komme tatsächlich aus dem Ruhrgebiet. Allerdings hat mich der Beruf für ein gutes Jahr nach Westfalen verschlagen, ehe ich vor knapp fünf Jahren ins Rheinland gezogen bin. Mit circa zehn Jahren merkte ich auch tatsächlich, dass ich mich irgendwie anders fühle und nicht so sein wollte, wie ich nach außen hin wirkte. Wo mir allerdings mein grundsätzliches Problem, nicht grade in Eile zu sein, nicht grade von Vorteil war. Grade die Schulzeit, vor allem zum Ende hin, als auch die Ausbildung bot mir super Gelegenheiten mich auf andere Dinge zu fokussieren, weshalb so Punkte wie Persönlichkeitsfindung auf der Strecke blieben. Allerdings empfinde ich das nur noch als bedingt negativ. Da es mich immer wieder zu dem Thema zurückgeführt hat, sehe ich dies als Bestätigung, da muss doch irgendetwas sein.

Vor knapp zwei Jahren fing ich an mir Hilfe zu suchen, da es hierbei allerdings nicht nur um das Thema Selbstfindung ging, konnte ich die letzten zwei Jahre nicht ausschließlich daran arbeiten – leider. Dazu kommt, dass ich selbst eine sehr perfektionistische Persönlichkeit bin. Am liebsten würde ich Schnipps machen und ich könnte en-femme, in einem 100%igem Passing auf die Straße gehen und so leben, wie ich innerlich ticke. Das dies leider eine utopische Vorstellung ist, ist mir leider selbst bewusst, weshalb ich glaube, dass dieser Schritt hier für mich enorm wichtig ist. Zum Thema Passing muss ich glaube ich noch sehr, sehr viel lernen, wenn ich nicht sogar noch am Start stehe. Bislang hatte ich auch noch nie Kontakt zu ebenfalls „Betroffenen“, zumindest nicht in diesem Kontext. Das ist auch nicht grade eine Sache die es leichter gemacht hat. Umso froher bin ich, es geschafft zu haben, mich im Forum anzumelden. Für manche vielleicht kein großes Ding, mich macht es aber grade schon ein wenig stolz. Wichtig dürfte es für mich sein, erst mal einen vernünftigen Umgang mit der Thematik und damit ja auch mit mir selbst zu finden. Und ein wenig in Kontakt zu kommen ist bestimmt auch nicht schlecht 🙂

Auch wenn es sich hierbei um die Vorstellung und nicht um Fragen handelt, es aber auch irgendwie zu mir gehört, möchte ich euch noch mitgeben, dass mich derzeit folgende Fragen vor allem beschäftigen…

…wieso bin ich nicht so wie ich mich fühle/sein möchte?
…wo komme ich irgendwann mal an?

Vor allem erstere Frage nagt sehr an mir. Ich könnte mir vorstellen, dass diese Fragen dem einen oder anderen vielleicht vertraut vorkommen. Falls ihr eine Antwort gefunden habt, immer her damit.

Liebe Grüße und bleibt gesund in den stürmischen Tagen

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Alle Embryos in der Gebärmutter haben zunächst weibliche Veranlagungen

Autorin: Linde

Hallo,

alle Embryos in der Gebärmutter haben zunächst weibliche Veranlagungen. Zum Ende des ersten Quartals entwickeln sich die Geschlechtsorgane und zwar, falls ein Y Chromosom vorhanden ist, und die Mutter Testosteron entwickelt, bekommt der Embryo männliche Geschlechtsteile, im anderen Fall entwickeln sich die weiblichen Teile weiter.

Es gibt allerdings auch da ab und an mal Fehler, und je nach der Menge von Testosteron entwickeln sich auch ohne der Gegenwart von einem Y Chromosom männliche Geschlechtsteile, während sich die weiblichen auch weiter entwickeln. Die Menschen aus solch einem Entwicklungsfehler nennt man heute Intersex.

Zum Ende des dritten Quartals entwickelt sich das Gehirn, und auch wieder ist die Menge von entweder Östrogen oder Testosteron dafür verantwortlich, ob sich bestimmte Teile vom Gehirn hin zu einem männlichen Bewusstsein entwickeln, oder ob sie eher weiblich orientiert bleiben. Ähnliche Vorgänge bestimmen dann zu diesem Zeitpunkt auch die zukünftige Sexualität (wie das funktioniert ist noch nicht richtig gefunden worden, man weiß nur, dass sich die zukünftige Sexualität zu diesem Zeitpunkt entwickelt).

Wenn es zu diesem Zeitpunkt zu hormonellen Störungen kommen sollte, entwickelt sich das Gehirn nicht männlich, obwohl männliche Geschlechtsteile vorhanden sind (auch wird die Person höchstwahrscheinlich nicht heterosexuell sein).

Wenn ein solches Kind nun geboren wird, wird es vom Aussehen her als männlich angesehen. Im Alter von 3 bis 4 Jahren entwickelt sich normalerweise das Geschlechts-Empfinden. Und ein solches Kind wird darauf bestehen, kein Junge, sondern ein Mädchen zu sein. Wenn das Geschlechtsempfinden und das physische Geschlecht nicht übereinstimmen, nennt man solche Menschen Transgender, wenn es übereinstimmt, nennt man die Menschen Cisgender.
Es hängt nun vom soziologischen Umfeld ab, wann solche Menschen nicht mehr mit ihrem falschen Geschlechtsempfinden leben können und zu dem „richtigen“ Geschlecht wechseln wollen. Da man den Körper zum Teil medizinisch verändern kann, das Gehirn aber nicht, werden dann die entsprechenden medizinischen Maßnahmen ergriffen um den Körper so gut wie möglich an das Gehirn anzugleichen.

Im Gegensatz zu „normalen“ Trans*- Menschen, entwickelte sich mein Körper trotz der männlichen Geschlechtsteile aber weiter weiblich. Menschen wie ich wurden dann früher als Sensation auf den Jahrmärkten gezeigt als die Person die halb weiblich und halb männlich ist.

Viele Trans*- Menschen gehen voll durch ihre Transition und leben dann zum Schluss als das Geschlecht welches von ihrem Gehirn bestimmt wurde. Andere wiederum sind zufrieden damit, ab und an mal als Crossdresser zu gehen oder weibliche/männliche Unterwäsche tragen und der Umwelt gegenüber ihre angewiesene Geschlechtsrolle weiter leben.

Ich persönlich lebe seit geraumer Zeit als Frau (bin auch legal eine Frau) und fühle mich als Frau erheblich wohler, als ich mich je als Mann gefühlt habe. Der größte Teil meines Umfelds weiß nicht, dass ich je ein Mann gewesen bin und so soll es auch bleiben.

Ich wünsche allen viel Glück!

Linde

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Marinas 10-Jähriges – Gendertreff

Am Sonntag, den 19.01.2020, war ein durchaus denkwürdiger Tag für mich. Als Erstes fand der Gendertreff Düsseldorf zum ersten Mal wieder im Café Süd in Düsseldorf statt, aber auch war dies mein 10-jähriges Jubiläum.

10 Jahre ist es her, dass eine völlig verunsicherte, vor Angst zitternde Marina mit Ihrem Auto auf dem Parkplatz vor dem Café Süd stand. Genau genommen war dies der 17.01.2010, aber eben der 3. Sonntag im Januar. Es war ca. 15:00 Uhr, ich war also etwas zu spät, aber ich hatte gerade ~350 km von Fulda nach Düsseldorf zurückgelegt. Bei der Strecke kann man nie so genau planen.

Wie gesagt, da saß ich also in meinem Auto und zitterte am ganzen Körper vor Angst, vermischt mit Aufregung, hatte ich mich doch erst am 12.12.2009 im Gendertreff-Forum angemeldet. Außer den Avatarbildern und dem was andere geschrieben haben, wusste ich nicht viel von den Leuten, die da drüben im Café sitzen. Was werden das wohl für Menschen sein? Werde ich mich da wohlfühlen? Was erwartet mich, wenn ich jetzt die paar Meter vom Parkplatz zum Café hinter mich bringe? Fragen über Fragen…

Und so, etwa 10-15 Minuten später, hatten sich meine Nerven insoweit beruhigt, dass ich es schaffte aus zusteigen und rüber zu laufen. Vor dem Café standen einige andere Trans*-Personen beim Rauchen. Ich war so aufgeregt, dass ab dort meine Erinnerungen etwas unklar sind.

Irgendeine der Raucherinnen sprach mich an, ob ich eine „Neue“ wäre. Ich glaube, ich habe kein Wort heraus bekommen und nur genickt. Ich kann mich beim besten Willen nicht mehr erinnern, wer das damals war. Jedenfalls sendete sie mich mit „Wir sitzen da hinten, geh nur rein“ während sie nach links zeigte, zum Selbsthilfetreffen ins Café Süd.

Unsicher ging ich also rein und wurde unmittelbar von Xenia und Ava begrüßt. Wir wechselten ein paar Worte, wobei ich kaum etwas sagte. Naja, jedenfalls führten sie mich an die lange Kaffeetafel links und ich fand einen Sitzplatz ungefähr in der Mitte.

Ich saß erst mal da und hörte den anderen erst einmal nur zu. Dann bestellte ich einen schwarzen Tee und ein Stück Kuchen(?), wobei, ich kann mich nur an den Tee erinnern. Ich nehme immer Süßstoff zum Tee aber es gab keinen Süßstoff auf dem Tisch. Mir gegenüber saß Kirsten, die ich aber damals noch nicht kannte. Sie sagte mir, dass sie Süßstoff dabei hätte und gab mir einen kleinen Süßstoffspender. Ich war immer noch sehr nervös und zitterte noch immer ziemlich.

Und dann passierte das Unvermeidliche: Der Süßstoffspender rutschte mir aus der zitternden Hand und versank im Tee. Oh (zensiert), ich hätte vor Scham im Boden versinken können. Die anderen am Tisch fanden es aber lustig, mir war gar nicht zum Lachen. Ich habe mich 1000x bei Kirsten entschuldigt, aber sie sagte, dass es nicht so schlimm ist. Kann man ja reinigen und neu befüllen. Der Tee jedenfalls war ungenießbar.

Das erste Mal da und dann so etwas…

Rita setzte sich dann neben mich, lächelte mich an aber sprach kein Wort. Irgendwie beruhigte mich das. Und so saß ich weiter am Tisch, anstatt meinem Impuls zu gehen nachzugeben. Die Zeit verging wie im Flug, ich trank mehrere Tassen Tee und hörte den anderen zu. Und da wusste ich: Ja, hier bist du richtig. Hier sind Menschen, die genau das Gleiche erlebt haben wie du. Die sich mit genau den gleichen Problemen herumschlagen wie du. Hier sind Menschen, die dich verstehen.

Um 18:00 Uhr war Schluss, einige verabredeten sich noch irgendwo Abendessen zu gehen. Aber das traute ich mich dann doch noch nicht. Und so fuhr ich zu meiner damaligen kleinen Zweitwohnung in Meerbusch-Nierst.

Dies war also das erste Mal, aber ich kam immer wieder, und wieder und wieder. Ich fing an, diese Menschen kennenzulernen und anscheinend hatten sie auch ein Interesse an mir. So war ich dann ganz schnell bei den ersten Ausflügen mit dabei. Im August 2010, beim Sommerfest wurde ich gefragt, ob ich im Team mitarbeiten wolle. Nach 3 Tagen Bedenkzeit sagte ich zu.

Und hier bin ich heute, 10 Jahre später: Teammitglied, Vorstandsbeisitzerin und Moderatorin im Gendertreff e.V. . Seit 2013 lebe ich Vollzeit als Frau, auch wenn es mir mein Arbeitgeber nicht ganz leicht gemacht hat. Meine Transition ist insoweit abgeschlossen. Namens- und Personenstandsänderung habe ich seit Dezember 2015. Die GaOP ist bei mir aus medizinischen Gründen ausgeschlossen. Aber je länger ich so glücklich und zufrieden lebe wie jetzt, je unwichtiger wird dieser Schritt für mich. Inzwischen wäre es vielleicht in ein paar sehr wenigen Situationen von Vorteil die GaOP zu haben, aber in 99,9% meines Lebens spielt es eigentlich keine Rolle. Ich bin zufrieden.

Heute schaue ich auf diese Zeit zurück und frage mich, warum hast du so lange gewartet? Naja, die Zeit war noch nicht reif für mich. Ich musste erst einmal zu mir selbst finden. Ich musste erst einmal die Menschen finden, die den Weg zu mir selbst mittragen. Und genau diese Menschen habe ich an diesem denkwürdigen Tag im Januar 2010 gefunden.

An jenem Sonntag den 19.01.2020 feierte ich also mit allen Anwesenden mein 10-jähriges Jubiläum. Und ratet mal, was ich von meinem Freunden geschenkt bekam:

Von Ava, Xenia und Ute sowie von Rita und Kirsten jeweils ein Teeglas und einen kleinen Süßstoffspender. Das ist also auch bei Ihnen in Erinnerung geblieben. Ich habe köstlich gelacht. Ja, ich habe gelernt auch über mich selbst zu lachen und nicht alles so bitterernst zu nehmen.

Deshalb sage ich hier noch einmal: Danke meine lieben Freundinnen! Mehr als alles andere, habt Ihr mir etwas geschenkt, das ich vorher in meinem Leben nicht hatte – Echte Freundschaft –

Und so gab ich einen Toast auf meine Freundinnen, den Gendertreff e.V., das Café Süd und das Leben an sich.

PROST!!!

 

Liebe Grüße

Marina

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Mein Fahrplan

Autorin: Comitas

Schon Anfang 2016 in meiner mit dem allerersten Posting verbundenen Vorstellung nach der Anmeldung (das war noch in der Vorgänger-Version dieses Forums) hatte ich versprochen, Euch auf dem Laufenden über meinen eingeschlagenen Weg zu halten. Ein für die schnelllebige virtuelle Welt eigentlich recht betagtes Versprechen, welches für mich dennoch unverändert seine Gültigkeit hat. Selbst wenn zwischen den Folgebeiträgen in diesem meinem Thread eben schon mal ein halbes Jahr oder mehr ins Land gehen kann…

Wie dem auch sei, nun – ich hoffe, Euch waren insofern allem voran ebenso geruhsame Weihnachtsfeiertage vergönnt wie mir – ist es also wieder ein passender Zeitpunkt gekommen, um erneut ein paar ausführliche Zeilen darüber zu hinterlassen, wie sich die Dinge im Laufe dieses Jahres für mich so weiterentwickelt haben.

Das Fundament meiner Transition in beruflicher Hinsicht stellte (siehe meine vorherigen Einträge im Forum) ja der von meiner Kanzlei zum Herbst vergangenen Jahres ermöglichte Beginn einer Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellten dar. Um das Erfreulichste in dieser Hinsicht vor anzustellen: In dieser Sphäre hätte meine Transition ungebrochen echt nicht besser laufen können und das tagtägliche menschliche Miteinander, sowohl intern als auch in Bezug auf Interaktionen mit Mandantschaft, Partnerkanzleien oder sonstigen Dritten läuft bestens. Ich fühle mich insoweit zu nicht weniger als 100 % als Frau wahrgenommen und schätze es, dass mir von meinem Arbeitgeber gerade bei den typischen trans*-bezogenen Pflichtterminen bezüglich der fortgesetzten Bartentfernung, ärztlichen Check-ups usw., bei Bedarf ungebrochen verständnisvoll entgegengekommen wird.

Als gravierende Schattenseite hat mein beruflicher Alltag an den Arbeitstagen, an denen ich nicht für die Berufsschule freigestellt bin, jedoch im Prinzip fortwährend nahezu nichts mit dem einer/eines Auszubildenden gemein. Und da, um es in dieser Hinsicht auf den Punkt zu bringen, die gegenwärtigen Arbeitsbedingungen im Hinblick auf Art und Umfang meiner tatsächlichen Tätigkeiten – erst recht in Relation zu dem bis heute weiterhin äußerst bescheidenen Gehalt – für mich zunehmend nicht mehr darstellbar sind, bin ich zu dem Entschluss gelangt, dass ich meine berufliche Zukunft nach Ende der Ausbildung lieber woanders suchen möchte.

So überschaubar diese Aussichten auf dem Papier bzw. auf den ersten Blick nahezu unverändert auch anmuten mögen, das soll es – oder besser: das soll ich es – mir wert sein.

Eigentlich hätte nicht viel gefehlt, dass ich die Abschlussprüfung schon Anfang dieses Monats nach folglich weniger als knapp eineinhalb Jahren Ausbildungsdauer geschrieben hätte. Schließlich wäre die dafür erforderliche nochmalige Verkürzung der Ausbildung bis vor kurzem sogar eher eine bloße Formalität gewesen. Doch die Hürden für die erforderliche Darlegung der weiteren Verkürzungsgründe wurden von der örtlichen RAK überraschend erst neulich über den sehr guten Notendurchschnitt in der Berufsschule und das prinzipielle Einverständnis des Ausbilders hinaus derart angehoben, dass ich da selbst am Ende selbst vorzeitig und völlig entnervt einen Rückzieher gemacht hatte.

In der Folge sieht der pragmatisch angepasste „Fahrplan“ für mich deshalb derzeit so aus, dass ich mich eben lieber mit dem darauffolgenden Termin für die Abschlussprüfungen Anfang April zufrieden gegeben habe, an dem ich indes nachgerechnet auch gerade mal siebzehn fortlaufende Ausbildungsmonate hinter mir haben werde. Das nimmt sich alles zeitlich also zum Glück nicht wirklich viel.

Doch um explizit noch einmal auf die Berufsschule zu sprechen zu kommen: Mit diesem Teil der Ausbildung ging es seitdem ebenfalls nicht minder planmäßig voran und zur Belohnung hielt ich erfreulicherweise vor den Sommerferien (Halbjahreszeugnisse für die von der Ausbildungsgangleitung so getauften „Schnellläufer-Klassen“ wie meine gibt es an diesem Berufskolleg im 1. Ausbildungsjahr üblicherweise nicht) ein von den Noten her sehr gut ausgefallenes Zeugnis in den Händen. Nicht zuletzt unweigerlich schon deshalb ein ganz besonderer Moment für mich, weil mir in Form dieses Zeugnisses für das komplettierte erste Ausbildungsjahr somit erstmals in meinem Leben offiziell ein bedeutsamer Leistungsnachweis überreicht wurde, der auf „Frau Sonja U.“ lautet.

Über das vermittelte Prüfungs- und Praxiswissen hinaus hat die Zeit in der Berufsschule für mich dabei jedoch – wie es bereits in meinen vorherigen Beiträgen hier anklang – noch eine weitaus größere persönliche Bedeutung behalten. Denn es ist eben faktisch das erste Umfeld von Dauer, in dem ich spürbar ausschließlich als gewöhnliche Cisfrau wahrgenommen und behandelt wurde. Weswegen sich fortan insbesondere der Umgang mit meinen Mitschülerinnen von vornherein denkbar unbeschwert gestaltete. Während ich es bis heute zeitweise echt kaum fassen kann, dass mir die anderen Mädels über so einen langen Zeitraum hinweg offenbar nicht angesehen und/oder sonst wie angemerkt zu haben scheinen, dass ich trans* bin. Faszinierend.

Beziehungsweise fast so faszinierend, wie dass mich meine Mitschülerinnen nach den Sommerferien in anonymer Abstimmung bzw. ohne jegliche Vorfrage „wer denn möchte…“ zur neuen Klassensprecherin gewählt haben. Ich war daraufhin jedenfalls beides, fühlte mich durch das geschenkte Vertrauen total geehrt (mit mir sind wir in diesem zweiten Ausbildungsjahr 16 Schülerinnen in der Klasse; will nebenbei also heißen, dass wir selbst in der Zwischenzeit keinen einzigen Jungen in der Klasse dazu bekommen haben…) und war zugleich für den Moment vollkommen perplex.

Okay, streng genommen müsste ich meine Klassenkameradinnen selbstverständlich ausdrücklich darauf ansprechen, wenn ich gesichert würde wissen wollen, ob sie meinen trans*-Hintergrund zwischenzeitlich nicht vielleicht doch erkannt haben. Doch angesichts der Tatsache, dass die freilich äußerlich zweifelsohne nach wie vor sichtbaren Spuren meines persönlichen „männlichen Migrationshintergrundes“ selbst meiner Sitznachbarin und Freundin Caro in unseren vermehrt stattfindenden gemeinsamen Unternehmungen außerhalb der Berufsschule nicht auffielen, spricht wohl alles dafür, dass es den anderen Mädels da nicht anders gegangen sein wird.

Der Grund warum ich um Letzteres weiß, führt derweil umgehend zu einem weiteren rundum schönen Thema dieses Updates, nämlich dass ich in der Klasse mit Caro unerwartet auch erstmals in meinem Leben eine erste (wenn man so will) richtig originäre Frauenfreundschaft schließen durfte. Denn Caro, die es selbst nach vorherigem geisteswissenschaftlichem Studium an der Kölner Uni mit Mitte zwanzig in die ReFa-Ausbildung und damit ans Berufskolleg verschlagen hatte und ich, wir hatten ohne Übertreibung vom ersten gemeinsamen Schultag an einfach einen total guten Draht zueinander. Wurden anschließend zu nahezu unzertrennlichen Tischnachbarinnen und unternahmen mit der Zeit eben konsequenterweise auch nach Unterrichtsschluss eben immer mehr gemeinsam.

Und je enger unser Kontakt zueinander wurde, umso mehr wuchs in mir das Bedürfnis – wohlgemerkt ohne bis dahin Gewissheit gehabt zu haben, ob sie oder etwa auch ihr fester Freund, mit dem sie zusammen wohnt, mein gewisses Anderssein nicht doch längst bemerkt hatten – mich ihr in der Sache einmal mitzuteilen. Denn über alles (!) reden zu können, das ist es doch, was eine richtige Freundschaft ausmachen sollte, nicht wahr? Und Passing hin oder her, wer will schon ein nervenaufreibendes Versteckspiel vergangener Tage im engsten privaten Umfeld dauerhaft gegen ein anderes eingetauscht haben?!

Mit jener sich anbahnenden Aussprache war es letztlich dann vergangenen Juli noch vor den Sommerferien soweit und das damalige Vieraugengespräch, was sich zwischen mir und Caro völlig ungezwungen an einem schon vom Wetter her Bilderbuchmäßigen Sommertag am Kölner Rheinufer ergab, werde ich immer im Herzen tragen.

Seitdem weiß ich jedenfalls, dass mich meine mir echt ans Herz gewachsene Banknachbarin in der Tat für eine gebürtige Frau, wie sie selbst eine ist, hielt, ohne dass jene neuen Erkenntnisse aber etwas an ihrer Wertschätzung von mir als Freundin geändert hätten. Begleitet davon, dass Caro das Ganze seitdem vorbildlich für sich behielt. Ein Umstand, auch dank dem es im Hinblick auf die anderen Mädels in der Klasse bis heute so geblieben ist, dass die spürbar nicht infrage stellen, dass mein Geburtsgeschlecht ein anderes gewesen sein könnte als das, in dem sie mir seit unserem gemeinsamen Ausbildungsbeginn erstmals begegnet sind. Mehr noch, ich möchte fast meinen, dass es mir seit jenem Coming-out unter, im Vergleich zu früher, gewissermaßen „umgekehrten Vorzeichen“ vergönnt war, im Berufsschulumfeld sogar irgendwie das Beste aus beiden Welten zu vereinen. Indem ich nämlich neben der Ausbildungsgangleitung auch für meine Freundin Caro als trans* sichtbar und vollkommen akzeptiert bin, für alle anderen jedoch fortwährend augenscheinlich als beliebige Cisfrau durchgehe.

Versteht mich bitte nicht falsch. Ich habe kein Problem damit, entspannt und souverän zu mir zu stehen, wenn auch Fremde von sich aus merken oder gegebenenfalls durch Hinweise anderer Dritter spitz kriegen, dass ich trans* bin. Denn auch das habe ich über die letzten Jahre gelernt, wobei die öffentlichen Stammtischtreffen des Gendertreffs nur eine von vielen angenehmen Gelegenheiten dafür boten. Doch ich genieße diesen glücklichen Umstand einfach sehr, im Alltag ansonsten erfahrungsgemäß den Eindruck hinterlassen zu können, dass zwischen dem weiblichen Geschlecht, in dem ich mich heutzutage selbstbewusst präsentiere, und meinem Geburtsgeschlecht erst gar keine Abweichung existiert. Oder anders ausgedrückt, es ist schlichtweg eine gesondert wundervolle Erfahrung, sich in einem solchen Rahmen zur Abwechslung einmal gänzlich ungetrübt bzw. völlig unbeeinflusst vom eigenen trans*-Hintergrund im Identitätsgeschlecht erleben zu dürfen.

Als Nächstes wiesen erfreulicherweise auch in meinem sonstigen privaten Umfeld alle weiteren Entwicklungen unverändert weiter in eine positive Richtung.

Bei speziell einer meiner beiden „Stamm-Cliquen“ hatte ich mir insofern gerade zu Jahresbeginn sehr wohl eine ganze Zeit ernsthafte Sorgen gemacht, weil in dieser verglichen mit dem Vorjahr selbst mit dem rheinischen Karneval im Anmarsch nahezu keine Unternehmungen mit meiner Beteiligung angeschoben wurden. Doch wie sich später herausstellte, hatte diese als solche von mir registrierte, mangelnde Aktivität nichts mit meiner Person zu tun, sondern war schlichtweg Ausfluss davon, dass die Einzelnen dienstlich und/oder in sonstiger Weise derart im Stress waren, dass Cliquen-technisch in dieser Phase schlicht gar nichts an relevanten Unternehmungen stattfand.

Dass das von den Beteiligten nicht etwa nur beschönigende Worte waren, durfte ich übrigens spätestens daran festmachen, dass ich von einem zu ebenjener Clique gehörenden Pärchen zur deren Hochzeit im Juli ganz offiziell als Frau eingeladen wurde. Mit allem Drum und Dran. Was wiederum im Kontrast dazu stand, dass ich im Sommer des Vorjahres zu einer Hochzeit eines anderen Pärchens im erweiterten Freundeskreis noch ausdrücklich als Mann eingeladen wurde. Obwohl auch diese beiden Brautleute bereits von meinem trans*-Sein und ebenso davon wussten, dass ich unmittelbar vor Abschluss meiner Vornamens- und Personenstandsänderung sowie davor stand, künftig ein allumfassendes Leben in meinem wahren Identitätsgeschlecht zu beginnen. Weswegen das Ganze bei den betreffenden Hochzeitsfeierlichkeiten 2018 rückblickend letztlich schon mit einer relativ eigenartigen Situation für mich ein herging.

Aber selbstredend bekam ich es an jenem Sommertag zum einen dann ja doch wunschgemäß einmal mehr hin, unauffällig und ganz wie gewohnt „den Mann zu geben“. Und zum anderen wusste ich es alleine durch diese Erfahrung umso mehr zu schätzen, dieses Jahr ohne derartige Einschränkungen als Frau mit auf die Gästeliste gerutscht zu sein. Auf der im Übrigen natürlich auch Eltern, Großeltern, entfernte Verwandte sowie zugleich von weiter her stammende Freunde des Brautpaares standen und und und…

Sprich, gerade das Sich-Willkommen-Fühlen zu solch bedeutsamen Anlässen (von denen manche freilich trauriger Natur sind, wie z. B. Beerdigungen) sind es doch, die nach meiner Auffassung Ausdruck von wahrer Teilhabe sind und dafür, dass du in deinem sozialen Umfeld als Transmensch jenseits von sonstigen, schnell daher gesagten schönen Worten akzeptiert wirst. Ich finde es jedenfalls immer schlimm, hier vereinzelt davon lesen zu müssen, dass Manche(r) von Euch sich von alten Freund_innen offenbar Vorbedingungen anhören muss à la „Kannst gerne noch zu uns kommen. Aber bitte in gewohnter Geschlechterrolle. Denn sonst finden wir das peinlich. Und was sollen die Nachbarn denken?!“

Will unter Bezugnahme auf den vorherigen Eintrag in meinen Thread heißen, dass die in der Zwischenzeit wahrgenommenen Distanznahme mir gegenüber von einzelnen Freund_innen im Ergebnis überwiegend tatsächlich mehr Ausdruck einer benötigten Umgewöhnungsphase gewesen zu sein scheint, als dass dies die befürchtete Manifestierung einer von Einzelnen insgeheim empfundenen Ablehnung mir als sichtbarer Transfrau gegenüber oder ähnlichem gewesen wäre.

Ich weiß es in diesem Zusammenhang beispielsweise wahnsinnig zu schätzen, dass gerade die mir seit Kindertagen eng verbundenen männlichen Freunde mir insoweit bis hierhin nicht nur merklich gewogen blieben, sondern dass die Mehrzahl von ihnen es mittlerweile zur Begrüßung und zum Abschied insbesondere nicht mehr mit so einer (wenn ihr wisst, was ich meine) „Männer-Handshake-Umarmung“ bewenden lässt, sondern sie mich –ganz wie die anderen Mädels der Clique auch – dann mal kurz so richtig in den Arm nehmen. Denn das ist für mich exemplarisch eine dieser vordergründig total schlichten Mann-zu-Frau-Gesten, die dennoch manchmal echt mehr zu sagen vermögen als viele Worte.

Nur übertroffen von folgender Erfahrung, die ich Euch ebenfalls nicht vorenthalten möchte: Wir haben in meiner Stamm-Clique ein Pärchen, das sich trotz zweier gemeinsamer kleiner Kinder vor wenigen Jahren (für uns Außenstehende recht plötzlich) trennte und zwischenzeitlich scheiden ließ. Dabei blieben wir anderen in der Clique allesamt auch nach der Scheidung mit Beiden gut befreundet und die Kinder (die Tochter geht derzeit noch in die 4. Klasse, der Sohnemann ist dieses Jahr nach den Sommerferien eingeschult worden) leben nunmehr in wechselnden Abständen entweder bei Mama oder Papa. Wobei beide Elternteile jeweils bis heute wenige hundert Meter entfernt in demselben Dorf wohnen geblieben sind, in dem ich selbst aufgewachsen bin und in dem mein Elternhaus steht.

Das Besondere daran ist, dass in meinen Freundeskreisen einzig diese beiden Kinder alt genug sind, um „ihn“ zuvor noch bewusst kennengelernt zu haben. Der aus den anderen Partnerschaften meiner Cliquen hervorgegangene Nachwuchs war im Zeitpunkt der Umwälzungen im Vorjahr demgegenüber so jung, dass der sich absehbar später bestenfalls ausschließlich als Frau an mich erinnern wird.

Insofern hatte ich mir zugegeben schon eine Weile lang verunsichert die Frage gestellt, was in den kindlichen Köpfen jener beiden Sprösslinge wohl vorgehen mag, seit sie hautnah mitbekamen, dass jener (ich nenne es mal) vertraute Freund der Familie plötzlich nicht mehr als Mann, sondern entsprechend nur noch als Frau in Erscheinung trat.

In dieser Hinsicht kann ich heute stolz berichten, dass sich ein durch und durch positiver Befund ergab. Was ich indes mehr als alles andere entscheidend auf die Einflussnahme der mir beide seit jeher wohlgesonnenen Eltern zurückführe. Denn wenn nur einer von den Beiden ein echtes Problem mit mir nach meinem Coming-out gehabt und gegen mich gehetzt hätte, wäre es sicher nicht zu der nachfolgenden Geschichte gekommen.

So richtete Bianca, die Mutter der Kinder, Mitte des Jahres bei sich zu Hause einen weiteren dieser „klassischen“ Mädelsabende aus. Und bevor die Kids abends ins Bett geschickt wurden, die an dem Tag zufällig bei ihr weilten, war ich echt baff zu sehen, wie zugeneigt die sich gerade mir gegenüber verhielten. Ihre Tochter warb mitunter geradezu um meine Aufmerksamkeit und der Sohn hüpfte mir beim gemeinsamen Abendessen ganz plötzlich unbeschwert zum Kuscheln auf meinen Schoss. Ich erinnere mich nämlich noch lebhaft daran, dass selbiger Sohnemann mich keck in die Schulter boxte, als ich Mitte des Vorjahres das letzte Mal äußerlich als Mann bei seinem Papa im Wohnzimmer saß.

Wie mir Bianca, nachdem sie die Kinder ins Bett gebracht hatte, weitererzählte, war im Zuge der Bekanntgabe der Abendplanung samt Gästeliste gegenüber ihrer Tochter noch vor unserem Eintreffen in jedem Fall offenbar noch folgender, für mich bemerkenswerter Dialog zustande gekommen:

(Tochter) O.: „Oh, ist das DIE Sonja, die letztens auch auf Andreas Geburtstag war?“
(Mama) B.: „Ja, genau die.“
O.: „Cool!“
B.: „Du weißt aber schon, wie das ist mit der Sonja, oder?“
O.: „Ja, die ist zwar als Junge geboren, hat sich aber immer schon wie ein Mädchen gefühlt.“

Als ich das hörte, war ich ungelogen einen Moment total gerührt. Denn so groß die Vorzüge der weitläufig verbreiteten „im falschen Körper“-Kurzmetapher für TI auch sein mögen, es ist doch vielmehr exakt das, was diese gerade mal Zehnjährige in die vorstehende empathische Feststellung gefasst hat, worum es uns allen geht, oder?

Ich mag nach unseren gesellschaftlichen Anschauungen selbst nie besondere Errungenschaften vorweisen können und, im Gegenteil, letztlich in vielerlei Hinsicht scheitern im Leben. Doch es ist ein echt tolles Gefühl, insofern augenscheinlich dafür gesorgt zu haben, dass immerhin diese beiden Kinder auf einem in jeder Hinsicht (!) typischen Dorf schon mit einer Transperson im Bekanntenkreis aufwachsen und Menschen wie mich als sehr wohl geachteten und bereichernden Teil unserer Bevölkerung begreifen. Schließlich ist das etwas, dass das eigene bescheidene Dasein überdauern wird und später eine Bastion bilden kann gegen den rechten Rand, nach dem es offensichtlich irgendeinem anatomisch völkischen Ideal entsprechend nur biologische Männer und Frauen geben darf und der Rest [na ja, ihr wisst schon angeblich was und wo…] gehört.

Um diesen abermals ein bisschen lang geratenen Beitrag zu Ende zu führen, lasst mich überdies Folgendes festhalten: Zwar verblasst die Erinnerung daran, doch ich entsinne mich sehr wohl noch gut an den Zeitraum, wo ich tunlichst nicht von mir bekannten Menschen en-femme „erwischt“ werden wollte. Um angesichts der zu erwartenden Mitteilungskette der Sorte „Wenn X das mitbekommt, dann spricht er bestimmt mit Y darüber und die sagt es Z…“ usw. das Heft des Handeln vor allem nicht etwa ausgerechnet in jener kritischen Übergangsphase meines Weges hin zu einem allumfassenden Leben im Identitätsgeschlecht aus der Hand zu geben.

Ich möchte ferner würdigen, dass ich im Nachhinein bei meiner Transition bis hierhin auch sonst schlicht viel Glück gehabt habe. Schließlich stieß ich wider Erwarten selbst bei meinem Vater auf ungeahnte Akzeptanz. Mag dafür rückblickend auch lediglich die Basis bereitet haben, dass er mich als früheren Sohn – offen gesagt, wie den Rest der gegründeten Familie – nun nicht allzu sonderlich wertschätzte und es deswegen vergleichsweise leicht gefallen sein mag, von „ihm“ Abschied zu nehmen. Nichtdestotrotz finde ich es schön, dass wir, ich und mein Vater, z. B. bis heute regelmäßig gemeinsam Fußball schauen, obwohl ich heute doch durchgehend so anders ausschaue, wirke und klinge als früher. Plus, ich bekomme schon regelmäßig mit, dass er auch in seinem Freundes- und Bekanntenkreis zu mir steht und nicht etwa der Versuchung erlag zu versuchen, die Entwicklungen in dieser Sphäre peinlich berührt verbal unter den Teppich zu kehren oder ähnliches.

Ich nehme außerdem an, dass eine Cisperson uns Transmenschen kaum nachfühlen kann, wie es ist, ein Leben im Geburtsgeschlecht mit allen Konsequenzen aufzugeben, wie wir das bekanntlich in nicht geringer Anzahl tun. Und schäme mich nicht, dass ich selbst letztes Jahr noch verbliebene Zweifel hatte, ob diese nachhaltige Schaffung von Fakten (in Richtung, wie es bei uns im Gendertreff üblicherweise gerne genannt wird, „Frau in Vollzeit“) für mich persönlich denn wirklich der richtige Schritt war. In diesem Kontext kann ich Euch hier jedoch abschließend versichern, die Entscheidung für ein „24/7“-Leben als Frau bis heute nie bereut zu haben.

Am meisten liebe ich es nicht zuletzt, dass mich meine vertrauten Mitmenschen heute ausschließlich mit Anreden wie „Liebe Sonja“, „Hey Süße“ oder „Hallo meine Liebe“ anschreiben. Außerdem freue ich mich gefühlt jedes Mal wie am ersten Tag, wenn ich im Alltag von Fremden wieder eine Referenz mit „…die Dame“ zu hören kriege.

Will heißen, die gewissen Lebensumstände, die mir unverändert aufs Gemüt schlagen, die haben offen und ehrlich nichts mehr mit meiner gelebten Geschlechterrolle zu tun. Im Gegenteil, nie waren mir im Kleinen mehr schöne Momente vergönnt, als seit ich mir konsequent das Ausleben meines weiblichen Identitätsgeschlechts zugestanden habe, danach lebe und dazu stehe.

Kommt mir vorab allesamt heil auch über die nächste heranrückende Jahreswende, liebe Foren-Gemeinde, und vergesst in Anlehnung eines Beispiels wie meinem zu guter Letzt bitte nie, was für Transpersonen an ursprünglich gefühlt Unmöglichem doch zu in der Seele gut tuender Wirklichkeit werden kann.

Bis demnächst!

Eure Sonja

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Selbsthilfetag Solingen 2019

Der Selbsthilfetag im Klinikum Solingen ist traditionell die letzte Aktion eines jeweiligen Jahres im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit des Gendertreff. Und am 23.11.2019 war es dann auch wieder so weit: Der Gendertreff stellte nunmehr zum fünften Mal seine Selbsthilfe- und Öffentlichkeitsarbeit rund um das Thema Trans* in der Klingenstadt Solingen vor.

Während die Gendertreff-Gründerinnen Xenia und Ute zeitgleich zu einer Aktion im Düsseldorfer Rathaus eingeladen waren, machten sich weitere Gendertreff-Teammitglieder in aller Frühe auf, um im Klinikum Solingen den Infostand aufzubauen. Informations-Schwerpunkte waren in diesem Jahr unser Solinger Selbsthilfetreffen Gendertreff Solingen, die Grüne Karte für Diversity, die Aktion Anders als erwartet und natürlich die Gendertreff Messe & Fachtagung.

Wie immer wurden viele Gespräche geführt, Flyer ausgegeben und sich mit den anderen am Selbsthilfetag teilnehmenden Selbsthilfe-Organisationen ausgetauscht.

Was uns ganz besonders gefreut hat: Solingens Oberbürgemeister Tim Kurzbach war von der Grünen Karte für Diversity so begeistert, dass er kurzerhand einen ganzen Stapel mitnahm, um diese im Rathaus der Stadt Solingen auszulegen. Denn Vielfalt, Toleranz und Akzeptanz betreffen nicht nur Trans*-Menschen und ihre Angehörigen. Vielmehr sind es Werte, die uns alle angehen. Deshalb bekennt sich der Gendertreff e.V. klar zu Diversity.

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Manuelas Erlebnisse (3)

Autorin: Manuela

Den Termin beim ersten Gutachter habe ich nun hinter mir. Zur Begrüßung stellte ich mich mit Manuela M. vor. Ich war elegant gekleidet, hatte einen Minirock, Thermostrumpfhose, Stiefel und einen pinkfarbenen Pulli an, drüber einen Kurzmantel und einen Loop-Schal. Die Schminke war dezent, der Bartschatten gut abgedeckt. Es war emotional sehr anstrengend. Die Begutachtung dauerte 2 Stunden. Ich habe alles erzählt und wir haben uns gegenseitig Fragen gestellt. Es war kein Spaziergang, aber ich bin gefühlsmäßig immer bei mir geblieben. Nach 2 Stunden sagte der Gutachter, dass er einen positiven Bericht ans Gericht senden wird. Puh, das erste Gutachten habe ich so gut wie in der Tasche.

Bis das Gericht den 2. Gutachter findet werden wohl noch einige Monate vergehen. Das ist auch gut so. Ich habe einige Tage gebraucht, um mich von der ersten Begutachtung zu erholen.

Wie wichtig es ist, die Therapeuten für die Begleitende Transtherapie gut heraus zu suchen hat sich in meinem Fall gezeigt. Ich habe schon die Hälfte der Begleitenden Therapie hinter mir und bin froh, wenn die Sache im Juni 2020 erledigt ist. Diese Therapeutin ist eine einzige Katastrophe. Danach gehe ich wieder zu der Therapeutin in der psychiatrischen Institutsambulanz, bei der ich im Vorfeld schon einige Monate war. Es ist eine ganz junge sehr engagierte Psychologin, die extra wegen mir nach Freiburg in die Uniklinik gefahren ist, um sich über das Thema Trans* zu informieren. Wenn sie sich einmal selbständig macht, werde ich jede Mühe auf mich nehmen um weiter von ihr behandelt zu werden. Die ist tausendmal besser als die Therapeutin, bei der ich die Begleitende Therapie mache.

Was ich Schei*e finde, ist, dass es weder für Gutachter noch für Gerichte einheitliche Vorschriften gibt, wie sie solche Verfahren abarbeiten müssten. Ich habe dem Gericht alle Unterlagen zur Verfügung gestellt. Das Gericht hielt es nicht für notwendig, die Unterlagen dem Gutachter zur Verfügung zu stellen. Damit hatte ich schon gerechnet und den ganzen Ordner mit zum Gutachter genommen. Der war sehr froh darüber.

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Back to the roots

…nicht ganz aber wir knüpfen wieder an alte Traditionen an. Der Gendertreff Düsseldorf zieht ab dem 19. Januar 2020 wieder in das Café Süd in Düsseldorf um.

Jeden dritten Sonntag im Monat von 14:00 Uhr bis 17:00 Uhr gibt es dieses lockere Selbsthilfetreffen für Transgender, Angehörige und Interessierte in Düsseldorf. Im Geburts- oder Identitätsgeschlecht bei Kaffee, Kuchen und/oder einem Kaltgetränk nett klönen und sich kennen lernen in gemütlicher Atmosphäre.

Es ist ein offenes Treffen für Transgender, Angehörige und Interessierte. Das Restaurant ist etwas abgelegen und deshalb auch für Leute geeignet, die noch Probleme damit haben, durch eine stark belebte Fußgängerpassage zu gehen. Kurze Spaziergänge sind möglich. Kaffeeklatsch bei Kaffee und Kuchen oder anderen Getränken und im Sommer kann man auch draußen sitzen. Kennen lernen, klönen, diskutieren, Fotos machen, frei bewegen.

Jede_r ist herzlich willkommen. Da das Lokal jedoch den Platzbedarf planen muss, wird um eine Anmeldung gebeten (Kontaktformular, eMail, Forum, Tel.). Bei Fragen stehen Rita und Ava vom Gendertreff e.V. gerne per PN (Forum) oder eMail zur Verfügung.

Kostenlose Parkplätze sind vorhanden. Gute Anbindung mit PKW und ÖPNV.

Zum letzten Mal trafen sich ca. 35 Teilnehmer des regelmäßigen Selbsthilfetreffen im Restaurant Kaisershaus zum Kaffee und Kuchen und zum traditionellen Schrott- und Weihnachtswichteln zum Ende des Jahres. Es gab wieder viel Spaß, gute Gespräche und großzügige Spenden für die Vereinsarbeit. Dafür vielen Dank!

Wir bedankten uns bei dem Restaurant Kaisershaus für 6 schöne Jahre regelmäßiges Selbsthilfetreffen des Gendertreff e.V. mit einem Blumenstrauß. Aber jetzt freuen wir uns auf die neue alte Location in Düsseldorf.

Bis bald!
Team Gendertreff

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