Änderung von Zeugnissen bei nachträglicher Namensänderung

In dem Bericht/Erlass des Kultusministeriums vom 28.03.1991 steht u.a. folgendes geschrieben:

………………………. Während bei einer Geschlechtsumwandlung der Betroffene aus dem Rechtsgedanken des Persönlichkeitsrecht und nach § 5 und § 10 Abs. 2 TSG einen berechtigten Anspruch darauf hat, dass sein früherer Vorname nicht mehr offenbart wird, ist in den anderen Fällen zwar ein Interesse der Betroffenen erkennbar, ein zwingender rechtlicher Anspruch ergibt sich hier aber nicht. Vielmehr ist aus Gründen der Rechtssicherheit (Identität des Urkundeninhabers) am Inhalt der ursprünglichen Urkunde festzuhalten. Im Hinblick auf die Tatsache, dass zwischenzeitlich durch beglaubigte Abschrift etliche Exemplare des Zeugnisses in den Rechtsverkehr gelangt sein können, besteht ein öffentliches Interesse an der Beibehaltung der Urkunde. Diese ist aufgrund nachträglicher Namensänderung zum Zeitpunkt der Ausstellung weder fehlerhaft (§ 42 VwVfG) noch später nichtig (§ 44 VwVfG) oder rechtswidrig (§ 48 VwVfG).

Auch wird durch die Beibehaltung des Zeugnisses nicht gegen das Offenbarungs- und Ausforschungsverbot verstoßen. Die §§ 1757, 1758 BGB sind bei Adoption Volljähriger nur beschränkt anwendbar. Nach § 9 NamÄndG ist durch Randvermerk in Geburts- und Heiratsregister die Namensänderung ebenfalls erkennbar.

Somit erhalten lediglich Personen, die eine Geschlechtsumwandlung vorgenommen haben, auf Wunsch eine Ersatzausfertigung eines Zeugnisses. Diese Urkunde sollte den neuen Namen, das ursprüngliche Datum pp. sowie folgenden Zusatz erhalten:

„Diese Ausfertigung tritt an die Stelle der Urkunde vom …”. ……………………..

>> Books.Google

>> Zum Inhaltsverzeichnis

 

Zuständigkeiten der Amtsgerichte für die Vornamens – und Personenstandsänderung

Der §2 des Transsexuellengesetz legt fest, dass für das Verfahren das Amtsgericht am Sitz des Landgerichts zuständig ist, in der der_die Antragsteller_in ihren Hauptwohnsitz hat. Die jeweilige Landesregierung kann per Rechtsverordnung auch andere Reglungen festlegen. Daher sind die genauen Zuständigkeiten von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich geregelt.
[Zitat]
§ 2 Zuständigkeit
(1) Für die Entscheidung über Anträge nach § 1 sind ausschließlich die Amtsgerichte zuständig, die ihren Sitz am Ort eines Landgerichts haben. Ihr Bezirk umfaßt insoweit den Bezirk des Landgerichts. Haben am Orte des Landgerichts mehrere Amtsgerichte ihren Sitz, so bestimmt die Landesregierung durch Rechtsverordnung das zuständige Amtsgericht, soweit nicht das zuständige Amtsgericht am Sitz des Landgerichts schon allgemein durch Landesrecht bestimmt ist. Die Landesregierung kann auch bestimmen, daß ein Amtsgericht für die Bezirke mehrerer Landgerichte zuständig ist. Sie kann die Ermächtigungen nach Satz 3 und 4 durch Rechtsverordnung auf die Landesjustizverwaltung übertragen.
(2) Örtlich zuständig ist das Gericht, in dessen Bezirk der Antragsteller seinen Wohnsitz oder, falls ein solcher im Geltungsbereich dieses Gesetzes fehlt, seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat; maßgebend ist der Zeitpunkt, in dem der Antrag eingereicht wird. Ist der Antragsteller Deutscher und hat er im Geltungsbereich dieses Gesetzes weder Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthalt, so ist das Amtsgericht Schöneberg in Berlin zuständig; es kann die Sache aus wichtigen Gründen an ein anderes Gericht abgeben; die Abgabeverfügung ist für dieses Gericht bindend.

[/Zitat]
Baden-Württemberg
Gemäß der Verordung sind die Amtsgerichte

  • Amtsgericht Baden-Baden (Landgerichtsbezirk Baden-Baden)
  • Amtsgericht Ellwangen (Landgerichtsbezirk Ellwangen)
  • Amtsgericht Freiburg im Breisgau (Landgerichtsbezirk Freiburg im Breisgau)
  • Amtsgericht Hechingen (Landgerichtsbezirk Hechingen)
  • Amtsgericht Heidelberg (Landgerichtsbezirk Heidelberg)
  • Amtsgericht Heilbronn (Landgerichtsbezirk Heilbronn)
  • Amtsgericht Karlsruhe (Landgerichtsbezirk Karlsruhe)
  • Amtsgericht Konstanz (Landgerichtsbezirk Konstanz)
  • Amtsgericht Mannheim (Landgerichtsbezirk Mannheim)
  • Amtsgericht Mosbach (Landgerichtsbezirk Mosbach)
  • Amtsgericht Offenburg (Landgerichtsbezirk Offenburg)
  • Amtsgericht Ravensburg (Landgerichtsbezirk Ravensburg)
  • Amtsgericht Rottweil (Landgerichtsbezirk Rottweil)
  • Amtsgericht Stuttgart (Landgerichtsbezirk Stuttgart)
  • Amtsgericht Tübingen (Landgerichtsbezirk Tübingen)
  • Amtsgericht Ulm (Landgerichtsbezirk Ulm)
  • Amtsgericht Waldshut-Tiengen (Landgerichtsbezirk Waldshut-Tiengen)

zuständig.

Bayern
Die „Verordnung zum Transsexuellengesetz“ regelt welche Amtsgerichte zuständig sind.

  • München (Oberlandesgerichtsbezirk)
  • Nürnberg (Oberlandesgerichtsbezirk)
  • Bamberg (Oberlandesgerichtsbezirk)

Diese Aufteilung ergibt sich aus der Zuständigkeit der jeweiligen Oberlandesgerichtsbezirke.

Berlin
Zuständig ist das Amtsgericht Berlin-Schöneberg, welches auch für sämtliche Anträge von Auslandsdeutschen zuständig ist.

Brandenburg
Gemäß der Verordnung ist das Amtsgericht Potsdam zuständig.

Bremen
Zuständig ist das Amtsgericht Bremen.

Hamburg
Zuständig ist das Amtsgericht Hamburg-Mitte

Hessen
Gemäß der Verordnung sind die Amtsgerichte

  • Frankfurt am Main (für die Bezirke der Landgerichte Darmstadt, Frankfurt am Main, Gießen, Hanau, Limburg a. d. Lahn und Wiesbaden)
  • Kassel (für die Bezirke der Landgerichte Fulda, Kassel und Marburg)

zuständig.

Mecklenburg-Vorpommern
In Mecklenburg-Vorpommern sind diese Amtsgerichte zuständig:

  • Neubrandenburg (Der Gerichtsbezirk umfasst die Bezirke der Amtsgerichte Neubrandenburg, Demmin, Neustrelitz, Pasewalk, Ueckermünde und Waren (Müritz)
  • Rostock (Der Gerichtsbezirk umfasst die Bezirke der Amtsgerichte Bad Doberan, Güstrow und Rostock)
  • Schwerin (umfasst die Bezirke der Amtsgerichte Grevesmühlen, Hagenow, Ludwigslust, Parchim, Schwerin und Wismar)
  • Stralsund (umfaßt die Bezirke Amtsgerichte Anklam, Bergen auf Rügen, Greifswald, Ribnitz-Damgarten, Stralsund und Wolgast)

Niedersachsen
Das Niedersächsische Landesjustizportal bietet umfassende Informationen zum Thema „Angelegenheiten nach dem Transsexuellengesetz (TSG)“.
Zuständig sind die Amtsgerichte:

  • Celle (Oberlandesgerichtsbezirk Celle)
  • Göttingen (Oberlandesgerichtsbezirk Braunschweig)
  • Oldenburg (Oberlandesgerichtsbezirk Oldenburg)

Nordrhein-Westfalen
In NRW sind gemäß Verordnung die Amtsgerichte

  • Düsseldorf (Oberlandesgerichtsbezirk Düsseldorf)
  • Dortmund (Oberlandesgerichtsbezirk Hamm)
  • Köln (Oberlandesgerichtsbezirk Köln)

zuständig.

Rheinland-Pfalz
Das Amtsgericht Frankenthal ist zuständig für alle Verfahren in Rheinland-Pfalz.

Saarland
Zuständig ist das Amtsgericht Saarbrücken, Nebenstelle Heidenkopferdell.

Sachsen
Zuständig sind die Amtsgerichte

  • Chemnitz (Landgerichtsbezirk Chemnitz)
  • Dresden (Landgerichtsbezirk Dresden)
  • Görlitz (Landgerichtsbezirk Görlitz)
  • Leipzig (Landgerichtsbezirk Leipzig)
  • Zwickau (Landgerichtsbezirk Zwickau)

Sachsen-Anhalt

Eine Verwaltungsvorschrift legt als zuständige Amtsgerichte fest:

  • Magdeburg (Bezirke der Landgerichte Magdeburg und Stendal)
  • Halle: (Bezirke der Landgerichte Dessau und Halle)

Schleswig-Holstein
In Schleswig-Holstein sind folgende Amtsgerichte zuständig:

  • Flensburg (Landgerichtsbezirk Flensburg)
  • Itzehoe (Landgerichtsbezirk Itzehoe)
  • Kiel (Landgerichtsbezirk Kiel)
  • Lübeck (Landgerichtsbezirk Lübeck)

Thüringen
In Thüringen sind folgende Amtsgerichte zuständig:

  • Erfurt (Landgerichtsbezirk Erfurt)
  • Gera (Landgerichtsbezirk Gera)
  • Meiningen (Landgerichtsbezirk Meiningen)
  • Mühlhausen (Landgerichtsbezirk Mühlhausen)

Stand 31.08.2014


In der Regel müssen folgende Unterlagen eingereicht werden:

  • Meldebestätigung der Gemeinde
  • Geburtsurkunde
  • Kopie des Personalausweises
  • Kopie des Berichts der Therapeutin
  • Transsexueller Lebenslauf

Zusätzlich können diese Unterlagen eingereicht werden, bzw. werden angefordert:

  • Erklärung über die Entbindung von der Schweigepflicht
  • Lebenslauf
  • Chronik des transidenten Lebens
  • Kopie DGTI-Ausweis (Ergänzungsausweis)
  • Kopie des Berichts des Neurologen
  • Kopie des Berichts der Gynäkologin
  • Kopie des Berichts des Endokrinologen
  • Kopie des Berichts des Urologen
  • Informationsmaterial der Selbsthilfegruppe (Flyer)

 

Informationen und Änderungswünsche werden gerne entgegen genommen.

 

Änderungen vorbehalten.

 

<< Inhaltsverzeichnis

Der Ergänzungsausweis für Transgender

Wozu überhaupt ein Ergänzungsausweis?

Im Alltag eines Transgender – am Flughafen, bei einer Verkehrskontrolle oder einfach nur beim Urlaub im Ausland, häufig braucht man Papiere, die einen eindeutig ausweisen. In der Phase des Alltagstests, Transition oder anderen Lösungen, stimmen jedoch die Personalpapiere und das äußere Erscheinungsbild häufig nicht überein, was unangenehme Nachfragen zur Folge haben kann und belastend sein kann. Abhilfe schafft hier ein Dokument, der „dgti-Ergänzungsausweis“. Der dgti-Ergänzungsausweis enthält alle personenbezogenen Daten des Personalausweises. Zudem ist ein Passfoto in den Ausweis eingeschweißt, so dass keine Diskrepanz zwischen den Papieren und der Person bestehen bliebt. Seine Dreisprachigkeit in Deutsch, Französisch und Englisch ermöglicht die Verwendung auf Reisen ins Ausland. Eine Voraussetzung für den Erhalt dieses Dokuments ist das Vorhandensein einer Bescheinigung des behandelnden Arztes bzw. Psychologen über „vermutetes transsexuelles Syndrom“ oder „Erprobung der Lebbarkeit der angestrebten Geschlechtsrolle“.
Vor der Einführung des Ausweises wurde er dem Bundesinnenministerium vorgestellt und es wurde festgestellt, dass man sich damit auf dem Boden geltenden Rechtes befindet.

Auch ich hatte mir diesen dgti-Ergänzungsausweis besorgt, der aber nie zum Einsatz kam. Anders dagegen war es bei Marina, die in Ihrem Blogbeitrag darüber berichtete.

Der Ergänzungsausweis ist ganz allgemein eine große Hilfe im Alltag. Ich habe dieses Dokument schon seit über 2 Jahren. Da ich beruflich relativ viel reisen muss (wenn auch nicht mehr so viel wie früher) war mir der Ergänzungsausweis schon des Öfteren eine Hilfe bei der Einreise in nicht-EU Staaten, bzw. solche die nicht am Schengener Abkommen teilnehmen (wie z.B. Großbritannien und Irland).

Ich muss ehrlich zugeben, dass ich es gar nicht erst versucht habe, meine Krankenkassen Karte ändern zu lassen. Denn wenn man den Begleitbrief genau liest, wird man sehen, dass das alles nur eine „kann“-Regelung ist. Also „kann“ die Krankenkasse auch ablehnen! Genauso wie es mein Arbeitgeber ablehnt, irgendetwas an meiner Personalakte zu ändern, solange ich noch keine Personenstandsänderung habe. Und die ist bei mir aus bestimmten persönlichen Gründen noch sehr weit entfernt.

Aber mal zu den positiven Seiten des Ganzen:

Ich bin gestern mal wieder nach Großbritannien gereist. Da bei Lufthansa ja inzwischen sowohl der Check-In als auch die Gepäckaufgabe voll automatisiert ist (zumindest am Flughafen Frankfurt), habe ich das erste Mal bei der Sicherheitskontrolle einen Menschen gesehen. Natürlich ging prompt der Piepser los bei mir. Alles kein Thema… ich wurde eben von einer Sicherheitsbeamtin mit dem Handscanner abgetastet. Alles völlig normal.

Auf dem Weg zum Gate musste ich durch die Passkontrolle, den GB ist nicht-Schengen. Als ich der dort sitzenden Zollbeamtin sowohl meinen Personalausweis als auch meinen Ergänzungsausweis gab, sagte sie: „Ich wollte sie schon fragen, ob sie vielleicht versehentlich den Ausweis ihres Mannes mitgenommen haben“. Ich sagte „Nein, dafür ist ja der Ergänzungsausweis gedacht: Um zu erklären, warum ich nicht mehr so aussehe wie auf meinem Passfoto“. Sie sagte noch: „Also so etwas habe ich noch nicht gesehen, lassen sie mich mal genauer lesen“. Einen Moment später sagte sie „Aha, alles in Ordnung. Wohin fliegen sie denn?“ „Manchester“ „In Ordnung, guten Flug“. Mit diesem letzten Satz gab sie mir meine Dokumente zurück.

Bei der Einreise am Flughafen Manchester dann noch einmal das Gleiche. Der Zollbeamte schaute zuerst etwas verwirrt. Dann sagte ich ihm (auf Englisch natürlich) dass da auf der Rückseite auch ein Text in Englisch ist. Nachdem er diesen gelesen hatte, sagte er nur „OK, Ma’m“ und gab mir die Dokumente zurück.

Wie man sieht, alles kein wirkliches Problem. Der Ergänzungsausweis ist meiner Meinung nach das Beste, was wir Transgender haben können, solange wir noch zwischen den Welten leben müssen.

Liebe Grüße
Marina

INHALTSVERZEICHNIS

Erfahrungsbericht: Transidentität am Arbeitsplatz von Kerstin

In der letzten Zeit haben wir im Gendertreff Magazin häufig von erfolgreichen Transitionen inklusive der Akzeptanz am Arbeitsplatz berichtet. Neben diesen positiven Beispielen, die sich zum Glück häufen, gibt es jedoch leider auch immer noch sehr viele negative Beispiele. Nicht zuletzt deshalb startete der Gendertreff eine Aktion zum Thema Transidentität am Arbeitsplatz.

 

Im folgenden Bericht erzählt uns Kerstin aus dem Gendertreff Forum von ihren sehr unerfreulichen Erfahrungen im beruflichen Umfeld. Der Bericht zeigt, dass noch vieles im Argen ist und wir noch viel Öffentlichkeitsarbeit vor uns haben.

Ich nehme Bezug auf den Flyer zur Transidentität am Arbeitsplatz. Klasse gemacht, aber dort heißt es:

„Diese Personen sind danach zufriedener, ausgeglichener, belastbarer und stellen somit einen Mehrwert für ihre_n Arbeitgeber_in dar.“

Zufriedener war ich nicht, ausgeglichener auch nicht, folglich belastbar? Daher Mehrwert?

Weiter heißt es dort:

„Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie möchten wir sensibilisieren und ermuntern, transidente Menschen ganz selbstverständlich in Ihrem Kollegenkreis zu akzeptieren oder aufzunehmen.“

Mein Arbeitsplatz ist im Versand und der Logistik eines Herstellers für Werkzeuge in Wuppertal-Cronenberg.

Für meine, mir läuft der kalte Schauer runter, wenn ich „Kollegen“ schreiben muss, war es wohl nur eine Namensänderung oder so.

Ganz ehrlich, bei mir auf der Arbeit hat es nicht definitiv nicht geklappt. Acht Wochen so ein Hickhack wegen des Namens, der Anrede, des Artikels, Pronomen, Mißgendern. Er? Nein, sie … äh, doch er? „Nein, ach wir wissen nicht, was wir sagen sollen.“

Hallo?? Geht’s noch? „Wie sollen wir denn sagen?“ Und so weiter. Obwohl klipp und klar vom Personalchef und mir gesagt wurde, dass die Anrede Frau B. ist. So ging das fortlaufend.
Keine Unterstützung durch die Kollegen, im Gegenteil. Ich wurde von dem lernresistenten Betriebsrat (Abteilungsleiter) noch mit „Herr B.“ einem Leiharbeiter vorgestellt.

Dem nicht genug, als ich eine Krankmeldung von mir abgab, sprach mich der lernresistente Betriebsrat ganz leise noch mit meinem männlichen Vornamen an. Schlimmer geht es nimmer.

Ach ja, und ich durfte mich auch nicht richtig als Frau anziehen. Also kam es zu der Situation, dass ich fortlaufend von Fahrern der Paketdienste und Speditionen missgendert wurde, weil ich ja nur so halb als Frau erscheinen durfte. So ein Mist! Als ich das dem Geschäftsführer sagte, weil dieser mich darauf ansprach, lachte er nur und meinte, ach sie sind ja hart im nehmen sie machen das schon.

Ich wurde dort nicht als Frau akzeptiert und es fand auch keine soziale Integration statt. Selbst als ich den Bescheid für die Personenstandsänderung vom Amtsgericht Düsseldorf hatte, durfte ich nicht auf die Damentoilette. Ich habe morgens dann 2 Stunden „eingehalten“ bis dann ein anderes WC in der 1 Etage geöffnet wurde.

Dieser Zustand bestand 2 Monate lang. Dann wurde ich krank, bekam Depressionen. Von den Schmerzen ganz zu schweigen die es verursacht, wenn man „einhält“ und nicht aufs WC kann. Es ist doch wohl ekelig, als Frau auf das Herren-WC zu gehen, wo nebenan, nur durch eine spanische Wand getrennt, ein Pissoir ist.

Ein Mitarbeiter kam zu mir und gratulierte mir, dass ich den Mut habe, meinen Weg zu gehen. Das nutzt wenig bei ca. 60 Leuten. In der Mittagspause setzte ich mich an den Tisch zu den Damen, die dort auf dem Lager arbeiten. Na ja, so 4 – 5 Mal, dann wurde mir das auch zu blöd. Sie schienen sich nicht für meine Situation zu interessieren. Ich wurde nie deswegen angesprochen oder gefragt. Es wurde gar nicht darüber gesprochen.

Auch wurde mein Name nicht mehr von diesem Abteilungsleiter (Betriebsrat) genannt, wenn von der Abteilung die Rede war. Nur die anderen Mitarbeiterinnen wurde genannt, mein Name nie mehr seit dem. Und eins könnt Ihr mir glauben: Dieser Betriebsrat soll ja hoffen mich niemals abends zu treffen …

Es gab auch Leute, die gingen an mir vorbei und drehten den Kopf weg. Ich habe heute immer noch Alpträume, wenn ich an diese Firma denke. Mich bekommt niemand dort hin, lieber tot als nur eine Sekunde eine von denen zu sein.

Die lieben netten Leute von Euch, die mich vom Treff kennen, kennen ja das Thema schon bereits. Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, dass es noch irgendeinen Sinn macht dort einen zweiten Versuch zu wagen, weil ich froh bin, dass es mir so zurzeit eigentlich für diese Situation recht gut geht, so lange ich nicht in diese bescheuerte Firma muss. Nicht vor zustellen, wenn dieser Horrortrip noch einmal von vorne los geht.

Das hier ist nur ein kleiner Auszug aus ca. zwei Monaten. Ach ja das ist nur die Situation am Arbeitsplatz das Coming-Out war genau dieselbe Katastrophe. Leider ist das ganze Coming-Out, weil viel zu spät, auch durch zu großen Druck entstanden. Falsche Freunde, die nur immer Druck ausübten in dem sie mir erzählten, wie es doch bei denen gut gelaufen ist und dass es doch auch bei mir so gut laufen kann, erzählten mir ständig davon.

Ich war noch gar nicht so weit dafür, weil mein damaliger Psychotherapeut eh nur so ein Begleiter war, wie es meistens ja ausreicht. Für mich aber nicht. Er hatte sich nie so recht für mein Coming-Out interessiert. Nur halt mal öfters nachgefragt.

Ich wusste das sofort, dass ich dafür Unterstützung brauche, damit es in dieser Firma funktionieren würde und habe Recht behalten. Leider habe ich auf den Rat von falschen Freuden oder anderen Leuten gehört, in jeder Firma ist es doch anders.

Nun, was sollte ich machen? Zwei Monate vor dem Beschluss der Personenstandsänderung musste ich doch mein Coming-Out machen. Im Mai bekam ich meinen neuen Ausweis, da war es schon zu spät für alles.

Mir bleibt nur die Hoffnung, dass ich dieses Jahr endlich noch die geschlechtsangleichende Operation bekomme. Ich möchte für mich jetzt endlich mit diesem Thema abschließen und mich anderweitig bewerben. Wäre ziemlich blöd in neuer Umgebung direkt krank zu sein wegen einer geschlechtsangleichenden Operation.

Schade dass ich diesen Flyer nicht schon eher hatte bzw. dass ich nicht schön früher zum Gendertreff gekommen bin. Ich wusste das ja mit dem Gendertreff Rheinland damals noch am Südfriedhof in Düsseldorf. Zu blöd nur, dass ich mich seiner Zeit nicht getraut habe dort hin zu kommen. Vielleicht wäre alles und vieles andere auch anders gelaufen. „Na okay hätte, wenn und aber“, ich weiß.

Lieben Dank fürs Lesen und ich hoffe, dass es soweit verständlich ist. Sorry, kann nichts dafür, weil mich das ganze immer noch beschäftigt was dort in der Firma abgelaufen ist.

Kerstin

Dieses Beispiel zeigt, dass tatsächlich noch ein langer Weg vor uns liegt, bis das Thema Transidentität wirklich in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist. Der Gendertreff wird deshalb weiter Öffentlichkeitsarbeit leisten, um möglichst viele Menschen zu erreichen.

 

Zum Thema Betriebsrat zitieren wir eine Antwort von Nathalie auf den obigen Beitrag. Nathalie ist Mitglied des Gendertreff Vorstands, aktive Gewerkschafterin und ehrenamtliche Arbeitsrichterin. Den Beitrag von Kerstin kommentiert sie wie folgt:

Wenn Du die Namens- und Personenstandsänderung hinter Dir hast, ist ein Rechtsanspruch entstanden, dem Dein Arbeitgeber und die Kollegen folgen müssen. Wenn sie das nicht tun, sprich sie bitte immer kurz, aber höflich, darauf an, dass Du richtigerweise als Frau Kerstin B. angesprochen wirst. Gib Ihnen genug Zeit sich daran zu gewöhnen. Sollte es sich nach einiger Zeit nicht ändern, fordere es etwas energischer, aber immer noch freundlich ein.

Hole Dir Hilfe bei Deinen Kolleginnen, die Dich unterstützen und setze sie auch auf die unbelehrbaren Kollegen an, um wieder den Betriebsfrieden zu finden. Es wird sehr schwer, es wird lange dauern, aber ich bin mir sicher, dass auch Du in Deiner Firma Deinen Frieden findest. Je mehr Kollegen und Kolleginnen hinter Dir stehen, umso kleiner wird der Widerstand werden.

Zu Deinem Betriebsrat möchte ich auch noch etwas beitragen: Solltest Du mal die Möglichkeit zu einem persönlichen, immer freundlich aber bestimmten Gespräch haben, gib Ihm den Hinweis, dass er gegen das Betriebsverfassungsgesetz, insbesondere den § 80 Absatz 1, Satz 1 und 2a sowie den § 75, Satz 1 verstößt.

>> BetrVG § 80, BetrVG § 75

Außerdem sollte Ihm das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz mit dem § 1 ein Begriff sein.

>> AGG § 1

Wenn er dann noch nicht genug hat ist das Grundgesetz an der Reihe, und zwar Artikel 2.

>> GG Art. 2

 

INHALTSVERZEICHNIS

Kleine Revolution für Intersexuelle

Quelle: Monika Lazar, MdB

Kategorie: PM Bund

Pressemitteilung, 01.02.2013

Der Deutsche Bundestag hat gestern Nacht eine Änderung des Personenstandrechtes beschlossen. Dabei wird es ermöglicht, bei intersexuellen Kindern auf einen Geschlechtseintrag zu verzichten. Dazu erklären Monika Lazar, frauenpolitische Sprecherin sowie Volker Beck, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer und menschenrechtspolitischer Sprecher:

Es ist eine kleine Revolution. Endlich wird offiziell im Personenstandrecht die Existenz intersexueller Menschen anerkannt. Damit setzt der Bundestag eine Forderung der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/ Die Grünen um. Mit der Änderung wird der Druck von Eltern und Ärzten genommen, unmittelbar nach der Geburt eines Kindes dessen Geschlecht festzulegen.  Das Recht wird nun erstmalig geschlechtliche Unbestimmtheit zulassen.

Leider konnte sich die Koalition nicht durchringen, dringend notwendige weitere Schritte anzugehen: das Verbot von prophylaktischen,  geschlechtsangleichenden Operationen, eine bessere Unterstützung von intersexuellen Kindern und ihren Eltern, eine Fristenverlängerung bei der Aufbewahrungsfrist von Krankenakten. Diese Forderungen wurden auch vom Deutschen Ethikrat erhoben. Die grüne Bundestagsfraktion wird weiterhin an der Durchsetzung der Grundrechte intersexueller Menschen arbeiten.

Mit dem beschlossenen Gesetz wird im § 22 Personenstandsgesetz ein neuer Absatz 3 eingeführt, wonach bei Geburt eines Kindes, das „weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden“ kann, der „Personenstandsfall ohne Angabe zum Geschlecht in das Geburtenregister einzutragen“ ist.

 
>> Quelle: Monika Lazar, MdB

Kinder ohne Geschlecht

INHALTSVERZEICHNIS

Ein historischer Moment in NRW

Quelle: www.andersundgleich-nrw.de

31.10.2012

Ein historischer Moment!

Die Presseerklärung der Landesregierung

Ministerin Steffens: Landesregierung beschließt „Aktionsplan für Gleichstellung und Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt – gegen Homo- und Transphobie“

Das Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen teilt mit:

Einen „NRW-Aktionsplan für Gleichstellung und Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt – gegen Homo- und Transphobie“ hat das Kabinett gestern (30.10.2012) beschlossen. „Die Landesregierung tritt für ein gesellschaftliches Klima ein, in dem Menschen unabhängig von ihrer sexuellen und geschlechtlichen Identität ein gleichberechtigtes und selbstbestimmtes Leben führen können“, erklärte Emanzipationsminis­terin Barbara Steffens nach Verabschiedung des Aktionsplans. „Die Landesregierung will der Diskriminierung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen, Transgendern und Intersexuellen kon­sequent begegnen und sich aktiv für Akzeptanz, Wertschätzung und ein tolerantes Nordrhein-Westfalen engagieren, in dem Vielfalt selbstver­ständlich gelebt und erlebt werden kann“, so Steffens weiter.
Alle Ressorts sollen zur Umsetzung von über 100 Maßnahmen bei­tragen. Zu den wichtigsten Vorhaben zählen:

Die vollständige rechtliche Gleichstellung von Eingetragenen Lebens­partnerschaften mit Eheleuten im Einkommenssteuerrecht und bei der Adoption; von Regenbogenfamilien (gleichgeschlechtlich liebende Eltern und ihre Kinder) und solchen, die es werden wollen, mit anderen Familien; von Transsexuellen (Reform des Transsexuellengesetzes) und von Intersexuellen (Berücksichtigung der persönlichen geschlecht­lichen Zuordnung im Personenstandsrecht).

Schutz vor Diskriminierung und Gewalt: Hier geht es um eine Verbesse­rung der Gewaltprävention und des Opferschutzes in Kooperation mit der Polizei, aber auch um eine Kultur der Wertschätzung am Arbeits­platz.

Notwendig ist auch:

Nicht medizinisch notwendige geschlechtsangleichende Operationen bei intersexuellen Kindern zu vermeiden.

Initiierung und Förderung von Forschung, Studien und Studien­gängen, um die Lebenslagen von sexuellen Minderheiten transparent zu machen.

Gewährleistung von qualifizierten psychosozialen Beratungs- und Selbsthilfestrukturen.

Kompetenzerweiterung von Fachkräften in der Verwaltung und bei freien Trägern insbesondere in der Kinder-, Jugend und Familien­hilfe, in Schule, Sport, Polizei und Justiz.
Ein Klima der Offenheit, Akzeptanz und des Respekts schaffen, in dem andere Lebensformen willkommen sind.

Bereits während der Erarbeitung des Aktionsplans wurden wesentliche Schritte eingeleitet oder umgesetzt. So wurden die rechtliche Gleich­stellung von Lebenspartnerschaften mit Ehen im Landesrecht abge­schlossen, eine qualitative Studie zur Lebenssituation von Trans­sexuellen sowie eine Sonderauswertung der Langzeitstudie Gruppen­bezogene Menschenfeindlichkeit zum Thema Homophobie gefördert, die Sachkosten der Träger der psychosozialen Beratungs- und Selbst­hilfeinfrastruktur aufgestockt sowie ein Büro für die Kampagne „anders und gleich – Nur Respekt Wirkt“ eingerichtet. Zudem werden verschie­dene Vernetzungs- und Koordinierungsstellen gefördert: für das Projekt „SchLAU – Schwul-Lesbisch-Bi-Trans- Aufklärung NRW -, für die schwul-lesbische Jugendarbeit in der Region Niederrhein, für die Kampagne „Schule ohne Homophobie – Schule der Vielfalt“, für die Seniorenarbeit und für den Bereich Pflege sowie für den Bereich Migration. Die Ministerpräsidentin und weitere Mitglieder der Landes­regierung haben zudem zahlreiche Veranstaltungen der schwul-lesbischen Initiativen durch Schirmherrschaften, Grußworte und persönliche Teilnahme unterstützt, um ihre Wertschätzung zu zeigen.

Google Suche

Weitere Infos: www.andersundgleich-nrw.de

Unterstützt und finanziert wird die Kampagne vom Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter NRW.

INHALTSVERZEICHNIS

Auch als Frau bleibt der Mann ein Mann

Quelle: BGH · Urteil vom 9. Mai 2012 · Az. IV ZR 1/11

Tatbestand:
I. Die transsexuelle Klägerin, die als Mann geboren wurde, sich aber als dem weiblichen Geschlecht zugehörig empfand, ließ im Jahre 2005 gemäß § 1 des Gesetzes über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen – Transsexuellengesetz (TSG) – ihren Vornamen ändern und nahm einen weiblichen Vornamen an; sie ließ ferner operative Eingriffe zur deutlichen Annäherung an das Erscheinungsbild des weiblichen Geschlechts durchführen. Einen Antrag nach § 8 TSG auf Feststellung der Zugehörigkeit zum 1 weiblichen Geschlecht hat sie nicht gestellt, obwohl unstreitig alle Voraussetzungen dafür vorliegen, dass einem entsprechenden Antrag stattgegeben werden müsste. Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin nunmehr für die bei der Beklagten unterhaltene Kranken- und Pflegeversicherung den Männer- oder den Frauentarif zu zahlen hat.

Die Beklagte, die die durchgeführten Operationen bezahlt hatte, stufte die Klägerin ab 1. Januar 2009 in den Frauentarif ein. Sie meint, die Klägerin müsse sich als Frau behandeln lassen.

Die verheiratete Klägerin, die die Prämien insoweit unter Vorbehalt zahlte, um ihren Versicherungsschutz nicht zu gefährden, meint, solange kein Gerichtsbeschluss nach § 10 TSG vorliege, mit dem festgestellt wird, dass sie als dem anderen Geschlecht zugehörig anzusehen ist, habe die Beklagte keinen Anspruch auf die für Frauen geltenden Beiträge. Ob sie, die Klägerin, einen solchen Antrag stelle, sei ihre höchstpersönliche Entscheidung. Sie behauptet, den Antrag nach § 8 TSG nicht stellen zu wollen, weil es ihrer Ehefrau nicht zuzumuten sei, rechtlich mit einer Frau verheiratet zu sein.

Mit der Klage begehrt sie einerseits die Feststellung, dass die Beklagte lediglich die für Männer geltenden Beiträge erheben darf, andererseits im Wege der Stufenklage Auskunft über die diesbezüglichen Tarife für 2009 und 2010 und die Erstattung gezahlter und zukünftig zu zahlender Differenzbeträge.

Das Amtsgericht hat durch Teilurteil dem Feststellungs- und dem Auskunftsanspruch stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat 2 das Landgericht die Klage insgesamt abgewiesen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision,

Gründe:
Die Revision hat Erfolg.

I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Klägerin sei eine Frau, da die Voraussetzungen gemäß § 8 TSG bei ihr unstreitig vorlägen. Zumindest könne sie sich nach Treu und Glauben nicht darauf berufen, einen Antrag gemäß § 8 TSG nicht gestellt zu haben.

Die Vorschrift des § 162 BGB, die den allgemeinen Rechtsgedanken enthalte, dass niemand aus einem von ihm treuwidrig herbeigeführten oder verhinderten Ereignis Vorteile herleiten dürfe, sei entsprechend anzuwenden. Vorliegend verstoße die Berufung der Klägerin auf die noch nicht ergangene Entscheidung gemäß § 10 TSG gegen das Verbot des venire contra factum proprium, nachdem die Beklagte im Zuge der Geschlechtsumwandlung nicht unerhebliche Aufwendungen geleistet habe. Auch der von ihr beauftragte Sachverständige habe bescheinigt, dass eine Personenstandsänderung für die Klägerin aus psychologischen Gründen sinnvoll und erforderlich sei und sie entsprechend ihrer Geschlechtsidentität behandelt werden solle. Aus § 10 TSG sei kein Verbot zu entnehmen, eine Mannzur-Frau-Transsexuelle schon vor dieser Entscheidung im bürgerlichen Rechtsverkehr als Frau zu behandeln.

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. 6 1. Der Senat lässt offen, ob unterschiedliche Krankenversicherungstarife mit Geschlechterdifferenzierung und damit die Ausnahmeregelung des § 20 Abs. 2 Satz 1 AGG vor Art. 3 Abs. 2 GG Bestand haben. Auf diese im Schrifttum kontrovers beantwortete Frage (vgl. nur Wrase/ Baer, NJW 2004, 1623 ff. einerseits und Wandt, VersR 2004, 1341 ff. andererseits) kommt es nicht an, weil ein Recht der Beklagten, die Klägerin in einen anderen als den bei Vertragsschluss vereinbarten Tarif einzuordnen, auch bei einer Verfassungskonformität der gesetzlichen Regelung des § 20 Abs. 2 Satz 1 AGG nicht besteht.

2. Die Beklagte dürfte die Klägerin nur dann abweichend von dem vertraglich vereinbarten Tarif einstufen, wenn ihr ein entsprechender Anspruch auf Vertragsänderung zustünde. Eine Anspruchsgrundlage hierfür ist jedoch nicht ersichtlich.

a) Sie findet sich insbesondere nicht in den Vorschriften des TSG.

aa) Selbst nach Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung gemäß § 10 TSG verpflichten weder dieses Gesetz noch der Versicherungsvertrag in der bestehenden Fassung die Klägerin zur Zahlung einer höheren Prämie als im Vertrag vereinbart.

Das Gesetz regelt die Höhe der Versicherungsprämie nicht. Es ist auch nicht vorgetragen, dass der konkret abgeschlossene Vertrag eine Vereinbarung zu unterschiedlichen Prämienhöhen je nach Geschlecht des Versicherten enthält.

bb) Besteht auch nach Erlass eines Beschlusses gemäß § 10 TSG kein Anspruch der Beklagten auf eine höhere Prämie, kann es sich insoweit nicht zum Nachteil der Klägerin auswirken, dass sie keinen Antrag nach § 8 TSG gestellt hat. Auf die Nachvollziehbarkeit der von ihr hierfür angegebenen Gründe kommt es nicht an. Der Rechtsgedanke des § 162 BGB ist nicht einschlägig.

b) Ferner liegt kein Fall einer Prämienanpassung nach § 203 Abs. 2 VVG vor. Diese Bestimmung regelt allein die Prämienanpassung innerhalb eines konkreten Tarifs. Einen Anspruch auf Tarifwechsel hat der Gesetzgeber in § 204 VVG nur als einseitiges Recht des Versicherungsnehmers geregelt.

c) Schließlich ergibt sich ein Anspruch der Beklagten auf Vertragsänderung nicht aus einer Störung der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB.

aa) Hierfür kann es dahinstehen, ob die Eigenschaft der Klägerin als „Mann“, die mitbestimmend für die ursprüngliche Tarifeinstufung gewesen sein dürfte, damit als Geschäftsgrundlage für den Vertragsabschluss mit seinem konkret vereinbarten Inhalt anzusehen ist.

bb) Selbst wenn man dieses annimmt, berechtigt die Geschlechtsänderung der Klägerin – mag sie auch ungeachtet des gesetzlichen Personenstands in physischer, psychischer und sozialer Hinsicht vollzogen sein, wie das Berufungsgericht in tatsächlicher Hinsicht unangegriffen festgestellt hat – die Beklagte nicht zur Vertragsanpassung, wie sich aus den spezialgesetzlichen Bestimmungen im VVG ergibt.

(1) Die höheren Tarife für Frauen in der Krankenversicherung sind wesentlich einer statistisch höheren Lebenserwartung geschuldet, nachdem die Kosten für Schwangerschaft und Geburt gemäß § 20 Abs. 2 Satz 2 AGG nicht mehr in eine differenzierende Prämienkalkulation einfließen dürfen. Geht man davon aus, dass die Klägerin in physischer, psychischer und sozialer Hinsicht nunmehr der – versicherungsrechtlich zulässig gebildeten – Risikogruppe „Frau“ angehört, so hat sich damit das von individuellen Umständen unabhängige und abstrakt zu sehende Leistungsrisiko für die Beklagte erhöht.

Grundsätzlich sind die Folgen nachträglicher Risikoerhöhungen nach Abschluss des Versicherungsvertrages vom Gesetzgeber in den Vorschriften über die Gefahrerhöhung (§§ 23 ff. VVG) geregelt. Insoweit lässt sich § 25 VVG der Grundsatz entnehmen, dass der Versicherer ein nachträglich erhöhtes Risiko nur gegen Zahlung einer erhöhten Prämie abdecken muss.

(2) Jedoch kann dieser Grundsatz hier nicht zum Zuge kommen, weil der Gesetzgeber ihn für die Krankenversicherung gerade ausgeschlossen hat. Die Ausnahmevorschrift des § 194 Abs. 1 Satz 2 VVG bestimmt, dass die §§ 23 bis 27 und 29 auf die Krankenversicherung nicht anzuwenden sind. Damit hat der Gesetzgeber dem Versicherer das Risiko nachträglicher Gefahrerhöhungen in der Krankenversicherung generell auferlegt. Ob es dabei um eine individuelle Risikoerhöhung beim Versicherungsnehmer oder um eine Erhöhung des abstrakt zu sehenden Leistungsrisikos aufgrund statistischer Zuordnungen geht, ist unerheblich (vgl. Prölss in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. § 23 Rn. 14 und § 25 Rn. 6). Diese gesetzliche Risikoverteilung ist gemäß § 313 Abs. 1 BGB bei der Frage nach der Zumutbarkeit eines unveränderten Festhaltens am Ver-20 trag für den Versicherer zu berücksichtigen; sie schließt einen Anspruch auf Tarifänderung aus.

(3) Im Streitfall kommt hinzu, dass die Gefahrerhöhung auf einem Versicherungsfall beruht. Die jetzt eingetretene Zugehörigkeit der Klägerin zu einer unter Tarifierungsgesichtspunkten gebildeten anderen Risikogruppe ist eine Folge der bei ihr aufgetretenen Transsexualität, die als Krankheit von Anfang an versichert war. Eine darin liegende Gefahrerhöhung wäre deshalb selbst bei einer Anwendbarkeit der §§ 23 ff. VVG als ein nach den Umständen mitversichertes Risiko anzusehen, § 27 VVG.

Mayen Wendt Felsch Lehmann Dr. Brockmöller Vorinstanzen:

AG Coburg, Entscheidung vom 10.05.2010 – 14 C 1712/09 –

LG Coburg, Entscheidung vom 10.12.2010 – 33 S 45/10 – 23


Quelle: http://openjur.de/u/430077.html

 

INHALTSVERZEICHNIS

Gericht stärkt Anspruch Transsexueller auf Brustvergrößerung

Quelle:
http://www.123recht.net/Gericht-st%C3%A4rkt-Anspruch-Transsexueller-auf-Brustvergr%C3%B6erung-__a126762.html

Gericht stärkt Anspruch Transsexueller auf Brustvergrößerung

Anrecht auf mindestens Körbchengröße A

Mann-zu-Frau-Transsexuelle haben generell Anspruch auf eine operative Brustvergrößerung, wenn eine bestimmte Größe noch nicht erreicht ist. Voraussetzung ist, dass sich anders, etwa durch eine Hormonbehandlung, noch nicht eine Brust mit mindestens Körbchengröße A gebildet hat, wie am Dienstag das Bundessozialgericht (BSG) entschied. (Az: B 1 KR 9/12 R und B 1 KR 3/12 R)

Weiterlesen

Forderungspapier des Gendertreff zur Reform des Transsexuellenrechts

Das TSG soll laut Koalitionsvertrag der Bundesregierung aus CDU, CSU und FDP noch in dieser Legislaturperiode reformiert werden. Dazu heißt es im Koalitionsvertrag:

„Reform des Transsexuellenrechts

Das geltende Transsexuellengesetz ist in seinen wesentlichen Grundzügen inzwischen fast dreißig Jahre alt. Es entspricht nicht mehr in jeder Hinsicht aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen. Wir werden das Transsexuellengesetz deshalb unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auf eine neue zeitgemäße Grundlage stellen, um den betroffenen Menschen ein freies und selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.“

Der Gendertreff veröffentlichte an dieser Stelle das Forderungspapier des Gendertreff zur Reform des Transsexuellenrechts als Diskussionsbeitrag.

>> Trans* und Recht
>> Inhaltsverzeichnis

Argentinier dürfen wählen: Bin ich Mann oder Frau?

„Das ist dem, was in den meisten Ländern gilt, um Lichtjahre voraus“ – Argentiniens Transsexuelle freuen sich über das neue Gesetz.
In vielen Ländern sind sie Ausgestoßene, Rechtlose. Auch in Argentinien leben die meisten am Rand der Gesellschaft. Eine Hürde bleibt Argentiniens Transsexuellen künftig jedoch erspart: Der Kampf um die Anerkennung ihres Geschlechts.

In den meisten Ländern eine undenkbare Liberalisierung: In Argentinien dürfen die Menschen künftig selbst entscheiden, zu welchem Geschlecht sie sich zugehörig fühlen, unabhängig von medizinischen und psychologischen Tests. Am Mittwochabend (Ortszeit) votierte der Senat in Buenos Aires mit 55 Stimmen für ein entsprechendes Gesetz, 17 Senatoren enthielten sich, Gegenstimmen gab es keine. Da das Abgeordnetenhaus bereits im November zugestimmt hatte, brandete unter den etwa Tausend Transsexuellen vor dem Kongress Jubel auf. Dass Präsidentin Cristina Kirchner das Gesetz in Kraft setzen wird, gilt als sicher.

Demnach wird die Geschlechtszugehörigkeit allein durch das innere und individuelle Erleben des Geschlechts bestimmt, unabhängig von der Geschlechtsbestimmung bei der Geburt. Vorbei sind die Zeiten, in denen die Betroffenen vor Gericht ziehen mussten und in langwierigen Prozeduren die Änderung ihres Namens und der Geschlechtseintragung im Personenregister durchfechten mussten. Marcela Romero brauchte zehn Jahre für ihre juristische Anerkennung als Frau. „Damit ist jetzt Schluss“, sagte die 48-Jährige Vorsitzende der argentinischen Transvestiten- und Transsexuellenvereinigung A.T.T.T.A, die an der Ausarbeitung des Gesetzes mitgewirkt hat. „Wir sind nicht mehr die Vergessenen der Demokratie.“

„Es ist nicht zu befürchten, dass jemand aus Jux und Dollerei sein Geschlecht ändert“

Argentinien übernimmt damit nach der Zulassung der Ehe von gleichgeschlechtlichen Paaren im Jahr 2010 abermals eine Vorreiterrolle in Lateinamerika. Für Justus Eisfeld von der New Yorker Transsexuellenorganisation „GATE“ hat das argentinische Gesetz sogar einen weltweiten Vorbildcharakter. „Das ist dem, was in den meisten Ländern gilt, um Lichtjahre voraus“, betont Eisfeld. „Die Tatsache, dass keinerlei medizinische Anforderungen gestellt werden, wie Chirurgie, Hormonbehandlung oder auch nur eine Diagnose, ist weltweit fast einmalig.“

Nur Portugal hat nach Angaben der auf das Thema spezialisierten deutschen Rechtsanwältin Maria Sabine Augstein ein ähnlich weitreichendes Gesetz. In Deutschland müsse ein Betroffener noch zwei Gutachten einholen. Das sei teuer und langwierig. In Argentinien werden die Meldestellen jetzt angewiesen, Änderungen in Geburtsurkunden und Ausweispapieren gratis vorzunehmen.

Auch Minderjährigen garantiert das argentinische Gesetz die freie Geschlechterwahl. Sollten die Eltern die notwendige Zustimmung verweigern, können Minderjährige einen sogenannten „Kinderanwalt“ anrufen. Zudem wurden die Krankenversicherungen zur Kostenübernahme von geschlechtsverändernden Behandlungen und Eingriffen verpflichtet.

Dass eine solche Liberalisierung zu Missbrauch führen könnte, glaubt Manfred Bruns, Vorsitzender des Lesben- und Schwulenverbands in Deutschland (LSVD), nicht. „Es ist nicht zu befürchten, dass jemand aus Jux und Dollerei sein Geschlecht ändert“, sagt der frühere Bundesanwalt. „Dazu ist der Prozess zu belastend.“

Die argentinische Senatorin Sonia Escudero gab zu bedenken, dass das Gesetz allein die schwierige Situation der betroffenen Menschen nicht schlagartig verbessere. Mehr als 90 Prozent der Transsexuellen arbeiteten in der Prostitution. Wer sich zur transsexuellen Gemeinschaft zähle, habe eine Lebenserwartung von 35 Jahren. „Die Zahlen zeigen, dass 95 Prozent der auf landesweit geschätzten 22.000 Personen keinen Zugang zu den fundamentalsten Menschenrechten haben.“

 

>> Quelle : http://aktuell.evangelisch.de

>> 2. Quelle : http://taz.de

>> Zur Inhaltsübersicht