Larissa`s Geschichte

Larissa aus dem Gendertreff Forum erzählt uns ihre Geschichte:

Im Gendertreff gelandet und will hier auch ein wenig mehr von mir erzählen.

Nun, wie fange ich an?
Ich bin transsexuell, noch vor der geschlechtsangleichenden Operation, kurz GaOP. Meine Vornamensänderung fand vor mehr als dreieinhalb Jahren statt, danach folgte der Kampf mit der Krankenkasse wegen der Kostenübernahme für die GaOP. Dieser Streit ging bis vors Sozialgericht. Letztlich lenkte die Krankenkasse aber, nach einem von ihr selbst geforderten Gutachten beim MdK, ganz schnell ein und erklärte sich bereit, im Zuge eines Vergleichs die Kosten für die GaOP sowie den größten Teil der Kosten für die Barthaarepilation (Nadelepilation bei einer nicht krankenkassenzugelassenen Kosmetikerin) zu übernehmen, bevor es zur endgültigen Verhandlung vor dem Sozialgericht kam.

Mein Lebensweg dürfte sich von dem vieler anderer Transsexueller nicht allzu sehr unterscheiden. Ich bin nicht mehr die Jüngste, tatsächlich gehöre ich mittlerweile dem "Rentnerclub" an.

Schon als Kind war ich davon überzeugt, eigentlich ein Mädchen zu sein. Meine Eltern hatten das damals einfach so akzeptiert, mir aber nahegelegt, um mir viel Leid und Ärger mit anderen zu ersparen, das als unser Geheimnis zu betrachten. So lernte ich mich in der Öffentlichkeit zu verstellen, was mir sehr schwer fiel, sodass ich mich oft zu Hause in Tränen aufgelöst wiederfand. Irgendwie konnte ich nicht begreifen, warum ich den Jungen spielen musste und nicht einfach ein Mädchen sein konnte. Zum Glück fand ich immer bei meinen Eltern Trost. Fast mein gesamter Freundeskreis während der Schul- und Jugendzeit bestand aus Mädchen. Bei ihnen fühlte ich mich wohl, ihre Denkweise war mir vertraut, während mir die Denkweise der Jungen und später der jungen Männer immer ein wenig fremd war. In manchen Dingen empfand ich sie sogar als abstoßend. (Sorry, wenn ich damit jemandem auf dem Schlips getreten haben sollte, aber ich muss wohl dazu sagen, dass ich empathisch veranlagt bin und dadurch die Gefühle anderer wahrnehme, als wenn ich ein offenes Buch sehe. Damals hatte ich noch nicht gelernt, wie ich das so weit wie möglich abblocken kann.)

Später lernte ich gezwungenermaßen, mich in der Männerwelt zurechtzufinden und auch eine Männerrolle zu spielen, denn so etwas wie mich dürfte es ja gar nicht geben, das sei doch völlig unnormal und widerwärtig. So begrub ich die Frau in mir im hintersten Winkel und tat das, was Männer eben so tun. Ich heiratete, wir bekamen Kinder, und ich dachte schon, die Frau in mir sei endgültig verschwunden, so lange, bis sie plötzlich von Zeit zu Zeit wieder aus ihrem Gefängnis hervorbrach. Es gab Phasen, da zog ich mir Frauenkleider an, wenn es keiner sah, kaufte mir heimlich Frauenkleider und -wäsche, nur um später alles wieder in die Mülltonne zu stopfen.

Nach der Trennung von meiner letzten Frau kam dann alles endgültig an die Oberfläche. Ich war allein, die Kinder waren aus dem Haus, ich brauchte also auf niemanden mehr Rücksicht zu nehmen. Ich ließ die Frau in mir aus ihrem Versteck und so langsam begann sie die Oberhand zu gewinnen. Meine Kleidung, obwohl noch männlich, änderte sich langsam aber sicher zum Weiblichen hin, aber so, dass ich mich darin in der Öffentlichkeit zeigen konnte ohne großes Aufsehen zu erregen. Meine Haare trug ich lang, in Zöpfen – weshalb ich von den Leuten oft nur als "Der Indianer" bezeichnet wurde.

Irgendwann war mir das dann aber auch nicht mehr genug, die Frau forderte ihr Recht, auch in der Öffentlichkeit Frau sein zu können. Ich begann (jedenfalls dort, wo mich keiner kannte) in Kleidern und Röcken herumzulaufen und fühlte mich dabei eigentlich zum ersten Male richtig frei und ganz ich selbst und so langsam war es mir auch völlig egal, was andere über mich denken mochten. Jedoch wurde das Verlangen, auch ganz offiziell als Frau anerkannt zu werden und einen weiblichen Namen tragen zu können, immer drängender. Es war mir aber nicht ganz klar, wie ich das erreichen konnte. Ich wusste nur, dass das irgendwie möglich wäre. Andere Transsexuelle, die ich hätte um Rat fragen können, wird man hier auf den Dörfern wohl kaum finden, und was ich anfangs an Seiten im Internet fand, war auch nicht so berauschend. Die meisten machten auf mich eher den Eindruck von Sex-Seiten und das war mir alles sehr suspekt.

Ich überwand dann die letzte Hemmschwelle und schrieb an das Standesamt hier in unserer Verbandsgemeinde eine Brief mit der Frage, wie und wo ich meinen Vornamen ändern lassen könnte mit einer kurzen Erklärung der Gründe. Zwei Tage später schon erhielt ich eine freundliche Antwort vom Standesamt, dass sie meinen Brief an das zuständige Amtsgericht in Frankenthal weitergeleitet hätten und dass sie mir viel Erfolg bei meinem Vorhaben wünschten. Auf so viel Freundlichkeit und Verständnis war ich nun wirklich nicht gefasst gewesen. Innerhalb kurzer Zeit erhielt ich dann Post vom Amtsgericht, der Antrag auf Namensänderung sei eingegangen. Das ganze Verfahren mit Gutachtern etc. dauerte 8 Monate, dann hatte ich den Gerichtsbeschluss, dass die Namensänderung vollzogen sei.

Neue Papiere, Änderungen bei Krankenkasse und der Sozialversicherung etc. gingen dann innerhalb weniger Tage über die Bühne. Süß war noch hier auf der Verbandsgemeindeverwaltung, als sie mir meinen vorübergehenden Personalausweis ausstellten, als die zuständige Sachbearbeiterin mir sagte, dass sie ja eigentlich offizielle Schreiben an mich noch mit Herr Larissa E… adressieren müssten, aber es wäre mir doch sicher Recht, wenn sie stattdessen Frau Larissa E… schreiben würden.

Das alles hat einige Veränderungen mit sich gebracht. So habe ich zum Beispiel den größten Teil meines früheren Bekanntenkreises verloren. Viele wollten oder konnten das nicht verstehen. Im Dorf hier (ich wohne jetzt seit über 12 Jahren hier) bin ich allerdings nicht dumm angemacht worden, die waren ja auch schon von meinen Zöpfen und meiner doch nicht ganz "normgerechten" Kleidung von früher her einiges von mir gewohnt. Was vielleicht hinter meinem Rücken über mich geredet wurde oder wird, weiß ich nicht, und es interessiert mich auch nicht im Geringsten.

Als ich meiner Mutter erzählte, dass ich meinen Namen ändern würde und auch eine GaOP in Betracht ziehe, war das für sie völlig in Ordnung. Sie meinte nur lächelnd: "Das hättest Du Dir aber wirklich vor der Geburt überlegen können. Du solltest doch sowieso ein Mädchen werden. Okay, dann habe ich ja jetzt doch noch eine Tochter."

Wie gesagt, ich lebe jetzt seit über 12 Jahren hier in dem Dorf, und seit mehr als 10 Jahren zusammen mit meiner Freundin. Sie hat von Anfang an gewusst, wie es um mich bestellt war und hat also meine ganze Metamorphose zur Frau hautnah miterlebt. Eigentlich bin ich jemand, der nicht so gerne in die Öffentlichkeit geht, Menschenansammlungen und Veranstaltungen habe ich bisher nach Möglichkeit vermieden. Der Grund liegt vor allem in meiner schon erwähnten empathischen Veranlagung – ich fühle mich nach einiger Zeit durch die auf mich eindringenden Gefühle der Anderen äußerst unwohl und will dann nur noch flüchten.
Trotzdem habe ich mich dazu aufgerafft, am 23.10. zu einem Schminkkurs nach Köln zu fahren. Schließlich hatte mir meine Freundin diesen Kurs ja zum Geburtstag geschenkt. Ich fuhr also mit sehr gemischten Gefühlen hin, war aber sehr überrascht von der angenehmen Atmosphäre dort. Ich fand es schön, endlich auch einmal ein paar Gleichgesinnte kennenlernen zu können. Zwei von ihnen habe ich auch schon hier im Gendertreff wiedergefunden.

Tja, und so, wie es aussieht, werde ich dann wohl auch bald einmal zu den Selbsthilfegruppen gehen, allerdings mit meiner Freundin, denn die brauche ich manchmal immer noch zum Händchenhalten, wenn ich zu solchen Treffen fahre, bei denen doch noch sehr viele mir Unbekannte sind.

Ich wollte doch nur ein wenig über mich schreiben, und nun ist es ein halber Roman geworden; ich hoffe, ich habe keinen gelangweilt.

Liebe Grüße

Larissa

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Avas Gedanken zu euphorischen Neulingen

Stehe zu Dir selbst und Deiner Transgender-Eigenschaft. So steht es sinngemäß auf meiner eigenen kleinen Webseite hier auf der Gendertreff Plattform . Und tatsächlich: Obwohl viele Transgender es offensichtlich zunächst kaum glauben können so lehrt doch die eigene Erfahrung, dass das ungezwungene Ausleben der Transgender-Eigenschaft relativ problemlos möglich ist.

Die diversen Erlebnisberichte , Erfahrungsberichte und Reportagen unserer Gendertours sprechen Bände. Die vielfach gehörten und gelesenen – meist sehr theoretischen – Überlegungen dazu, was einem draußen en femme alles passieren könnte muten an wie ein Erfahrungsbericht aus einem Paralleluniversum.

Die eigene Erfahrung lehrt, dass ein Großteil des Passing durch selbstsicheres und selbstverständliches Auftreten in der Öffentlichkeit bestimmt wird. Die Reaktionen der Mitmenschen sind entweder nicht vorhanden oder aber sogar überwiegend positiv. Nicht zuletzt um das zu vermitteln, finden unsere Selbsthilfetreffen in öffentlichen Lokalen statt. Denn wer seine Ängste und seinen inneren Schweinehund überwindet, hat häufig einen bedeutenden Teil seiner aus dem „Zimmertransendasein“ resultierenden Probleme gelöst.

Bewaffnet mit dieser Erkenntnis neigen jedoch offensichtlich einige Transgender nach den ersten überwiegend positiven Reaktionen ihrer Umwelt dazu, in eine Art totale Euphorie zu verfallen. Nach nur einigen Malen en femme in der Öffentlichkeit wissen diese euphorischen Neulinge kraft Selbstdiagnose, dass sie natürlich transsexuell sind. Und ab dann wird auf die Transition hingearbeitet.

So erging es auch Sandra-Melina, einer Userin aus dem Gendertreff Forum. Da sie ihre diesbezüglichen Erfahrungen im geschützten Mitgliederbereich des Gendertreff Forums veröffetlicht hat, möchte ich sie – natürlich mit Sandra-Melinas Einverständnis – hier kurz zusammenfassen.

Was war passiert? Sandra-Melina hatte lange Jahre im Ausland gelebt. Bereits von ihrem Wohnort im Ausland hatte sie sich im Gendertreff Forum angemeldet und sich mit anderen Transgendern und natürlich auch Angehörigen ausgetauscht. Irgendwann stand für sie fest, dass sie wieder nach Deutschland übersiedeln und ihre Transgendereigenschaft ausleben wollte.

Und so stand sie tatsächlich eines Tages als Überraschungsgast auf dem Gendertreff Leverkusen. Und auch sie wusste zu diesem Zeitpunkt natürlich bereits, dass sie von nun an nur noch als Frau leben wollte. Also wurde alles in Bewegung gesetzt, um die Transition vorzubereiten. Bartepilation, Psychologe und Hormonbehandlung waren ab nun die hoch gesteckten Ziele. Bis – ja, bis Sandra-Melina sich verliebte.

„Es kommt anders als man denkt“ – so hieß ihr Bericht dazu im Forum. Denn in Sandra-Melinas Leben war plötzlich eine Frau getreten. Und diese Beziehung stellte die zuvor noch so sicher geglaubte Selbstdiagnose der Transsexualität plötzlich in Frage.

Ich schrieb ihr dazu folgende Antwort auf ihren Beitrag im Gendertreff-Forum:

„Hallo Sandra-Melina,

vielen Dank für diesen interessanten Bericht. Denn er beschreibt etwas, das ich bei vielen unserer etwas neueren User mit einiger Sorge beobachte und vor dem ich einige auch schon explizit gewarnt habe:

Viele der neuen User hier, die erst vor einigen Monaten die ersten Schritte gewagt haben, verfallen in eine Art Euphorie, die nur schwerlich nachvollziehbar ist. Da sind sie gerade erst ein paar Monate in der Öffentlichkeit en femme unterwegs und haben festgestellt, dass man eigentlich ganz problemlos in die Öffentlichkeit kann und es entwickelt sich etwas, das ich als „Hyperventilieren“ bezeichne.

Denn diese User sind sich schlagartig alle ganz sicher, dass die vollständige Transition für sie ab nun der einzig wahre Weg ist. Liebe Leute, das ist aber niemals die Botschaft gewesen, die Euch der Gendertreff mit auf den Weg gegeben hat . Sandra Melina ist ein perfektes Beispiel: Nach Jahrzehnten im stillen Kämmerlein traut sie sich erst seit ein paar Monaten raus. Und schon weiß sie, dass sie nur noch als Frau leben will – bis plötzlich die Liebe des Lebens auftaucht.

Deshalb an dieser Stelle eine Botschaft an so einige von Euch: Liebe Leute! Kommt erst einmal an! Alle hier stecken doch in einem sozialen Gefüge aus Familie, beruflichem Umfeld, Freundeskreis, Sport-, Schützen- oder Kegelverein usw. Fragt Euch bitte erst einmal in Ruhe, ob ihr wirklich immer und unwiderruflich Frau sein wollt. Nach erfolgreicher Transition inkl. gaOP ist das nämlich zu spät.

Mit einiger Sorge beobachte ich, dass einige hier Unsummen ausgeben für Laserbehandlungen und Ähnliches. Dabei muss vielleicht nur ein Ereignis wie jetzt bei Sandra-Melina auftreten, das die eigene Sicht als Transsexuelle in Frage stellt.

Die Erfahrung, die ich gemacht habe ist die, dass man bei aller Euphorie nichts überstürzen sollte. Wenn ich lese, in welcher Geschwindigkeit sich gerade einige Neulinge hier im gesamten privaten und beruflichen Umfeld outen, dann wird mir ganz anders. Liebe Leute, Ihr müsst von Euren Berufen leben. Ein berufliches Outing macht nur Sinn, wenn Ihr wirklich dauerhaft als Frau leben wollt. Und da erzählt mir niemand, der vor einem Jahr noch im stillen Kämmerlein gesessen hat, dass er nun genau weiß, dass nur die gaOP der einzig wahre Weg ist. Auch sollte man immer bedenken: Wenn man sich erst einmal geoutet hat, dann ist das nicht mehr rückgängig zu machen. Nicht zuletzt deshalb würde ich mir bei einigen hier wünschen, dass sie ihre eigene Situation einmal etwas genauer reflektieren.

Hier denken Leute über Hormone nach, die noch vor einigen Monaten nicht einmal eine Damentoilette von innen gesehen haben. Ich kann es nur gebetsmühlenartig wiederholen: Schaut doch erst einmal einige Zeit (und damit meine ich nicht 2 Wochen oder Monate), ob ihr denn wirklich immer und unwiderruflich zu jeder Zeit Frau sein wollt. Denkt einmal darüber nach, dass vielen von Euch das Testosteron die Männlichkeit ins Gesicht geschrieben hat und dass Ihr notfalls ständig im Alltag dazu stehen müsst, als Mann geboren zu sein und als Frau zu leben. Hier besteht nämlich ein großer Unterschied, ob man das nur in Teilzeit oder gleich in Vollzeit macht.

Und erst dann, wenn Ihr Euch nach einigen Jahren völlig sicher seid, dann solltet Ihr über die Transition nachdenken.

Sorry für die deutlichen Worte, aber das ist wirklich meine Meinung dazu. Denn in letzter Zeit „hyperventilieren“ mir hier einige Leute viel zu schnell.

Viele Grüße

Ava“

Ja, das musste zu diesem Zeitpunkt einfach mal raus. Denn eine Anleitung, wie man(n) möglichst schnell Frau wird, kann und möchte der Gendertreff nicht geben. Transidentität ist schließlich kein Wettbewerb bei dem es darum geht, wer Erster bei der Laserepilation oder der Hormonbehandlung ist. Und „weiter auf seinem Weg“ ist nicht derjenige, der einen dieser vermeintlichen Meilensteine erreicht hat. Weiter ist vielmehr derjenige, der einen Weg gefunden hat, seine Transidentität in sein Leben und sein soziales Umfeld derart zu integrieren, dass er damit leben kann und gleichzeitig seinen sozialen und/oder beruflichen Status nicht gefährdet.

Viele Erfahrungen deuten zudem darauf hin, dass einige, die auf Biegen und Brechen die Transition durchgezogen haben, mit ihrer Entscheidung im Nachhinein sehr unglücklich waren. Auch zeigen einige Erfahrungen aus dem näheren Umfeld, dass es ratsam ist, sowohl sich selbst als auch das eigene Umfeld in eher kleinen Schritten an das Thema heranzuführen.

Ich für mich habe deshalb beschlossen, auf meinem eigenen Weg nichts zu überstürzen.

Viele Grüße
Ava

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Linas Geschichte

Lina37 hat ihre Geschichte freundlicherweise für das Magazin frei gegeben:

Hallo ihr Lieben,
Ich bin ja schon einige Zeit hier, habe aber im Gegensatz zu den Anderen noch recht wenig über mich geschrieben….

Also, meine Mutter erzählt immer wieder die Geschichte, dass ich mit fünf Jahren manchmal mit den Worten „Heute bin ich ein Mädchen“ aufgestanden bin. Meine Mutter ist da auch sehr locker gewesen und hat mich dann auch den ganzen Tag so angesprochen. Ich hatte auch etwas längere Haare (meine Ma ist ziemlich alternativ) und auch nicht so die typischen Jungs-Klamotten und Spielzeuge, einen Vater hatte ich nie. Dennoch glaube ich, dass meine Mutter das eher als ein Spiel von mir gesehen hat. Leider bin ich dann mit sechs zu meinen Großeltern gekommen, welche sehr streng und spiessig waren und für die ich damals total verzogen war. Ich habe dann die Grundschulzeit dort verbracht, war aber immer Aussenseiter in der Klasse, hatte keine Freunde, weshalb mich meine Großeltern im Fussballverein anmeldeten, wo ich auch nie anerkannt wurde. Ich war halt zu weich. Nach der Grundschulzeit kam ich dann zurück zu meiner Mutter, welche inzwischen einen neuen Mann hatte, was zu sehr großen Problemen geführt hat bis ich mit 18 ausgezogen bin.

Ich hatte während der Pubertät eigentlich nur weibliche Freunde und mir oft vorgestellt, wie meine beste Freundin zu sein und habe mich insgesamt ziemlich rebellisch verhalten. Mit 15 wurde ich Punk, habe teilweise absichtlich auf der Straße gelebt und in besetzten Häusern übernachtet, obwohl ich ein Zuhause hatte. Mit 18 habe ich dann die Stadt verlassen und bin nach Düsseldorf…durch die ganzen Probleme, die ich hatte, war „Lina“ auch ganz verschwunden, ja, ich erinnerte mich sogar nicht mehr an Gefühle, die ich als Kind und Teenie hatte. Im Laufe der Jahre hatte ich mehrere feste Beziehungen, bei denen aus heutiger Sicht oft mehr Bewunderung als Begehren der Grund für die Liebe war. Dadurch das ich mit 20 auch noch sehr weiche Gesichtszüge und auch mal längere Haare hatte, kam es zweimal vor, dass eine Freundin von mir mich „nur mal so zum Spaß“ geschminkt hat und ich mir auch sehr gefallen habe, aber es nicht zugeben wollte.Dann hatte ich eine sehr lange Beziehung, in der meine damalige Partnerin und ich zusammen wohnten. Und so kam es eines Tages, sie war oft abends arbeiten oder aus, dass ich heimlich ihre Sachen anzog. Und mich so gut gefühlt habe…aber nur kurz, denn nach einiger Zeit kam wieder das ungeheure Schamgefühl.

Eines Tages erwischte sie mich. Erst hat sie mich ausgelacht und dann hat sie sich einen Neuen gesucht. Es folgten sehr depressive Jahre, ich bin mittlerweile dreißig und in eine andere Stadt gezogen. In diesen Jahren habe ich meinen Körper aggressiv zerstören wollen. Ich habe mich zwei Jahre kaum gewaschen, habe sehr ungesund gelebt und mich mit allem betäubt, was mich nicht direkt tötete. Als ich dann eines Abends am Dortmunder Hauptbahnhof so verprügelt wurde, dass ich ein halbes Jahr in Krankenhaus und Reha verbracht habe, hörte es zumindest auf, dass ich mich so dermaßen hängen ließ. Ich zog zurück an den Rhein und wollte mein leben in den Griff bekommen. Ich fing an, mir Kleidung zu bestellen und startete die ersten Schminkversuche. Allerdings waren das immer nur Phasen. Dazwischen habe ich mich dann immer geschämt und wollte nichts davon wissen, habe oft Sachen weggeschmissen.

Als ich dann meine jetzige Freundin (SabZi) kennengelernt habe, habe ich davon natürlich nichts gesagt. Ich habe inzwischen gelernt, mich als Mann auch unter Männern zu behaupten und verstand es sehr gut, ihr auch das Bild eines sehr männlichen Typs zu suggerieren. Dafür habe ich mich manchmal extra wie ein Schwein ihr gegenüber verhalten. Selbst als sie den Schminkkoffer fand und mich zur Rede stellte, war ich nicht mutig genug, dazu zu stehen, sondern habe es als depressives Fluchtverhalten abgetan, welches ich nun ja nicht mehr nötig habe. Das Blöde oder besser das Gute an Dingen, die wir verdrängen, ist, dass sie mit voller Wucht zurückkommen. Und so kam es so stark zurück, dass ich in meiner Panik mit ihr Schluss machte, die Geschichte dazu habe ich ja bereits in meinem Vorstellungsthread geschrieben.

Wie ihr wisst, sind wir ja wieder sehr glücklich zusammen, dennoch ist auch vieles nicht so einfach. Trotz dass ich nun einige Male draußen war und meine Freundin habe, fällt es mir immer noch etwas schwer. Auf der einen Seite habe ich nun alle Freiheiten, auf der anderen Seite fangen damit auch eine ganze Menge Schwierigkeiten an. Ich fühle mich selber viel mehr, habe ein viel größeres Körperbewusstsein, wenn ich Lina bin. Und habe zur Zeit eine größere gefühlte Ablehnung, wenn ich Mann bin, als je zuvor. Vielleicht ist es ja auch nur jetzt am Anfang so und es pendelt sich irgendwo ein. Vielleicht ist es aber auch mehr. Ich war heute bei Frau Dr. Schleussner und sie sagte, ich soll einfach Lina komplett in meinem Alltag integriert leben und mal eine Woche permanent auch so vor die Tür gehen. Da ich ja von zu Hause aus arbeite und die Auftragslage gerade sehr schlecht ist (ich arbeite in der Mediengestaltung) habe ich zumindest keine Probleme wegen einem Arbeitgeber.

Seit meinem Outing tut sich so viel in mir und ich bin teilweise wirklich überfordert mit meinen eigenen Gefühlen. Ich hoffe, ich habe Euch nicht gelangweilt mit meiner Geschichte, aber es tat mal gut, es so aufzuschreiben und ich freue mich, Euch morgen Abend zu sehen!

Lina

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Meine Geschichte, meine Erlebnisse, meine Gefühle, meine Eindrücke

Ich möchte einmal versuchen, meine Gefühle als Transgender zu beschreiben. Was in mir vorgeht wenn ich mich umziehe, schminke und zur "Frau" verwandele. Die Gefühle, wenn ich en-femme ausser Haus geh`, mein Inneres nach Aussen krempel, wenn Bilder von meiner weiblichen Seite gemacht werden und wie ich mich in den Kleidern des eigentlichen Geschlechts fühle. Diese Eindrücke zu beschreiben verbunden mit der Frage woher das alles kommt, ist sicher nicht einfach und auch bei den meisten verschieden.
Ich kann nur versuchen es aus meiner Sicht zu erzählen.

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Die letzte Bastion

Meine letzte Bastion (privat) war gestern mein Outing bei Klassenkamerad-en und –innen oder andersrum 🙂
Vorher mit meiner Frau darüber gesprochen und die Theorie durchgespielt. Und plötzlich war er da – der Termin.

Wir treffen uns so ca. 3-4 Mal im Jahr in einer kleinen Gruppe ehemaliger Klassenkameraden mit Klassenlehrer und dessen Frau zu einer Art Stammtisch. Immer ein lustiger und geselliger Abend. Nur diesmal sollte es etwas anders werden, weil ich das letzte Mal als Mann dort anwesend sein wollte. So suchte ich einen guten Übergang nach dem Essen um auf das Thema zu kommen. Aber Petra, die Ehefrau eines Klassenkameraden, war schon neugierig, denn ihr waren meine Haare und Augenbrauen aufgefallen. Außerdem hatten sie beim Abholen eine Frau auf dem Bürgersteig vermutet und dann doch überraschend festgestellt, dass ich es bin. So hatten wir schnell den Einstieg in das Thema gefunden.

Den ganzen Tag beschäftigte mich dieses Thema. Soll ich wirklich? Müssen die das wissen? Immer wieder diese anerzogenen Selbstzweifel. Und dann ….

Natürlich war ich entsprechend vorbereitet und hatte Bilder und Flyer dabei und das Ganze wurde verblüffend und auch wohlwollend sowie erstaunend aufgenommen. Ich erzählte von dem Outing 2004 und dem Eheversprechen 2007 und meine ganze Geschichte von Kind an. Alle Beteiligten fanden es klasse und mutig, dass ich mich geoutet habe und so offen mit dem Thema umgehe.

Es bringt nichts, es in sich rein zu fressen, denn irgendwann kocht es in uns hoch und dann? Die Folgen möchte keiner wirklich haben.

Alle freuen sich auf das nächste Treffen und sind gespannt, denn dann wird auch dort Xenia life und in Farbe auftreten und sich nicht mehr verstecken müssen. Kein verbiegen und kein verstecken und frei nach dem Motto: Leben und leben lassen. Denn niemand hat sich selber gemacht!

Lieben Gruß
Xenia

p.s.: Danke liebe Anwesende. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie gut das tut – Die Gänsehaut  und die Tränen ….

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Marina`s erster Geburtstag

Der Gendertreff freut sich den ersten Geburtstag Marina`s hier im Blog/Magazin zu feiern und ihr Resümee hier zu veröffentlichen.

Zeit ein Resümee zu ziehen.

364 Tage sind vergangen seit ich zum ersten Mal im Leben zum Gendertreff Düsseldorf gegangen bin. Es war wie immer der 3. Sonntag im Monat, am 17.01.2010.
Heute ist ebenfalls der 3. Sonntag im Januar. Und somit mein Jahrestag.

Wenn ich so zurück sehe, kann ich es noch immer kaum glauben wie sehr sich mein Leben verändert hat seit diesem Tag. Ich war völlig verschüchtert, unsicher und menschenscheu. Dementsprechend hat es mich eine schon fast unvorstellbare Kraft gekostet überhaupt aus dem Auto zu steigen und ins Café Süd zu gehen. Ich habe am ganzen Körper gezittert vor Angst und Aufregung. Aber ich wurde sofort mit einer Herzlichkeit und Selbstverständlichkeit aufgenommen, so etwas habe nicht gekannt. Es war völlig egal, dass ich zurückblickend absolut sch…. aussah. Hier zu sitzen und den anderen zuzuhören, festzustellen wie sehr sich die Erlebnisse und Ängste ähneln. Das es uns allen einmal so gegangen ist, dies war der 1. Schritt hin zu meiner geistigen und seelischen Befreiung.

Mit jedem Besuch der beiden Selbsthilfetreffen (Gendertreff Düsseldorf und Gendertreff Leverkusen) wuchs mein Selbstvertrauen. Und auch wenn ich mal einen kleinen verbalen Tritt ins Gesäß brauchte (danke Ava!), so ging die Entwicklung und Selbstbefreiung immer weiter. Am 16.03.2010 ging ich zum ersten Mal alleine raus im Ikea und im Olympia Center in München . Mit jedem weiteren Ausflug wuchs mein Selbstvertrauen weiter und die Angst wurde immer kleiner. Kleine Rückschläge gab es auch und ich brauchte auch mal die Hilfe von anderen. Vor allem als ich Ende April ein psychisches Tief hatte und selbst nicht heraus kam. An dieser Stelle möchte ich mich bei Maria und Julchen bedanken, dafür das sie mich einfach „am Kragen gepackt“ und einfach mitgeschleppt haben. Auch das hat Schritt für Schritt meine Angst und negative Einstellung in das Gegenteil verkehrt. Ich habe an Ausflügen teilgenommen und zu privaten Partys eingeladen. Alles Dinge die ich so bisher nicht gekannt habe. Ab dem Sommer fing ich an regelmäßig rauszugehen, bei jeder sich bietenden Gelegenheit.

Mit jedem Tag an dem ich meine Transidentität ausleben konnte wurde ich innerlich ruhiger, so sehr das es bald auch meiner Familie auffiel. So war es letztendlich der logische Schritt meine nächsten Verwandten über das, was ich bin zu informieren. Und zu meiner großen Überraschung hatten sie überhaupt kein Problem damit.

Insgesamt kann ich nur sagen, dass mein Leben durch diesen Schritt nur bereichert wurde. Ich habe Freunde gefunden. Menschen die mich einfach so angenommen haben, wie ich bin. Zurück zu der Angst und den Selbstzweifeln, nein, das ist einfach unmöglich.

Ich kann nur hoffen, das jede, die diese Zeilen liest, auch den Mut findet zu dem zu stehen, was wir alle schon lange in uns gefühlt haben. Die innerliche Befreiung die ich erlebt habe, ist kaum mit Worten zu beschreiben.

Liebe Grüße
Marina

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Xenia beim Zahnarzt

Ich muss ein wenig ausholen, weil eigentlich mein Zahnarzt bereits in Rente ist und er mit einem Kollegen eine Gemeinschaftspraxis unterhalten hat. Der Kollege Dr. R. führt  nun seit 2009 die Praxis alleine und ich habe mich 2010 entschieden, weiter in die Praxis zu gehen, die ich seit über 10 Jahren kenne. Nicht dass ich Angst hätte zum Zahnarzt zu gehen,  aber wenn man einen guten Zahnarzt gefunden hat und zufrieden ist, bleibe ich halt gerne dort. In Punkto Zahnarzt mache ich ungern Experimente, weil ich in meiner Jugend schlechte Erfahrungen gemacht habe.

Also habe ich 2010 meinen Pflichttermin bei Dr. R. wahrgenommen und habe mich, nachdem ich sehr zufrieden war, entschieden weiterhin dort hin zu gehen. Den neuen Termin in 2011 legte ich in meinen Resturlaub in den Januar. Der "feine" Unterschied sollte sein, dass Xenia den Termin wahrnehmen sollte/wollte.

Die junge Arzthelferin am Empfang schaute zweimal hin und der Arzt behandelte mich wie immer professionell. Niemand sprach mich mit Namen an, denn man kannte sich und in der Akte stand nun mal Herr aber da stand/saß eine Frau.

Nach dem Check sollte ich noch kurz ins Wartezimmer, wo sich gerade ein älteres Ehepaar verabschiedete. Ein paar Minuten vergingen und ich wurde von einer Zahnarzthelferin in einen mir bekannten Raum begleitet und es wurde noch mein Zahnstein entfernt. Wir kannten uns auch schon viele Jahre aber diesmal war es anders.

"Darf ich ihnen eine Frage stellen?"

Ja natürlich durfte sie! Wir kamen ins Gespräch und ich konnte wieder einen Flyer platzieren. Sie versicherte, dass sie sich unsere Gendertreff Seiten anschaut, da sie sehr interessiert ist  und sie hat sich in unser Gästebuch eingetragen.

So kann Normalität sein!

LG
Xenia

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Erfahrungsbericht über die Diskriminierung von Transgendern im beruflichen Umfeld

Bereits Marina hat vor einiger Zeit über negative Erfahrungen als Transgender im beruflichen Umfeld berichtet. Dabei hatte Marina – in der männlichen Rolle – lediglich ein Damen-Shirt während der Arbeitszeit getragen.

Schwieriger kann es werden, wenn man sich entscheidet, den Weg der vollständigen Transition zu gehen. Neben durchaus positiven Erfahrungen vieler Transgender gibt es leider auch immer wieder Beispiele dafür, dass das Thema Transidentität im beruflichen Alltag auf Widerstände stoßen kann. Caro aus dem Gendertreff Forum berichtet über ihre Erfahrungen.

*****

Ich habe mich heute lange mit Ava unterhalten und sie hat mich gebeten, von meinen Erfahrungen mit meinem letzten Arbeitgeber zu schreiben. Dieser Bitte möchte ich gerne nachkommen.

Anfang 2010 stellte ich fest, dass es so wie es bisher lief nicht mehr weiter gehen konnte. Ich stand vor der Wahl, mein Leben zu ändern oder zu ….

Ich hatte mich glücklicherweise für die erste Variante entschieden. Im Mai 2010 habe ich mich dann komplett im privaten Umfeld geoutet. Und bin seitdem auch als Frau draußen rumgelaufen.

Allerdings hatte ich Angst, dass bestimmte Personen mich dann so sehen könnten und nichts Besseres zu tun haben, als bei meinem Arbeitgeber anzurufen und zu sagen: „Wissen Sie eigentlich, was ihr Mitarbeiter in der Freizeit macht?“ Um diesen Personen den Wind aus den Segeln zu nehmen und um dann möglichst bald den Alltagstest beginnen zu können, habe ich mich dann am 18.06.2010 in der Firma geoutet.

An diesem Tag war das erste Spiel der deutschen Nationalmannschaft bei der WM 2010. Unser Chef hatte die gesamte Firma (25 Mitarbeiter) zum Grillen und anschließendem gemeinschaftlichen Fußballschauen eingeladen.

Ich bin zuerst bei meinem Innendienstleiter rein und habe mich ihm gegenüber offenbart. Nachdem er mir versichert hatte, dass er damit kein Problem habe, bin ich dann zum Chef gegangen, um mich auch bei ihm zu outen.

Ich bat bei ihn um ein Gespräch und er hatte sofort Zeit. Ich habe ihm dann meine Situation erklärt und dass ich gerne in einer Woche, also ab dem 28.06.2010 mit dem Alltagstest starten wollte.

Sein Kommentar im Wortlaut: „Ich dachte schon, du willst mir was Schlimmes sagen. Du wolltest kündigen oder so. Aber das ist doch nichts Schlimmes. Ich habe da sogar letztens eine Dokumentation drüber gesehen. Das ist ja sehr interessant alles. Nur bitte sprich selber mit allen Mitarbeitern, da möchte ich Dir nicht rein reden“.

Ich habe dann am gleichen Tag die Runde durch die Firma gemacht und alle eingeweiht. Die Reaktionen waren von positiv bis neutral/desinteressiert. Es hatte allem Anschein nach niemand ein Problem damit. Aber man kann den Leuten ja nur vor den Kopf schauen.

Am 25.06.2010 hatte ich Urlaub, da ich dort meinen ersten Termin bei der Psychologin hatte. Mein Chef sprach mich am Donnerstag vorher an und bat um Verständnis dafür, wenn er demnächst noch ab und an meinen männlichen Namen benutzen würde. Das wäre keine Absicht. Er würde sich aber größte Mühe geben, mich mit meinem gewählten weiblichen Vornamen anzusprechen.

Dann kam der 28.06.2010. Ich war sehr aufgeregt. Sollte doch heute mein Leben als „nur“ Frau beginnen. Nie wieder verstecken. Nie wieder verkleiden. Ich traf dann morgens eine Kollegin am Kaffeeautomat. Ihr Kommentar war: „Waoh … Du siehst so toll aus. So viel selbstsicherer als du je als Kerl gewirkt hast.“

Mein Chef sollte eigentlich an diesem Morgen nicht ins Büro kommen. Geplant war, dass er für drei Tage in den früheren Ostblock flog und vorher halt nicht mehr rein kommen sollte.

Aber er kam durch den Flur gestiefelt, hat kurz in unser Büro geschaut und gesagt: „Sebastian komm mit!“ Mein Innendienstleiter saß auch schon im Büro meines Chefs. Ich wurde dann 20 Minuten aufs übelste von meinem Chef angemacht. Was mir denn einfallen würde, mir einfach einen weiblichen Vornamen zu geben und in Frauenklamotten herum zu rennen. Er hätte es nicht nötig, sich mit einem Kerl in Weiberklamotten, einer Tunte, die Toilette zu teilen. Und die Damentoilette dürfte ich schon mal gar nicht benutzen. Auch hätten sich zwei Kollegen darüber beschwert, sie könnten mit der Thematik nicht umgehen. Ich hatte dann die Wahl, entweder nach Hause zu fahren und mich abzuschminken oder direkt die Kündigung zu bekommen. Ich bin dann unter Tränen nach Hause gefahren und drei Stunden später wieder als Kerl auf der Arbeit erschienen.

Mein Chef war dann zwischenzeitlich auf dem Weg zum Flughafen. Ich hatte danach noch ein Gespräch mit meinem Innendienstleiter. Er hat sich für die Art entschuldigt, die unser Chef an den Tag gelegt hatte. Aber er hätte es mir auch sagen können. Warum hat er nicht? Er hatte eine Woche Zeit! Auch bat er mich, sollte ich feststellen, dass ich so nicht weiterleben könne, ihm bitte Bescheid zu sagen, damit sie sich einen neuen Mitarbeiter suchen können. Ich sagte darauf dann: „Gerne. Ich verlange aber dann das Gleiche.“ Zusätzlich bekam ich eine Probezeitverlängerung von einem weiteren halben Jahr.

Und damit ging es dann los. Meine Kollegen hatten kein Problem mit mir. Gerade die Frauen nicht. Mein Chef und mein Innendienstleiter aber taten so, als hätte dieses Gespräch nie stattgefunden.

Zwei Wochen später, ich war mal wieder samstags arbeiten, da kam mein Chef vorbei und fragte mich, wie ich mich denn so fühlen würde. Ich sagte dann, dass es mir schlecht gehen würde. Dass seine Art unterste Schublade war und ich mich gefühlt hatte, als wenn er mir zuerst ins Gesicht schlägt, nur um dann noch nachzutreten, als ich schon auf dem Boden lag.

Er hatte sich für die Art entschuldigt. Und meinte, dass er kein Problem damit habe, wenn ich dann irgendwann als Frau auftreten würde. Er könne mir nur leider noch kein genaues Datum nennen. Und da das Gehalt mehr als gut war und auch die sonstigen Kollegen, den rückgratlosen Innendienstleiter mal außen vor gelassen, sehr nett waren, habe ich halt die Faust in der Tasche gemacht und bin weiterhin als Kerl arbeiten gegangen und habe diesen ominösen Tag herbei gesehnt wie nichts anderes auf der Welt.

Privat gab es ja schon keinen Kerl mehr. Aber es war sehr belastend für mich, tagsüber auf der Arbeit und in der Abendschule der Kerl zu sein und abends und am Wochenende die Frau, die ich eigentlich bin. Auch durfte ich meine Haare weder offen tragen noch sonst irgendwie stylen. Das einzige was mein Chef durchgehen ließ war ein Zopf.

Tja, und dann kam der 23.11.2010. Freitag vor der großen Messe, wo ein Großteil der Außendienstmitarbeiter aus der ganzen Welt und die großen Chefs aus Texas und Schottland kommen sollten. Ich wurde gegen 10 Uhr zum Chef ins Büro gerufen. Dort wurde mir dann mitgeteilt, dass man meine Beschäftigung nicht weiter über die Probezeit hinaus verlängern würde. Man würde mir jetzt kündigen. Ich könne sofort meinen Schreibtisch räumen und wäre für die Dauer der Kündigungsfrist freigestellt.

Natürlich wurde nicht gesagt: „Du bist eine Transe und das ist der Grund“. Nein, es wurden andere Gründe genannt, zum Beispiel, ich hätte Termine nicht eingehalten. Oder meine Arbeitsleistung würde nicht mehr dem entsprechen, was sie sich vorgestellt hatten. Wenn sie schon nicht ehrlich sein konnten, hätten sie besser nichts gesagt. Ich habe mich dann unter Tränen von meinen Kollegen verabschiedet. Tage später habe ich dann erfahren, dass mein Nachfolger bereits zum 01.12.2010 angefangen hat.

ABER: ICH BEREUE NICHTS!!!

Außer, dass ich vielleicht schon eher hätte aktiv werden sollen und mir selbstständig einen neuen Job, als Frau, hätte suchen sollen. Mir geht es nach der Kündigung so viel besser. Auch habe ich wahrscheinlich schon in absehbarer Zukunft einen Job bei einer Firma, für die meine Transsexualität kein Hinderungsgrund darstellt.

Caro

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Beste Schulfreunde

Das Thema Coming Out und Outing war schon öfter Gegenstand des Gendertreff Magazins. Hier zeigt sich: Oft kommt es ganz anders, als man denkt. So auch im folgenden Bericht, den uns Uta aus dem Gendertreff Forum zur Verfügung gestellt hat.

Meiner lieben Freundin zum „5. Geburtstag“ gewidmet

Beste Schulfreunde

Vor einigen Jahren rief mich eines Abends mein bester Schulfreund Andreas an und sagte, „…wir müssten mal wieder um den Block ziehen.“ Bei diesen Worten hatte ich auf einmal ein seltsames Bauchgefühl …

… und auf einmal waren auch all die Gedanken an eine schöne Kindheit und die vielen Abenteuer in der Schulzeit mit meinem besten Freund wieder da.

Seit ich in die 1.Klasse der neuen Schule kam, hatte sich zwischen uns eine Freundschaft gebildet, die bis heute – über 45 Jahre lang – anhält.

Ja, mal wieder um den Block ziehen, das hatten wir als Kinder und Jugendliche oft gemacht. Einfach so, ohne Ziel, durch die Straßen streifen und einfach nur über die „wichtigen Dinge unseres Lebens“ quatschen. Nicht gerade das, was Jungen in diesem Alter so tun, aber uns war das egal. Und während andere Schulkameraden Fußball spielen waren, liefen wir lieber kilometerweit durch unsere Heimatstadt.

Wir verehrten die gleichen Mädchen, ohne wirklich Konkurrenten gewesen zu sein, wir zündeten selbst gebastelte Knallkörper und störten uns nicht daran, daß diese nur mit schönem Feuerstrahl abbrannten statt einen lauten Knall zu erzeugen.

Als Einzelkind durfte Andreas gern am Wochenende auch mal einen Schulfreund auf Familienausflüge mitnehmen und so strolchten wir glücklich mit viel Blödsinn im Kopf durch die Natur.

Später trennten sich unsere Wege. Ich erlernte einen Beruf der Elektrotechnik und mein Schulfreund ging in die Landwirtschaft. Verständlich, dass unsere gemeinsamen Unternehmungen weniger wurden, zumal unsere Ausbildungsorte rund 100 km auseinander lagen.

Aber das tat der Freundschaft keinen Abbruch. Zum Ausbildungsfasching besuchte mich Andreas in unserem kleinen Dorf (so verrückt ist die Welt: er lernte Agrotechniker in der Nähe einer Großstadt und ich lernte Elektronik in einem 600-Seelendorf am Rande des Harzes). Doch Dorf-Fasching kann großartig sein!

In dieser Zeit trafen wir uns auch schon mal im Urlaub. Ich fuhr jedes Jahr mit meinen Eltern an die Ostsee und im Sommer 78 zeltete mein Freund einfach kurzerhand im Nachbarort. So konnten wir ungestört im Sand liegen oder stundenlange Strandspaziergänge machen und über „Gott und die Welt“ reden.

In den 80igern gründeten wir Familien, der eine mit, der andere ohne Kinder. Ich bin inzwischen ins Rheinland gezogen, mein Freund wohnte weiterhin im Osten Deutschlands. Und so kam es, dass die Abstände der Treffen immer größer wurden. Wir haben uns zwar nicht aus den Augen verloren, aber jeder ging so seiner Wege und nur einmal im Jahr, beim gemeinsamen Wanderwochenende beider Familien in der Sächsischen Schweiz hatten wir Gelegenheit, unsere Freundschaft aufzufrischen.

Eigenartig – bei einer der letzten Wanderungen hatte ich das erste Mal dieses unbestimmte Bauchgefühl. Mein Schulfreund kam gerade mit freiem Oberkörper aus der Dusche …

Und plötzlich dieser abendliche Anruf. Da war es schon wieder, dieses Bauchgefühl!

Wir verabredeten uns auf einen baldigen Besuch, denn mich sollte demnächst eine Dienstreise in die alte Heimat bringen.

Wir hatten uns für den Abend im Kleingarten der Freundesfamilie verabredet, aber irgend etwas ließ mir keine Ruhe. So fuhr ich (erst einmal ohne meine Frau und unter einem fadenscheinigen Vorwand) bereits am Vormittag ins Büro meines Freundes.

Mein Gefühl hat mich nicht getrogen – irgend etwas lag in der Luft.

Unbeholfen beginnt er das Gespräch: so völlig anders, als wir es bisher gewohnt waren. Er kam von Partnerschaft, komplizierten Entwicklungsphasen, inneren Spannungen über Krankheiten, … dann schlussendlich zur „Seele im Spagat“.

Ich merkte, es ist ihm unheimlich schwer gefallen, mir, seinem Besten Schulfreund, sein Herz so umfassend auszuschütten. Aber nun ist es endlich raus: mein bester Schulfreund wird demnächst meine beste Freundin sein!

Aber ich spürte bei ihm/ihr immer noch die Angst – wie wird der Schulfreund (also ich) darauf reagieren? Wird die Freundschaft an diesem Geständnis zerbrechen? Steh ich vielleicht auf und verschwinde aus ihrem Leben?

Da konnte auch ich nicht mehr anders: ich zog meine Hose ein wenig hoch und zum Vorschein kamen kleine Absatzsommerstiefel, durch deren Lochmuster zaghaft Feinstrumpfhosen durchschimmerten. Und dann bahnten sich bei uns beiden plötzlich Tränen unaufhaltsam ihren Weg…

So hatte sich Andrea ihr Outing bei mir ganz sicher nicht vorgestellt!

Das alles ist nun schon einige Jahre her. Inzwischen hatte Andrea ihren „5.Geburtstag“ und Andreas ist schon lange Geschichte.

Soweit meine kleine Anekdote für alle, die denken, Sie sind mit Ihren Problemen allein auf der Welt. Statistisch zwar sehr unwahrscheinlich, könnte trotzdem jeder/jede neben Dir in der U-Bahn, im Kino, im Supermarkt, … Deine Lebensgeschichte teilen. Oft wissen wir nur viel zu wenig über die Anderen oder trauen uns (aus scheinbar verständlichen Gründen) lange nicht, uns unseren besten Freunden anzuvertrauen.

Ich weiß – leichter gesagt als getan!

Ich hab noch Jahre gebraucht, und ehrlich – ich hab mich bis heute immer noch nicht umfassend geoutet. Im Job und im dörflichen Umfeld spiele ich weiterhin die männliche Rolle, obwohl es langsam immer schwerer fällt.

Uta

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