Meine Geschichte, meine Erlebnisse, meine Gefühle, meine Eindrücke

Ich möchte einmal versuchen, meine Gefühle als Transgender zu beschreiben. Was in mir vorgeht wenn ich mich umziehe, schminke und zur "Frau" verwandele. Die Gefühle, wenn ich en-femme ausser Haus geh`, mein Inneres nach Aussen krempel, wenn Bilder von meiner weiblichen Seite gemacht werden und wie ich mich in den Kleidern des eigentlichen Geschlechts fühle. Diese Eindrücke zu beschreiben verbunden mit der Frage woher das alles kommt, ist sicher nicht einfach und auch bei den meisten verschieden.
Ich kann nur versuchen es aus meiner Sicht zu erzählen.

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Die letzte Bastion

Meine letzte Bastion (privat) war gestern mein Outing bei Klassenkamerad-en und –innen oder andersrum 🙂
Vorher mit meiner Frau darüber gesprochen und die Theorie durchgespielt. Und plötzlich war er da – der Termin.

Wir treffen uns so ca. 3-4 Mal im Jahr in einer kleinen Gruppe ehemaliger Klassenkameraden mit Klassenlehrer und dessen Frau zu einer Art Stammtisch. Immer ein lustiger und geselliger Abend. Nur diesmal sollte es etwas anders werden, weil ich das letzte Mal als Mann dort anwesend sein wollte. So suchte ich einen guten Übergang nach dem Essen um auf das Thema zu kommen. Aber Petra, die Ehefrau eines Klassenkameraden, war schon neugierig, denn ihr waren meine Haare und Augenbrauen aufgefallen. Außerdem hatten sie beim Abholen eine Frau auf dem Bürgersteig vermutet und dann doch überraschend festgestellt, dass ich es bin. So hatten wir schnell den Einstieg in das Thema gefunden.

Den ganzen Tag beschäftigte mich dieses Thema. Soll ich wirklich? Müssen die das wissen? Immer wieder diese anerzogenen Selbstzweifel. Und dann ….

Natürlich war ich entsprechend vorbereitet und hatte Bilder und Flyer dabei und das Ganze wurde verblüffend und auch wohlwollend sowie erstaunend aufgenommen. Ich erzählte von dem Outing 2004 und dem Eheversprechen 2007 und meine ganze Geschichte von Kind an. Alle Beteiligten fanden es klasse und mutig, dass ich mich geoutet habe und so offen mit dem Thema umgehe.

Es bringt nichts, es in sich rein zu fressen, denn irgendwann kocht es in uns hoch und dann? Die Folgen möchte keiner wirklich haben.

Alle freuen sich auf das nächste Treffen und sind gespannt, denn dann wird auch dort Xenia life und in Farbe auftreten und sich nicht mehr verstecken müssen. Kein verbiegen und kein verstecken und frei nach dem Motto: Leben und leben lassen. Denn niemand hat sich selber gemacht!

Lieben Gruß
Xenia

p.s.: Danke liebe Anwesende. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie gut das tut – Die Gänsehaut  und die Tränen ….

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Marina`s erster Geburtstag

Der Gendertreff freut sich den ersten Geburtstag Marina`s hier im Blog/Magazin zu feiern und ihr Resümee hier zu veröffentlichen.

Zeit ein Resümee zu ziehen.

364 Tage sind vergangen seit ich zum ersten Mal im Leben zum Gendertreff Düsseldorf gegangen bin. Es war wie immer der 3. Sonntag im Monat, am 17.01.2010.
Heute ist ebenfalls der 3. Sonntag im Januar. Und somit mein Jahrestag.

Wenn ich so zurück sehe, kann ich es noch immer kaum glauben wie sehr sich mein Leben verändert hat seit diesem Tag. Ich war völlig verschüchtert, unsicher und menschenscheu. Dementsprechend hat es mich eine schon fast unvorstellbare Kraft gekostet überhaupt aus dem Auto zu steigen und ins Café Süd zu gehen. Ich habe am ganzen Körper gezittert vor Angst und Aufregung. Aber ich wurde sofort mit einer Herzlichkeit und Selbstverständlichkeit aufgenommen, so etwas habe nicht gekannt. Es war völlig egal, dass ich zurückblickend absolut sch…. aussah. Hier zu sitzen und den anderen zuzuhören, festzustellen wie sehr sich die Erlebnisse und Ängste ähneln. Das es uns allen einmal so gegangen ist, dies war der 1. Schritt hin zu meiner geistigen und seelischen Befreiung.

Mit jedem Besuch der beiden Selbsthilfetreffen (Gendertreff Düsseldorf und Gendertreff Leverkusen) wuchs mein Selbstvertrauen. Und auch wenn ich mal einen kleinen verbalen Tritt ins Gesäß brauchte (danke Ava!), so ging die Entwicklung und Selbstbefreiung immer weiter. Am 16.03.2010 ging ich zum ersten Mal alleine raus im Ikea und im Olympia Center in München . Mit jedem weiteren Ausflug wuchs mein Selbstvertrauen weiter und die Angst wurde immer kleiner. Kleine Rückschläge gab es auch und ich brauchte auch mal die Hilfe von anderen. Vor allem als ich Ende April ein psychisches Tief hatte und selbst nicht heraus kam. An dieser Stelle möchte ich mich bei Maria und Julchen bedanken, dafür das sie mich einfach „am Kragen gepackt“ und einfach mitgeschleppt haben. Auch das hat Schritt für Schritt meine Angst und negative Einstellung in das Gegenteil verkehrt. Ich habe an Ausflügen teilgenommen und zu privaten Partys eingeladen. Alles Dinge die ich so bisher nicht gekannt habe. Ab dem Sommer fing ich an regelmäßig rauszugehen, bei jeder sich bietenden Gelegenheit.

Mit jedem Tag an dem ich meine Transidentität ausleben konnte wurde ich innerlich ruhiger, so sehr das es bald auch meiner Familie auffiel. So war es letztendlich der logische Schritt meine nächsten Verwandten über das, was ich bin zu informieren. Und zu meiner großen Überraschung hatten sie überhaupt kein Problem damit.

Insgesamt kann ich nur sagen, dass mein Leben durch diesen Schritt nur bereichert wurde. Ich habe Freunde gefunden. Menschen die mich einfach so angenommen haben, wie ich bin. Zurück zu der Angst und den Selbstzweifeln, nein, das ist einfach unmöglich.

Ich kann nur hoffen, das jede, die diese Zeilen liest, auch den Mut findet zu dem zu stehen, was wir alle schon lange in uns gefühlt haben. Die innerliche Befreiung die ich erlebt habe, ist kaum mit Worten zu beschreiben.

Liebe Grüße
Marina

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Xenia beim Zahnarzt

Ich muss ein wenig ausholen, weil eigentlich mein Zahnarzt bereits in Rente ist und er mit einem Kollegen eine Gemeinschaftspraxis unterhalten hat. Der Kollege Dr. R. führt  nun seit 2009 die Praxis alleine und ich habe mich 2010 entschieden, weiter in die Praxis zu gehen, die ich seit über 10 Jahren kenne. Nicht dass ich Angst hätte zum Zahnarzt zu gehen,  aber wenn man einen guten Zahnarzt gefunden hat und zufrieden ist, bleibe ich halt gerne dort. In Punkto Zahnarzt mache ich ungern Experimente, weil ich in meiner Jugend schlechte Erfahrungen gemacht habe.

Also habe ich 2010 meinen Pflichttermin bei Dr. R. wahrgenommen und habe mich, nachdem ich sehr zufrieden war, entschieden weiterhin dort hin zu gehen. Den neuen Termin in 2011 legte ich in meinen Resturlaub in den Januar. Der "feine" Unterschied sollte sein, dass Xenia den Termin wahrnehmen sollte/wollte.

Die junge Arzthelferin am Empfang schaute zweimal hin und der Arzt behandelte mich wie immer professionell. Niemand sprach mich mit Namen an, denn man kannte sich und in der Akte stand nun mal Herr aber da stand/saß eine Frau.

Nach dem Check sollte ich noch kurz ins Wartezimmer, wo sich gerade ein älteres Ehepaar verabschiedete. Ein paar Minuten vergingen und ich wurde von einer Zahnarzthelferin in einen mir bekannten Raum begleitet und es wurde noch mein Zahnstein entfernt. Wir kannten uns auch schon viele Jahre aber diesmal war es anders.

"Darf ich ihnen eine Frage stellen?"

Ja natürlich durfte sie! Wir kamen ins Gespräch und ich konnte wieder einen Flyer platzieren. Sie versicherte, dass sie sich unsere Gendertreff Seiten anschaut, da sie sehr interessiert ist  und sie hat sich in unser Gästebuch eingetragen.

So kann Normalität sein!

LG
Xenia

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Erfahrungsbericht über die Diskriminierung von Transgendern im beruflichen Umfeld

Bereits Marina hat vor einiger Zeit über negative Erfahrungen als Transgender im beruflichen Umfeld berichtet. Dabei hatte Marina – in der männlichen Rolle – lediglich ein Damen-Shirt während der Arbeitszeit getragen.

Schwieriger kann es werden, wenn man sich entscheidet, den Weg der vollständigen Transition zu gehen. Neben durchaus positiven Erfahrungen vieler Transgender gibt es leider auch immer wieder Beispiele dafür, dass das Thema Transidentität im beruflichen Alltag auf Widerstände stoßen kann. Caro aus dem Gendertreff Forum berichtet über ihre Erfahrungen.

*****

Ich habe mich heute lange mit Ava unterhalten und sie hat mich gebeten, von meinen Erfahrungen mit meinem letzten Arbeitgeber zu schreiben. Dieser Bitte möchte ich gerne nachkommen.

Anfang 2010 stellte ich fest, dass es so wie es bisher lief nicht mehr weiter gehen konnte. Ich stand vor der Wahl, mein Leben zu ändern oder zu ….

Ich hatte mich glücklicherweise für die erste Variante entschieden. Im Mai 2010 habe ich mich dann komplett im privaten Umfeld geoutet. Und bin seitdem auch als Frau draußen rumgelaufen.

Allerdings hatte ich Angst, dass bestimmte Personen mich dann so sehen könnten und nichts Besseres zu tun haben, als bei meinem Arbeitgeber anzurufen und zu sagen: „Wissen Sie eigentlich, was ihr Mitarbeiter in der Freizeit macht?“ Um diesen Personen den Wind aus den Segeln zu nehmen und um dann möglichst bald den Alltagstest beginnen zu können, habe ich mich dann am 18.06.2010 in der Firma geoutet.

An diesem Tag war das erste Spiel der deutschen Nationalmannschaft bei der WM 2010. Unser Chef hatte die gesamte Firma (25 Mitarbeiter) zum Grillen und anschließendem gemeinschaftlichen Fußballschauen eingeladen.

Ich bin zuerst bei meinem Innendienstleiter rein und habe mich ihm gegenüber offenbart. Nachdem er mir versichert hatte, dass er damit kein Problem habe, bin ich dann zum Chef gegangen, um mich auch bei ihm zu outen.

Ich bat bei ihn um ein Gespräch und er hatte sofort Zeit. Ich habe ihm dann meine Situation erklärt und dass ich gerne in einer Woche, also ab dem 28.06.2010 mit dem Alltagstest starten wollte.

Sein Kommentar im Wortlaut: „Ich dachte schon, du willst mir was Schlimmes sagen. Du wolltest kündigen oder so. Aber das ist doch nichts Schlimmes. Ich habe da sogar letztens eine Dokumentation drüber gesehen. Das ist ja sehr interessant alles. Nur bitte sprich selber mit allen Mitarbeitern, da möchte ich Dir nicht rein reden“.

Ich habe dann am gleichen Tag die Runde durch die Firma gemacht und alle eingeweiht. Die Reaktionen waren von positiv bis neutral/desinteressiert. Es hatte allem Anschein nach niemand ein Problem damit. Aber man kann den Leuten ja nur vor den Kopf schauen.

Am 25.06.2010 hatte ich Urlaub, da ich dort meinen ersten Termin bei der Psychologin hatte. Mein Chef sprach mich am Donnerstag vorher an und bat um Verständnis dafür, wenn er demnächst noch ab und an meinen männlichen Namen benutzen würde. Das wäre keine Absicht. Er würde sich aber größte Mühe geben, mich mit meinem gewählten weiblichen Vornamen anzusprechen.

Dann kam der 28.06.2010. Ich war sehr aufgeregt. Sollte doch heute mein Leben als „nur“ Frau beginnen. Nie wieder verstecken. Nie wieder verkleiden. Ich traf dann morgens eine Kollegin am Kaffeeautomat. Ihr Kommentar war: „Waoh … Du siehst so toll aus. So viel selbstsicherer als du je als Kerl gewirkt hast.“

Mein Chef sollte eigentlich an diesem Morgen nicht ins Büro kommen. Geplant war, dass er für drei Tage in den früheren Ostblock flog und vorher halt nicht mehr rein kommen sollte.

Aber er kam durch den Flur gestiefelt, hat kurz in unser Büro geschaut und gesagt: „Sebastian komm mit!“ Mein Innendienstleiter saß auch schon im Büro meines Chefs. Ich wurde dann 20 Minuten aufs übelste von meinem Chef angemacht. Was mir denn einfallen würde, mir einfach einen weiblichen Vornamen zu geben und in Frauenklamotten herum zu rennen. Er hätte es nicht nötig, sich mit einem Kerl in Weiberklamotten, einer Tunte, die Toilette zu teilen. Und die Damentoilette dürfte ich schon mal gar nicht benutzen. Auch hätten sich zwei Kollegen darüber beschwert, sie könnten mit der Thematik nicht umgehen. Ich hatte dann die Wahl, entweder nach Hause zu fahren und mich abzuschminken oder direkt die Kündigung zu bekommen. Ich bin dann unter Tränen nach Hause gefahren und drei Stunden später wieder als Kerl auf der Arbeit erschienen.

Mein Chef war dann zwischenzeitlich auf dem Weg zum Flughafen. Ich hatte danach noch ein Gespräch mit meinem Innendienstleiter. Er hat sich für die Art entschuldigt, die unser Chef an den Tag gelegt hatte. Aber er hätte es mir auch sagen können. Warum hat er nicht? Er hatte eine Woche Zeit! Auch bat er mich, sollte ich feststellen, dass ich so nicht weiterleben könne, ihm bitte Bescheid zu sagen, damit sie sich einen neuen Mitarbeiter suchen können. Ich sagte darauf dann: „Gerne. Ich verlange aber dann das Gleiche.“ Zusätzlich bekam ich eine Probezeitverlängerung von einem weiteren halben Jahr.

Und damit ging es dann los. Meine Kollegen hatten kein Problem mit mir. Gerade die Frauen nicht. Mein Chef und mein Innendienstleiter aber taten so, als hätte dieses Gespräch nie stattgefunden.

Zwei Wochen später, ich war mal wieder samstags arbeiten, da kam mein Chef vorbei und fragte mich, wie ich mich denn so fühlen würde. Ich sagte dann, dass es mir schlecht gehen würde. Dass seine Art unterste Schublade war und ich mich gefühlt hatte, als wenn er mir zuerst ins Gesicht schlägt, nur um dann noch nachzutreten, als ich schon auf dem Boden lag.

Er hatte sich für die Art entschuldigt. Und meinte, dass er kein Problem damit habe, wenn ich dann irgendwann als Frau auftreten würde. Er könne mir nur leider noch kein genaues Datum nennen. Und da das Gehalt mehr als gut war und auch die sonstigen Kollegen, den rückgratlosen Innendienstleiter mal außen vor gelassen, sehr nett waren, habe ich halt die Faust in der Tasche gemacht und bin weiterhin als Kerl arbeiten gegangen und habe diesen ominösen Tag herbei gesehnt wie nichts anderes auf der Welt.

Privat gab es ja schon keinen Kerl mehr. Aber es war sehr belastend für mich, tagsüber auf der Arbeit und in der Abendschule der Kerl zu sein und abends und am Wochenende die Frau, die ich eigentlich bin. Auch durfte ich meine Haare weder offen tragen noch sonst irgendwie stylen. Das einzige was mein Chef durchgehen ließ war ein Zopf.

Tja, und dann kam der 23.11.2010. Freitag vor der großen Messe, wo ein Großteil der Außendienstmitarbeiter aus der ganzen Welt und die großen Chefs aus Texas und Schottland kommen sollten. Ich wurde gegen 10 Uhr zum Chef ins Büro gerufen. Dort wurde mir dann mitgeteilt, dass man meine Beschäftigung nicht weiter über die Probezeit hinaus verlängern würde. Man würde mir jetzt kündigen. Ich könne sofort meinen Schreibtisch räumen und wäre für die Dauer der Kündigungsfrist freigestellt.

Natürlich wurde nicht gesagt: „Du bist eine Transe und das ist der Grund“. Nein, es wurden andere Gründe genannt, zum Beispiel, ich hätte Termine nicht eingehalten. Oder meine Arbeitsleistung würde nicht mehr dem entsprechen, was sie sich vorgestellt hatten. Wenn sie schon nicht ehrlich sein konnten, hätten sie besser nichts gesagt. Ich habe mich dann unter Tränen von meinen Kollegen verabschiedet. Tage später habe ich dann erfahren, dass mein Nachfolger bereits zum 01.12.2010 angefangen hat.

ABER: ICH BEREUE NICHTS!!!

Außer, dass ich vielleicht schon eher hätte aktiv werden sollen und mir selbstständig einen neuen Job, als Frau, hätte suchen sollen. Mir geht es nach der Kündigung so viel besser. Auch habe ich wahrscheinlich schon in absehbarer Zukunft einen Job bei einer Firma, für die meine Transsexualität kein Hinderungsgrund darstellt.

Caro

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Beste Schulfreunde

Das Thema Coming Out und Outing war schon öfter Gegenstand des Gendertreff Magazins. Hier zeigt sich: Oft kommt es ganz anders, als man denkt. So auch im folgenden Bericht, den uns Uta aus dem Gendertreff Forum zur Verfügung gestellt hat.

Meiner lieben Freundin zum „5. Geburtstag“ gewidmet

Beste Schulfreunde

Vor einigen Jahren rief mich eines Abends mein bester Schulfreund Andreas an und sagte, „…wir müssten mal wieder um den Block ziehen.“ Bei diesen Worten hatte ich auf einmal ein seltsames Bauchgefühl …

… und auf einmal waren auch all die Gedanken an eine schöne Kindheit und die vielen Abenteuer in der Schulzeit mit meinem besten Freund wieder da.

Seit ich in die 1.Klasse der neuen Schule kam, hatte sich zwischen uns eine Freundschaft gebildet, die bis heute – über 45 Jahre lang – anhält.

Ja, mal wieder um den Block ziehen, das hatten wir als Kinder und Jugendliche oft gemacht. Einfach so, ohne Ziel, durch die Straßen streifen und einfach nur über die „wichtigen Dinge unseres Lebens“ quatschen. Nicht gerade das, was Jungen in diesem Alter so tun, aber uns war das egal. Und während andere Schulkameraden Fußball spielen waren, liefen wir lieber kilometerweit durch unsere Heimatstadt.

Wir verehrten die gleichen Mädchen, ohne wirklich Konkurrenten gewesen zu sein, wir zündeten selbst gebastelte Knallkörper und störten uns nicht daran, daß diese nur mit schönem Feuerstrahl abbrannten statt einen lauten Knall zu erzeugen.

Als Einzelkind durfte Andreas gern am Wochenende auch mal einen Schulfreund auf Familienausflüge mitnehmen und so strolchten wir glücklich mit viel Blödsinn im Kopf durch die Natur.

Später trennten sich unsere Wege. Ich erlernte einen Beruf der Elektrotechnik und mein Schulfreund ging in die Landwirtschaft. Verständlich, dass unsere gemeinsamen Unternehmungen weniger wurden, zumal unsere Ausbildungsorte rund 100 km auseinander lagen.

Aber das tat der Freundschaft keinen Abbruch. Zum Ausbildungsfasching besuchte mich Andreas in unserem kleinen Dorf (so verrückt ist die Welt: er lernte Agrotechniker in der Nähe einer Großstadt und ich lernte Elektronik in einem 600-Seelendorf am Rande des Harzes). Doch Dorf-Fasching kann großartig sein!

In dieser Zeit trafen wir uns auch schon mal im Urlaub. Ich fuhr jedes Jahr mit meinen Eltern an die Ostsee und im Sommer 78 zeltete mein Freund einfach kurzerhand im Nachbarort. So konnten wir ungestört im Sand liegen oder stundenlange Strandspaziergänge machen und über „Gott und die Welt“ reden.

In den 80igern gründeten wir Familien, der eine mit, der andere ohne Kinder. Ich bin inzwischen ins Rheinland gezogen, mein Freund wohnte weiterhin im Osten Deutschlands. Und so kam es, dass die Abstände der Treffen immer größer wurden. Wir haben uns zwar nicht aus den Augen verloren, aber jeder ging so seiner Wege und nur einmal im Jahr, beim gemeinsamen Wanderwochenende beider Familien in der Sächsischen Schweiz hatten wir Gelegenheit, unsere Freundschaft aufzufrischen.

Eigenartig – bei einer der letzten Wanderungen hatte ich das erste Mal dieses unbestimmte Bauchgefühl. Mein Schulfreund kam gerade mit freiem Oberkörper aus der Dusche …

Und plötzlich dieser abendliche Anruf. Da war es schon wieder, dieses Bauchgefühl!

Wir verabredeten uns auf einen baldigen Besuch, denn mich sollte demnächst eine Dienstreise in die alte Heimat bringen.

Wir hatten uns für den Abend im Kleingarten der Freundesfamilie verabredet, aber irgend etwas ließ mir keine Ruhe. So fuhr ich (erst einmal ohne meine Frau und unter einem fadenscheinigen Vorwand) bereits am Vormittag ins Büro meines Freundes.

Mein Gefühl hat mich nicht getrogen – irgend etwas lag in der Luft.

Unbeholfen beginnt er das Gespräch: so völlig anders, als wir es bisher gewohnt waren. Er kam von Partnerschaft, komplizierten Entwicklungsphasen, inneren Spannungen über Krankheiten, … dann schlussendlich zur „Seele im Spagat“.

Ich merkte, es ist ihm unheimlich schwer gefallen, mir, seinem Besten Schulfreund, sein Herz so umfassend auszuschütten. Aber nun ist es endlich raus: mein bester Schulfreund wird demnächst meine beste Freundin sein!

Aber ich spürte bei ihm/ihr immer noch die Angst – wie wird der Schulfreund (also ich) darauf reagieren? Wird die Freundschaft an diesem Geständnis zerbrechen? Steh ich vielleicht auf und verschwinde aus ihrem Leben?

Da konnte auch ich nicht mehr anders: ich zog meine Hose ein wenig hoch und zum Vorschein kamen kleine Absatzsommerstiefel, durch deren Lochmuster zaghaft Feinstrumpfhosen durchschimmerten. Und dann bahnten sich bei uns beiden plötzlich Tränen unaufhaltsam ihren Weg…

So hatte sich Andrea ihr Outing bei mir ganz sicher nicht vorgestellt!

Das alles ist nun schon einige Jahre her. Inzwischen hatte Andrea ihren „5.Geburtstag“ und Andreas ist schon lange Geschichte.

Soweit meine kleine Anekdote für alle, die denken, Sie sind mit Ihren Problemen allein auf der Welt. Statistisch zwar sehr unwahrscheinlich, könnte trotzdem jeder/jede neben Dir in der U-Bahn, im Kino, im Supermarkt, … Deine Lebensgeschichte teilen. Oft wissen wir nur viel zu wenig über die Anderen oder trauen uns (aus scheinbar verständlichen Gründen) lange nicht, uns unseren besten Freunden anzuvertrauen.

Ich weiß – leichter gesagt als getan!

Ich hab noch Jahre gebraucht, und ehrlich – ich hab mich bis heute immer noch nicht umfassend geoutet. Im Job und im dörflichen Umfeld spiele ich weiterhin die männliche Rolle, obwohl es langsam immer schwerer fällt.

Uta

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Fönfrisur

Seit einiger Zeit nun gehe ich ohne Kunsthaare vor die Tür, d.h. ich lasse die Perücke zu Hause. Natürlich müssen die eigenen Haare noch ein wenig wachsen aber der Anfang ist gemacht und sie lassen sich schon recht gut stylen. Dunkelblond gefärbt mit hellen Strähnchen sind sie auch schon.

Was ändert sich dadurch?

Nun eins ist klar, dass die Wiedererkennung größer ist aber es ist schon ein gutes Gefühl sich nicht mehr unter einer Perücke zu verstecken. Besonders im Sommer laufen einem nicht mehr die Schweißtropfen durch`s Gesicht. Es bedeutet aber auch, dass die Garderobe ein wenig angepasst werden muss, denn die Perücke hat einen schon etwas jünger erscheinen lassen. Die Schminktechnik muss angepasst werden. Das Gesicht nicht mehr so stark schminken und die Augen nicht mehr so prominent aufwerten. Mit Farbe und Kajal etwas sparsamer umgehen. Schminken geht jetzt schneller aber jetzt wollen die Haare vernünftig aufgefönt werden und ein wenig Haarspray ist auch von Nöten, damit die „Biester“ auch da bleiben wo sie sollen.

Warum das alles?

Eine Perücke mindert die Wiedererkennung aber auch damit verbiegen wir uns wieder und stehen nicht zu uns selbst. Auch ist es noch mal für viele ein Schutz. Für mich ist es wieder eine neue Erfahrung und auch ein Schritt zur Selbstfindung. Solange meine Haare es mitmachen und sich kein „Hubschrauberlandeplatz“ zeigt, werde ich ohne Perücke losziehen.

Die Geschlechterrolle verschwimmt dadurch noch mehr, denn die Haare bleiben die gleichen, sie werden nur anders gefönt. Die „männliche“ Herkunft bleibt stärker erhalten und die einzigen Hilfsmittel sind der Fön, Haarspray und die Schminke – von der Kleidung mal abgesehen.

Aber ganz ehrlich, bleibt nicht die „männliche“ Herkunft auch nach Hormoneinnahme, OP und sonstigen Aktionen bei den meisten von uns erhalten? Sie lässt sich nicht verleugnen. Was soll das auch, wenn man zu seinem früheren, männlichen Leben steht, ist doch okay. Eine Frau mit männlichem Migrationshintergrund. 😆
Ich möchte hier an dieser Stelle aber nicht zu weit abschweifen, denn das ist ein sehr umfangreiches und sensibles Thema, das an anderer Stelle diskutiert werden sollte. In diesem Thema wollte ich über meine „Fönfrisur“ berichten.

Mal sehen wie sich dies weiter entwickelt, denn es wird noch ca. ½ Jahr dauern, bis die Haare die richtige Länge vorweisen. Entweder war das nix und ich greife wieder auf die „Kunst“ zurück oder ich ergänze diesen Bericht um meine neuen Erfahrungen. Auf jeden Fall fand ich es bis jetzt höchst angenehm, lehrreich, spannend und es ist ein gutes Gefühl.

Bis dahin
LG
Xenia

 

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Nachtrag März 2013: Meine Haare haben nun eine gute Länge, sind weiblich gestylt und werden durch die Hormone wieder dichter. 🙂

Coming Out und Outing

Coming Out und Outing – oder, wie bringe ich es meinen Kollegen bei?

Vesta aus dem Gendertreff Forum berichtet, wie ihr berufliches Umfeld von Vesta erfahren hat.

Coming Out und Outing sind beides Begrifflichkeiten aus der Homosexuellen-Schwulen-Lesbenszene und dem Sinn nach Sprachgut geworden, obwohl diese Bezeichnungen eher frei übersetzt heißen:

Coming-out (von engl. „coming out of the closet“, wörtlich: „Aus dem Kleiderschrank herauskommen“) bezeichnet zumeist den individuellen Prozess, sich seiner eigenen gleichgeschlechtlichen Empfindungen bewusst zu werden, dies gegebenenfalls dem näheren sozialen Umfeld mitzuteilen (zunehmend auch (Selbst-)Outing genannt) und im Endeffekt selbstbewusst mehr oder weniger offen als Lesbe, Schwuler oder Bisexueller zu leben. (Wikipedia )

Outing umschrieb ursprünglich das erzwungene Coming-out öffentlicher Personen durch bekennende und politisch aktive Homosexuelle. Die Praxis des „Outens“ ist vor dem Hintergrund der Act-Up-Bewegung entstanden und wurde als bewusst provokative Aktion eingesetzt, um durch das Benennen von homosexuellen Prominenten diese dazu zu zwingen, sich auch in der Öffentlichkeit zu ihrer Homosexualität zu bekennen. (Wikipedia )

Beide Begriffe sind mittlerweile verwässert worden und neben dem „Outing“ als meist erzwungene Handlung – oftmalig durch die Presse bei öffentlichen Personen – bildet das „Coming Out“ die grundsätzliche Handlung von Menschen, mit anderer geschlechtlicher Orientierung oder generell anderer Veranlagung, sich Ihrem Umfeld mitzuteilen.

Dies nicht zuletzt um sich selber vor Homophbie in ihrer Wechselrolle, also vor Repressalien, Diskriminierungen etc. zu schützen, andererseits auch – als wesentliche Handlung – sich das Zusammenleben mit seinem Umfeld zu erleichtern und diesem seine Orientierung zu vermitteln. Dies damit verbunden, von den Anderen auch angemessen akzeptiert zu werden. Dass damit nicht in jedem Fall die Zustimmung oder Akzeptanz durch die Anderen verbunden sein kann, ist selbsterklärend.

Der "Coming Out Tag“ 11.10., ist gewiss einer der wichtigen Tage für sexuell anders orientierte Menschen neben dem, im deutschsprachigen Raum, am 17. Mai veranstaltetem Tag des „International Day Against Homophobia“.

Das "Selbst-Coming Out“ ist für Transgender, Transvestiten und Transsexuelle einer der wichtigsten Schritte in ihrem Leben und letztendlich die Entscheidung, die ihnen eine Befreiung ihrer inneren Zwänge und Ängste und letztlich ihre gewünschte Lebensweise erst ermöglicht. Dennoch ist ein "Coming Out" ein Paradoxum Par Exellence, denn einerseits erwirbt man sich seine Freiheit des Inneren Ichs, andererseits erfährt derjene/diejenige nun gerade erst recht eine Homophobie und die damit verbundenen Beeinträchtigungen.

Dies geht bekannterweise bis hin zum Arbeitsplatzverlust, Verlust aller sozialer Bindungen und kann u.U. den totalen Absturz bedeuten. Leider sehr häufig in unserer Gesellschaft, leider verbunden mit der mangelnden Akzeptanz einer Andersartigkeit des Anderen, da es schon im Kindesalter zu wenig Aufklärung hierzu gibt.

Dies gewiss geschürt durch Medien, Elternhaus, Umfeld und Einflüssen aus Gruppierungen, die sich all diesem verschließen (besonders patriotische Gruppen in den USA), denn der "Andersartige“ ist aufgrund seiner naturbedingten emotionalen und psychischen Schwäche sowie des Fehlens einer Lobby, stets Ziel dieser Gruppierungen und Organisationen. Menschenrechte und das Recht sein Leben so zu gestalten wie es jedem Individuum zusteht, spielen dabei eine untergeordnete Rolle.

Dies sind Erfahrungen, die ich in meinem Leben mehrfach machen musste und immer noch machen darf.

Es gab und gibt immer Höhen und Tiefen als Bezeichnung für gute und schlechte Zeiten, dennoch gilt es, sein Leben im Einklang mit der Gesellschaft führen zu können und zu führen. Denn nur wenn sich dieser Einklang einzustellen vermag, es demjenigen gelingt, sein direkt betroffenes Umfeld in Beruf, Familie und Freundeskreis so einzustimmen, dass er anerkannt und akzeptiert wird, findet sich Zufriedenheit ein. Eine erarbeitete Zufriedenheit, die aber stets gepflegt werden muss. Denn von mir, von der- oder demjenigen muss diese Aktivität zur Eigenzufriedenheit ausgehen.

Ich selber bin für mich dahingehend verantwortlich, dass mir die notwendige Akzeptanz/Anerkennung zuteil wird. Dazu zählt auch das Verständnis für die Personenkreise, die mit der von mir getroffenen Lebensweise nicht umgehen können oder mich gerade deshalb ablehnen. Aufklärungsarbeit ist tatsächlich das Zauberwort, denn Ablehnung entsteht als Phobie, als Angst, vor dem Anderen, der eben eine andere Lebensweise pflegt.

Z.B. geht nicht an, dass ich heute noch in Männer-/Frauengestalt erscheine und morgen völlig unvorbereitet denselben Menschen in Frauen-/Männergestalt gegenüberstehe. Dazu bedarf es gewissenhafter Vorbereitungen und diese sind und müssen stets Bestandteil eines geplanten Coming out sein, wie ich es in meiner Kundschaft nun durchgeführt habe.

Hier muss ich erklären, dass es bei mir, aufgrund der beruflichen Tätigkeit – Stahlwerke weltweit – einen Zwang gab, als Mann aufzutreten, also als Transvestitin, denn ich lebe als Frau und das seit vielen Jahrzehnten, dokumentarisch offiziell seit mehr als 10 Jahren mit Personenstandsänderung und somit auch gebürtiger Frau.

Dennoch bestand die Notwendigkeit, aufgrund der schon vor über 30 Jahren geknüpften Kundenkontakte in Männergestalt, diese beizubehalten. Die verschiedenen Kulturkreise in denen sich meine Kunden befinden, hatten zu dem Zeitpunkt sogar die Todesstrafe für Menschen anderer sexueller Orientierung im Tagesprogramm, denn die Personenstandsänderung kam zu einem späteren Zeitpunkt, so dass ich – wenn überhaupt – dort als "auf dem Weg befindliche Transsexuelle " erscheinen mußte und das war aufgrund deren Gesetzgebung eben nicht machbar.

DIeser Sachverhalt zwang mir letztlich die Männerrolle auf, selbst nach erfolgter Operation und Personenstandsäderung musste dieser Zustand beibehalten werden, zumal über ein Netzwerk an Informationsvermittlung der Kunden untereinander noch ganz andere Probleme aufkamen.

Nach der Operation und Personenstandsänderung war es für mich im Neukundengeschäft keine Frage mehr, wer da ins Stahlwerk geht. Aber, wieder einmal die Rechnung ohne den Wirt gemacht: Frauen sind in dem Teil des Stahlwerkes (Hochofen und Konverter) nicht zugelassen.

Erst im Rahmen von Liberalisierungen und Anerkennung der Frau in diesen Berufen ergaben sich Erleichterungen, aber der Zugang zum Herzen des Stahlwerkes war mir als Frau bis vor kurzem weiterhin verschlossen.

Nun, bisher ging das alles mit Zusatzdokumenten und Zusatzausweisen, um die Rolle als Mann leben zu können und meinem Beruf nachgehen zu können, alles sehr schmerzhaft, aber von mir geduldet. Geduldet, aber nicht akzeptiert. Ein Leben an der Grenze zum Machbaren. Viele Jahre.

Mit den neuen Passgesetzten seit 2005 war dies alles dann nicht mehr möglich, das „F“ im Paß verlangt halt Auftritt als Frau und kaum ein Grenzer würde mich in Männergestalt mit weiblichem Pass passieren lassen. Also war ein „Coming Out“ angesagt, vor dem ich jahrelang große Angst hatte. Insbesondere waren die erlebten Diskriminierungen in all der Zeit sehr wohl der Hemmschuh gegen ein „Coming Out“. der realen Person „Vesta“.

Man kann sagen, wie abgefahren ist das denn, ich muss mich, meine wahre weibliche Identität, verbergen, und als Transvestit durchs Leben gehen. Die Ursache hat doppelten Boden. Einerseits Diskriminierung der Frau wegen der stets erkennbaren Herkunft aus dem männlichen Lager, die darauf abzielte den Menschen, also mich, zu verhöhnen und psychisch „weich zu kochen“ und andererseits die Angst, eben als diese Frau nicht im Geschäft anerkannt zu werden und auch dort ggf. dem Gespött ausgeliefert zu sein.

Dennoch, die Notwendigkeit bestand, den transvestitischen Schutzmantel jetzt abzuwerfen und letztlich half meine Partnerin Sternschnuppe mir auf den Weg, in dem sie diesen Weg letztlich vorschlug. Hierbei habe ich mich der modernen Technik der E-Mails bedient und z.B. meinen Vertretern – weltweit – individuelle Mails gesendet, die auf meinen Werdegang, meine Lebensweise und letztlich mein Innerstes abgestimmt waren.

Hierbei wurden den Mitarbeitern/Niederlassungen und Vertretern die weibliche Person, also ich, in Bildern dargestellt und erläutert, verbunden mit der ketzerischen Frage, ob sie damit zukünftig ein Problem hätten. Ich erwartete ehrliche Antworten und Erklärungen, die dann auch kamen und letztlich zu Diskussionen und Abwägungen führten und unerwartet mir meine immer noch vorhandenen Zweifel nahmen, indem ich wider Erwarten die volle Zustimmung zur eigenen Person bei den Kunden fand.

Dies gewiss auch dadurch, dass in den letzten Jahren duch Äufklärung im Bereich der geschlechtlichen Entwicklung sehr viel mehr Wissen den Leuten vermittelt werden konnte.

All dies geschah nun nach fast 20 Jahren Frau sein in beruflicher Verborgenheit.

Die Zweifel an der eigenen Person und Ängste waren tatsächlich mit ein Grund für meine Zurückhaltung, denn nun konnte ich zum ersten Mal zu meinem ukrainischen Vertreter sagen, dass wenn er glaubt, dass das Stahlwerkspersonal mit mir Probleme hätte oder mit Fingern zeigen würde, dieses Problem wohl eher bei ihm liegen würde und er die Situation nicht akzeptieren könnte.

Nach all den Jahren Mannrolle sicher verständlich, aber er hätte dann auch verstehen müssen, dass ich trotzdem meinen Job mache, auch wenn Leute auf mich zeigen, gemäß dem Motto: Was hat eine Frau im Stahlwerk zu suchen. Wobei das Zeigen sehr wohl nur vermutet war, denn – nichts geschah. Und dagegen bin ich mittlerweile geschult, dagegen habe ich mich ausbilden lassen, damit gehe ich ganz adäquat um.

Nun, wie dem auch sei, mittlerweile hat auch dieser Kulturbereich Ukraine, Polen Tschechien und Russland meine wahre Identität erfahren und akzeptiert. Alle gehen damit ganz selbstverständlich um und allen habe ich in den letzten Monaten auf Treffen und unseren Schulungen wieder die Hand gegeben – wie in den vergangenen Jahren – und es hat sich eine große Zufriedenheit und Akzeptanz bei den Leuten eingestellt. Andere Vertreter sind hocherfreut ob meines Wandels (Türkei), wiederum höre ich aus Südafrika, dass in jedem Menschen das 3er-Leben lebt – sein Privates, sein Geschäftliches und sein Geheimes. Und jedes muß man akzeptieren. Selbst bei ad hoc Treffen mit meinen Mitarbeitern und Vertretern hat sich niemand verplappert und ein „Er“ hervorgebracht.

Die Frau ist wieder da, sie hat den Transvestiten „Mann“ abgeworfen, ein Prozess voller Ängste vor dem Ungewissen, wie Menschen reagieren werden.

Ich kann nur all denen Mut machen, es ähnlich anzugehen, denn damit und dadurch werden viele Umfeldbetroffene sich nach und nach per Bild und Text an eine solche neue Situation gewöhnen. Wenn dann eben der Tag der Gegenüberstellung kommt, ist jeder vorbereitet und dazu noch überrascht, wie entspannt alles sein kann. Dazu muss, natürlich, durch korrektes Auftreten entsprechendes beigetragen werden, um auch meinem Gegenüber, seine gewiss noch vorhandenen, Berührungsängste zu nehmen. Auch das will geübt und gelernt sein.

Und dazu ist tatsächlich der Gendertreff eine gute Ausgangsbasis, sich dererlei Situationen zu stellen und auch zu üben. Die zahlreichen Treffen und Ausflüge helfen gerade Anfängern auf ihrem Weg in "Ihre Normalität," sich ihrer eigenen Weiblichkeit bewusster zu werden und dieses innere Anima und Animus Verhältnis ins seelische Gleichgewicht zu bringen.

Lernen muß ein jeder und eine jede, dass es auch Kritik gibt, die ehrlich gemeint ist und die auch von denjenigen aufgenommen werden muss, ist selbstredend. Denn nur durch Kritik und Verbesserungsvorschläge kann das Äußere dazu beitragen, in der Gesellschaft leichter akzeptiert zu werden und seine eigene Persönlichkeit und Lebensweise zu entwickeln.

Der Gendertreff, als nunmehr Selbsthilfegruppe, verfolgt mittlerweile andere Ziele, als dies vor Jahren mal angedacht war. Aus dem "Verein Gendertreff" ist mittlerweile eine Gemeinschaft entstanden, die allen offensteht, sowohl Frauen und Männern als Interessierten und der Erfolg zeigt, dass dies der richtige Weg ist.

Zahlreiche Frauen sind dem Treff beigetreten, Interessierte, die sich informieren wollen, denn es wird hinterfragt wie es denn so sein wird oder auch ist, mit einem Partner zusammenzuleben der eben transsexuell oder transgenderist oder auch nur eine Form des fetischistischen Transvestismus ausleben will.

Hier kann ich dem nur beipflichten und sagen – weiter so – denn zu meiner damaligen Anfängerzeit, und das ist über 45 Jahre her, war man wirklich auf sich alleine gestellt und betrat die Öffentlichkeit ebenso verschämt und heimlich, wie es heute viele Männer und auch Frauen tun, die eine andere geschlechtliche Orientierung haben.

Vesta

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Ein Outing mal ganz anders

Unverhofft kommt oft. So war es auch hier, als Rita ein etwas ungeplantes Outing bei ihrer Schwiegermutter hatte. Rita, Ava und Bernadette aus dem Gendertreff Forum berichten:

Das Outing aus der Sicht von Rita

Lange haben meine Frau und ich uns überlegt, wie wir es meiner Schwiegermutter erklären. Es gab immer irgendwelche Vorwände, die es uns unmöglich machten, ihr zu erzählen, dass es Rita gibt. Einmal war es die Gesundheit meiner Schwiegermutter und das andere Mal die Frage, wie sie es aufnimmt, und wie Sie damit lebt. Na ja, auf jeden Fall waren wir uns einig, dass sie es auf jeden Fall erfahren sollte. Schon wegen der Tatsache, dass doch viele aus meiner kleinen Stadt, aus der ich komme, Rita kennen. Denn es war eben nur eine Frage der Zeit, wann irgendein Nachbar etwas erzählt. Und das sollte auf keinen Fall passieren. Aber dass es zu solch einem Outing wie dem im folgenden beschriebenen kam, wollten wir eigentlich auch nicht.

Es war ein Samstagmorgen, wir wollten zum Zug Richtung Koblenz. Ava und Bernadette kamen zu uns nach Hause. Wir wollten nach einem Kaffee gemeinsam zum Tranny-Bahnhof Gruiten gehen. Meine Frau war noch nicht ganz fertig, und deswegen gingen Bernadette, Ava und ich schon mal vor. Die beiden gingen als erstes aus der Wohnung, und ich folgte ihnen. Plötzlich fiel mir fast die Mütze weg: Meine Schwiegermutter stand am Weg und sah uns in ihre Richtung kommen. Ich ließ einfach meinen Koffer stehen und ging so schnell es ging zur Haustür zurück, und unverzüglich in die Wohnung.

Meine Frau hatte mich vom Fenster aus beobachtet, und es entwickelte sich eine heftige Diskussion. Meine Entscheidung stand aber fest. Ich wartete, bis meine Schwiegermutter nicht mehr zu sehen war, und dachte: „Was soll´s, ich geh jetzt einfach hinterher.“

Mit meinen Koffer, der noch in der Mitte des Weges stand, dort wo ich ihn hatte stehen lassen, zog ich also los. Aber ich kam nicht weit, ohne dass ich den nächsten Schreck bekommen habe. Meine Schwiegermutter unterhielt sich mit Ava und Bernadette. Ich wechselte die Straßenseite und habe verlegen etwas gewunken.

Zum Glück verabschiedeten sich Ava und Bernadette schnell von meiner Schwiegermutter und wir konnten gemeinsam zum Bahnhof gehen. Mir hing der Schock immer noch stark in den Knochen.

Etwas später kam meine Frau hinterher, und lief meiner Schwiegermutter ebenfalls in die Arme. So konnte sie ihr schon einmal eine kurze Erklärung abgeben. Dabei stellte sich heraus, dass sie Ava, die sie zuvor als Mann bei uns kennen gelernt hatte, sofort erkannt hat. Meine Schwiegermutter hatte sich aber doch über das Outfit gewundert.

Die richtige Aussprache kam einen Tag später, als wir aus Koblenz wieder zurück waren. Und das schönste ist: Meine Schwiegermutter hat nichts dagegen, solange meine Frau damit klar kommt. Mittlerweile habe ich meine Schwiegermutter auch als Rita getroffen, und selbst als ich Sie fragte, ob ich das, was ich anhatte, so tragen kann, sagte sie: „Ja, auf jeden Fall.“

Ist das nicht schön?

Ich habe leider die Unterhaltung zwischen meiner Schwiegermutter und Ava und Bernadette nicht mit bekommen.

Das Outing aus der Sicht von Ava

Nun, eigentlich ist alles schnell erzählt: Einige von uns wollten gemeinsam nach Koblenz fahren. Um der Reise einen gemütlichen Start zu geben, trafen sich Bernadette und ich zunächst bei Rita und ihrer Frau.

Als es Zeit wurde, zum Tranny-Bahnhof Gruiten zu gehen, wollte Kirsten noch etwas erledigen, weshalb Rita, Bernadette und ich schon einmal vorgingen. Schließlich wollten wir ja auch Xenia, Ute und Gitta am Bahnhof treffen.

Gesagt, getan. Wir verließen das Haus. Plötzlich hörte ich Rita hinter mir sagen: „Scheiße, meine Schwiegermutter!“ Noch ehe ich mich umgedreht hatte, war Rita wieder im Haus verschwunden. Bernadette und ich gingen einfach weiter und an Ritas Schwiegermutter vorbei.

Ritas Schwiegermutter sagte: „Hallo“, woraufhin ich „Hallo“ erwiderte.
Dann fragte sie: „Ist Kirsten noch drin?“. Ich sagte nur: „Ja!“

Wir haben dann eine Straßenecke weiter auf Rita gewartet. Ritas Schwiegermutter kam uns nach und wir haben uns noch kurz nett unterhalten. Dabei hat sie uns viel Spaß auf unserer Reise nach Koblenz gewünscht.

Dann kam Rita, winkte etwas verschämt ihrer Schwiegermutter zu und wir gingen gemeinsam zum Bahnhof. Kurze Zeit später kam auch Kirsten auf dem Bahnhof an. Sie berichtete uns, dass sie noch kurz über das Thema mit ihrer Mutter gesprochen hatte.

Übrigens: Kirsten berichtete mir, dass ihre Mutter meinte, ich hätte in meinem Kleid richtig gut ausgesehen. 🙂

Das Outing aus der Sicht von Bernadette

Es war am Tag zur Anreise nach Koblenz. Ava und ich trafen uns bei Rita und Kirsten, um gemeinsam zum Tranny-Bahnhof Gruiten zu gehen. Nach kurzer Begrüßung und einem Kaffee brachen wir auf. Kirsten war noch nicht ganz fertig, und so gingen wir drei schon mal langsam vor. Rita mit kleinem Abstand hinter uns,

Plötzlich verstummte das Rollgeräusch von Ritas Koffer. Ich drehte mich um und sah nur den verwaisten Koffer da stehen, wo ich Rita zu sehen dachte. Rita war weg!!!!

Erst da sah ich den Grund vor uns stehen: Ritas Schwiegermutter stand vor uns und fragte, wo denn Kirsten wäre, Ava gab ihr die Auskunft, aber das Fragezeichen auf ihrem Gesicht blieb. Keine Frage nach Rita, wir reimten uns den Grund zusammen und gingen weiter. Den Rest hat dann Rita schon beschrieben.

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