Auch Chrissies Dienststelle hat kein Problem

Autorin: Chrissie

Chrissie aus Bayern hat sich auf ihrer Dienststelle geoutet. Vielen Dank sagt der Gendertreff für diesen authentischen Bericht:

So nun hab ich’s hinter mir. Gestern outete ich mich. Und alles lief gut. So gut, dass ich heute noch heulen könnte vor Glück und Zufriedenheit.

Bereits am vergangenen Montag informierte ich eine Arbeitskollegin (die Person, die mich im März auf meine Kleidung ansprach), was ich vorhabe. Sie wünschte mir alles Gute, versprach mir zu helfen wo sie könne und noch bis zum offiziellen Outen still zu halten.

Das gestrige Gespräch begann in so lockerer Forum und Weise, dass ich ehrlich überrascht war, obwohl es über drei Stunden dauerte. Anwesend waren meine Vertrauensperson vom Personalrat, der Personalratsvorsitzende und meine direkte Vorgesetzte, die sog. „Geschäftsleitende Beamtin“. Mit moderaten Worten eröffnete meine Vertrauensperson die Runde und gab das Wort dann an mich weiter. Anfangs noch mit recht zitternder Stimme und wackelnden Beinen (trotz Sitzen) führte ich die Anwesenden hin zu meiner Geschichte und meinem jetzigen Dasein. Fast eine Stunde redete ich über mich, meine Arbeit, die Unterstützung meiner Frau und vieles mehr. Unterbrochen wurde ich kein einziges Mal. Allerdings schrieben Einige einiges mit.
Als ich fertig war, war ich so erleichtert, dass ich lächelte und zugleich ein paar Tränen vergoss. Und noch mehr, als Personalrat und Vorgesetzte mir folgendes zusagten:
(in Stichpunkten verfasst, sonst dauert´s zulange)

  • Keinerlei Diskriminierung in der Behörde
  • Keine Auswirkungen auf Beurteilung und evtl. Beförderungen
  • Beibehaltung des bisherigen Arbeitsplatzes, wenn gewünscht.
  • Nach Information der Beschäftigten (Rundmail) Ansprache als Frau „F“ und Änderung des Familiennamens im Telefon-, e-Mail Verzeichnis und an der Tür
  • Untersuchung beim Amtsarzt und anschließende Weiterleitung an entsprechende Ärzte zur Erstellung medizinischer Gutachten (freiwillig)

Ihr könnt euch vorstellen, dass ich nach diesem Ergebnis mir den Rest des Tages frei nahm und nach Hause fuhr.

Und heute war ich zum letzten Mal als „Mann“ verkleidet in der Arbeit und informierte per Intranet alle Kolleginnen und Kollegen über meinen Stand. Natürlich auch meine bei mir im Zimmer arbeitenden Kolleginnen. Die eine staunte nur und war „etwas erschüttert“. Die zweite lächelte zwar, aber so unsicher, dass es nicht einzuordnen war. Und die letzte Kollegin, die ja schon informiert war lächelte ebenso, als sie sagte: “Wir freuen uns auf Montag, wenn wir mit unserer neuen Kollegin Chrissie ab jetzt ein reines Frauenzimmer sind. Herzlich Willkommen und alles, alles Gute!“

So, das wars einmal. Am Montag dann beginnt eine andere Zeit. Hoffentlich eine bessere. Das wünsche ich mir so sehr. Aber der erste Schritt ist nun getan.

LG
Chrissie

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Suse und ihr Dorf

Nachdem Suse am 23.12.2011 von ihren Outings berichtet hatte, war nun ihr Heimatdorf dran.

So ihr Lieben, nach etwas längerer Zeit ist mal wieder ein diesmal etwas größeres Update angesagt.Zur Zeit meines letzten Updates war es ja so, dass das halbe Dorf hier gelesen (und Bilder geguckt) hat, und das ganze Dorf Bescheid wusste. Allerdings zum allergrößten Teil nur in der Theorie, d.h. die wenigsten hatten mich bis dahin mal live und in Farbe erlebt…

Beim Fußball war ich ja schon per Mail ausgetreten und auf den Spießrutenlauf durchs Dorf hatte ich auch nicht so wirklich Bock. Insofern haben mich eben nur meine Freunde, die direkten Nachbarn und evtl. ein paar indirekte Nachbarn gesehen.

Die Frage, die sich mir dann allmählich stellte war: Soll ich Karneval „the same procedure as every year“ machen oder mich geflissentlich aus allem heraushalten! Ich entschied mich für das Dinner for One…

Freitagabends ist Dorfdisco im Festzelt angesagt. Ich war mir nicht sicher, ob man mich im Dorf vielleicht als Hexe verbrennen würde und dachte mir, dass ich im Fall des Falles dann auch wenigstens so aussehen möchte!

Kurz gesagt, es war genauso schön wie immer mit dem zusätzlichen Effekt, dass ich so einige Gespräche mit Bekannten aus dem Dorf hatte, bei denen mir jeder von ihnen versicherte, damit üüüüüberhaupt kein Problem zu haben und dass ich mein Ding machen solle. Ok, wie ernst man solche Lippenbekenntnisse nehmen kann, steht auf einem ganz anderen Blatt geschrieben…

Samstags ist bei uns Ruhetag angesagt, da machen wir eigentlich nie was, da wir uns ja zum einen von freitags erholen müssen, zum anderen auf sonntags, den Hauptkampftag, vorbereiten müssen. Sonntags geht in Langel der Zug und für das kleine Dorf (bzw. sind es drei Rheindörfer) ist der Zug ziemlich groß und lang und schön. Meistens machen wir das so etwas fetenmäßig mit unseren Nachbarn unter uns (und einigen Freunden) zusammen, und da wir ca. 20 Meter vom Zugweg weg wohnen, stellen wir vorne an die Straße immer einen Stehtisch hin, einen Pavillon falls es regnen sollte und haben Fassbier und wenn es kalt ist etwas warmes (diesmal Hot Caipi) zu trinken. Drinnen gibt’s dann was zu essen. Zug war schön, ich war eigentlich nur präsent und zwar als Tigerin, was man zumindest daran sehen konnte, dass ich 9 cm Absatz unterm Schuh hatte…

Wenn dann der Zug vorbei ist, wird noch ein bisschen zu Hause (bzw. bei den Nachbarn) weiter gefeiert, bis alles gegessen und getrunken ist. Dann geht jeder noch dahin wo er möchte, die einen ins Zelt, die anderen in die Kneipe. Ich entschied mich, wie jedes Jahr, für die Kneipe. Kurz etwas anderes angezogen (die Tigerin war für die Kälte draußen ok, aber mit Fell in die warme Kneipe, nein danke!), und dann los. War ein schöner Restabend, hatte auch ein paar kleine Transgespräche zwischendurch, und letztendlich wusste jeder, das ich mich als Frau irgendwie verkleidet hatte und nicht als Frau verkleidet war. Das war mir schon wichtig!

Rosenmontag ist dann der nächste Ruhetag (man muss sich ja von sonntags erholen) und den Tag über haben wir zu Hause relaxed. Allerdings hatte ich abends Lust noch auf ein Bier in die Kneipe zu gehen, und das haben wir dann auch gemacht. Ich muss dazu sagen, dass Rosenmontag bei uns in der Kneipe von Karneval so gut wie nichts zu bemerken ist. Das ist wie ein ganz normaler Kneipentag, halt nur die Kneipe karnevalsmäßig geschmückt. Ansonsten gibt es kaum jemand, dem man ansieht, dass Karneval ist. Auch wir hatten uns dementsprechend nicht verkleidet… ich hatte nur ein T-Shirt mit einer Domkarikatur an, auf dem stand: „Jecke Wiever us Kölle“
An diesem Abend hatte ich echt ganz viele Gespräche mit den unterschiedlichsten Leuten.

Dienstagabend ist dann Nubbelverbrennung in unserer Dorfkneipe. Die war diesmal auch richtig toll (ist nicht immer so) und das Dorf hat viel mehr Akzeptanz gezeigt als ich das erwartet hätte, vor allem weil mir jeder mit dem ich mich über trans* unterhalten habe versicherte, dass es in Köln eigentlich kein Problem sei, aber hier auf dem Dorf… Und fast alle fanden meinen Schritt ziemlich mutig.

Ich wollte an Karneval dem Dorf eigentlich nur zeigen, dass ich mich nicht verstecke und zu dem stehe was ich bin und was ich tue, denn dadurch dass jeder es wusste, kam keiner auf die Idee, dass ich mich nur von Mann zu Frau verkleidet hätte.

Ok, aber letztendlich war es trotzdem „nur“ Karneval und ich wollte auf keinen Fall, dass die Leute auf die Idee kommen, ich würde mein Transsein nur einmal im Jahr an Karneval ausleben wollen!

Folglich habe ich nach Karneval das gemacht, was ich mir vor ein paar Monaten nicht im Traum hätte vorstellen können: Ich war seitdem ein paar mal an ganz normalen Tagen in unserer Kneipe. Gut, es kommen dann so Sätze wie von einer Bekannten an der Theke neben mir: „Ähm, warum siehst du denn so komisch aus? Karnval ist doch vorbei!“ Woraufhin ich antwortete: „Hör mal E., du willst mir jetzt nicht allen Ernstes erzählen, dass du die einzige im ganzen Dorf bist, die nicht Bescheid weiß?!“ „Nee, ich hab davon gehört.“
Also, es war einfach nur der Einstieg in das Gespräch um’s Thema, weiter nix, und das ist OK!

Als wir nach dem letzten Stammtisch im Brauhaus in Opladen im Dorf ankamen, hatte ich noch Lust ein Bier zu trinken, da ich ja den ganzen Abend über nur drei Kölsch getrunken hatte. Die Wirtin hatte echt eine enorm kurze Eingewöhnungsphase. Als wir rein kamen, stellte sie zwei Kölsch hin, machte zwei Striche auf den Deckel und schrieb „Suse“ oben drauf!

So, abschließend noch eine Sache, die ich recht spontan entschieden hatte, um das Dorf endgültig abzuarbeiten. Diese Woche Dienstag war ich nach der Arbeit als Mann in unserer Kneipe. Ein Bekannter (J. um die 70 Jahre alt) erinnerte mich daran, dass wir am Freitag Kartenspielen hätten (machen wir einmal im Monat). Ich erklärte ihm, dass ich da schon dran denken würde. Kurze Zeit später habe ich ihm dann mitgeteilt, dass ich als Frau zum Kartenspielen kommen würde und wenn er ein Problem damit habe, dann solle er es sagen, dann würde ich zu Hause bleiben. Nach 10 Sekunden Stille antwortete er: „Kein Problem, ich spiele auch mit Frauen!“ Folglich war Suse am Freitagabend erstmalig Kartenspielen. Kleine Anekdote am Rande: Ein anderer Mitspieler ist G., etwa im selben Alter wie J., der hatte mich noch nie als Frau gesehen und wusste nicht, dass ich so erscheinen würde. War aber auch kein Problem! Als wir die letzte Runde spielen wollte sagte ich: „Ich gehe vorher noch mal auf’s Klo.“ und G. antwortete: „Da komme ich mit.“ Ich: „Ich gehe aber auf das andere Klo!“ 🙂

Tja, jetzt ist das Dorf so weit abgearbeitet. Was man hinter meinem Rücken über mich erzählt, geht mir echt am hintersten Körperteil vorbei, aber ich habe den Eindruck, dass man sich schon irgendwie an mich gewöhnt hat, und ’ne Dorftranse hat hier echt Premiere, die gab es noch nicht vorher… 🙂

Jedenfalls haben sich an Karneval doch so einige mit mir zusammen fotografieren lassen, einer (ehemaliger Fußballkollege, der hatte sich gerade mit einer Frau fotografieren lassen) allerdings erst, nachdem ich ihn drauf aufmerksam machte, dass momentan Fotos mit mir zusammen hoch gehandelt würden… 🙂

LG
Suse

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Es geht voran

Auch Marina nimmt mit kleinen Schritten Ihre Familie mit und erlebt so viele schöne Momente. Aber lest doch bitte selbst Ihre Geschichte:

Nachdem ich Weihnachten das erste Mal als Frau mit meiner Familie gefeiert habe war mir klar, dass dies nicht das letzte Mal bleiben wird.

Wir hatten meinem Stiefvater zu seinem 76. Geburtstag einen Besuch des Planetariums im Vonderaumuseum Fulda mit anschließendem Familienessen in seinem Lieblingsrestaurant Kneshecke geschenkt. Leider war der einzig mögliche Termin am 04. Februar. Also während ihr anderen im Brauhaus Opladen wart, war ich mit der Familie unterwegs.

Meine Mutter hatte mir schon lange vorher gesagt, dass sie gerne ihren Sohn sehen möchte. Verständlicherweise war ich nicht besonders begeistert, habe aber erst einmal zugestimmt. Am Tag vor dem Termin habe ich meine Mutter noch einmal darauf angesprochen. Ich habe sie gefragt, was denn so schlimm für sie ist, wenn Marina mit der Familie ausgeht. Sie sagte mir, dass ich so seltsam wäre, sobald ich die Perücke trage. Ich muss hier einschieben, dass ich seit Weihnachten regelmäßig als Frau mit meiner Mutter am Wochenende einkaufen gehe. Ich fragte sie daher, ob ich denn genauso seltsam in ihren Augen bin, wenn wir zusammen einkaufen gehen. Sie sagte, nein, dann nicht. Also fragte ich sie noch einmal was dann so schlimm ist wenn Marina mitgeht. Darauf hin sagte sie mir, ich solle meine Stiefvater fragen, schließlich ist es sein Abend.

Sehr zu meiner Überraschung sagte mein Stiefvater: „Mach was du willst, mir ist es egal“. Na, das lass ich mir nicht 2x sagen. Eingeladen waren dieses Mal neben meiner Stiefschwester Carola auch ihre jüngere Schwester Linda. Ich hatte Carola Weihnachten gesagt, dass sie ruhig ihre Geschwister nach und nach auf mich vorbereiten darf, wenn sich die Gelegenheit ergibt. Also wusste Linda schon so ein bisschen Bescheid.

Am Samstag Nachmittag dann habe ich mich zurecht gemacht. Wobei ich mich sehr zurück gehalten habe. Ich muss ja irgendwie das Haus verlassen, ohne dass die Nachbarn etwas „Verdächtiges“ bemerken könnten. Noch wissen die Nachbarn nicht über mich Bescheid… aber kommt Zeit, kommt Rat, sagt man ja… Also habe ich angezogen: Grauer Schalkragen-Pulli, schwarze Stoffhose, flache Winterstiefeletten, Winterjacke mit Kunstpelzkragen. Dazu das bisschen Rest-Bartschatten abgedeckt (IPL sei Dank!!!) und die Augen ganz dezent betont. Meine Perücke habe ich in die Handtasche gesteckt, denn das würden die Nachbarn sofort bemerken.

Als mich mein Stiefschwester Linda so zum ersten Mal sah war sie einerseits erleichtert, andererseits auch erstaunt. Sie hatte sich vorgestellt, dass da eine Drag-Queen kommt. Stattdessen steht da eine Frau, dezent geschminkt und völlig alltagstauglich gekleidet. Im Endeffekt war sie sehr froh, dass es nur Marina und nicht die Drag-Queen ist, die da vor ihr stand.

In dem Moment wusste ich, dass ich auch meine 2. Stiefschwester für mich gewonnen habe, denn sie hat mich sofort gedrückt und wie eine Freundin begrüßt. Ab diesem Moment hat sie mich auch nur noch mit Marina angesprochen.

So sind wir also in die Stadt gefahren. In der Tiefgarage vor dem Museum habe ich dann meine Perücke aufgesetzt und wir sind zusammen ins Planetarium gegangen. Die Vorstellung kannte ich ja schon vom Besuch mit meinem Bruder im letzten November. Es war trotzdem interessant. Dann sind wir noch ins Museums-Café auf eine Tasse Kaffee/Tee, da wir bis zum Essen noch Zeit hatten.

Um 18 Uhr dann haben wir uns dann mit meinem Bruder und seiner Partnerin im Restaurant getroffen. Das Essen war wieder erstklassig und wir hatten einen schönen Abend zusammen.

Dann sind wir nach Hause gefahren und waren um 21 Uhr wieder zu Hause. Ich habe mich dann mit Linda zusammengesetzt und ihr viele meiner Bilder gezeigt, Zwei Seelen gespielt (wobei wir beide gemeinsam geweint haben) und die Videos von CSD Konstanz/Kreutzlingen gezeigt. Linda hat mir viele Fragen gestellt und ich habe sie, so gut ich konnte, beantwortet. Auch sie hatte die üblichen Vorstellungen und Vorurteile über Transgender, größtenteils einfach aus Unkenntnis.

Linda hat mich richtig spüren lassen, dass sie durchaus die Schwester sieht, nicht nur den „verkleideten Mann“.

Das wichtigste aber war, als ich meine Mutter fragte, wie denn der Abend für sie war. Meine Mutter sagte mir, dass es ein sehr schöner Abend war. Ich fragte sie, ob ich in ihren Augen wieder so „seltsam“ war. Sie sagte nein, dieses Mal war ich ganz anders.

Mir ist klar, dass diese Situation für meine Mutter nicht gerade leicht ist. Auch ich war immer unsicher in ihrer Gegenwart. Und deshalb denke ich, dass ich mich „seltsam“ benommen habe für meine Mutter. Dieses Mal aber habe ich mich völlig sicher gefühlt. Denn sowohl Linda, Carola als auch Sarah, die Partnerin meines Bruders, haben mich immer mit Marina angesprochen. Ich war einfach ich, ohne Angst, ohne Zweifel. Und deshalb denke ich, war es auch für meine Mutter in Ordnung.

Alle anderen, meine Mutter, mein Stiefvater und mein Bruder sprechen mich (noch) mit meinem Männernamen an. Ich mache mir nichts daraus, denn ich weiß, irgendwann kann sich auch das ändern. Irgendwann… denn ich bin hartnäckig und gebe nicht so schnell auf.

Am Sonntag dann sind meine beiden Schwestern abgereist und wir haben uns von einander verabschiedet wie das nur Schwestern tun. Es ist ein schönes Gefühl, dass ich immer mehr durch die Familie akzeptiert werde. Auch wenn noch nicht alle in der Familie Bescheid wissen, es wird irgendwann kommen, früher oder später, da bin ich mir sicher. Genauso wie ich irgendwann auch meine Nachbarn einweihen werde. Doch noch ist dazu nicht der richtige Zeitpunkt gekommen. Aber der Zeitpunkt wird kommen…. und ich bin mir sicher, es wird nicht mehr lange dauern.

Viele Grüße
Marina

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Suses Outings

Suse berichtet hier im Gendertreff Blog/Magazin über ihre weiteren Outings.

Das einzige Outing was ich mir noch vorgenommen hatte war meine Schwester, wobei ich gleich schon mal davon aus ging, dass sie nicht wirklich ein Problem damit haben wird. Ich erzähle jetzt mal den kompletten vorgestrigen Tag:

Meine Schwester, die ich ca. 1 1/2 Jahre nicht gesehen hatte, kam zu Besuch, und ihr gegenüber hatte ich mich noch nicht geoutet. Allerdings wollte ich das auch nicht überfallartig machen und war deshalb auch als Mann verkleidet. Sie kam morgens um 10 Uhr und beim ersten Kaffee sprach meine Partnerin irgendein Schlüsselwort aus, was sich gut zum Überleiten eignete, um meiner Schwester das mitzuteilen was ich eigentlich wollte. Sie reagierte so wie ich es erwartet hatte. Sie war etwas überrascht, ansonsten aber recht cool und hatte überhaupt kein Problem damit. Den restlichen Tag über haben wir uns (zwischendurch gab es natürlich auch ganz andere Themen) recht viel darüber unterhalten, wann es angefangen hatte und warum so ein spätes Outing für die Öffentlichkeit usw. Zwischenzeitlich habe ich mich gestylt, damit sie mich eben auch mal live, so wie ich bin, erleben konnte. Als sie sich gegen 17:30 Uhr verabschiedete machte sie das mit den Worten: „Tschö Schwesterchen“! 🙂

Um 18:30 Uhr hatten meine Partnerin und ich einen Termin privat bei unserer Friseuse. Eigentlich wollte ich dieser „ganz normal“ als Mann begegnen, ihr kurz erklären was so mit mir los ist und ihre Kreativität fordern bezüglich eines weiblicheren Haarschnitts, der allerdings so unisex sein sollte, dass ich ihn auch problemlos zur Männerfrisur umfunktionieren könnte, da ich leider noch nicht in meinem kompletten Leben als Frau rumlaufen kann.

Da ich aber überhaupt keine Lust hatte mich zu entbrezeln, ging das Ganze dann doch eher überfallartig vonstatten. Wir kamen bei ihr die Treppe hoch und ohne uns schon gesehen zu haben rief sie „Hallo ihr Lieben“, was ihr dann etwas im Hals stecken blieb, d.h. sie bekam für ca. 20 Sekunden den Mund nicht mehr zu. Allerdings hatte sie kein Problem damit und genauso hatte ich sie auch eingeschätzt. Um es kurz zu machen, Ideen hatte sie und hat auch was Tolles hin bekommen. (das Foto haben wir an dem Abend noch mit Blitz und Billigcam gemacht, in Wirklichkeit sieht das alles viiiiieeeel besser aus!

Ehe ich jedoch unter die Schere kam, hatte ich noch einen anderen Termin in der Nähe, und meine Freundin bekam ihren Haarschnitt in der Zeit wo ich weg war.

Ein Stück weiter traf ich mich mit einer Freundin, bei der ich geoutet war, vor dem Haus einer ihrer Freundinnen, die Kosmetik vertreibt. Ich kannte weder sie noch ihre restliche Familie. Dort wollte ich verschiedene Makeups testen, um zu sehen ob die Deckkraft reicht und den richtigen Farbton herausfinden. Ich wusste zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht, was meine Freundin ihrer Freundin bzw. deren Familie im Vorfeld erzählt hatte. Der Hausherr öffnete die Tür, gab mir die Hand, nannte seinen Vornamen und ich stellte mich mit „Suse“ vor. Im Wohnzimmer an einem Schreibtisch saß der 24jährige Sohn, der mir auch die Hand gab und artig seinen Namen sagte.

Später kam noch die Freundin des Sohnes und als ich mit der Makeupgeschichte durch war, habe ich mich noch etwas länger mit den beiden unterhalten, allerdings über alles Mögliche, nicht über Transsexualität! Alle gingen völlig normal damit um, obwohl sie im Vorfeld eigentlich nichts wussten. Es hatte aber bestimmt eine ganze Menge mit meinem selbstbewussten Auftreten zu tun, dass ich natürlich auch dringend brauchte, da ich immer zwischen Wohnzimmer und Bad, halb geschminkt, hin und her pendelte.

Gestern habe ich dann erfahren, was meine Freundin ihrer Freundin im Vorfeld sagte: „Du, ich hatte da einen Freund, das ist jetzt meine Freundin!“

So, was ich eigentlich mit diesen Buchstabenmassen ausdrücken wollte, war ein Beispiel dafür, wie Menschen, die einen jahrelang kennen, oder auch gerade kennenlernen und nie was mit dem Thema Transgender zu tun hatten, reagieren, wenn sie nicht nur Matsche im Gehirn haben. Vor allem bezüglich darauf, dass es nicht wirklich darauf ankommt besonders „stealth“ zu sein (was natürlich toll ist, wenn es in der Öffentlichkeit funktioniert), sondern man akzeptiert und toleriert wird so wie man ist!

Da der Tag damit endete, erzähle ich an dieser Stelle dann doch noch kurz, was ich schon in einem anderen Thread geschrieben hatte:

Nachdem ich eine neue Frisur hatte, die grauen Haare weg und meine Augenbrauen gezupft waren, wieder halbwegs passabel geschminkt war (es war mittlerweile 23:30 Uhr!!), musste ich noch dringend tanken.

Hinter der Kasse saß eine ältere Dame. Ich gab ihr meine EC-Karte, sie steckte sie ins Gerät und zwei Sekunden später stand auf dem Display „Zahlung erfolgt“.

Sie: Jetzt geht das nur mit Unterschrift.
Ich: Alles klar!
Sie: Ist das auch Ihre Karte?
Ich: Klar…. sehen Sie gleich bei der Unterschrift.
Sie: Ja also, ich meinte das jetzt nicht nur weil da ein Männername drauf steht, ich kontrolliere sowas lieber richtig.

🙂

LG
Suse

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Mein Umfeld

Zugegeben ich habe euch den Freund, den Sohn, den Ehemann , den Vater, den Onkel und so weiter genommen. Aber ich denke, wir haben alle gewonnen, denn ihr bekommt einen ausgeglichenen Menschen, der sein innerstes Ich zulässt. Der den Mut hat endlich nach über 40 Jahren dazu zu stehen was er eigentlich ist – eine Frau.

Ich bin so glücklich und froh, dass ihr alle zu mir steht, auch wenn viele von euch das alles nicht verstehen. Aber das müsst ihr doch auch gar nicht. Die Toleranz und Akzeptanz zählt und das Verständnis, dass es doch derselbe Mensch bleibt.

Seit meinem zweiten Outing, den Weg zur Frau komplett zu gehen, fühle ich mich wunderbar, bin glücklich und öffne mich. Mein Umfeld scheint das zu spüren, denn ich habe so viel neue Kontakte, Gespräche und Begebenheiten, auch bei und mit Menschen die noch nichts von meiner Transition wissen. Ich höre auch, dass ich ruhiger und zugänglicher geworden bin. Nichts davon möchte ich missen! Dieser Weg ist der Richtige, auch wenn der Übergang ungemütlich und steinig ist. Nicht nur, denn es gibt auch positives in dieser Phase, z.B. wenn sich langsam der Körper verändert. Langsam und in kleinen Schritten , denn auch die eigene Seele muss mitgenommen werden und nicht zu vergessen das Umfeld .

Es ist so wichtig, dass das vertraute Umfeld zu einem steht. Es gibt Vertrauen und Mut. Aber auch der Gendertreff hat mich in kleinen Schritten veranlasst, zu dem zu stehen was ich nun tue. Gewesen bin ich es schon immer.  Einige "Brocken" liegen noch vor mir, vor denen ich natürlicherweise Angst habe. Aber diese Hürden werden quasi Stück für Stück abgearbeitet. Da ist z.B. die Vorbereitung des Outings in der Firma. Auch dort müssen sich die Kolleginnen und Kollegen an die neue Situation gewöhnen, das geht nicht mit dem Holzhammer. Hier sollen der Betriebsrat und AGG-Beauftragte helfen und unterstützen. Dann ist auch noch viel Papierkram zu erledigen…

2004 , bei meinem Outing bei Ehefrau und Familie , dachte ich noch, dass das Ventil als "Freizeit- oder Teilzeitfrau" reichen würde. Auch das kostete Überwindung und ich habe Jahre gebraucht bis zu diesem Schritt. Aber dieses Hin- und herspringen war auf Dauer auch nicht die Erfüllung und teilweise zermürbend für alle Beteiligten.
Ich kann und will nicht mehr im männlichen Körper leben und das haben alle, besonders aber auch ich, verstanden. Jetzt geht es darum den richtigen Weg zu gehen und die Weiche ist gestellt und ich bin bereits mittendrin.

Ich freue mich auf die Veränderung und danke meinem Umfeld und den Halt den mir alle geben.

Lieben Gruß
Xenia

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Ginnys Erfahrung zur Partnerschaft

Im Hinblick auf das Thema Beziehung und Partnerschaft habe ich eine weniger angenehme Erfahrung gemacht, von der ich mal berichten möchte.

Und wir gerne hier, mit deiner freundlichen Genehmigung, veröffentlichen. (Team Gendertreff)

Die Geschichte ist mittlerweile schon über ein Jahr her. Eigentlich wollte ich schon früher hier posten, aber irgendwie kam dann immer was dazwischen. Aber die 1,5 Jahre Distanz sind eigentlich gar nicht verkehrt, dadurch kann ich weitaus weniger emotional davon berichten. Nun denn…

Anfang 2010 begab es sich, dass ich mich mit einer Kollegin anfreundete. Zunächst ein eher lockerer Kontakt mit lockeren eMails und Telefonaten, mit der Zeit wurden die eMails, SMS und Telefonate aber zahlreicher und vertrauensvoller…abendliche Telefonate konnten dann auch schon mal drei Stunden dauern. Dann kamen die gegenseitigen Besuche und wir beide merkten, dass sich da etwas anbahnte. Ich war natürlich auch sehr erfreut, war ich doch schon ziemlich lange solo. Allerdings war da natürlich noch etwas, was ich ihr bislang noch nicht anvertraut hatte.

Irgendwann im Frühjahr hatten wir uns dann Freitags bei ihr verabredet, gemeinsam DVDs gucken, und ich könne dann auch gerne bei ihr übernachten. Auf der Fahrt zu ihr war mir klar, heute Abend wird was passieren. Und mir war klar, dass jetzt der Zeitpunkt gekommen war, wo ich „Ginny“ nicht länger verschweigen darf. Ich hatte mir immer geschworen, dass ich, wenn sich eine Beziehung anbahnt, der designierten Partnerin vor der Intensivierung der zwischenmenschlichen Beziehung reinen Wein einschenke. Alles andere wäre in meinen Augen unfair.

Es kam dann wie erwartet, die DVD war eher nebensächlich, wichtiger war das in den Arm nehmen, Händchen halten etc.. Das war dann der Zeitpunkt, wo ich ihr von Ginny erzählt habe. Im Vorfeld hatte ich mir ein paar Formulierungen überlegt und hatte auch ein Bild von Ginny auf dem Handy.

Ihre Reaktion war zunächst überrascht, aber nicht abweisend oder gar angewidert. Sie hat dann auch einige Fragen gestellt, und hat auch betont, dass sie es super fände dass ich ehrlich zu ihr bin. Nach einer eher ruhigen Phase kam dann die Knutscherei und wir landeten schließlich im Bett…

Als ich dann am nächsten Morgen nach einer eher kurzen Nacht aufwachte war sie schon aufgestanden und in der Küche zu Gange. Auf dem Weg ins Bad merkte ich schon an ihrem eher knappen „Guten Morgen“ dass da irgendwas war. Später am Frühstückstisch war sie dann auch sehr wortkarg und der Tisch wirkte eher lieblos gedeckt. Nicht dass ich übermäßigen Wert auf Tischdeko lege, aber der Unterschied zum Abendessentisch am Abend zu vor war mehr als deutlich. Der Abschied fiel dann auch ziemlich kühl aus. Wir beide hatten an dem Samstag jeweils Termine bei unseren Vereinen, insofern war schon vorher klar dass wir den Samstag nicht gemeinsam verbringen.

Ich fuhr dann mit sehr gemischten Gefühlen ab. Zum einen die Freude, dass man womöglich einen Partner gefunden hat. Zum anderen das ungute Gefühl, dass da irgendwas bei ihr rumorte und nichts daraus werden würde.

Tagsüber kam dann auch nur eine knappe SMS von ihr, wo sie mir viel Spaß bei den Modellbau-Kollegen wünschte. Ich wusste, dass sie an dem Samstagabend mit ihren Vereinskollegen auf eine Kirmes hier in der Gegend gehen wollte und rechnete an dem Abend nicht mehr mit einem Anruf. Aber plötzlich, kurz vor 23 Uhr klingelte mein Telefon, und sie war dran, im Hintergrund eine Kirmes-Geräuschkulisse. Sie erzählte mir, dass sie den ganzen Tag nachgedacht habe und zu der Erkenntnis gekommen sei, dass sie mit mir keine Beziehung eingehen kann. Begründung u.a. war, dass sie auf einem Dorf wohnt, dort im Vorstand eines Vereins ist und kein Risiko eingehen möchte, im Dorf ins Gerede zu kommen. Sie hat mir aber auch gleich versichert, dass sie niemandem von meinem zweiten ich erzählen wird (das Versprechen hat sie auch eingehalten).

Natürlich war ich nach dem Telefonat ziemlich bedrückt, keine Frage. Aber irgendwie war ich auch erleichtert. Erleichtert, dass ich mich frühzeitig geoutet habe. Was wäre geschehen, wenn ich erst Monate später mit meinem Geheimnis rausgerückt wäre? Wenn die Beziehung schon feste Strukturen entwickelt hätte und dann schlagartig geendet hätte, mit all dem damit verbundenen Erklärungsbedarf gegenüber dem jeweiligen Freundeskreis? Ich will es gar nicht wissen, denn das wäre für mich keine Option. Ich würde den Weg mit dem frühzeitigen Outing immer wieder gehen. Das kann natürlich bedeuten, dass ich für den Rest meines Lebens ohne Partnerin bleibe. Sicherlich kein angenehmer Gedanke, aber ich kann und will Ginny nicht „abschalten“, „wegtherapieren“ oder sonst was. Ginny ist ein Teil meines Lebens, und das wird auch immer so bleiben.

Mit meiner Kollegin habe ich mittlerweile ein gutes, freundschaftliches Verhältnis. Zunächst war einige Monate weitgehend Funkstille, aber mittlerweile können wir beide sehr locker damit umgehen.

Liebe Grüße
Ginny

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Diversität: Wie aus Michael Megan wurde.

Profil: Männlich

Michael Wallent war ein erfolgreicher Manager. Er leitete nach seinem Eintritt bei Microsoft 1996 ein Team, das für die Entwicklung des Internet Explorers zuständig war. Später führte er eine Gruppe, die Windows Vista designte. Obwohl in der Sache sehr erfolgreich, stellten ihm seine Mitarbeiter für seine Führungsqualitäten kein gutes Zeugnis aus – sie kritisierten seine harsche, herablassende und unwirsche Art. Dann kam der Einschnitt: 2007 entschloss sich Michael zur Geschlechtsangleichung. Aus Michael wurde Megan.

Mehr lesen….

Quelle: Spiegel Online

Daniel McGinn ist leitender Redakteur der „Harvard Business Review“.

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Kerstin fasst sich ein Herz

Kerstin aus dem Gendertreff-Forum hat uns gebeten, ihr Outing bei ihrer Mutter zu bloggen. Das wollen wir hiermit gerne tun.

Hallo Ihr lieben!

Heute Nachmittag habe ich mir ans Herz gefasst und mich endlich bei meiner Mutter geoutet. Es musste einfach sein, weil ich bei dieser Sache, die mich so bewegt und ein wirklich großer Teil meiner Seele und überhaupt von mir ist, das Gefühl hatte sie anzulügen, indem ich nichts davon erzählte. Auch wenn ich irgendetwas unternommen habe musste ich irgendeine Geschichte auftischen. Nein, ich wohne nicht mehr bei meinen Eltern. Auch wollte ich Ihr die Bilder zeigen, auf die ich teilweise riesig stolz bin und von Erlebnissen berichten.

Ich habe meine bewährte Methode angewendet. Ich habe immer zwei kleine Bilder von Kerstin in meinem Portemonnaie. Eins in blond und das andere mit roter Frisur. Die habe ich ihr hingehalten und gefragt, ob sie die kennen würde. Vorher habe ich nochmal überprüft ob mein Vater wirklich draußen arbeitet und nicht jeden Moment hereinkommen könnte. Mit meinem Bruder bin ich da einer Meinung, dass er es nicht verstehen würde. Seine größte Angst war in unserer Kindheit, dass wir schwul werden, wenn wir den Puppenwagen der Nachbarin schieben oder mit Big Jim spielten (männliche Barbie mit Jeeps, Abenteuerausrüstung, Westernklamotten und diverse Waffen).

Sie sah sich die Bilder an und relativ schnell fing sie an zu schmunzeln und fragte, ob ich das sei. Ich bejahte das. Dann fragte sie nach, ob ich auch die Blonde bin. Auf dem Bild hätte sie mich nicht erkannt, sagte sie. Dann ging ihr Mundwinkel etwas nach unten und sie sagte, dass sie es nicht verstehen würde. Was sie nicht verstünde, fragte ich. Warum ich das mache. Dafür habe ich selber auch keine wirklich gute Antwort. Da sagte ich, dass ich das brauche. Ich will keine Hormone oder Operation, es reicht mir wenn ich hin und wieder zu Kerstin werde.

Eine Frage ließ mich zusammen zucken: Ob wir uns an kleinen Mädchen vergreifen. So etwas von meiner Mutter zu hören… Da war ich einen Moment richtig sauer und sagte ihr, dass wir doch keine Perversen sind! Ich glaube das war ihr auch nur herausgerutscht. Ich merkte ihr an, dass sie doch erst mal platt war und nicht wusste, was sie sagen solle. Sie ist siebzig und hat sich noch nie mit dem Thema näher beschäftigt

Dann machten wir erst mal das wofür ich gekommen war und ihr helfen sollte – Onlinebestellungen von Medikamenten.

Danach zeigte ich ihr meine Picasa Seite. Ich erklärte ihr verschiedene Besonderheiten an den Bildern. Dann meinte sie, ich wäre echt hübsch, schade dass ich kein Mädchen geworden bin. Da merkte ich, dass sie etwas lockerer wurde. Es kamen noch Fragen wie z.B. wo ich die ganzen Klamotten her habe, wo ich die unterbringe, wie ich mit den Absätzen laufen kann, wie viel Schuhe ich habe, ob ich so bei mir herausgehe, wo ich mich umziehe und so weiter.

Dann hörte ich meinen Vater durch den Flur laufen. Ich habe schnell den Bildschirm "gesäubert". Nachdem ich ihr den Link zu meinen Bildern und zu verschiedenen Foren in ihre Lesezeichen gespeichert hatte, verabschiedete ich mich. Ich war irgendwie sehr emotional und zitterig und bin es jetzt immer noch. Das war doch etwas heftig. Dann machte ich etwas, was ich viel zu selten mache: Ich sagte ihr, dass ich sie lieb habe. Daraufhin umarmte sie mich, was irre gut tat!!!

Im Prinzip hat sie genau so reagiert, wie ich es eingeschätzt habe. Sie muss das erst mal verarbeiten, hat es aber sehr gut aufgenommen. Warum habe ich dann ein flaues Gefühl im Bauch??? Eigentlich müsste ich doch erleichtert sein!?

Liebe Grüße,
dat Kerstin

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Linas Geschichte

Lina37 hat ihre Geschichte freundlicherweise für das Magazin frei gegeben:

Hallo ihr Lieben,
Ich bin ja schon einige Zeit hier, habe aber im Gegensatz zu den Anderen noch recht wenig über mich geschrieben….

Also, meine Mutter erzählt immer wieder die Geschichte, dass ich mit fünf Jahren manchmal mit den Worten „Heute bin ich ein Mädchen“ aufgestanden bin. Meine Mutter ist da auch sehr locker gewesen und hat mich dann auch den ganzen Tag so angesprochen. Ich hatte auch etwas längere Haare (meine Ma ist ziemlich alternativ) und auch nicht so die typischen Jungs-Klamotten und Spielzeuge, einen Vater hatte ich nie. Dennoch glaube ich, dass meine Mutter das eher als ein Spiel von mir gesehen hat. Leider bin ich dann mit sechs zu meinen Großeltern gekommen, welche sehr streng und spiessig waren und für die ich damals total verzogen war. Ich habe dann die Grundschulzeit dort verbracht, war aber immer Aussenseiter in der Klasse, hatte keine Freunde, weshalb mich meine Großeltern im Fussballverein anmeldeten, wo ich auch nie anerkannt wurde. Ich war halt zu weich. Nach der Grundschulzeit kam ich dann zurück zu meiner Mutter, welche inzwischen einen neuen Mann hatte, was zu sehr großen Problemen geführt hat bis ich mit 18 ausgezogen bin.

Ich hatte während der Pubertät eigentlich nur weibliche Freunde und mir oft vorgestellt, wie meine beste Freundin zu sein und habe mich insgesamt ziemlich rebellisch verhalten. Mit 15 wurde ich Punk, habe teilweise absichtlich auf der Straße gelebt und in besetzten Häusern übernachtet, obwohl ich ein Zuhause hatte. Mit 18 habe ich dann die Stadt verlassen und bin nach Düsseldorf…durch die ganzen Probleme, die ich hatte, war „Lina“ auch ganz verschwunden, ja, ich erinnerte mich sogar nicht mehr an Gefühle, die ich als Kind und Teenie hatte. Im Laufe der Jahre hatte ich mehrere feste Beziehungen, bei denen aus heutiger Sicht oft mehr Bewunderung als Begehren der Grund für die Liebe war. Dadurch das ich mit 20 auch noch sehr weiche Gesichtszüge und auch mal längere Haare hatte, kam es zweimal vor, dass eine Freundin von mir mich „nur mal so zum Spaß“ geschminkt hat und ich mir auch sehr gefallen habe, aber es nicht zugeben wollte.Dann hatte ich eine sehr lange Beziehung, in der meine damalige Partnerin und ich zusammen wohnten. Und so kam es eines Tages, sie war oft abends arbeiten oder aus, dass ich heimlich ihre Sachen anzog. Und mich so gut gefühlt habe…aber nur kurz, denn nach einiger Zeit kam wieder das ungeheure Schamgefühl.

Eines Tages erwischte sie mich. Erst hat sie mich ausgelacht und dann hat sie sich einen Neuen gesucht. Es folgten sehr depressive Jahre, ich bin mittlerweile dreißig und in eine andere Stadt gezogen. In diesen Jahren habe ich meinen Körper aggressiv zerstören wollen. Ich habe mich zwei Jahre kaum gewaschen, habe sehr ungesund gelebt und mich mit allem betäubt, was mich nicht direkt tötete. Als ich dann eines Abends am Dortmunder Hauptbahnhof so verprügelt wurde, dass ich ein halbes Jahr in Krankenhaus und Reha verbracht habe, hörte es zumindest auf, dass ich mich so dermaßen hängen ließ. Ich zog zurück an den Rhein und wollte mein leben in den Griff bekommen. Ich fing an, mir Kleidung zu bestellen und startete die ersten Schminkversuche. Allerdings waren das immer nur Phasen. Dazwischen habe ich mich dann immer geschämt und wollte nichts davon wissen, habe oft Sachen weggeschmissen.

Als ich dann meine jetzige Freundin (SabZi) kennengelernt habe, habe ich davon natürlich nichts gesagt. Ich habe inzwischen gelernt, mich als Mann auch unter Männern zu behaupten und verstand es sehr gut, ihr auch das Bild eines sehr männlichen Typs zu suggerieren. Dafür habe ich mich manchmal extra wie ein Schwein ihr gegenüber verhalten. Selbst als sie den Schminkkoffer fand und mich zur Rede stellte, war ich nicht mutig genug, dazu zu stehen, sondern habe es als depressives Fluchtverhalten abgetan, welches ich nun ja nicht mehr nötig habe. Das Blöde oder besser das Gute an Dingen, die wir verdrängen, ist, dass sie mit voller Wucht zurückkommen. Und so kam es so stark zurück, dass ich in meiner Panik mit ihr Schluss machte, die Geschichte dazu habe ich ja bereits in meinem Vorstellungsthread geschrieben.

Wie ihr wisst, sind wir ja wieder sehr glücklich zusammen, dennoch ist auch vieles nicht so einfach. Trotz dass ich nun einige Male draußen war und meine Freundin habe, fällt es mir immer noch etwas schwer. Auf der einen Seite habe ich nun alle Freiheiten, auf der anderen Seite fangen damit auch eine ganze Menge Schwierigkeiten an. Ich fühle mich selber viel mehr, habe ein viel größeres Körperbewusstsein, wenn ich Lina bin. Und habe zur Zeit eine größere gefühlte Ablehnung, wenn ich Mann bin, als je zuvor. Vielleicht ist es ja auch nur jetzt am Anfang so und es pendelt sich irgendwo ein. Vielleicht ist es aber auch mehr. Ich war heute bei Frau Dr. Schleussner und sie sagte, ich soll einfach Lina komplett in meinem Alltag integriert leben und mal eine Woche permanent auch so vor die Tür gehen. Da ich ja von zu Hause aus arbeite und die Auftragslage gerade sehr schlecht ist (ich arbeite in der Mediengestaltung) habe ich zumindest keine Probleme wegen einem Arbeitgeber.

Seit meinem Outing tut sich so viel in mir und ich bin teilweise wirklich überfordert mit meinen eigenen Gefühlen. Ich hoffe, ich habe Euch nicht gelangweilt mit meiner Geschichte, aber es tat mal gut, es so aufzuschreiben und ich freue mich, Euch morgen Abend zu sehen!

Lina

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Ein Seminarerlebnis

Nathalie aus dem Gendertreff Forum wurde zu einem Seminar eingeladen und berichtet von ihren Erfahrungen:

Ich kann es selbst kaum glauben. Da war ich, dank meiner Kollegin, bei einem Seminar über das Thema „Entscheidungen“ eingeladen. Davon möchte ich heute berichten.

Wir fuhren gemeinsam zum Tagungshotel. Mir war ein wenig mulmig, da ich so etwas noch nicht gemacht hatte. Wie würden die restlichen Teilnehmerinnen auf mich reagieren?

Während der Fahrt unterhielten wir uns über die kommenden Situationen. Gemeinsam wollten wir die Reaktion der Anderen doch ml austesten und verabredeten, dass ich erst einmal nichts verraten sollte. Zuerst meldeten wir uns an der Rezeption und bekamen die Zimmerschlüssel. Zu meiner Überraschung war ich als Nathalie im Hotel angemeldet.

Nachdem wir die Koffer in die Zimmer abgestellt hatten, gingen wir gemeinsam in die Lobby. Zwei der insgesamt zehn Teilnehmerinnen waren schon da und ich stellte mich als Nathalie vor. Erst einmal keine besondere Reaktion. Nach und nach trafen auch die restlichen Frauen ein.

Es wurde Zeit für das Abendessen. Wir kamen sehr schnell ins Gespräch, unterhielten uns über das Seminar und die Teilnehmer. Da ich die einzige Neue war, kamen einige auf die Idee, mich bei der Vorstellungsrunde im Seminar in die Mitte zu setzen. Jede sollte das Positive an mir beschreiben. Ich hörte auf einmal mein Herz klopfen.

Irgendwie war mir der Einfall überhaupt nicht recht und machte den Vorschlag einer ganz normalen Vorstellungsrunde, da ich ja auch niemanden kannte. (Puuh, noch mal Glück gehabt). Bei der Vorstellung kam die Katze aus dem Sack. Einige lächelten, andere staunten und von ein paar Mädels war keine Reaktion zu sehen. Am Abend saßen wir in einer Sitzgruppe beisammen und bei einem Bier, Wein oder anderem Getränk hatten wir viele gute Gespräche. Es war ein so tolles Zusammensein, so dass die Zeit wie im Flug verging. So gegen 23:30 ging ich dann auch ein mein Zimmer. Alles war gut, sehr gut, perfekt.

Dann kam die Nacht. Leider hatten wir in dem fast vollem Hotel auch ein paar Gäste, die ihren Alkoholkonsum nicht so sehr im Griff hatten. Diese gingen zwischen 0:30 und 4:30 mit einem Geräuschpegel zu Ihren Zimmern, dass an Schlaf nicht zu denken war. Ich hätte wohl doch von den Betthupferln gebrauch machen sollen, oder ?

Der zweite Tag war genauso interessant wie der Erste. In einer Pause sagte eine Teilnehmerin, dass sie, als sie mich zuerst sah, schon etwas geahnt hatte. Sie sagte sich, da stimmt was nicht, war sich aber unsicher was, da eine Kollegin von ihr auch einen starken Körperbau hatte.

Alles in allem wurde ich von der gesamten Gruppe superlieb aufgenommen. Es war ein tolles Erlebnis für mich. Zu meiner Überraschung wurde ich zum Abschluss von der Gruppe zu weiteren Teilnahmen eingeladen. Ich fand das total schön von den Mädels.

Vielen Dank auch an meine Kollegin, die diese tolle Idee zu der Seminarteilnahme hatte.

Viele Grüße

Nathalie

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