Floras Problem mit dem „Passing“

Autorin: Flora99

Für viele Trans* Menschen ist das Passing so ein bisschen wie ein Ritterschlag- die endgültige Bestätigung der eigenen Ausstrahlung im richtigen Geschlecht. Stimmt das Passing, fühlt sich Mensch gleich viel selbstbewusster und bestätigt und bekommt das auch von außen mitgeteilt. Eigentlich eine rundum positive Sache- könnte man meinen.

Ich habe trotzdem seit geraumer Zeit ein Problem mit dem Begriff und dem Prinzip „Passing“. Schon der Ursprung ist mir zuwider; im englischen bedeutet „to pass as […]“ so viel wie „als […] durchgehen“, heißt übertragen auf die Situation von trans* Menschen, eine Transfrau mit gutem Passing „geht als (Cis) Frau durch“ und ein Transmann „geht als (Cis) Mann durch“. Nun gibt es ja Leute, die das Attribut „Trans“ für sich nur als Übergangsbeschreibung nutzen, und dieses nach abgeschlossener Transition hinter sich lassen. Für diese Leute mag das Prinzip „Passing“ okay und überlebenswichtig sein – ich aber definiere „Trans*“ als Teil meiner ganz persönlichen Identität und damit als Teil meiner selbst. Soll heißen: Wenn ich als Trans* Mensch ein gutes „Passing“ habe und damit als Cis Frau „durchgehen“ will, ist es das erklärte Ziel meines Passings, mich nicht als Transfrau erkennbar zu machen, meine Identität zu verschweigen. Ich würde sogar noch weiter gehen: Indem wir Trans* Menschen immer weiter versuchen, unser „Passing“ zu verbessern und damit dem Cisgender-Stereotyp hinterherhecheln, unterstreichen wir nur noch mehr die Ansicht, dass Trans* Identitäten und Körper weniger wert sind als die unserer Cis-Gegenstücke. Wir wollen als „echte“ Frauen und Männer durchgehen – und bezeichnen uns als Trans* Menschen damit unbewusst als „unechte“ Männer und Frauen; wir werten uns selbst ab.

Aber warum? Nun, der Aspekt der Sicherheit ist nicht von der Hand zu weisen. Auch wenn die Bundesrepublik nachweislich eines der transfreundlichsten Länder der Welt ist, vor Ausgrenzung, Diskriminierung oder sogar Gewalt aufgrund der eigenen Geschlechtsidentität ist auch hier niemand komplett sicher. So kann es für Trans* Menschen durchaus wichtig für die eigene Gesundheit sein, ein gewisses Passing zu besitzen. Dennoch scheint es mir häufig so, als wäre das Passing das einzig erklärte Ziel einer körperlichen Transition für viele Leute. Die veraltete Beschreibung „zur Frau/zum Mann werden“ für die körperliche Transition sagt da im Prinzip schon alles – möglichst nah ran kommen an das Aussehen von Cis Menschen, um sich vollständig zu fühlen. Und an diesem Punkt stelle ich ganz deutlich die Frage: Warum eigentlich? Warum sind Cis Menschen immer noch für (nicht alle, aber viele) Trans* Menschen das non plus Ultra wenn es darum geht, wie „Männer“ und „Frauen“ auszusehen haben?

Ich wachse in einer Zeit auf, in der es (zumindest im englischsprachigen Raum) schon zahlreiche Vorbilder und Berühmtheiten aus der Trans* Community gibt. Ich hatte eine Zeit, in der wollte ich unbedingt die breiten, weiblichen Hüften haben, die Laverne Cox auf ihrem bahnbrechenden Time-Cover zeigt (das sie als erste Transfrau in der Geschichte des Magazins schmücken durfte). Sie waren für mich das Symbol von Weiblichkeit, auch für eine Transfrau. Doch damals ohne jeglichen Zugang zu Hormonen oder die nötige Kreativität, mit Stoff nachzuhelfen, lernte ich irgendwann meine schmaleren Hüften „kennen und lieben“, wie man so schön sagt. Ein banales Beispiel, ich weiß, aber ich will damit zum Ausdruck bringen, dass ich es für extrem gefährlich halte, sich auf der Suche nach dem richtigen Verhältnis zum eigenen Körper als Trans* Person dazu verleiten zu lassen, unbedingt das größtmögliche „Passing“ erzielen zu wollen. Meine Hüften mögen nicht das aller femininste Modell sein, aber ich mag sie – das musste ich nur erstmal bemerken, und mich dazu von dem vorgezeichneten Bild einer „echten“ weiblichen Hüfte entfernen. Dieselbe Laverne Cox, die bei mir damals durch ihr Aussehen dafür gesorgt hat, dass ich für mich selbst eine viel zu hohe Messlatte setzte, spricht schließlich selbstbewusst in ihrer tiefen Stimme und trägt ihre breiten Schultern mit Stolz – wie eine (Trans-) Frau, die mit sich selbst und ihrem Körper im Reinen ist. Dabei sieht sie fantastisch aus – obwohl sie eindeutig als Transfrau erkennbar bleibt. Und genau das ist der Punkt. „Trans is Beautiful“ ist ihr Credo, das mich so fasziniert hat. „Trans ist schön“, Trans* Menschen, ihre Körper und ihr Aussehen sind genauso viel wert und genauso schön wie die von Cis Menschen. Das ist die Botschaft, die meiner Meinung nach einer jeden Trans* und Cis Person klar sein muss. Durch das Prinzip „Ich muss als Cis Frau/Mann durchgehen, um schön zu sein“ degradieren wir uns nur unnötig selbst.

Mir ist bewusst, dass dieser ganze Text als heuchlerisch wahrgenommen werden kann, wenn ich ihn als junge Transfrau schreibe, die Hormone bekommen konnte, bevor die Pubertät bei ihr große Spuren hinterlassen hat. Mein „Passing“ ist etwas, das mir schon oft Lob eingebracht hat („Boah, das hätte ich nie erkannt, dass du Trans bist!“, „Mensch, du siehst ja aus wie eine richtige Frau!“) und ich bin für jedes Lob dankbar. Aber ich bin es auch leid, dass mit so gut wie jedem dieser Komplimente mein Trans-Sein als unerwünscht oder eben „nicht echt“ dargestellt wird („richtige Frau“=Cis Frau). Es ist schließlich schon lange nicht mehr mein erklärtes Ziel, jedes Merkmal meines Körpers, das mich als Trans* kennzeichnen könnte, zu verstecken, sondern mich in meiner Haut wohlzufühlen. Ich wünsche mir für die Zukunft, dass wir als Trans* Leute aufhören darauf hinzuarbeiten, wie Cis Leute auszusehen, und stattdessen versuchen, das Äußere und das Auftreten zu erreichen, mit dem wir uns selbst am besten gefallen. Ob man damit am Ende nun aussieht wie eine Cis Person oder nicht, sollte komplett egal sein. Hauptsache man gefällt sich am Ende selbst- „Passing“ hin oder her.

Anmerkung: Ich benutze in diesem Text bewusst Formulierungen, die sich auf binäre Trans* Menschen beziehen, weil das Prinzip „Passing“ auf nichtbinäre Menschen meines Wissens gar nicht richtig passt (korrigiert mich wenn ich falsch liege). Meine hier geäußerte Meinung entspringt aus meiner ganz persönlichen Wahrnehmung der „Gefühlslage“ innerhalb der Trans* Community.

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Wie eine Perücke ein Gesicht verändern kann

Viele Mann-zu-Frau Transgender tragen Perücken. Teils tragen sie die oft als „Mütze“ verballhornten Haarteile, weil sie ihre Transidentität in Teilzeit leben und unter der Perücke eine männliche „Tarnfrisur“ tragen, mit der sie in ihrem Alltag leben. Teils hat aber auch einfach das Testosteron Spuren bei der vielleicht in früheren Jahren einmal viel dichteren Haarpracht hinterlassen. Und welche Frau läuft schon gerne mit hohen Geheimratsecken, Halbglatze oder gar Vollglatze herum?

Die Auswahl der richtigen Perücke ist jedoch nicht immer ganz einfach. Denn die Perücke soll zum Typ und zum Gesicht passen. Schließlich beeinflusst sie das Passing der Transperson wesentlich.

Wie das dann aussehen kann, demonstrieren Ava, Helen, Rita und Chrissie aus dem Gendertreff-Team in einem Selbstversuch. Denn am Rande des Gendertreff Iserlohn hatte sich ein Kontakt zum Perückenstudio Cutrins in Iserlohn ergeben. Schnell war ein Termin ausgemacht und auch das Team von Cutrins hatte Spaß an der Idee, einfach mal zu demonstrieren, wie eine andere Haarfarbe und eine andere Frisur bei immer der gleichen Person wirkt.

Also trafen wir uns in Iserlohn, um einmal ausgiebig zu testen. Ava machte den Anfang.

Ava ungewohnt blond.

Die folgende Perücke brachte zwar allgemeine Erheiterung, konnte aber nicht wirklich überzeugen.

Diese hier passt dagegen eher zum Typ.

Oder darf es dieses Modell sein?

Mit dem folgenden Modell hatte Ava die Lacher auf ihrer Seite.

Und ja: Wir hatten alle viel Spaß an diesem Nachmittag.

Auch dieses Modell taugte bei Ava eher zur allgemeinen Belustigung. Doch das bedeutet nicht, dass es nicht bei anderen Personen hervorragend aussehen kann.

Ava noch einmal ungewohnt blond und mit kurzen Haaren.

Und noch einmal Ava und blond – aber mit langen Haaren.

Dann wurde noch einmal eine dunkle Perücke mit langen Haaren getestet.

Ja, und wer wissen will, für welche Perücke Ava sich entschieden hat, muss den Blogbeitrag bis ganz unten weiter durchlesen. 😉

Nach Ava begann Helen mit dem Perückentest.

Auch bei Kurzhaar-Frisuren gibt es etliche Varianten.

Es lohnt sich tatsächlich, immer einmal diverse Varianten zu testen – auch solche, die man sich zunächst gar nicht vorstellen kann.

Helen einmal mit kurzen (oben) und mit langen Haaren (unten).

Hier noch einmal eine dunklere Kurzhaar-Perücke.

Helen mit roten kurzen Haaren.

Auch Rita probiert hier zunächst einmal eine rote Perücke aus – aber eben mit langen Haaren.

Ganz ungewohnt: Rita mit kurzen Haaren.

Mit diesem Modell hatte dann Rita die Lacher auf ihrer Seite.

Hier sehen wir Rita noch einmal mit einer roten Langhaarfrisur.

Rita mit mittellangen Haaren und Strähnchen.

Hier noch einmal eine dunkelblonde Kurzhaar-Variante.

Eine ähnliche Haarfarbe, aber mit längeren Haaren.

Dann hat Chrissie noch einen kleinen Test gemacht. Nun werden sich einige Leser fragen, warum sie denn einen Test gemacht hat. Denn Chrissie hat ja ihre eigenen Haare und trägt gar keine Perücke.

Aber auch das eigene, echte Haar kann durch ein Haarteil noch fülliger wirken: Oben sieht man Chrissie nur mit ihrem echten Eigenhaar, unten mit einem etwas mehr Fülle gebenden Haarteil.

Ja, und dann haben wir noch ein Gruppenfoto gemacht, auf dem wir alle unsere frisch erworbenen Perücken tragen. Wichtig ist, die Perücke tatsächlich in Ruhe auszusuchen und einfach einmal ein klein wenig auszuprobieren. Eine Perücke muss zudem meist ein wenig angepasst, also beigeschnitten, werden.

 

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Gehenlernen leicht gemacht

Zum perfekten Passing gehört auch der richtige, d.h. weibliche Gang. Das Problem: Wo übt Frau diesen. Sicher: Wenn man erst einmal ausgeht, kommt vieles mit der Zeit von ganz alleine.

Eine augenzwinkernde und nicht immer ganz ernst gemeinte Möglichkeit ist, die Sache mit dem perfekten, in unserem Sinne also weiblichen Gang einmal virtuell auszuprobieren. Die Webseite Walker des Biomotionlab bietet hierzu alle Möglichkeiten. Eigentlich entwickelt um Trickfilme realistisch zu gestalten, könnt Ihr mittels diverser Einstellungen den Gang der Geschlechter simulieren.

Probiert doch also einfach einmal aus, wie die wichtigsten Körperkoordinaten sich verändern, wenn z.B. ein schwerer Mann relaxed und glücklich läuft. Oder schaut einmal, wie sich die Körperhaltung und der Gang ändern, wenn daraus eine leichte Frau wird.

Interessant als Simulation für Euer Passing: Ist man nicht entspannt und selbstsicher, so schlägt dies auf den Gang und die Körperhaltung durch. Dies lässt sich hier sehr realistisch simulieren und Ihr bekommt sozusagen einen virtuellen Spiegel vorgehalten.

Unser Tipp: Den Link findet Ihr auch hier .

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