Berufliches Desaster

Autorin: Katja

Hallo,
es ist in dieser Zeit sehr viel passiert, schöne Erlebnisse aber auch heftige die mein Leben grundlegend Veränderten.

Nun der Reihe nach.

Den Nebenjob bei der Lebensmittelkette war und ist schön gewesen. Vorbei, weil ich dort zu gründlich war und mir etwas zu viel Zeit gelassen habe. Auch bei einem anderen Markt ging es nicht gut. Meine Gründlichkeit war der Vorarbeiterin ein Dorn im Auge. Konserven und Tiernahrungsprodukte waren auch anstrengend. Von meinen Arbeitseinsatz waren sie wohl zufrieden auch zu meiner Person waren sie sehr angetan, ein schönes Klima eben dachte ich.

Zum Ende des Jahres kam ein Disput mit der Vorarbeiterin als sie sich Kopfschüttelnd von mir entfernte. Meine Gründlichkeit fiel den Festangestellten auf, was sie auch honorierten. Nur die Vorarbeiterin wies mich ab. Ich zog die Konsequenzen und kündigte erhobenen Hauptes.

In dieser Zeit war es sehr turbulent. Es ging auf und ab in dieser Zeit auch im noch realen Hauptjob war der Druck gestiegen. Das da jemand mit mir ein Spiel spielt, konnte ich bis dahin nicht sagen. Das Jahr endete mit einem Paukenschlag, mehr kann ich dazu zurzeit nicht sagen. Das neue Jahr begann mit einem schönen Erlebnis, Eine Silvester Feier aufm Rhein und verabschiedete das alte. Ja das war sehr schön. Aber was danach kam ist die Hölle auf Erden und habe ich in meinem Leben noch nie erlebt. Es war ein Schlag in die Magengrube und brachten meine Nerven zum Zusammenbruch. Es war so schlimm, dass ich in Betracht zog mein Leben zu beenden. Ich konnte einfach nicht mehr. Psychische Behandlung und Medikamente päppelten mich wieder auf. In dieser Zeit standen meine Freunde und Familie hinter mir. Ja ich wurde eingeladen zu unserem jährlichen Grünkohlwandern. Es hat mir gut getan und ich konnte ein wenig Abschalten.

Am 25 02.2015 war ein Termin, bei dem mich Nathalie begleitete. Meine Gefühle fuhren Achterbahn und ich sah in dieser Zeit mein Leben wie im Film ablaufen als diverse Mitstreiter mich beruhigten.

Mein Bruder entführte mich auch und lud mich zum Skifahren in eine Skihalle ein. Das hat mir gut getan. An diesem Wochenende hab ich meine Einkäufe erledigt, als wieder Gedanken in meinen Kopf schossen. Ich nahm einen Umweg und fuhr nicht direkt nach Hause. Es zog mich zu einem Berliner Curry Imbiss in der Landeshauptstadt und ich bestellte. Ich weinte die ganze Zeit, so dass das Essen fast nur noch nach Tränenflüssigkeit schmeckte. Gedanken die ich keinem wünsche. Ich fuhr dann in Richtung Heimat. Beschissen habe ich mich gefühlt und es war ein Schlüsselerlebnis. Gut das ich in ärztlicher Behandlung war.

Mittlerweile geht es ein wenig besser und der Kontakt zu Freunden tut mir gut und ist sehr wichtig. Von einem Termin im Mai hängt meine Zukunft ab und hoffe dass ich mein Leben neu gestalten kann. Beruflich werde ich mich dann neu orientieren müssen.

Möchte noch an die Berufstätigen sagen, passt auf euch auf. Es kann sein, dass der Schein trügt oder es ist nicht alles Gold was glänzt. Wenn ihr euch bedrängt fühlt, sagt es euren Vorgesetzten und verheimlicht es nicht.

Viele Liebe Grüße
Eure Katja.

Julias Vorbereitung im Betrieb

Autorin: Julia

Erledigt! Das erste Gespräch mit meinem Sozialberater im Betrieb ist gelaufen. Ich muss sagen, dass ich mehr als Überrascht bin, denn ich bin nicht die Erste, die er auf dem Weg der Transition/des Outings bei uns im Konzern begleitet.

Er hat das ganze Thema vor einiger Zeit schon einmal in einer unserer Niederlassungen mit einer (heutigen) Kollegin durchgeführt. Dort hat es wohl wunderbar funktioniert und die Vorgesetzten haben dort wohl prima mitgemacht.

Mein Sozialberater kennt meine Vorgesetzten persönlich. Bei beiden geht er aktuell davon aus, dass es keinerlei Probleme geben dürfte. Wir haben lange darüber Gesprochen wer alles Informiert werden sollte und wie wir das anstellen. Er hatte an der Stelle noch ein paar gute Ideen, die mir so noch nicht in den Sinn gekommen waren. Es war also eine gute Entscheidung mit Ihm als erstes zu sprechen.

Meine Vorgesetzten wird er um einen Termin bitten und dabei auch erwähnen, dass es um das Thema „Transidentität am Arbeitsplatz“ geht. Bei diesem Gespräch wird er meinen Vorgesetzten dann die Flyer (Gendertreff und Arbeitsplatz) überreichen. Wer die Person ist, wird er aber erst einmal nicht ansprechen. So komme ich erst mal nicht ins Gespräch und kann das Outing an dieser Stelle kontrolliert durchführen.

Ansonsten gibt es nichts Weiteres zu berichten. Es war ein sehr lockeres und entspanntes Gespräch das mir eine Sorge genommen hat. Jetzt bin ich auf die nächsten Termine gespannt.

Julia

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Katjas Vorgespräch in der Uni Essen zur GaOP

Autorin: Katja

 

Hallo,
im August war ich in der Uni Essen zur Voruntersuchung, zum Kennenlernen und die Operationsmethode wurde mit mir besprochen. Es war ein gutes Gespräch und ich habe ein gutes Gefühl mich hier operieren zu lassen. Ich möchte im Nahbereich bleiben, so dass ich auch bei der Nachversorge und meine Angehörigen nicht zu weit fahren müssen.
Leider wurde ich nicht zur Operation zugelassen, weil mein BMI (Body-Mass-Index) unter 30 sein muss, wegen dem Bindegewebe unterhalb der Gürtellinie.

Im September habe ich angefangen meine Ernährung umzustellen und langsam purzeln meine Pfunde. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, aber wenn der Kopf mitspielt und eine Entscheidung steht, dann schafft man das. Man sollte nur nicht vergessen genügend Flüssigkeit zu sich zu nehmen, weil es sonst erhebliche Gesundheitliche Probleme gibt.
Zusätzlich habe ich mir auch noch ein Studio für Fitness und Ausdauer gesucht.

Im August habe ich auch wieder angefangen Nebenberuflich zu arbeiten, was mir erst einmal andere Probleme erträglicher macht.

Im Oktober wurde noch das 10 jährige Jubiläum des Gendertreff gefeiert und danach musste ich als Betriebsratsmitglied zu einem Fortbildungslehrgang. Es war eine lehrreiche und schöne Zeit und habe mich auch ein wenig erholt.

Viele neue Eindrücke und ich bleibe Glücklich!

Viele Grüße
Katja

Gefühlsschwankungen

Autorin: Katja

Hallo,

melde mich mal wieder nach so langer Zeit. Habe in meinem Hauptjob „Logistik und Spedition“ einiges erlebt.

Seit Frühjahr bin ich aktives Mitglied im Betriebsrat und nach meiner Personenstandsänderung ist die Frauen Quote gestiegen. Für mich heißt es, einmal die Woche eine Sitzung und die Bibel in Sachen Arbeitsrecht durch wälzen.

Einige Erlebnisse beflügeln mich und machen mein reales Leben lebenswert, aber es gibt auch Tage, die nicht so laufen wie ich es gerne hätte. So ist nun mal mein neues Leben, was ich früher nie wahr haben wollte.

Die HRT macht mir zurzeit zu schaffen. Es gibt Tage die ich am liebsten zu Hause verbringen möchte und mich nicht raus traue. Stimmungsschwankungen plagen mich und sind an der Tagesordnung. So geh ich mal singend und pfeifend durch die Halle und dann auf einmal könnte ich Heulen. Einige Kollegen haben scheinbar das richtige Mittel für mich –  Schokolade. Ich weiß nicht was drinnen ist aber schlagartig wird meine Laune besser und meine Kollegen sind irgendwie, so empfinde ich, angenehmer zu ertragen. Dabei will ich doch abnehmen.

Manchmal denke ich, bist du hier richtig? Macht dir der Job noch Spaß oder quälst du dich nur noch rum? 30 Kg tragen, geht bald gar nicht mehr, denn inzwischen nehme ich seit zwei Jahren Hormone und meine Kraft lässt nach.

Fast ein Jahr ist ins Land gegangen ohne einen Nebenjob zu haben. Einige Tiefschläge und auch Unsicherheit machte sich in mir breit. Sollst du dich bewerben oder lässt es sein. So habe ich Ende August meinen ganzen Mut zusammen genommen und mich beworben. Mein Stimmtraining in der Logopädie kam mir dabei am Telefon zu Gute. Nach einigen Telefonaten und ein paar Tagen habe ich heute eine Zusage erhalten – Traumhaft.

Ich mache jetzt einen Job den andere gerne hätten und habe heute einen Probearbeitstag erfolgreich bestanden. Ich arbeite für eine Lebensmittelkette, die Regalkräfte beschäftigt, also die Lebensmittel räumen müssen. Das Beste, es ist keine 5 Km von meiner Wohnung entfernt. Von so einem Job habe ich immer geträumt und meine Berufserfahrung kann ich einbringen. Ich möchte sagen, dass ich die Durststrecke überstanden habe und hoffe das ich dort lange bleiben kann. Jedenfalls bin ich glücklich, dass ich meinen Lebensstandard wieder bekommen werde. Also niemals aufgeben und Selbstbewusst durch das Leben gehen.

Endlich bin ich so Glücklich, dass ich mal wieder die Beine auf den Boden bekomme und
meine Ängste und Sorgen sind ein wenig gemildert.

Viele Grüße
Katja

Lindas AHA-Erlebnis

Autorin: Linda

Hallo ihr Lieben,

ich möchte euch gerne auf dem Laufenden halten wie es mit mir weiter geht.
Da ich mich bis jetzt immer bei der Vorstellung ausgetauscht habe, denke ich es ist sinnvoll hier weiter zu machen.

Was ist die letzten 10 Tage passiert.

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Erfolg im Betrieb

Autorin: Marina

Hallo meine lieben Freunde.

Seit meinem letzten Bericht vom Januar ist viele Monate lange nicht viel Neues passiert. Neu im Sinne von für mich nicht wirklich bedeutend. Obwohl eine Sache schon bedeutend war, nämlich dass ich seit 01. Februar wieder vom Innendienst zurück zum Außendienst gewechselt habe.

Dafür gab es mehrere Gründe:

  1. Mir fehlte der direkte Kontakt zu Kunden und Kollegen. Mein in meinem Innendienst-Job lief 99,9% alles nur per Email
  2. Die Fragen, die ich gestellt bekam wiederholten sich Inhaltlich ständig. Irgendwann hatte ich für fast alles vorgefertigte Standardantworten parat. Anders gesagt, es war langweilig
  3. Die ganze technische Beratung und Fehlersuche lief nur auf theoretischer Ebene ab. Ich hatte fast gar keine Möglichkeit mal selbst etwas auszuprobieren
  4. Mir fehlte das unmittelbare Arbeiten an den Geräten
  5. Die Abteilung wurde (mal wieder…) umstrukturiert und infolgedessen ist mein Job als solcher weggefallen.

Sicherlich hätte man wieder eine Aufgabe für mich gefunden, aber mir war es sehr recht wieder rausfahren zu können. Es hatte sich ja gezeigt, dass (bis auf ganz wenige Ausnahmen) kein Kunde ein Problem mit Marina hat.

So fahre ich nun wieder in Deutschland herum und mache das, was ich am besten kann: Mit Schraubendreher und Zange in der Hand bockige Geräte zusammenflicken.

Eine Sache jedoch hat mich sehr gestört. Auf meinen Visitenkarten steht mein männlicher Name, genauso wie auch noch meine Firmen-Email. Das hat in den letzten Monaten dann schon zu Irritationen bei dem einen oder anderen Kunden geführt und bedeutete, dass ich viel erklären musste. Bei meinem Gespräch mit dem Personalmanager Deutschland Anfang 2013 hatte er mir ja gesagt, dass Ihm sehr strenge Vorgaben von der Personalmanagerin Europa gemacht wurden und dass er sich daran halten muss. Dies beinhaltete kurz gesagt, dass man meine Veränderungen quasi ignoriert und übersieht, dass für die Firma alles im Prinzip so bleibt, wie bisher. Man könnte auch sagen, sie machen es sich einfach…

1 Jahr im Innendienst mit gelegentlichen Kundenbesuchen und ½ Jahr im Außendienst haben mein Selbstvertrauen sehr deutlich vergrößert. Und vor ca. 2 Wochen war ich an dem Punkt, an dem ich mir gesagt habe, dass ich mir diese Behandlung nicht mehr bieten lasse. Ich überlegte mir, dass der Personalmanager Deutschland nichts machen kann, weil er seine Vorgaben von „oben“ bekommen hat. Nun, dann muss ich mich wohl ganz oben beschweren….

Ich arbeite bei einem amerikanischen Konzern, in dem eine strenge Ethik-Richtlinie gilt. Beschwerden können unter anderem persönlich oder anonym direkt bei der Ethik-Abteilung in der Konzernleitung (also ganz, ganz oben …) gestellt werden. Und genau das habe ich getan. Ich habe das entsprechende Web-Formular ausgefüllt und mein Problem (auf Englisch) dargestellt. Außer einer automatisierten Eingangsbestätigung passierte erst einmal nichts in den nächsten 2 Wochen.

Vor 2 Tagen dann bekam ich eine Email vom Vize-Präsidenten der globalen Personalverwaltung, dass er mich wegen meiner Beschwerde persönlich sprechen möchte. Wir haben darauf hin einen Termin für ein Telefongespräch vereinbart. Wie ich dabei erfahren habe, ist er gerade in unserer deutschen Niederlassung in Düsseldorf und hatte ein Gespräch sowohl mit der Personalmanagerin Europa als auch mit dem Personalmanager Deutschland gehabt. Er wollte sich die Sache aber noch einmal von mir anhören.

Nachdem wir über meine Beschwerde gesprochen hatten, sagte er mir, dass er mir folgende Lösung anbietet, und dass diese so schon mit der Personalabteilung abgesprochen ist:

  • Meine Email-Adresse wird geändert. Emails die noch auf die alte Adresse laufen werden intern umgeleitet
  • Ich habe die volle Unterstützung was meinen Auftritt bei Kunden angeht. Ich bekomme neue Visitenkarten mit neuen Namen und neuer Email-Adresse
  • Eine Toilette neben der Kantine ist eine Einzeltoilette. Diese war bisher nur als Damentoilette markiert. Diese Toilette wird zur Unisex-Toilette erklärt und entsprechend markiert, so das ich diese benutzen kann, wenn ich mal in der Firma bin
  • Was die Gehaltsabrechnungen, Sozialversicherung etc. angeht muss ich jedoch weiterhin als Herr H. geführt werden. Das ist aus rechtlichen Gründen nicht anders möglich

Mit dieser Regelung bin ich sehr einverstanden. Warum nicht gleich so?

Gestern dann habe ich noch einen Anruf vom Personalmanager Deutschland erhalten. Er erkundigte sich, warum ich nicht zuerst zu ihm gekommen bin. Man könne doch schließlich über alles reden. Ich erklärte ihm, dass ich den Eindruck hatte, dass er nichts machen kann aufgrund der Anweisungen von oben. Deshalb habe ich von ganz oben drauf gehauen. Er meinte, das wäre doch alles nicht nötig gewesen und wir hätten das auch so regeln können. Naja … vielleicht … immerhin weiß ich jetzt, dass man die Ethik-Richtlinie und Beschwerden doch sehr ernst nimmt und dass die intern dafür vorgesehenen Abläufe doch funktionieren.

LG
Marina

TRANS* AM ARBEITSPLATZ

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Wenn eine eine Reise tut…

Marina aus dem Gendertreff Forum berichtet über Geschäftsreisen und Seminare, Tücken des Alltags und den selbstverständlichen Umgang mit ihrer Transidentität.

In der vorletzten Woche habe ich mein erstes Training in der Firma abgehalten. Noch dazu vor ausländischen Kollegen bzw. Händlern. In der Agenda angekündigt war natürlich Herr H., denn offiziell werde ich in der Firma noch immer als „Herr“ geführt. Anwesend waren eine Kollegin aus Russland und ein Kollege aus Dubai. Dann noch ein Händler aus Saudi-Arabien und 3 Techniker eines Händlers aus Russland.

Das Training habe ich mit dem Auslegen unseres Flyers in Englisch begonnen. Als alle diesen gelesen hatten wurde mir versichert, das niemand damit ein Problem hat. Und so war es dann auch. Das Training lief ganz normal ab.

Letzte Woche dann war ich 4 Tage in Genf, um dort selbst an einem Produkttraining teilzunehmen. Der Flieger ging am Montag morgen. Bei der Fluglinie mit dem Kranich ist es ja so, das es die Bordkarten nur noch am Automaten gibt. So einer Maschine ist es egal, wer da vor ihr steht, Hauptsache die Daten stimmen. Also Bordkarte ausgedruckt, Koffer aufgegeben und ab zur Sicherheitskontrolle. Auch da gab es nichts zu berichten. Schließlich fliege ich oft genug um zu wissen, was ich alles ablegen muss, damit der Metalldetektor nicht los geht. Da die Schweiz ja dem Schengner Abkommen beigetreten ist, finden auch an den Flughäfen seit dem 29.03.2009 keine Personenkontrollen mehr statt. Von daher konnte ich einfach durchgehen zur Gepäckausgabe. Koffer abholen und weiter zur Autovermietung. Dort war schon für mich ein Wagen reserviert. Dank Ergänzungsausweis der dgti kein Problem bei der Kontrolle der Ausweispapiere und des Führerscheins.

Die Kollegen in Genf waren ja schon länger vorgewarnt, und so wurde ich dort auch immer mit Marina angesprochen. Am Mittwoch Morgen dann kam noch ein weiter Kollege aus Deutschland, der am zweiten Teil des Trainings teilnehmen sollte. Ich hatte versprochen ihn am Flughafen abzuholen. Das Hotel und auch die Firma befinden sich am südöstlichen Ufer des Genfer Sees, der Flughafen ist jedoch im Nordwesten. Um vom Hotel zum Flughafen zu gelangen muss man also einmal um die Westspitze des Genfer Sees fahren. Der Verkehr morgens in Genf ist mörderisch, deshalb hatte ich beschlossen außen herum, durch Frankreich zu fahren. Die ersten ~20 km ging es über Landstraße, dann kam die Autobahnauffahrt. Direkt hinter der Autobahnauffahrt kam dann die erste Mautstelle. Ich fuhr ganz rechts, jedoch war dies eine „Telepeage“ – Fahrspur, also zur vollautomatischen, berührungslosen Mautzahlung. Da ich in der falschen Fahrspur war, bin ich rechts ran gefahren um zu schauen, wie ich nun auf eine der anderen Fahrspuren gelangen kann. Als ich da so am rechten Rand stand, überholte mich ein LKW mit Auflieger. Der Auflieger erwischte meinen Mietwagen hinten links. Ein ca. 15cm langes Loch im Blech. Bevor ich begriffen hatte, was passiert war, war der LKW schon weit weg. Das Kennzeichen konnte ich nicht mehr lesen. Der LKW-Fahrer hat vermutlich nicht einmal bemerkt, was da passiert ist.

Ich habe dann sofort jemanden an der Mautstelle, meinen Arbeitgeber und den Autovermieter benachrichtigt. Die Mitarbeiter der Mautstelle sagten mir, ich solle zur nächsten Polizeidienststelle fahren und den Vorfall dort melden. Auf der Polizeidienststelle musste ich mich ausweisen, auch hier wieder kein Problem. Nach einer Stunde Wartezeit kam ich dran. Mit meinem schlechten Französisch erklärte ich dem Beamten was passiert war. Er sagte mir jedoch, dass der Fall nicht registriert wird, da es sich nach französischem Recht um einen Bagatell-Schaden handelt. Es gäbe ja keine Personenschäden.

Meinen Kollegen konnte ich jetzt natürlich nicht mehr abholen. Während ich auf der Polizei gewartet habe, habe ich ihm angerufen und gesagt, er solle sich bitte ein Taxi nehmen.

Bei der Rückgabe des Wagens musste ich dann noch ein Unfall-Protokoll ausfüllen. Das war dann alles.

Alles in allem kann ich mal wieder sagen: Es passiert gar nichts, auch wenn andere erkennen, dass ich nicht als Frau geboren wurde. Ich stehe zu dem was ich bin, und das wiederum, wird honoriert. Egal ob am Flughafen, beim Autovermieter oder bei der französischen Polizei, ich wurde immer und überall höflich und zuvorkommend behandelt.

-Marina

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M-Day Kapitel 5

“M” steht hier für Marina, die von ihren kleinen Schritten 2.0 berichtet:

M-Day oder manches Mal entwickeln sich die Dinge schneller als als man es selbst für möglich hält.

Kapitel 5

Februar 2013

Nachdem es mir wieder besser ging, hatte ich am 04.02. dann tatsächlich meinen ersten Arbeitstag im neuen Job. Ich habe dann sofort noch das Gespräch mit meinem Gruppenleiter nachgeholt und bei der Personalabteilung nach einem Gesprächstermin angefragt.

Am 14. 02. hatte ich das Gespräch mit der Personalabteilung und der Betriebsrätin. Es ging um das weitere Vorgehen in meiner Angelegenheit.
Das Gespräch verlief nicht so wie ich es mir dachte…

Zunächst ging der Personalchef davon aus, dass ich bereits einen Antrag auf Namens- und Personenstandänderung gestellt habe. Und dass dieser Vorgang bereits so weit fortgeschritten ist, dass diese Änderung in wenigen Wochen kommen würde. Ich musste ihm aber sagen, dass ich diesen Antrag bis jetzt noch nicht gestellt habe und dass es dann noch ca. 6-12 Monate dauern könnte, bis die gerichtliche Entscheidung kommt.

Dies machte das Ganze dann komplizierter als gedacht. Er meinte nämlich, dass ich noch warten sollte, bis die Personenstandsänderung rechtsgültig ist und dann die Firma darüber informiere. Genau so wie z.B. eine Nachnamensänderung nach einer Heirat bekannt gegeben wird. Aber so wird es nicht funktionieren.

Er erzählte mir, dass er in Vorbereitung auf dieses Gespräch selbst ein Gespräch mit unserer Geschäftsführerin geführt hat. Sie ist Amerikanerin und hat deshalb sehr strikte Vorgaben gemacht: Keine Änderung des Namens in der Firma, so lange dies nicht amtlich geschehen ist, auch keine Mitteilung vorab darüber. Und ich muss die Herren-Toilette benutzen, solange die geschlechtsangleichende Operation nicht erfolgt ist.

Das sind nun keine so guten Voraussetzungen, aber naja, so ist es eben.

Ich wendete ein, dass es doch sicherlich besser wäre, alle Kolleginnen und Kollegen vorzubereiten. Mir wurde gesagt, dass dies eine Management-Entscheidung ist und daran ist nichts zu rütteln.

Also besprachen wir, welche anderen Optionen wir haben. Wir sind überein gekommen, dass ich weiterhin die Kollegen einzeln bzw. in kleinen Gruppen persönlich informieren werde. Und zwar nur die, die in meiner Abteilung arbeiten.

Was die Toiletten-Frage angeht, so habe ich meine Bedenken geäußert, weiterhin die Herren-Toilette benutzen zu müssen. Aber eine Benutzung der Damen-Toilette ist aus Gründen der Firmen-Ethik ausgeschlossen. Aber man soll niemals nie sagen…

Auf dem Flur, in dem mein Büro liegt gibt es „nur“ 3 Frauen. Und wenn diese 3 kein Problem damit haben, dass ich „ihre“ Toilette benutze, dann könnte man eine Ausnahme machen. Man muss das ja zunächst nicht an die große Glocke hängen…

Also sieht der Plan so aus:

Ich informiere nach und nach die restlichen Kollegen. Parallel werde ich die Gespräche mit den Damen in unserem Flur führen, was die Toiletten-Frage angeht.

Sobald das geschehen ist, werde ich noch einmal ein Gespräch mit meinen unmittelbaren Vorgesetzten führen. In diesem Gespräch werden wir dann genau festlegen ab wann ich als Frau arbeiten gehen werde.

Mein Frauenname -Marina- wird bis zur Personenstandsänderung als ein interner Spitzname betrachtet und erscheint auf keinem Schriftverkehr nach außen.

Ich habe sowohl der Personalabteilung als auch dem Betriebsrat die Genehmigung gegeben, über mich zu informieren, wenn sie gefragt werden. Und die Fragen werden kommen, spätestens wenn ich irgendwann mal Mittags in der Kantine sitze. Denn der Rest der Firma wird ja erst einmal nicht offiziell informiert.

So benutze ich meine direkten Kollegen dazu, die Neuigkeit in der Firma zu verbreiten. Wer mehr wissen will kann mich ja ansprechen. Dann erkläre ich das Ganze sehr gerne.

Nach relativ kurzer Zeit wird es dann sowieso die ganze Firma wissen. Wichtig ist, dass meine Arbeit genau so weiter geht wie bisher.

Wenn ich so zeigen kann, dass sich für die Firma nichts verändert, außer dass ich als Frau lebe, dann werden wir vielleicht auch jener amerikanischen Geschäftsführerin zeigen können, dass es nicht nur Schwarz und Weiß gibt. Mein Leitspruch ist ja sowieso: Es gibt unendlich viele Grautöne zwischen Schwarz und Weiß.

Alles in allem war es doch ein sehr positives Gespräch. Es gibt nun einen Plan, der umsetzbar ist. Und mit der Umsetzung werde ich umgehend beginnen….

Gesagt, getan…. In den folgenden 2 Wochen habe ich von Büro zu Büro in unserer Abteilung vorgearbeitet und die Kollegen und Kolleginnen in Einzelgesprächen und kleinen Gruppen informiert. Immer mit meiner Bildercollage und unserem Flyer. Niemand hat damit ein Problem, im Gegenteil, man hat mir immer wieder den Respekt ausgesprochen.

Am Mittwoch den 20.02. hatte ich das Gespräch mit dem Werkstattleiter. Er ist ein noch recht junger Kollege, den ich noch als Lehrling kennengelernt hatte, als ich damals zu meinem jetzigen Arbeitgeber kam. Naja, er kannte natürlich auch all die Gerüchte über mich und war nicht überrascht. Im Gegenteil, er bezeugte mir Respekt für meinen Mut und sagte mir, dass er kein Problem hat und denkt, dass seine Leute genauso wenig ein Problem haben werden. Da er ohnehin eine große Abteilungsrunde für den Dienstag den 26.02. angesetzt hatte, meinte er, dass dies die beste Gelegenheit wäre, alle in der Werkstatt zu informieren.

In der folgenden Woche war es dann so weit. Nachdem sich alle um 13 Uhr im Konferenzraum versammelt hatten, hatte ich das erste Wort. Wie bei allen meinen bisherigen Outings in persönlichen Gesprächen habe ich mit einem Bild angefangen, einer Collage aus 4 Bildern von mir, die ich mit dem Beamer an die Wand geworfen habe.

Ich habe meine üblichen Erklärungen losgelassen und dann noch unseren Flyer mit dem Beamer gezeigt. Und auch dazu ein bisschen was erklärt. Dann habe ich noch die verschieden Fragen der Kollegen beantwortet. Auch alle diese Kollegen fanden meinen Schritt sehr mutig und gut so.

Mit dem Informieren der Werkstatt war ich dann auch komplett mit meiner Abteilung durch. Also habe ich im Anschluss gleich noch das Gespräch mit meinem Vorgesetzten gesucht, um abzustimmen, ab wann ich denn „darf“. Beide sagten, das es ihnen egal ist, und ich das selbst festlegen kann. Also sagte ich mir, wozu noch warten? Morgen geht es los!

Der M-Day war gekommen. Marinas erster Arbeitstag am Mittwoch den 27.02.2013

Der erste Arbeitstag war aber im Endeffekt auch nicht anders als alle anderen. Ich saß an meinem Schreibtisch und habe überwiegend Emails beantwortet. Mittag war ich in der Kantine…Nichts passierte, gar nichts, außer dass unsere Betriebsrätin mich beim Vorbeigehen anlächelte und mir die Schulter drückte.

Im Versand hatte mich die eine Kollegin zuerst gar nicht erkannt. Und dann sagte sie mir, dass sie es gut findet und ich so deutlich besser aussehe.

Verschiedene andere Kollegen aus anderen Abteilungen kamen im Laufe des Tages im Büro vorbei. Von allen habe ich nur wieder den Respekt ausgedrückt bekommen und dass sie es gut finden, was ich da tue.

Inzwischen ist schon die erste komplette Woche vergangen. Es hat sich kaum etwas verändert auf der Arbeit, außer dass ich mich so wohl fühle wie nie zu vor.

Manche Kollegen bemühen sich, mich konsequent Marina zu nennen. Die überwiegende Mehrheit ruft mich noch mit meinem Männernamen. Bei meiner Familie ist es im wesentlichen genauso. Naja, es ist noch ganz frisch und ich möchte auch nichts forcieren. Das wird noch kommen, da bin ich mir sicher. Jedenfalls geht es mir so gut wie noch nie.

In der Toiletten-Frage musste ich eine gewisse Niederlage hinnehmen. Eine von den drei gebürtigen Frauen im Flur hat ihr Unbehagen geäußert. Also heißt es doch die Männertoilette benutzen. Na egal, auch das kann sich ja irgendwann mal noch ändern.

Als ich mich vor 3 Jahren und 3 Monaten beim Gendertreff angemeldet habe, hatte ich schon viele Geschichten über Outings gelesen. Wie gut und einfach es im Endeffekt war. Ich habe solche Geschichten verschlungen und mir gleichzeitig gesagt, dass ich das niemals erleben werde. Dass so etwas bei mir unmöglich ist. Und nun ist es geschehen, ich habe genau das geschafft, was ich für völlig unmöglich gehalten habe.

Allen, die dies lesen, möchte ich Mut machen, niemals aufzugeben. Das Leben kann manchmal ungeahnte Wendungen nehmen. Und manchmal lösen sich auch die größten Probleme wie von selbst. Gebt nicht auf! Das Leben kann so schön sein, wenn man sich nicht unterkriegen lässt.

Liebe Grüße
Marina

TRANSITION

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M-Day Kapitel 4

“M” steht hier für Marina, die von ihren kleinen Schritten 2.0 berichtet:

M-Day oder manches Mal entwickeln sich die Dinge schneller als als man es selbst für möglich hält.

Kapitel 4

Januar 2013

Am 07.01.2013 war nun das Vorstellungsgespräch für die neue Innendienst-Stelle. Ich war als 3. von drei Bewerbern dran. Für die Firma ist natürlich noch „er“ aufgelaufen. Noch ist es nicht so weit bei mir.

Zum Gespräch waren anwesend: der Leiter Service-Support, der Gruppenleiter EU-Support, die Betriebsrätin und eine Dame aus der Personalabteilung (HR). Das Gespräch ging 45 Minuten. Ich wurde über alles mögliche ausgefragt, vor allem natürlich, warum ich aus dem Außendienst heraus will. Die Dame von HR bohrte so ein bisschen auf der Tatsache herum, dass ich ja noch nie wirklich im Innendienst gearbeitet habe. Das stimmt aber nur zum Teil. In früheren Jahren habe ich auch viel Innendienst gemacht, weil niemand außer mir bestimmte Geräte kennt. Alles in Allem glaube ich, habe ich mich ganz gut verkauft.

Eine Entscheidung steht aber noch aus, die soll aber im Laufe der Woche fallen.

Etwa 30 Minuten nach dem Gespräch klingelte mein Handy. Der Leiter Service-Support war dran und fragte mich, ob ich noch im Haus bin. Ich stand gerade in der Werkstatt und hielt ein Schwätzchen mit ein paar Kollegen. Er bat mich noch einmal in den Besprechungsraum zu kommen. Dort wurde mir gesagt, dass man sich bereits für mich entschieden hat, es gab nur noch ein paar Punkte hinsichtlich Gehalt und Firmenwagen zu klären.

Beim Vorstellungsgespräch hatte ich nämlich gesagt, dass ich nicht mehr Geld als jetzt fordere, aber mich auch nicht mit weniger als jetzt zufrieden gebe. Eine weitere Bedingung ist, dass ich den Firmenwagen behalte, denn das Auto ist ja auch ein Teil meines Gehalts. Ich habe alle meine Forderungen durchsetzen können.  Nur soll ich noch eine Weile stillschweigen bewahren, bis es offiziell bekannt gegeben wird.

14 Tage später nahm ich an einem 2-tägigen Abteilungstreffen teil. Anwesend waren alle Techniker aus dem Bezirk Mitte. Am Montag Abend, nach dem Abendessen, sind wird dann alle an der Hotelbar versumpft (wenn der Chef schon mal alles bezahlt… ).

Zu später Stunde, oder vielmehr zu früher Stunde, saß ich mit zwei Kollegen zusammen. Einer davon ist in meiner zukünftigen Abteilung, der andere ist auch Techniker im Außendienst, aber schon sehr sehr lange dabei. Da ich so nach und nach alle über meine Transidentität informieren möchte, wollte ich die Gelegenheit nutzen und den beiden Marina vorstellen. Dazu habe ich ein paar Bilder von mir gezeigt.

Der ältere Kollege meinte nur, dass er das schon seit mindestens ein paar Monaten weiß. Er, und auch alle anderen Techniker aus dem Bezirk kennen meine Bilder schon, sie kennen Gendertreff.de und wissen, dass ich Marina bin.

….Sprachlosigkeit…..Schock…..

Dann sagten mir beide, dass nicht einer meiner Kollegen irgend ein Problem damit hat. Sie waren sich nicht sicher, aber auch meine zukünftigen Vorgesetzten wissen vermutlich schon Bescheid. Aber wie gesagt, sie sind sich da nicht sicher.

Am Freitag 25.01. habe ich nun endgültig meine Vertragsänderung unterschrieben. Dazu bin ich gleich morgens in die Firma gefahren. An dem Morgen ging es mir allerdings nicht sehr gut, ich merkte schon am Abend zuvor, dass eine Erkältung im Anmarsch ist.

Unmittelbar nach der Unterschrift redete ich noch mit meinem neuen Abteilungsleiter, den ich im Übrigen auch schon 12 Jahre kenne. Neben unserem Flyer gab ich ihm noch eine Bildercollage, die ich extra dazu angefertigt habe.

Nach ein paar zusätzlichen Erklärungen meinte er nur zu mir, dass es für ihn keine Rolle spielt. Für ihn zählen nur die im Arbeitsvertrag vereinbarten Leistungen, daran werde ich gemessen. So lange ich diese erbringe, ist alles in Ordnung.

Mein künftiger unmittelbarer Vorgesetzter, der Gruppenleiter Support, war aber an dem Tag nicht im Büro. Also habe ich zunächst erst einmal alle 4 Kollegen, mit denen ich zukünftig in einem Raum sitzen werde, informiert. Wobei zwei es ja schon wussten. Die anderen beiden haben aber ganz genau so reagiert wie alle anderen Kollegen von mir: Es ist uns egal, denn du bleibst ja der selbe Mensch. Und wenn du dich wohl fühlst, dann ist es OK.

Am Freitag Abend hatte ich bereits Fieber. Deshalb bin ich noch in die Notfall-Sprechstunde meines Hausarzt gegangen. Jetzt bin ich erst einmal bis zum 01.02. krank geschrieben. Das Schlimmste habe ich aber wohl schon hinter mir, immerhin habe ich kein Fieber mehr.

Da ich nun krank bin, konnte ich heute nicht das Gespräch mit meinem Gruppenleiter führen, wie ich es ursprünglich geplant hatte. Also habe ich mein „Outing“ heute mal ausnahmsweise per Email gemacht. Ich ziehe es natürlich vor, dies persönlich in einem 4-Augen Gespräch zu tun, aber das geht halt im Moment nicht. Auf der anderen Seite wollte ich die Angelegenheit nicht zu lange liegen lassen.

Mein neuer Gruppenleiter ist Niederländer. In seiner Antwort entschuldigte er sich zuerst für das schlechte Deutsch, aber er schrieb mir klar und deutlich, dass er meinen Schritt sehr mutig findet und mich in jeder Hinsicht unterstützen wird. Wenn ich nächste Woche wieder in der Firma bin, dann werden wir noch ein persönliches Gespräch führen.

>> M-Day Kapitel 5

>> Inhaltsverzeichnis – Transition

>> Inhaltsverzeichnis

M-Day Kapitel 3

“M” steht hier für Marina, die von ihren kleinen Schritten 2.0 berichtet:

M-Day oder manches Mal entwickeln sich die Dinge schneller als als man es selbst für möglich hält.

Kapitel 3

Dezember 2012

In den folgenden 4 Wochen bin ich nur einem Nachbar-Ehepaar begegnet, das ein paar Häuser weiter weg in der Straße wohnt, aber gute Freunde meiner Mutter sind. Sie hatten mich zuerst gar nicht erkannt. Ich habe ihnen kurz erklärt was los ist und habe noch ein Kompliment für mein Aussehen bekommen. Die beiden hatten auch nicht viel Zeit, der Hund musste Gassi gehen…

Die Nachbarn von gegenüber haben mich inzwischen bestimmt schon zig mal gesehen. Aber die schauen mich mit dem (Hinterteil) nicht mehr an, geschweige denn, dass sie grüßen. Egal, dann eben nicht…. Bee de Hänn moan (auf gut fuldisch Platt: „Wie die Herren meinen“, im Sinne von „ist mir doch egal“  )

Mitte Dezember  hat es zwei wichtige Ereignisse gegeben:

1. Ich habe mich hausintern auf eine andere Stelle beworben. In der neuen Position würde ich im Innendienst arbeiten und zwar als Supportingenieur(in) für die Gerätegruppen, die ich bisher schon im Außendienst betreut habe. Die neue Stelle wurde ziemlich überraschend ausgeschrieben, als bekannt wurde, dass die bisherige Supportabteilung von Genf hier nach Düsseldorf verlegt wird. Und das zum 01.01.13, also reichlich kurzfristig. Auf der einen Seite finde ich es grauenhaft, wie im Konzern mit Leuten umgegangen wird, denn den Schweizer Kollegen wurde am 01.12. mitgeteilt, dass am 31.12. ihr Letzter ist. Auf der anderen Seite ist es eine Chance für mich. Eine Chance dem inzwischen fast unerträglichen Druck im Außendienst zu entkommen und auch meine eigenen Wünsche zu realisieren, aber dazu mehr unter 2.

2. Ich hatte endlich das Gespräch mit Frau W. vom Betriebsrat. Bedingt durch meine Außendiensttätigkeit und Erkrankungen ihrerseits hat es erst im 6. Anlauf geklappt mit dem Gesprächstermin. Frau W. war schon vor einem ½ Jahr von meiner (inzwischen ex-)Kollegin Frau G. (in Rente) auf den/die AGG-Beauftragte(n) angesprochen worden. Diese Stelle gibt es aber in unserem Unternehmen nicht, warum auch immer… Jedenfalls fing ich unser Gespräch mit einem Bild von mir an. Sie war nicht einmal ansatzweise erstaunt, im Gegenteil, ich bekam erst mal ein Kompliment, wie gut ich aussehe. Dann sagte sie mir, dass sie sich aufgrund von Gerüchten schon einmal im Vorfeld über Crossdressing und Transvestismus im Internet erkundigt hat. Ich machte ihr dann aber erst einmal klar, dass es bei mir schon mehr als „nur“ Crossdressing ist, dass ich außerhalb der Firma und der Firmengelände meiner Kunden nur noch als Frau lebe.

Natürlich habe ich ihr erst einmal unsere beiden Flyer gegeben und meinen dgti-Ausweis. Auch habe ich ihr gesagt, dass ich seit 1½ Jahren in psychotherapeutischer Behandlung bin und aktiv hier im „Gendertreff-Vorstand“ ehrenamtlich mitarbeite. Das alles um klar zu machen, dass es mir damit sehr ernst ist.

Das ganze Gespräch ging über eine Stunde. Am Ende sagte mir Frau W., dass sie mich auf meinem weiteren Weg unterstützen wird. Am morgigen Donnerstag wird sie meinen Fall dem Betriebsrats-Gremium vorstellen. Dazu habe ich ausdrücklich meine Zustimmung gegeben. Und im neuen Jahr werden wir meinen Fall dann wohl bei der Personalabteilung vortragen. Ab dem 01.01.2013 ist unser bisheriger Betriebsratsvorsitzender der neue Personalchef, und mit dem hatte ich ja schon vor Monaten mal ein Gespräch geführt, also er weiß sowieso schon Bescheid.

Eine Woche später wurde mir mitgeteilt, dass ich am 07.01.2013 das Vorstellungsgespräch für die neue Stelle haben werde. Dazu hatte ich mehrere Gespräche mit dem Betriebsrat. Es ging um eben jenes Vorstellungsgespräch am 07.01. und wie wir am besten vorgehen werden. Jedenfalls habe ich die Unterstützung des Betriebsrats auf meinem weiteren Weg.

Unsere provisorische Betriebsratsvorsitzende bestätigte mir noch einmal, dass eigentlich schon seit langem die ganze Firma mehr oder weniger über mich Bescheid weiß, zumindest aber meine „exzentrischen“ Kleidungsvorlieben kennt. Und auch, dass ich schon das eine oder andere Mal Thema in Besprechungen der Geschäftsleitung war.

Ich habe gefragt, warum mich niemals irgendjemand angesprochen hat. Und sie sagte mir, dass sich vermutlich niemand getraut hat, etwas zu sagen.

Sie ist auch der Meinung, dass es besser ist, wenn ich in den Innendienst gehe. Leider bestehen gewissen Bedenken, dass transidente Menschen einen negativen Einfluss auf die Kundenbeziehungen haben könnten. Leider ist die Welt der Industrie in der Beziehung noch zu konservativ.

Nach Rücksprache mit dem Betriebsrat-Gremium wurde mir geraten, das Thema Transidentität aus meinem Vorstellungsgespräch herauszuhalten.

Die Weihnachtsfeiertage habe ich als Frau verbracht. Das erste Weihnachten, an dem ich nur ICH war. Kein Verstecken, kein Umziehen, nur weil Verwandte oder Bekannte zu Besuch kommen. Nur noch Marina.

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