Selbsthilfetreffen – 1. Gendertreff Solingen

Im Verzeichnis unserer Selbsthilfetreffen haben wir es ja bereits angedeutet: In unregelmäßigen Abständen organisieren wir mit dem Gendertreff Solingen nun auch in der Klingenstadt ein Selbsthilfetreffen für Transgender und Angehörige.

Solingen

Und so fand am Samstag, den 25.08.2018 erstmals der Gendertreff Solingen statt. Wir trafen uns im Restaurant Gräfrather Klosterbräu in Solingen-Gräfrath. Das Restaurant liegt somit in einer der schönsten Gegenden Solingens. Denn der historische Ortskern von Gräfrath besticht durch viele alte schöne Fachwerkhäuser und auch das gewählte Restaurant befindet sich in einem solchen Fachwerk-Gebäude. Und da ist es kein Wunder, dass auch die Gaststube einfach nur urgemütlich ist.

Beste Bedingungen also für intensive Gespräche rund um die Anliegen von Trans*-Menschen und ihren Angehörigen. Denn es ist ja das Konzept unserer Selbsthilfetreffen, dass sich in angenehmer Atmosphäre konstruktive Gespräche entwickeln, so dass ein reger Austausch rund um das komplexe Thema Transidentität stattfinden kann.

Solingen

Wir hatten den ersten Gendertreff Solingen sehr spontan organisiert. Dennoch hatten bereits neun Personen den Weg nach Solingen-Gräfrath gefunden. Leider war es an diesem Wochenende im Gegensatz zu den vielen mitunter sehr heißen Tagen des Sommers 2018 recht kühl, so dass wir nicht im gemütlichen Biergarten, sondern in der urigen Gaststube Platz nahmen. Schnell entwickelten sich die ersten Gespräche.

Solingen

Doch wie entwickeln sich gute Gespräche am besten? Richtig: Bei einem guten Essen. Und auch wenn auf den hier gezeigten Bildern noch nichts auf dem Tisch stand: Bald wurde bestellt und alle ließen sich die ausgezeichneten Speisen schmecken. Alle waren sich einig: Das war ein gelungener Auftakt für den ersten Gendertreff Solingen. Keine Frage: Hier werden sicherlich noch weitere Selbsthilfetreffen folgen.

Solingen

INHALTSVERZEICHNIS

TSD Dortmund mit dem Gendertreff e.V.

Am 18.08.2018 fand der TSD Dortmund, der erste Dortmunder Trans*-CSD statt. Auch der Gendertreff e.V. war bei dem Trans*-Info-Tag in Dortmund dabei. Hier das typische Bild morgens kurz nach dem Stand-Aufbau: Die Ruhe vor dem großen Sturm.

Doch die Ruhe sollte nicht lange andauern. Denn der TSD fand in der Nähe der Reinoldi-Kirche und des Europabrunnens in der Fußgängerzone und damit direkt in der City von Dortmund statt.

Kein Wunder also, dass sich der Platz schnell füllte.

Hier ein Blick aus dem Gendertreff-Stand auf den Platz der Veranstaltung. Da der TSD Dortmund nicht nur die interessierte Öffentlichkeit, sondern natürlich auch Trans*-Personen und deren Angehörige adressierte, nutzen wir die Gelegenheit, nicht nur allgemein über Transidentität aufzuklären und stellten auch unsere Gendertreff Messe & Fachtagung, unsere Selbsthilfetreffen und auch die Aktion Trans* am Arbeitsplatz vor.

Natürlich gab es auch jede Menge Gespräche, bei denen einfach nur Rat gesucht wurde. Und auch hier halfen wir natürlich ebenso gerne weiter wie die anderen, auf dem TSD vertretenen Trans*-Organisationen.

Die Gespräche fanden im Stand und vor dem Stand statt. Dabei wurde sich ausgetauscht und natürlich auch das Netzwerk erweitert.

Wie man sehen kann, waren die Gespräche mitunter sehr intensiv.

Komisch: Irgendwie hängt bei fast jeder Veranstaltung, an der wir teilnehmen, irgendwo noch ein Kartenständer mit Grünen Karten für Diversity. 😉

Johanna und Clara sind im Gespräch vertieft.

Überall fanden intensive Gespräche statt. Auf unserer Infotafel wurde u.a. auf die Gendertreff Messe & Fachtagung hingewiesen und so kam Katja mit einer Besucher-Gruppe vor dem Nachbarstand ins Gespräch.

Kinder freuen sich immer wieder über die Gendertreff-Ballons. Und für uns sind die Ballons ein willkommener Anlass, mit den erwachsenen Begleitern der Kinder ins Gespräch zu kommen.

Also muss permanent Ballon-Nachschub her.

Zum Glück gibt es fleißige Hände, die für Ballon-Nachschub sorgen.

Dank Alex hatten wir hin und wieder musikalische Untermalung am Stand.

Die vielen Infostände setzten ein deutliches Zeichen rund um Trans* in der Dortmunder Innenstadt.

Der TSD in Dortmund war eine großartige Diversity-Veranstaltung, die einmal mehr Dortmund als tolerante und weltoffene Stadt präsentierte. Wir kommen auf jeden Fall immer wieder gerne nach Dortmund.

Katja im Gespräch mit Besucher_inne_n des TSD Dortmund.

Ava verteilt Ballons an Passanten bzw. deren Kinder in der Dortmunder Fußgängerzone.

Wir bedanken uns herzlich bei unseren Kooperationspartnern Transidente Lebenshilfe und TransBekannt für die Einladung zum TSD Dortmund und auch die Organisation des Events. Wir freuen uns auf eine zweite Auflage und sind dann gerne wieder mit dabei.

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Abbruch

Autorin: Christiane

Ich habe meine Transition abgebrochen. Ich lebe wieder zu 100% als Mann, und mit meiner Frau und meiner Familie zusammen. Laut meinem Therapeuten existiert sogar eine Bezeichnung für meine Situation: „Trans* Alternativ“

Wie kam es dazu?

Vor etwa einem Monat hatte ich Geburtstag, meinen Ersten. Es war vor einem Jahr Ende Juli, dass ich aus dem Leben gehen wollte und es tatsächlich versucht habe. Meine Ängste waren zu groß, meine Verzweiflung ohne Gleichen. Ich habe überlebt. Mit dem Bewusstsein, dass es so nicht weiter gehen kann und sich etwas ändern muss.

Durch die Selbsthilfegruppe, den Dialog mit anderen Betroffenen und vor allem durch das aktive Ausleben, habe ich gelernt, dass ein Großteil dieser Ängste selbstgemacht und unbegründet ist. Dabei haben mir besonders Mitglieder des Gendertreff geholfen, insbesondere Marina, aber auch Rita, Steffi, Xenia und viele andere, die mir geschrieben und Mut zugesprochen haben. Jedoch besteht ein nicht vernachlässigbarer Anteil an realen Ängsten.

Ich habe eine Familie, zwei wunderbare Kinder, eine Frau die mich liebt, wie ich schmerzhaft erfahren musste nicht grenzenlos, da sie mit mir als Frau nicht leben kann.

Mir ging es im Laufe der Zeit immer schlechter, vor allem da mir klar wurde, dass eine Transition unweigerlich die Trennung bedeutet. Meine Frau hat für sich ganz klar entschieden, dass sie den Weg mit mir nicht gehen kann, sie kann mir bestenfalls als gute Freundin beistehen.

Das Märchen von unendlicher und grenzenloser Liebe hatte ich lange für mich aufrecht erhalten und musste schmerzlich feststellen dass die Liebe eben nicht grenzenlos ist. Das ist eine naive aber romantische Vorstellung. Ich kann aber durchaus behaupten, dass ich meine Liebe als grenzenlos begreife. Bei meiner Frau ist es anders, und ich kann ihr da keinen Vorwurf machen.

Die Transition stellt einen vor große Schwierigkeiten, von denen ein Teil durchaus lösbar ist, dennoch geht sie nicht ohne Verluste. Mir ist klar, dass ich mein altes Leben nicht mehr leben kann, das ist unmöglich, ich kann aber auch kein Leben ohne meine große Liebe leben. Sicherlich hätte ich durch die Transition einen enormen Gewinn für mein Leben, aber mir ist bewusst geworden, dass dieser Gewinn niemals meine Verluste wird ausgleichen können.

Ganz sachlich betrachtet habe ich eine Gewinn-Verlust-Rechnung erstellt und ausgewertet, und bin zu dem Schluss gekommen, dass ich die Transition nicht weiter fortführen kann. Durch den Transitionsversuch habe ich vor allem gelernt was möglich ist und was nicht, und da ich zumindest in Teilzeit als Frau gelebt habe, bis auf zu Hause und bei uns im Ort, kann ich durchaus behaupten dass ich weiß, was die Transition bedeutet. Letztendlich sind meine Verluste zu hoch.

Ich hatte immer die Hoffnung, ich könne meine Frau dazu bewegen, den Weg mit mir gemeinsam zu gehen, vor allem da sie bereits seit nahezu 20 Jahren von meiner Transidentität weiß und ich hatte immerzu die Hoffnung, dass die gemeinsame Zeit und die Liebe uns zusammen schweißen würden. In den letzten 2 Jahren hatte ich meine Frau durch die Geschehnisse intensiv mit dem Thema konfrontiert und vor allem seit Ende letzten Jahres vieles voran getrieben. Aber nur ein bisschen Trans geht eben nicht. Ab dem Tag, an dem die Entscheidung fällt, ein Leben als Frau zu führen, verändert sich alles. Und leider ist nicht nur die Gesellschaft binär sondern auch das Leben an sich, so dass eben nur zwischen zwei Geschlechtern unterschieden wird. Zwischen diesen gibt es eine Grenze und selbst wenn es Definitionen von androgyn, non-binär oder ähnlichem gibt, ist der Mensch trotzdem entweder Mann oder Frau. Diese Grenze zu überschreiten bedeutet eine klare Zuordnung. Meine Frau kann diesen Weg nicht mit mir gehen, und ich würde sie verlieren.

Ich hatte gegen Ende meines Transitionsversuches schwer zu kämpfen, war wieder in der Notfall-Ambulanz in der Psychiatrie, nach einer wochenlangen schweren Lebenskrise und Zweifeln an meinem Leben, ebenso an der Möglichkeit, mir Hilfe zu holen. Ich war am Boden zerstört, hielt es noch nicht mal mit meinen Kindern im Kino aus, stand am Abgrund, ging in den Wald, hatte im Schlafzimmer Besuch von der Polizei, die ich letztendlich unter Tavor-Einfluss davon überzeugen konnte, freiwillig in die Klinik zu gehen. Mir ging es also trotz der Transition, aber eben wegen der Gewissheit, alles zu verlieren was mir tatsächlich etwas bedeutet, sehr schlecht. Und all das nur, weil ich meine Frau unendlich liebe und ich dabei war, sie zu verlieren.

Ich hatte Ängste und Panik. Vor allem vor der realen Gefahr, meine Frau zu verlieren, davor dass die Liebe nicht bedingungslos ist, dass da eben Grenzen existieren, da gibt es kein Zurück mehr wenn sie überschritten werden.

In meiner Transition war ich bereits recht weit, meine Coming Outs waren  überwiegend abgeschlossen. Viele Menschen wissen von mir, ich bekam viel Verständnis und Unterstützung aber auch Hass und Ablehnung. Ganz besonders hart waren solche Aussagen wie „Du machst Dich lächerlich“, „Er soll in die Hölle“, „Er ist der Teufel“, genauso auch wie Ekel, und sogar Übelkeit die bei anderen Menschen ausgelöst wurde. Aber ganz besonders die Ablehnung durch meine große Lebensliebe…

Die Transition ist nicht mein Weg. Ich weiß ich bin eine Frau, aber ich kann das nicht leben. Ich kann nicht ohne meinen Lebensmenschen leben. Ich verliere und kann diese Verluste nie wieder wettmachen. Ich habe den Weg der Transition versucht, werde mir niemals mehr vorwerfen können es nicht wenigstens mal versucht zu haben, und mir ist klar geworden das ich ihn trotz der persönlichen Erfolge nicht gehen kann.

Nun kann man sagen, dass mir doch klar sein muss, dass mein altes Leben als Mann nicht mehr funktionieren kann. Das konnte ich in den letzten zwei Jahren beweisen mit 3-monatigem  Psychiatrieaufenthalt wegen schwerer Depression, folgendem schwerem Suizidversuch mit Aufenthalt auf der Intensivstation, daraus folgend die Leistungseinschränkung auch im Job, verbunden mit entsprechenden Folgen zum Beispiel auch finanzieller Art. In den letzten zwei Jahren wurde mein Leben massivst auf den Kopf gestellt. Die Folge war dann die kurzzeitige vollzogene  Trennung von meiner Frau, zunächst innerhalb unseres gemeinsames Hauses und dann der überstürzte Auszug.

Ich bin natürlich immer noch bei meinem Therapeuten, er hat drei Sitzungen gebraucht bis er mich letztendlich in meinem Abbruch unterstützt hat, auch mein Psychiater begrüßt meine  Entscheidung, meine Logopädin findet es auch gut und mutig, die Logopädie habe ich natürlich abgebrochen, die Hormontherapie zunächst reduziert, gegen Ende Juli aber auch ganz abgebrochen, ich verfolge den Kostenübernahmeantrag für die Nadelepi nicht weiter trotz Zusage…

Wie gesagt, mein altes Leben funktioniert nicht mehr, ebenso nicht ein neues Leben. Ich muss nun einen Weg finden, wie ich mit irgendetwas dazwischen klar komme. Ich bin der Überzeugung, der Schlüssel liegt im Umgang mit der Transidentität. Und dieser Umgang ist nun nach all den sich überschlagenden Ereignissen natürlich ein ganz anderer als er früher war.

Ich kann nun offen darüber reden, muss nichts mehr verstecken oder verheimlichen, die Menschen wissen was mit mir los ist, ja ich kann es sogar jederzeit in Grenzen ausleben wenn mir danach ist. Mittlerweile habe ich aber die Erfahrung gemacht, dass dieser Weg auch nicht wirklich einfach ist. Der Mensch denkt nach wie vor binär, und die anfänglich entstandene Verwirrung durch die Coming Outs wird durch den Abbruch noch verstärkt.

Was macht uns denn zu Frauen? Kiloweise Makeup? Hormone? OPs? Weibliche Kleidung? Klar das ist eine Angleichung des Äußeren an unser Inneres, an unsere Identität und an unsere Seele. Aber was ist mit dem Boyfriendlook? Der funktioniert bei uns nicht! Und im Blaumann? Werden wir auch als Mann gesehen. Wir müssen ganz heftig auf weibliche Attribute setzen um von der Gesellschaft auch nur ansatzweise als Frau wahrgenommen zu werden. Morgens in den Spiegel zu schauen und eine Frau zu sehen funktioniert nicht. Und wir werden immer Transfrauen bleiben,  also zumindest bin ich mir da bei mir sicher, bei 1,93m, breiten Schultern und großen Händen. Mir ist bewusst, dass eben sehr viel möglich ist, und wenn erst mal die Hormone jahrelang gewirkt  haben und diverse OPs hinter mir liegen würde mein Passing auch anders sein, aber es wird eben immer das Thema Trans* da sein und höchstwahrscheinlich wird das falsche Gendern niemals  aufhören.

Nein, ich kann den Weg nicht gehen. Ich verliere. Ich bin sogar der Meinung, dass die Transition mein Leben zerstört. Ich hasse meine Transidentität, weil sie so viel Schaden in meinem Leben  angerichtet hat.

Als Betroffene sehe ich mich jedoch in der Pflicht der Aufklärung. Und das ist ungleich schwerer. Wie meinte einer unserer Tennistrainer letztens: „Gott sei Dank, du wirst keine Frau. Du bist doch  ein Mann!“. Natürlich musste ich ihn erst einmal wieder aufklären. Unsere Gesellschaft macht es uns schon extrem schwer. Sie wird sich auch nicht ändern. Sie ist einfach binär und auch ich habe mich immer so gesehen und die meisten von uns stecken sich auch selber in diese Schubladen, denn wie wichtig ist alleine die Personenstandsänderung? Besonders die steht doch für die Unterwerfung unter diese Binärität!

Ich bin eine Frau. In einem hässlichen Männerkörper, den ich ablehne. Damit musste ich mich 40 Jahre abfinden. Damit werde ich mich auch in Zukunft abfinden müssen. Aber ich muss mich nicht mehr verstecken. Ich kann darüber reden. Jederzeit. Ganz offen und wenn es sein muss auch proaktiv. Ich stehe zu dem, wer oder was ich bin. Ich will aufklären, sehe mich auch als Botschafter/in in einem Kampf gegen die Gesellschaft, nur so kann ich etwas bewirken. Auch wenn es ein Kampf gegen Windmühlen ist, kann ich den Menschen zeigen, dass es noch etwas anderes gibt, ohne dass sie mich gleich wegen meines Äußeren verurteilen. Viele sind überrascht, beschränken Glück auf materielle Dinge, verstehen nicht, wie man so empfinden und denken kann, aber ich erzähle dann von mir, von meinem unendlichen Leid und von meiner unendlichen Liebe.

Ich kann nicht sagen, ob und wie lange ich das schaffe. Aber es ist mein einziger Weg. Ich kann nicht nach hinten und nicht nach vorne, ich muss durch die Mitte durch. Ich bekomme Zuspruch  aber auch viel Zweifel, es würde mich irgendwann mit voller Wucht treffen. Mir bleibt nichts anderes übrig als es zu versuchen….

Mir ist es bewusst, dass viele ein Problem damit haben, wie nun meine Entscheidung ist. Es muss nicht immer nur der eine Weg Volldampf nach vorne sein. Es gibt auch noch andere  Möglichkeiten. Klar ich sehe mich als Frau. Aber ich weiß, dass ich den Menschen helfen kann, zu sich selber zu stehen, egal welchen Weg sie für sich wählen. Und ja, es ist eine Wahl. Dass wir so sind ist eine Tatsache, aber was wir daraus machen ist unsere eigene Entscheidung. Ich verstehe die Ängste, die Sorgen, die Panik, die unser Leben beeinflussen. Ich verstehe auch, wie man so  abstürzen kann. Genau hier setzt Selbsthilfe an, eben nicht nur den besten Operateur zu finden oder schnellstmöglich an die Hormone heran zu kommen, sondern auch eine aktive, intensive und  kritische Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten, ohne daran zu verzweifeln und im Suizid zu enden. Das war auch monatelang meine Intention während meiner Besuche in den  Gruppenabenden, quasi seit August `15 bis Mai ´16, mich kritisch mit dem Thema auseinander zu setzen bevor ich irgendwelche Schritte unternehme und nicht nur stur nach vorne zu stürmen.

Viele sagen ich wäre schon so weit und könne nicht mehr zurück, auch damit muss ich mich nun abfinden. Aber ist es nicht toll, dass ich nichts mehr verheimlichen muss? Ich kann darüber reden,  ganz offen. Auch das ist ein Ergebnis meiner Coming Outs, sowohl privat als auch beruflich. Ich kann dafür einstehen, kann gegen Homophobie und Transphobie kämpfen, und dabei auch  irgendwie ich sein, ohne gleichzeitig zu verstören oder zu irritieren.

Ich komme derzeit ganz gut zurecht, mein Leidensdruck hält sich in Grenzen, vor allem dadurch, dass ich die Gewissheit habe, nichts mehr verstecken oder verheimlichen zu müssen. Meine Frau  sieht das natürlich auch und ermutigt mich sogar, mich wieder mit anderen Betroffenen zu treffen und meine Transidentität auch mal auszuleben. Wir haben quasi eine Übereinkunft getroffen, mit was sie einverstanden wäre, aber im Moment habe ich überhaupt keine Lust oder kein Verlangen danach.

Ich hoffe ich habe die Kraft, das so durch zu halten. Ich weiß vor allen Dingen auch, dass ich die Transition jederzeit wieder aufnehmen könnte, wenn ich mich dazu entscheiden sollte, denn ich  habe bereits Erfahrungen gemacht, die mir diese Schritte vereinfachen würden. Das gibt mir Halt und Gewissheit. Natürlich habe ich neue Baustellen, an denen ich jetzt arbeiten muss, aber mein  durch die Transition gewonnenes Selbstvertrauen habe ich behalten und kann es erfolgreich einsetzen.

 

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Diskriminierung betrifft uns alle

Autorin: Vivian

War letztes Wochenende bei einer Mittelalter-Veranstaltung, die 800 Jahre feierten.

Soweit ok. Ist wie bei vielen solcher Märkte, wenig Gewandete (Kostüm sagen wir nicht gerne).
Aber man kennt sich die im Gewand die dort waren. Auf dem Parkplatz hatte ich Zweifel, da viele eher in „Zivil“ kamen. Habe dann doch mein mitgebrachtes Kleid angezogen und bin hingegangen. Eintritt war für alle gleich und mit 5 € günstig. Die Schausteller und die in dem Lager hatten andere Farben. Die mich kannten, begrüßten mich – sind eh immer die gleichen.

Ich bekam Hunger und suchte mir einen Essensstand. Auf dem Weg dahin fiel mir eine junge Frau auf, die angepöbelt und ausgelacht wurde. Ich lief ihr nach, da ich einen Verdacht hatte. An einem Stand verweigerte man ihr den Verkauf mit der Bemerkung, geh nach Hause und ziehe dich um. Ich sprach sie an was los ist und bat sie zu mir an den Platz. Ich bestellte für uns beide was zu Essen, bekam aber nur meines, ich fragte wieso. Der uns bedient hatte, meinte: „Der da soll verschwinden, er spielt sich als Frau auf dabei ist er ein Mann.“ Ich ging an den Essensstand und fragte, wer der Chef ist. Es kam jemand und großes Bla Bla folgte. Zum Schluss fragte ich sie, ob sie das Diskriminierungsgesetz kennen würden. Einer meinte nur, das beträfe doch nur Flüchtlinge. „Falsch“, erwiderte ich. „Es betrifft jeden von uns und zeigte auf die Leute. Da Sie sie nicht bedient haben, haben Sie sich strafbar gemacht.“ Ich hatte das essen noch nicht bezahlt und so ließ ich es stehen. Unter diesen Umständen gehe ich woanders hin.

Ich ging mit der jungen Frau nach Hause und sie wunderte sich, dass ich für sie einsprang. Bei ihr angekommen outete ich mich ihr gegenüber als Transfrau. Sie war echt überrascht. „Hätte ich nie gedacht“, meinte sie. Wir redeten ein wenig und ich half ihr noch beim Zurechtmachen. Dann gingen wir noch mal auf den Markt. Auf dem Weg dorthin meinte ich zu ihr, dass sie keine so großen Schritte machen und leiser und langsamer sprechen soll. Schau dir die Leute an. Ich gab ihr noch ein paar Tipps und dass sie sich eine Selbsthilfegruppe suchen soll.

Auf dem Markt wurden wir an den Ständen anständig bedient ohne hick hack. Ich stellte sie als meine Bekannte vor und sie genoss den Tag. Am WC-Wagen schaute sie mich erst unsicher an und ging dann selbstverständlich auf die Frauenseite. Als sie wieder raus kam meinte Sie, es könne doch alles so einfach sein. Später kam sogar jemand von dem ersten Essensstand und entschuldigte sich bei ihr.

Als ich zu Hause war, hatte sie mir auf den AB gesprochen und bedankte sich für meine Hilfe. Ich hoffe, dass sie ihren Weg geht. Gerne helfe ich, wenn jemand Hilfe braucht.

 

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Mein erster Ausflug zum Gendertreff Düsseldorf

Autorin: Daniela

Sonntag war ein ganz besonderer Tag für mich. Schon seit Wochen habe ich gefiebert, mich gefreut aber auch mit Ängsten gekämpft. Denn an diesem Tag sollte ich viele Dinge zum ersten Mal in meinem Leben tun.

Es sollte zum Gendertreff nach Düsseldorf gehen. Und nicht nur das, es sollte auch direkt en femme sein. Zum ersten Mal außerhalb der eigenen 4 Wände. Ursprünglich wollte ich ja erst mal in meiner männlichen Erscheinung vorbeischauen, aber je näher der Termin rückte, desto mehr fühlte sich das für mich einfach falsch an. Also stand irgendwann der Entschluss, einfach ins kalte Wasser zu springen.

Nun stellte sich die Frage der Umsetzung. Da ich eher Teilzeitfrau bin und meine Frau in unserem Viertel recht berühmt ist, wollen wir aktuell nicht, dass meine weibliche Identität groß bei uns bekannt wird. Gut, wenn es passiert, dann ist das eben so, aber wir wollen es einfach nicht darauf anlegen. Also haben wir mich nur zum Teil hergerichtet. Das Make-up, bis auf die Lippen, das Kleid unter der Jacke versteckt, und den Lidschatten unter einer Sonnenbrille. Zum Glück sind wir auf dem Weg zum Auto dann doch niemandem über den Weg gelaufen, denn an die roten Nägel hatte ich in diesem Moment schon nicht mehr gedacht. Die wären definitiv bemerkt worden.
Also Navi an und auf nach Düsseldorf. Die Fahrt von Bochum lief erwartungsgemäß unspektakulär. Das Navi setzte uns dann an der Einfahrt zum Kaisershaus ab. Alles komplett überfüllt und kein Parkplatz in Sicht, der Puls steigt.
Als wir dann endlich das Auto abgestellt hatten, haben wir schnell den Feinschliff vorgenommen. Perücke, Schmuck, Lippenstift anlegen, schnell die Jeans unter dem Kleid entfernen und die Schuhe wechseln. Keiner gesehen? Gut!

Da standen jetzt meine Frau und ich. Auf dem Grünstreifen in der Einfahrt und ein Rentnerpärchen nach dem anderen schritt an uns vorbei, während ich noch meine Handtasche kontrollierte.
„Schatz, wir sind wohl die einzigen hier. Bist du sicher dass wir hier richtig sind. Die Leute schauen schon etwas skeptisch…“, war von meiner Frau zu hören. Das war der Moment wo mir mein Pulsarmband vibrierend mitteilte, dass die 120 jetzt überschritten waren.
Ja ich war mir sicher richtig zu sein. Zum Glück hatte ich Drachenfrau´s Nummer und nach einem kurzen Text lief sie uns auch schon freudig entgegen. Was für eine Erleichterung! Dies war aber auch der letzte unangenehme Moment des Nachmittags.

Nachdem wir uns begrüßt hatten, zeigte sie uns wo genau die Gruppe saß. Meine Güte waren das viele Menschen. Wir mussten uns noch einen Tisch zum Anbauen besorgen. (Hihi und haben auch direkt einen Rüffel von der Bedienung kassiert, dass wir doch nicht alle Tische einsammeln sollten). Drachenfrau stellte uns vor und wir setzten uns. Ich habe mich direkt angenommen gefühlt. Das war wundervoll und so langsam ging der Puls auch wieder runter. Ganz ablegen konnte ich meine schüchterne Ader allerdings nicht. Das lag aber nicht an der Gruppe, ich brauche immer etwas mehr Zeit um mit neuen Menschen warm zu werden.
Meine Frau und ich haben dann ein bisschen mit den anderen gequatscht aber auch viel einfach auf uns wirken lassen. Wenn wir also etwas still rüber kamen, seid uns nicht böse. Der Tag war ein absolutes Abenteuer für uns beide.

Und er verging wie im Flug! Ich hatte mir vorgenommen ganz viele Fotos von meinem ersten Ausflug zu machen aber bis auf 2 Selfies habe ich nicht mal das geschafft. Noch heute bin ich total überwältigt, allem voran wegen der Freundlichkeit die uns von allen Seiten entgegen gebracht worden ist! Vielen, vielen Dank! Leider hat mich mein verfluchtes Namensgedächtnis mal wieder erwischt, deshalb muss ich so einigen Personen einfach das nächste Mal persönlich meinen Dank übermitteln. Denn ein nächstes Mal mit Daniela und Melanie wird es definitiv geben!

LG Daniela

 

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Gendertreff bei der NRW Selbsthilfe Tour 2018

Unter dem Motto „Selbsthilfe bewegt“ startete am am 13. April die NRW Selbsthilfe Tour 2018 auf dem Schadowplatz in Düsseldorf. Der Gendertreff e.V. stellt mit dem Selbsthilfetreffen Gendertreff Düsseldorf eine in Düsseldorf anerkannte Selbsthilfegruppe für Trans*-Menschen und Angehörige und war deshalb selbstverständlich mit dabei.

Trotz des nicht ganz optimalen April-Wetters hatten sich zahlreiche Menschen eingefunden, um sich über das Thema Selbsthilfe zu informieren und auszutauschen. Mit dabei auf der vom Verband der Ersatzkassen e.V. organisierten NRW Selbsthilfe Tour 2018 war auch der auffallende Selbsthilfe Truck, dessen Anhänger zu einer fahrbaren Bühne aufgeklappt werden kann.

Das Selbsthilfe-Service-Büro im Gesundheitsamt der Stadt Düsseldorf hatte ein Info-Zelt aufgestellt, an dem sich die Bürger über die Arbeit der Selbsthilfegruppen in Düsseldorf informieren konnten.

Der Gendertreff informierte interessierte Bürger über das Thema Transidentität.

Natürlich wurde auch auf die Gendertreff Messe & Fachtagung hingewiesen. Und auch die Grüne Karte für Diversity wurde gerne mitgenommen.

Ava im Gespräch mit Bürgermeisterin Klaudia Zepuntke.

Auch das Programm auf der Truck-Bühne fand großes Interesse.

Und hier noch ein Foto von Ava und Rita, die den Gendertreff e.V. beim Tourneestart der NRW Selbsthilfe Tour 2018 in Düsseldorf vertreten haben.

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Weihnachten 2017 – Schrottwichteln beim Gendertreff Düsseldorf

Wir vom Gendertreff nennen unsere Selbsthilfegruppen Selbsthilfetreffen. Denn wir haben festgestellt, dass es sich in einer schönen Atmosphäre bei einem guten Essen oder bei einem schönen Kaffeeklatsch besser reden lässt als wenn wir uns irgendwo in einem Hinterzimmer zum Stuhlkreis treffen würden. Ebenfalls wichtig ist uns, dass der Austausch auf Augenhöhe stattfindet, dennoch aber Mitglieder des Gendertreff-Teams als Ansprechpartner und für Beratungen zur Verfügung stehen.

Natürlich wissen wir auch, dass es gerade für Neulinge eine Herausforderung ist, ein Selbsthilfetreffen in einem öffentlichen Lokal aufzusuchen. Andererseits lernen sie so im Schutze der Gruppe, in der Öffentlichkeit zu sich und ihrer Transidentität zu stehen, was wiederum extrem wichtig ist, um ein selbstbewusstes und selbstbestimmtes Leben im Identitätsgeschlecht zu führen. Auch für Angehörige transidenter Menschen ist es enorm wichtig, andere Trans*-Menschen und andere Angehörige kennenzulernen und gemeinsam das Beisammensein zu erleben.

Der Gendertreff Düsseldorf findet seit Oktober 2004 jeden dritten Sonntag im Monat statt. Und da Transidentität an sich schon ein ernstes und komplexes Thema ist, legen wir auch Wert darauf, dass auf unseren Selbsthilfetreffen auch gerne einmal gelacht werden darf. Bei unserem Düsseldorfer Selbsthilfetreffen ist es deshalb gute Tradition, dass immer im Dezember – und damit in der Vorweihnachtszeit – ein Schrottwichteln stattfindet. Und deshalb wurde auch in 2017 wieder Schrott gewichtelt. 🙂

Zunächst aber wurde wie immer auf unseren Selbsthilfetreffen viel miteinander geredet. Und auch unseren Selbsthilfepreis hatten wir an diesem Tag mitgebracht.

Dann aber sollte das Schrottwichteln losgehen. Schrottwichteln bedeutet, dass es Geschenke gibt. Da es jedoch um den Spaß und nicht um Materielles geht, soll in den Geschenken etwas von geringem Wert sein, das man selber nicht mehr braucht, was aber der beschenkten Person durchaus noch Freude bereiten könnte. Alle Geschenke kommen auf einen Gabentisch und dann wird gewürfelt. Damit nicht nur Zeit mit vergeblichem Würfeln verging, durfte jede_r, der_die eine 1, 3 oder 6 würfelte, sich ein Geschenk aussuchen.

Hier hat sich Xenia ein schönes Geschenk ausgesucht.

Da aber in der zweiten Runde noch einmal gewürfelt wird und man bei einer 1 oder einer 6 das Geschenk mit einer beliebigen Person tauschen muss, landete Xenias Paket kurz darauf bei Sabine.

Ja, und da saßen Ava und Xenia nun mit ihren erwürfelten und frisch durchgetauschten Paketen. Was da wohl drin sein mag?

Aber allen anderen ging es ja ähnlich. Kirsten machte es geschickt und tauschte mit dem Gabentisch, auf dem noch einige Pakete übrig geblieben waren. 😉

Man sieht es Clara an: Auch kleine Geschenke können große Freude bereiten. 🙂

Und auch Ute freut sich riesig über ihr Geschenk.

Natürlich darf man beim Schrottwichteln auch nicht einfach nur so sein Geschenk auspacken. Nein, auch hier wird zunächst gewürfelt. Auspacken darf, wer wiederum eine 1 oder eine 6 würfelt.

Dinner for One – für Sarah ist der Silvesterabend Dank des Silvesterklassikers gerettet. 🙂

Für Nathalie ist derweil das Geschenkpapier …

… ganz offenbar wichtiger als das Geschenk selbst. 😉

Ava hat diese Bilder erwichtelt. Aber Xenia musste mit dem Auspacken noch auf ihre 1 oder 6 und somit auf ihr Würfelglück warten.

Marina freut sich: Ist das nicht schön?

Und auch Kirsten hat sichtlich Spaß.

Die übrig gebliebenen Geschenke haben wir dann gegen geringe Summen versteigert. Der Erlös der Versteigerung kommt unserer nächsten Gendertreff Messe & Fachtagung zugute. So hatten wir auf dem letzten Selbsthilfetreffen des Jahres 2017 noch einmal richtig viel Spaß. Aber auch die ernsten Themen rund um Transidentität kamen natürlich nicht zu kurz.

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Gendertreff bei center.tv Düsseldorf

Interview Gendertreff

Bildnachweis: Screenshot der Sendung

Der Düsseldorfer Lokalsender center.tv berichtete in der November-Ausgabe seines Gesundheitsmagazins Vitamin D über Selbsthilfegruppen in Düsseldorf. Der Gendertreff Düsseldorf fand erstmalig im Oktober 2004 statt und war somit die Keimzelle des heutigen Gendertreff e.V. (i.Gr.). Wie alle Selbsthilfetreffen des Gendertreff ist auch der Gendertreff Düsseldorf anerkannte Selbsthilfegruppe und als solche auch mit anderen Düsseldorfer Selbsthilfegruppen über das Selbsthilfeservicebüro am Gesundheitsamt Düsseldorf vernetzt. „Gendertreff bei center.tv Düsseldorf“ weiterlesen

Beim Gendertreff kommen Trans-Menschen zusammen

Beim Gendertreff kommen „Trans*Menschen“ zusammen, um sich über Probleme auszutauschen.

Im falschen Körper zur Welt gekommen | IKZ-Online.de – Iserlohner Kreisanzeiger und Zeitung.

 

Mit freundlicher Genehmigung der IKZ, Funke Medien NRW GmbH.

DerWesten/

 

 

Iserlohn

Bei einer Tasse Kaffee beziehungsweise Tee sitzen sie an diesem Nachmittag in dem mit Orchideen und ansprechenden Bildern ausgestatteten Büro. Die beiden Frauen sind in ihr Gespräch vertieft. Soweit nichts Ungewöhnliches, eine Szene wie sie täglich tausendfach geschieht. Jedoch ist hier etwas anders, denn Chrissie und Helen sind nicht als Frauen zur Welt gekommen, sondern in männlichen Körpern. „Transgender“ oder „Transsexuell“ lautet die wissenschaftliche Bezeichnung, Helen und Chrissie hören lieber „Trans*Menschen“. Als „komplizierten Weg“ beschreibt Helen ihr Leben. Schon mit elf, zwölf Jahren bemerkte sie, dass „irgendwas nicht in Ordnung ist“. Was, das war ihr viele Jahre nicht bewusst. Allerdings begann sie aus der Unwissenheit heraus, mit 16 Jahren zu trinken. „Der Alkohol tat mir ganz gut“, sagt sie leise. Die heute 55-Jährige unterdrückt ihre Identität lange, heiratet mit 23 Jahren eine Frau. Die erlebt Hendrik, so hieß Helen einst, immer häufiger betrunken, sucht nach Flaschen – und findet dabei, ganz hinten im Schrank, bei ihrem Mann plötzlich Frauenkleider. „Wir haben uns auseinander gelebt, meine Frau ist dann ausgezogen“, erzählt Helen, die weiter trank. Sie findet schließlich wieder den Weg in die Mendener Suchtberatung, wo inzwischen bekannt ist, dass Hendrik im falschen Körper geboren wurde.

 

Aus Hendrik wird zusehends Helen

„Vom ersten Tag der Therapie an habe ich gewusst: Jetzt fängt mein neues Leben an.“ Hendrik wird zusehends zu Helen, die zunächst bei einer Selbsthilfegruppe in Köln Unterstützung findet. Ab Juni 2012 ist sie trocken, geht den Wandel immer offensiver an. Ein Jahr später gerät sie in Münster an die passenden Ärzte, beginnt 2014 eine Hormontherapie. Die Personenstandsänderung lässt nicht lange auf sich warten. Stolz über das Erreichte geht sie zur Lokalzeitung, outet sich öffentlich. „Sie müssen sich vorstellen, dass ich in einem Dörfchen wohne. Wenn man offen damit umgeht, funktioniert das auch“, weiß Helen.

Anders verlief die Geschichte von Chrissie, ebenfalls 55 Jahre alt. Sie ist nach wie vor mit einer Frau verheiratet die die „Trans*Frau“ an ihrer Seite akzeptiert. Jedoch gehen die beiden mit Blick auf ihre Berufe nicht ganz so offensiv damit um wie Helen. Nach einem ersten, vorsichtigen Outing bei einem sehr guten Freund erfährt Chrissie zunächst Ablehnung. „Er hat ungefähr fünf Jahre gebraucht, bis er damit umgehen konnte“, sagt sie. 2008 sucht sie sich eine Selbsthilfegruppe, wird in Düsseldorf fündig. „Ich habe aber die ganze Zeit gedacht, dass sowas – auch wenn die Sauerländer anders sind als die Rheinländer – hier ebenfalls möglich sein müsste“, erinnert sie sich. Als sie dann von Helen liest, ist der Anstoß da, in Iserlohn den Gendertreff ins Leben zu rufen.

„Infos fehlen bei ,Trans*Menschen’ und der Bevölkerung gleichermaßen“, weiß Chrissie. So kommen seit Jahresbeginn regelmäßig Männer und Frauen zusammen, die noch im falschen Körper stecken oder dies bereits hinter sich gelassen haben. „Wir treffen uns bewusst in öffentlichen Bereichen, um allen Seiten zu zeigen, dass alles ganz normal ist und wir nichts mit Travestie zu tun haben“, so Chrissie, die ihren unerfahrenen „Schützlingen“ häufig dazu rät, es beim Outfit nicht zu übertreiben. „In der Öffentlichkeit kommt es immer darauf an, wie man selbst mit dem Thema umgeht und zu sich selbst steht, entsprechend reagieren die Mitmenschen.“

 

Neben den öffentlichen Treffen gibt es immer auch geschlossene Info-Abende. „Man kann schlecht in einem Café über eine Operation sprechen“, sagt Chrissie, die für sich selbst noch keine Entscheidung zur geschlechtsangleichenden OP getroffen hat. Allerdings nimmt auch sie seit einem halben Jahr Hormone, um das Wachstum der Brust und eine weiblichere Fettverteilung zu fördern. Chrissie und Helen kennen die Probleme, beispielsweise die Verweigerung der Krankenkassen, was bestimmte Methoden der Haarentfernung angeht, oder die Risiken der OP, bei der für „Trans*Männer“ (Frau-zu-Mann-Transsexuelle) unter anderem auch Hauttransplantationen erforderlich sind. Helen steht der wichtige Schritt der geschlechtsangleichenden OP dieser Tage bevor. Sie kann es kaum abwarten, endlich zur „richtigen Frau“ zu werden.

 

Erste Reaktion der Mutter: Was sollen Nachbarn sagen?

Bis auf fragende Blicke hätten sie noch nie derbe Ablehnung erfahren, sind sich die beiden einig. Ganz im Gegenteil: Helen war bereits als Hendrik selbstständig im Bereich der Autopflege tätig, seit dem Outing ist der Zuspruch nach eigenen Angaben noch größer. „Die erste Reaktion meiner Mutter war: Was sollen bloß die Nachbarn dazu sagen? Bis auf eine befreundete Familie war das aber für alle in Ordnung.“

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