Chrissies 11. Mai 2012

Autorin: Chrissie

Wochenende. Mein Gott, wie die Zeit vergeht. Seit Montag kleide ich mich ausschließlich als Frau. Auch in der Arbeit und der Freizeit. Und alles läuft so harmonisch ab, dass es kaum zu glauben ist. Trotz allem werde ich behutsam langsam aber doch weiter meinen Weg gehen.

Wenn ich zurückdenke an die letzten Monate, wie unausgeglichen, gar nervig ich mit meiner Liebsten und anderen umgegangen bin, bin ich heute die glücklichste und ausgeglichenste Person. Hängt´s damit zusammen, dass ich nun zu meiner Transsexualität stehe?

Bereits morgens stehe ich glücklich und innerlich so tief zufrieden auf, wie es seit „Jahrhunderten“ nicht mehr der Fall war. Dann die tief verwurzelte Freude aufs Schminken, Ankleiden usw. Das gemeinsame Frühstück mit immer noch so lieben Komplimenten meiner Frau. Die Fahrt zur Arbeit ohne Hektik und bösen Gedanken, wenn ich mal im Stau stehe. Die Arbeit selbst mit meinen so netten und lieben Kolleginnen. Oft denke ich daran, welch dumme Kuh ich war, dass ich solange gewartet habe zu dem zu stehen was ich eigentlich immer war. Soviel Jahre hergeschenkt und verschleudert zu haben. Brrrrrrrr.
Sorry, ihr Lieben. Musste ich mir mal von der Seele schreiben.

Gestern wurden meine Frau und ich ganz spontan von Sabine (Nachbarin) abends eingeladen auf ein, zwei Gläser Wein. Hier lernte auch Sabines Tochter mich als Chrissie kennen. Keine negative Reaktion. Eher stillschweigende Neugier, die sicher irgendwann in Fragen enden wird. Es war ein sehr schöner Abend. Voller Harmonie. Und die Gespräche gingen weit über das hinaus, was allgemein als „Weibergequatsche“ bezeichnet wird. Ich glaube auch, dass meine Liebste froh ist, sich mit jemanden austauschen zu können. Und dabei wird es auch um meine Wenigkeit gehen. Und mir tut es auch gut, wenn wir drei uns so toll verstehen. Jedenfalls sind wir uns gestern Abend ein ganzes Stück weit emotional näher gekommen.

Euch allen ein ganz harmonisches und liebes Wochenende
LG
Chrissie

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Chrissies 9. Mai 2012

Autorin: Chrissie

Die letzten beiden Tage verliefen so normal, als wäre es das Normalste, Transsexuelle zu sein. Die Arbeit macht immer mehr Spaß. Obwohl das tägliche Anziehen von Damenkleidung, das Schminken und Herrichten schon ab und an stressig werden kann. Aber auch noch so kleine Komplimente von meiner Liebsten oder der einen oder anderen Arbeitskollegin entschädigen dafür tausendfach.

Demnächst werde ich bei unserem Amtsarzt vorstellig. Es soll ja alles nach „behördlichen Richtlinien“ laufen. Sicher nur ein kurzer Besuch, denn zur weiteren Behandlung wird er mich sicher zu meinem Hausarzt oder wohin auch immer schicken.

Abzeichnen wird sich aber sicher, dass ich nicht die geschlechtsangleichende Operation machen werde. Die Risiken, nicht nur meines fortgeschrittenen Alters, sind mir einfach zu hoch. Gut, das schreibe ich heute. Wie´s denn mit meiner Gefühlswelt erst ausschaut, wenn die Hormone kommen und wirken ist eine andere Sache.

Ebenso bald schaue ich, dass mit der Epilation begonnen werden kann. Gott sei Dank habe ich kaum Haarwuchs am Körper. Einmaliges „Säubern“ im Monat reicht locker. Aber der blöde Bart geht mir schon auf die Nerven.

Am Wochenende wird sich Chrissie noch bei den restlichen Leuten vorstellen, die mich noch nicht so kennen. Ich fühle, dass das noch mal ganz schön schwer werden wird. Obwohl ich mich heute schon darauf freue. Verrückt, aber so ist´s nun mal.

Ach ja. Die „leidlich weiblichen“ Eigenschaften, nämlich Hausarbeiten, darf ich jetzt auf Bitten meiner Liebsten auch übernehmen. Bis auf’s bügeln (wird mir noch beigebracht) also die Tätigkeiten, die Frau ja liebend gerne macht.

Liebe Grüße
Chrissie

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Auch Chrissies Dienststelle hat kein Problem

Autorin: Chrissie

Chrissie aus Bayern hat sich auf ihrer Dienststelle geoutet. Vielen Dank sagt der Gendertreff für diesen authentischen Bericht:

So nun hab ich’s hinter mir. Gestern outete ich mich. Und alles lief gut. So gut, dass ich heute noch heulen könnte vor Glück und Zufriedenheit.

Bereits am vergangenen Montag informierte ich eine Arbeitskollegin (die Person, die mich im März auf meine Kleidung ansprach), was ich vorhabe. Sie wünschte mir alles Gute, versprach mir zu helfen wo sie könne und noch bis zum offiziellen Outen still zu halten.

Das gestrige Gespräch begann in so lockerer Forum und Weise, dass ich ehrlich überrascht war, obwohl es über drei Stunden dauerte. Anwesend waren meine Vertrauensperson vom Personalrat, der Personalratsvorsitzende und meine direkte Vorgesetzte, die sog. „Geschäftsleitende Beamtin“. Mit moderaten Worten eröffnete meine Vertrauensperson die Runde und gab das Wort dann an mich weiter. Anfangs noch mit recht zitternder Stimme und wackelnden Beinen (trotz Sitzen) führte ich die Anwesenden hin zu meiner Geschichte und meinem jetzigen Dasein. Fast eine Stunde redete ich über mich, meine Arbeit, die Unterstützung meiner Frau und vieles mehr. Unterbrochen wurde ich kein einziges Mal. Allerdings schrieben Einige einiges mit.
Als ich fertig war, war ich so erleichtert, dass ich lächelte und zugleich ein paar Tränen vergoss. Und noch mehr, als Personalrat und Vorgesetzte mir folgendes zusagten:
(in Stichpunkten verfasst, sonst dauert´s zulange)

  • Keinerlei Diskriminierung in der Behörde
  • Keine Auswirkungen auf Beurteilung und evtl. Beförderungen
  • Beibehaltung des bisherigen Arbeitsplatzes, wenn gewünscht.
  • Nach Information der Beschäftigten (Rundmail) Ansprache als Frau „F“ und Änderung des Familiennamens im Telefon-, e-Mail Verzeichnis und an der Tür
  • Untersuchung beim Amtsarzt und anschließende Weiterleitung an entsprechende Ärzte zur Erstellung medizinischer Gutachten (freiwillig)

Ihr könnt euch vorstellen, dass ich nach diesem Ergebnis mir den Rest des Tages frei nahm und nach Hause fuhr.

Und heute war ich zum letzten Mal als „Mann“ verkleidet in der Arbeit und informierte per Intranet alle Kolleginnen und Kollegen über meinen Stand. Natürlich auch meine bei mir im Zimmer arbeitenden Kolleginnen. Die eine staunte nur und war „etwas erschüttert“. Die zweite lächelte zwar, aber so unsicher, dass es nicht einzuordnen war. Und die letzte Kollegin, die ja schon informiert war lächelte ebenso, als sie sagte: “Wir freuen uns auf Montag, wenn wir mit unserer neuen Kollegin Chrissie ab jetzt ein reines Frauenzimmer sind. Herzlich Willkommen und alles, alles Gute!“

So, das wars einmal. Am Montag dann beginnt eine andere Zeit. Hoffentlich eine bessere. Das wünsche ich mir so sehr. Aber der erste Schritt ist nun getan.

LG
Chrissie

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In kleinen Schritten, mein Weg zum Ich: 12-2011

In der Firma stellt sich immer mehr Routine ein (ein hoch auf das Jahresendgeschäft) und immer wieder gibt es kleine Gespräche mit Kollegen/Kolleginnen über die Transsexualität . Immer wieder wurde unsere Plattform wegen des professionellen Auftritts und Informationsgehaltes gelobt und einige Flyer konnte ich verteilen. Vier Wochen nach meinem "ersten" Arbeitstag, kam ich im Rock zur Arbeit. Ein unbeschreiblich schönes Gefühl und viele meinten, ich könne das gut tragen.

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In kleinen Schritten, mein Weg zum Ich: 11-2011

Versprochen war, dass es einen gleitenden Übergang geben wird also was ziehe ich an. Mit meiner Frau zusammen fiel die Entscheidung auf Strumpfhose, Jeanshose, ein helles Longshirt und Pumps mit einem leichten Absatz. Nachdem ich im Bad fertig war, stieg ich mit einem seltsamen Gefühl ins Auto um wenig später etwas flattrig vom Firmenparkplatz zu meinem Büro zu gehen. Routine und alles war eigentlich gewohnt, aber doch war es anders als sonst.
Nachdem ich mein eMail-Konto geöffnet hatte, staunte ich nicht schlecht. Viele Glückwünsche und Respektbekundungen von Kolleginnen und Kollegen waren eingetroffen. Durchweg positive Benachrichtigungen und dies sollte sich im Laufe des Tages persönlich fortsetzen.

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In kleinen Schritten, mein Weg zum Ich: 10-2011

Heute Donnerstag, 6.10., wurde ich noch einmal ins Personalbüro gerufen um mir das Anschreiben der Geschäftsleitung an zu sehen. Darin wird darauf hingewiesen sich meinen offenen Brief sorgsam durchzulesen und Toleranz und Akzeptanz walten zu lassen. Diskriminierende Äußerungen werden rigoros geahndet. Diese eMail wird von meinen Chefs, der Personalchefin und dem Präsidenten des Unternehmens unterschrieben, der auch zwischendurch informiert wurde.

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In kleinen Schritten, mein Weg zum Ich: 9-2011

Heute habe ich drei Befunde bei meinem Hausarzt abgeholt. Die Befunde sind vom Endokrinologen, Neurologen und Gynäkologin und alle bescheinigen mir die Mann-zu-Frau (MzF) Transsexualität. Wieder ein paar wichtige Papiere, die ich dem Antrag an das Amtsgericht beilegen werde. Die Meldebescheinigung vom Bürgerbüro habe ich auch heute abgeholt.

Juhu! Heute Morgen hatte ich ein Kennenlerngespräch bei meiner neuen Therapeutin. Sie wird mich nun weiter professionell begleiten und ich bin froh, dass das Problem, keine Therapeutin zu haben, nun aus der Welt ist. Ganz wichtig, sie hat eine kassenärztliche Zulassung, leider bekomme ich den ersten Termin erst in 2012, aber sie hat mir signalisiert, dass ich sie bei Problemen anrufen kann.

Donnerstag, 22.9.2011 ich habe das Anschreiben fertig und die Papiere zusammen, alles eingetütet und fahre zur Post. „Bitte per Einschreiben.“ Ich denke am Freitag wird der dicke Umschlag beim Amtsgericht eintreffen.

An das Amtsgericht Düsseldorf

Betr.: Personenstandsänderung

Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit beantrage ich meine Namens- und Personenstandsänderung nach §1 und §8 des Transsexuellen Gesetzes (TSG).

Wie Sie aus meinem Lebenslauf und meiner Chronik entnehmen können, ist diese Entscheidung in einem Jahrzehnte langen Prozess gereift.

Mögliche Gutachter/innen:

 

…………..

*

Heute am Montag, den 26.9.2011, mein erster Arbeitstag nach meinem Urlaub, haben die AGG-Beauftragte und ein Betriebsratsmitglied eine eMail von mir erhalten. Wir werden uns am Donnerstag um 14:00 Uhr zu einem ersten Gespräch zusammensetzen. Ein bisschen flau im Magen ist mir schon.

Donnerstag – und mir ist übel, aber ich lenke mich mit Arbeit ab. Kurz vor 14:00 Uhr aber steigert sich meine Nervosität und da sitzen wir auch schon im Meetingraum und ich versuche mit zitternder Stimme mein Anliegen zu erzählen. Die Kollegin vom Betriebsrat meint nur, dass sich das einige schon gedacht hätten und die andere findet es spannend und mutig. Beide sehen aber überhaupt kein Problem. Nach einer ¾ Stunde trennen wir uns und mir fällt ein ganzes Gebirge vom Herzen.
Zirka 5-10 Minuten später steht die AGG-Beauftragte bei mir und sagt mir, dass durch Urlaub, Messen usw. ein Gespräch mit der Geschäftsleitung und den Vorgesetzten erst Ende Oktober möglich sei. Alternativ könnten wir uns sofort zusammensetzen.
Gesagt getan. Gleich im Anschluss saß ich mit den beiden, der Personalchefin und meinem Teamleiter im selben Raum und ich erzählte erneut meine Geschichte. Durch die Glückshormone aus dem ersten Gespräch war jetzt meine Stimme etwas ruhiger.
Niemand im Raum hatte mit meinem Anliegen ein Problem, im Gegenteil. Alle hatten Respekt und fanden es mutig von mir und wollen mich unterstützen. Gleich wurden Strategien geschmiedet und Termine vereinbart wie das weitere Vorgehen sein wird.

Am Do. 27.10. werde ich den Betriebsrat in einer Sitzung informieren und danach in einem kleinen Teammeeting meine direkten Kolleginnen und Kollegen. Danach würde ich Feierabend machen und die Personalabteilung meinen offenen Brief an die Belegschaft, mit einem kleinen Anschreiben, per eMail abschicken. Freitag und Montag nehme ich dann frei und Dienstag ist Feiertag. Mittwoch, 2.11. ist dann Xenias erster Arbeitstag. Bis dahin sind dann auch die eMail-Adresse von der IT-Abteilung und das Avatar im Profil (Intranet) geändert.
Der Abteilungsleiter und der Präsident erfahren es morgen, aber das ist kein Problem mehr.

Kurz nach 16:00 Uhr und ich sehe zu, dass ich Feierabend mache, denn ich spüre schon wie sich das Gestein von dem zweiten Gebirge von meinem Herzen löst. Meine Frau versteht kaum ein Wort am Telefon, aber die paar Brocken der Erleichterung, die ich raus bekomme,  sagen alles. Kolleginnen und Kollegen wünschen einen schönen Feierabend und ich sehe zu, dass ich ins Auto komme, denn ich stehe noch auf dem Firmenparkplatz.

Personalchefin, Teamleiter und mein Abteilungsleiter trafen dann am Freitag um 10:00 Uhr zusammen, weil der Abteilungsleiter es noch nicht wusste und auch er sollte es von mir persönlich erfahren. Auch er fiel zwar aus allen Wolken, bestätigte aber auch dass er kein Problem damit hat. Als Biologe sind ihm diese biologischen und natürlichen Dinge nicht fremd und er wünschte mir viel Erfolg bei meinem weiteren Werdegang. Wir leben in 2011 und nicht im Mittelalter und er sei mit meiner Arbeit sehr zufrieden und dann macht halt eine Frau den Job weiter.

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In kleinen Schritten, mein Weg zum Ich: 8-2011

Übrigens mittlerweile nehme ich seit über zwei Monaten Hormone, aber äußerlich sind noch keine Veränderungen sichtbar. Ist schon spannend und das Outing in der Firma rückt auch immer näher, denn die Gerüchteküche brodelt und kocht bald über. Entweder vermuten einige schon etwas oder ich bin irgendwo gesehen worden.

Ich sage wie es ist: Jetzt stehe ich erst einmal nackig in den Erbsen und habe die Popokarte, weil auch mein Widerspruch von der Krankenkasse zurück geschmettert wurde. Das Problem ist einfach die fehlende kassenärztliche Zulassung.
Die "Alternativ"-Therapeutin aus Düsseldorf lehnt ab, weil sie erst frühestens in 15 Monaten einen Termin frei hat und so ist zu vermuten, sich hauptsächlich auf Gutachten konzentriert.
Das Outing in der Firma steht kurz bevor und ich nehme seit ca. 3 Monaten Hormone. Lange lässt sich das nicht mehr verbergen, was ich von ganzem Herzen auch gar nicht mehr will. Aber wie geht es jetzt weiter?

Wo ein Wille ist, ist auch ein Telefon. Also im Internet die kassenärztliche Vereinigung aufgerufen und nach Psychotherapeuten im Umkreis gesucht. Nach diversen Telefonaten habe ich eine Im Nahbereich gefunden, die sich ein wenig mit dem Thema Transsexualität auskennt und ganz wichtig, eine kassenärztliche Zulassung hat. Wir werden uns zu einem ersten Vorgespräch am kommenden Dienstag treffen und sehen ob wir zusammen arbeiten können und wollen. Allerdings hat auch sie erst einen Termin in ein paar Monaten frei. Das ist okay, denke ich, im Hinblick auf die geschlechtsangleichende Operation (GaOP). Dem Amtsgericht kann ich schon mal das Schlussschreiben der ersten Therapeutin mitgeben und erwähnen, dass es eine Folgebehandlung bei einer anderen Therapeutin geben wird.

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Utes Erfahrung in der Firma

Der Gendertreff bedankt sich bei Ute aus Mönchengladbach für ihren detaillierten Bericht ihres Outings in der Firma.

Im März 2010 habe ich mich den mit mir zusammenarbeitenden Kollegin und dem Kollegen anvertraut. Die Kleidung und die Haare gingen bei mir zwar leicht aber immer mehr ins feminine über. Auch mein Wesen hatte sich leicht verändert. Diese Änderungen waren den beiden mit mir in einem Büro sitzenden Leuten nicht verborgen geblieben. Mein Kollege dachte schon, ich wäre jetzt schwul. Zu meiner mir schon seit über 30 Jahren bekannten Kollegin hatte ich immer schon einen besseren Kontakt. Sie äußerte den richtigen Verdacht mit der Transsexualität. Zu dieser Zeit fand auch ein Gespräch mit meinem Vorgesetzen und den beiden Anderen hinsichtlich der Arbeitsbelastung statt. Bei dieser Gelegenheit habe ich den Vorgesetzten auch eingeweiht. Alle 3 hatten viel Verständnis für mich.

Bis September 2010 habe ich nur in meiner Freizeit als Frau gelebt. Dies sollte sich nun ändern. Bei meinen ca. 30 Kolleginnen und Kollegen hatte ich im Laufe des Monats September mein Coming-Out. Büroweise, also meist 2 Personen, habe ich in jeweils halbstündigen Gesprächen je Büro den Leuten die entsprechende Aufklärung gegeben. Diese persönlichen Gespräche hatten den Vorteil, dass die Kolleginnen und Kollegen auch mir gegenüber Fragen stellen konnten. So blieben bei ihnen keine Fragen mehr offen. Den meisten war auch bekannt, dass ich in den letzten 10 Jahren an immer stärker werdenden Depressionen gelitten habe. Ende 2009 waren die Depressionen so stark, dass ich 4 Monate lang nicht arbeiten konnte. Da sie jetzt den Grund hierfür kannten, war auch ein entsprechendes Verständnis vorhanden. Bis zum heutigen Tag hatte ich mit niemandem aus diesem Bereich ein Problem hinsichtlich meiner Transidentität.

Meiner Meinung nach ist es beim Outing sehr wichtig, ein persönliches Gespräch mit den Leuten zu führen. So bleiben keine Fragen offen, die dann später zu Missverständnissen und auch zu Mobbing führen. Ohne Zweifel habe ich Glück bei meinem Coming-Out im Büro gehabt. Aber es kommt auch viel darauf an, wie man es seinen Kolleginnen und Kollegen vermittelt.

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Sandra Melinas erster Arbeitstag

So hat Sandra Melina ihren ersten Arbeitstag erlebt.

Nun es ist schon schwierig für mich, jetzt jeden Morgen sooo früh aufzustehen, da bin ich ehrlich. Das merke ich heute wieder. Zum Glück ist es eine kurze Woche für mich. Nächste Woche, wird es etwas schwieriger.

Zum Glück helfen mir meine neuen Pillen beim Einschlafen. Es ist schon hart für mich, der es so nicht mehr gewöhnt ist seit langem. Da bin ich ehrlich. Daran muss ich mich erst mal gewöhnen. Na ja.

Jetzt wieder eine richtige Struktur für den Tag zu bekommen ist anstrengend. Das merke ich heute beim zweiten Aufstehen. Soll jetzt kein Gejammer sein. Ich bin froh darüber, jetzt mal wieder langsam ein geregeltes Leben zu bekommen. Und das ist es ja, was ich wollte.

Der erste Tag ist rum, und ich bin recht zufrieden damit. Ist nicht so schlimm ausgefallen, wie ich es mir gedacht habe. War alles recht locker gelaufen. Ein kleinen Schock habe ich zwar bekommen, aber der war recht positiv.

Ich bin sehr pünktlich dort angekommen um 8:15 Uhr. Sollte um 8:30 Uhr anfangen. Habe mich dann bei der Anmeldung angemeldet und nach einer Frau. S. gefragt, wo ich mich melden sollte. Die Frau am Empfang hat mich dann zu Fr. S. gebracht.

Dann gab es erst mal ein herzliches Willkommen, dass ich da bin. Wir haben dann so noch etwas drüber gesprochen, wie und was ich so machen soll. Dann ist Fr. S. mit mir durch das ganze Haus gegangen und hat mich überall vorgestellt. Und das wirkliche schöne für mich war dann, dass ich wie folgt vorgestellt wurde: "Das ist Frau R., die ab heute hier arbeitet als Hausmeisterin." Immer wieder die Vorstellung als Frau R. Das war sehr ungewohnt, aber doch sehr schön.

Ich habe mir dann immer wieder die Blicke von den Personen angesehen. Und ich habe festgestellt, dass es recht normal war. Also wirklich keine abwertenden oder komischen Blicke. Ich bin ganz normal aufgenommen worden. Worüber ich mich aber doch sehr gewundert habe und es mich etwas geschockt hat, war, dass einige mir einen herzlichen Willkommensgruß gegeben haben. Da war ich doch schon sehr geplättet, muss ich sagen. Damit habe ich nun gar nicht gerechnet. Sie meinten „ Herzlich Willkommen in unserem Haus und auf eine gute Zusammenarbeit“. Da war ich doch ganz schön geplättet. Und das nahm mir dann doch etwas die Angst und Aufregung, die ich verspürt hatte. Also so wurde ich noch nie empfangen.

Nach einer Weile kam dann der Herr, mit dem ich zusammen arbeite und der sozusagen mein Vorgesetzter ist. Und es ging dann auch gleich los. Wir sind zusammen losgefahren um ein Auto abzuholen und eines wegzubringen. Auf der Fahrt haben wir uns dann etwas unterhalten. Und ich war erstaunt über das, was er sagte. Er meinte, dass es doch normal wäre. Gesetzlich ist die Gleichberechtigung der Geschlechter.  Er fand das sehr gut von mir und bewunderte meinen Mut.

Als wir dann ankamen, fuhr ich dann mit dem einen Auto und er mit dem anderen. Was wir dann weg gebracht haben. Danach sind wir dann noch zu einem Baumarkt gefahren um Sachen zu holen. Er ging ganz normal mit mir um. Als wir dann wider zusammen fuhren, haben wir uns noch so über den Ablauf unterhalten. Wie und was so gemacht wird.

Und so um 12 Uhr konnte ich dann wieder nach Hause. Also es war ein recht lockerer Tag.

Nun, man kann am ersten Tag nicht viel sagen. Ich zumindest mache das nicht mehr, da ich aus Erfahrung weiß, die ersten Tage sind immer schön und gut. Ich warte erst mal ab, was noch so alles kommt. Ja zu Anfang gibt man sich immer von seiner besten Seite. Mal sehen, wie es wird. Es war sehr ungewohnt, nur als Frau gesehen zu werden. Wie ich schon mal erwähnte, ist das noch mal eine ganz andere Hausnummer, sich auf Arbeit als Frau zu bewegen, als privat. Und das habe ich gestern im Innerlichen auch gemerkt und gespürt. Muss aber sagen, dass ich mich schon recht wohlgefühlt habe. Ich nehme diese positiven Ereignisse auf und bewahre sie mir. Das steigert dann mein Selbstbewusstsein enorm. Und falls mal was Negatives kommen sollte, werde ich damit wohl recht gut umgehen können.

So das war mein erster Arbeitstag. Bin recht zufrieden damit. Bin nett und herzlich aufgenommen worden. Ich denke mal so für mich, besser konnte es nicht gehen. Ich bin froh, dass es so gelaufen ist.

LG
Sandra Melina

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