In kleinen Schritten, mein Weg zum Ich: 8-2011

Übrigens mittlerweile nehme ich seit über zwei Monaten Hormone, aber äußerlich sind noch keine Veränderungen sichtbar. Ist schon spannend und das Outing in der Firma rückt auch immer näher, denn die Gerüchteküche brodelt und kocht bald über. Entweder vermuten einige schon etwas oder ich bin irgendwo gesehen worden.

Ich sage wie es ist: Jetzt stehe ich erst einmal nackig in den Erbsen und habe die Popokarte, weil auch mein Widerspruch von der Krankenkasse zurück geschmettert wurde. Das Problem ist einfach die fehlende kassenärztliche Zulassung.
Die "Alternativ"-Therapeutin aus Düsseldorf lehnt ab, weil sie erst frühestens in 15 Monaten einen Termin frei hat und so ist zu vermuten, sich hauptsächlich auf Gutachten konzentriert.
Das Outing in der Firma steht kurz bevor und ich nehme seit ca. 3 Monaten Hormone. Lange lässt sich das nicht mehr verbergen, was ich von ganzem Herzen auch gar nicht mehr will. Aber wie geht es jetzt weiter?

Wo ein Wille ist, ist auch ein Telefon. Also im Internet die kassenärztliche Vereinigung aufgerufen und nach Psychotherapeuten im Umkreis gesucht. Nach diversen Telefonaten habe ich eine Im Nahbereich gefunden, die sich ein wenig mit dem Thema Transsexualität auskennt und ganz wichtig, eine kassenärztliche Zulassung hat. Wir werden uns zu einem ersten Vorgespräch am kommenden Dienstag treffen und sehen ob wir zusammen arbeiten können und wollen. Allerdings hat auch sie erst einen Termin in ein paar Monaten frei. Das ist okay, denke ich, im Hinblick auf die geschlechtsangleichende Operation (GaOP). Dem Amtsgericht kann ich schon mal das Schlussschreiben der ersten Therapeutin mitgeben und erwähnen, dass es eine Folgebehandlung bei einer anderen Therapeutin geben wird.

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In kleinen Schritten, mein Weg zum Ich: 7-2011

Am 1. Juli ist bereits der 10. Tag meiner Hormoneinnahme und es gibt keine Nebenwirkungen, das soll bitte auch so bleiben.
Am 19. Juli habe ich schließlich meinen Termin bei einem Neurologen und Psychiater wahrgenommen, aber außer einem kurzen Gespräch und einer Routineuntersuchung, konnte er nicht viel mit mir anfangen. Mit besten Wünschen und viel Erfolg entließ er mich, bot aber an einen Bericht zu schreiben, wenn ich einen für das Amtsgericht benötige. Am selben Tag konnte ich auch beim Endokrinologen mein neues Rezept abholen und habe nun für einen weiteren Monat Hormone bekommen. Weiterhin bleiben wir bei 2mg.

Weiter ging es am 21. Juli zur Gynäkologin. Herrlich war das Vorgespräch mit der Sprechstundenhilfe. Die üblichen Fragen wie Größe, Gewicht und Vorerkrankungen waren Routine, aber dann schaute sie auf meine Oberweite und vermutete eine Brustvergrößerung, was ich lächelnd verneinte und erwähnte, dass ich die Hilfsmittel hoffentlich bald nicht mehr benötige. Sie war etwas verwirrt und kam zum nächsten Punkt: "Wann äh war ihre letzte äh Periode???" Das "e" von Periode schraubte sich nach oben und sie merkte selber ihren Irrtum… Die Blutdruckmessung ergab ein gutes Ergebnis.
Mit der Ärztin gab es ein kurzes aber intensives Gespräch. Sie wünschte mir viel Erfolg und Glück und dann bis nächstes Jahr zur Abtastung und Mammographie.

Heute ist Tag 30 der Hormoneinnahme und ich glaube ein Kribbeln in den Brustwarzen zu spüren – kann aber auch Einbildung sein, oder tut sich da etwas? Mal beobachten.

Heute waren meine Frau und ich zu einem Gespräch bei der Therapeutin, die nun ihren Bericht an die Krankenkasse schicken wird und hoffentlich die Freigabe für erst einmal 20 Sitzungen bekommen wird. Jetzt heißt es warten und hoffen.

Das ging aber schnell und schon nach wenigen Tagen kam die Absage vom Kundendienst der Krankenkasse. Ich glaube, dass die sich gar nicht die Mühe gemacht haben den Bericht zu lesen. Für die war nur entscheidend, dass die Therapeutin keine kassenärztliche Zulassung hat. Nun, so schnell gebe ich nicht auf und habe Widerspruch eingelegt. Mal sehen was kommt.

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In kleinen Schritten, mein Weg zum Ich: 6-2011

Weitere Termine bei der Psychotherapeutin folgten und heute den 7.6.2011 hatte ich meinen fünften Termin, der letzte vor dem ersten Besuch beim Endokrinologen. Ich bin positiv angespannt und freue mich auf das was da kommt. Hoffentlich bekomme ich grünes Licht für die Einnahme von Hormonen.

Ihr glaubt gar nicht wie dankbar ich meiner Frau und meiner Familie bin, dass sie das nicht nur mittragen und den Weg mitgehen, sondern auch zu mir stehen. Es ist so wichtig, auch nach den vielen Jahren des Verdrängens, sein Umfeld und seine Seele mit zu nehmen. Es kann nicht einfach nur ein Schalter umgestellt werden, sondern es ist ein komplizierter und gefühlter langer Weg und es gibt nichts Schlimmeres als diesen schweren Weg alleine gehen zu müssen. Viele Familien brechen wegen der Transsexualität auseinander, aber ich glaube, dass es auch viel an der transidenten Person liegt, die dann plötzlich alles sofort haben und machen will. Die Hormone verändern uns und zwar nicht nur körperlich. Wir machen mit der Hormoneinnahme eine kurze heftige Pubertät durch und auch dazu sollte man sich Zeit lassen, will sagen, dass die Hormondosis nicht allzu hoch und deftig ausfallen sollte. Dafür unbedingt das Gespräch mit dem behandelnden Arzt suchen.
Überhaupt finde ich es wichtig, Hormone nur mit ärztlichem Rat und Dosierung einzunehmen und sich professionelle Hilfe in Form eines Therapeuten zu suchen. Der/die  Therapeut/in begleitet und stärkt die transidente Person – Mir gibt es ein sicheres Gefühl.

Damit habe ich nun gar nicht gerechnet. Meine Therapeutin ist leider doch nicht spezialisiert auf das Thema Transsexualität und so hat sie mich in einem Brief und einem langen Telefonat in Kenntnis gesetzt, dass sie mich nicht weiter begleiten kann. Sie hat sich mit Gutachtern in Verbindung gesetzt und herausgefunden, dass es sich um ein sehr komplexes Thema handelt. Auch vermutet sie, dass die Krankenkasse sie nicht akzeptiert, weil sie keine kassenärztliche Zulassung hat. Die Krankenkassen sind da sehr sensibel, weil hohe Kosten auf sie zukommen. Ich ärgere mich natürlich über die zwei nutzlos vergangenen Monate und fange jetzt wieder von vorne an. Mal sehen was es am Dienstag beim Endokrinologen gibt und dann eine neue Therapeutin suchen.

Der Wecker klingelt und endlich, es ist Di, der 21.6.2011. Bis zum ersten Besuch beim Endokrinologen sind es nur noch wenige Stunden. Mal überlegen was ich anziehe…

Ich habe mich für einen Jeansrock mit Shirt entschieden und nach dem ich mich fertig gemacht hatte, fahre ich mit dem Auto nach Düsseldorf. Zugegeben ich war ein wenig angespannt. Schnell fand ich einen kostenlosen Parkplatz und ging in die Praxis. Einige Formulare galt es auszufüllen und nach ca. einer halben Stunde Wartezeit, wurde ich aufgerufen – allerdings mit „Herr“. Etwas über eine halbe Stunde verbrachte ich mit dem Endokrinologen im Besprechungs- und Untersuchungszimmer und fuhr mit einem Rezept wieder nach Hause. Ich hatte meine ersten 30 Hormontabletten. Es ist ein wenig so als wenn man Sauerstoff verschrieben bekommt, nach den vielen Jahren unter Wasser.

22. Juni, ich nehme meine erste Hormontablette (2mg) ein. Mit der Therapeutin habe ich dann doch noch zwei Telefonate geführt, mit dem Ergebnis, dass sie vielleicht doch noch ihren Bericht an die Krankenkasse schickt und wenn diese akzeptiert, sie mich dann doch weiter begleitet. Jetzt ist sie erst einmal in Urlaub gefahren und ich habe in der Zwischenzeit einen Termin bei einem Neurologen und einer Gynäkologin gemacht. Der Neurologe wird vermutlich ein EEG machen, um eine organische Hirnerkrankung auszuschließen und die Gynäkologin wird eine Chromosomenanalyse durchführen.
Dann habe ich soweit alles abgecheckt und kann zur Personenstandsänderung die Befunde mit zu den Gutachtern nehmen. Das kann ja nicht verkehrt sein und ebnet ein wenig den Weg durch die „Instanzen“.
Dem Endokrinologen habe ich noch eine Kopie meines dgti-Zusatzausweises per eMail gesendet und bei der Antwort wurde ich mit „Frau“ angesprochen. Außerdem kann ich in zwei Wochen, wenn es keine Nebenwirkungen gibt, mein neues Rezept abholen.

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<< Trans* und Medizin

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In kleinen Schritten, mein Weg zum Ich: 4-2011

Heute, den 26.4.2011 hatte ich meinen ersten Termin beim Psychotherapeuten. Ein erstes Gespräch fand statt und sie wird mich und meine Frau bis zur Personenstandsänderung (PÄ) und geschlechtsangleichenden Operation (GaOP) begleiten. Ich finde es richtig und gut, dass die Partnerin mit in die Gespräche einbezogen wird. Ich habe ein gutes Gefühl und denke, dass diese Begleitung wichtig ist um gestärkt diesen Weg zu gehen.
Einen Tag später fand ich meinen Zusatz- bzw. Ergänzungsausweis der "dgti e.V." im Briefkasten.

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In kleinen Schritten, mein Weg zum Ich: 2010-2011

Nach nun ca. 7 Jahren „Freizeit- und Wochenendfrau“ habe ich den Entschluss getroffen nicht mehr als Mann weiter zu leben , da ich es nicht mehr kann. Immerhin habe ich den Wunsch Frau zu sein mein Leben lang verdrängt und kaum zugelassen. Ich lasse es jetzt vollumfänglich zu und mir ist mittlerweile klar, dass ich Transsexuell bin. Allein diese Entscheidung schlug in mir Türen und Tore auf und Glückshormone wurden zuhauf ausgeschüttet. Ich öffnete mich, es ist schwer zu beschreiben was mit mir passierte.

Nach Rücksprache mit meiner Frau und einer Routineuntersuchung bei meinem Hausarzt outete ich mich und bat um zwei Überweisungen. Eine zum Endokrinologen und eine zum Psychotherapeuten.

Durch die Hilfe im Forum "Gendertreff" und Freundinnen, die bereits zu diesem Zeitpunkt etwas weiter waren als ich, waren relativ schnell diese Ärzte gefunden und telefonisch Termine fixiert. Zusätzlich habe ich alle nötigen Unterlagen an die "dgti e.V." (Deutsche Gesellschaft für Transidentität & Intersexualität) gesendet und die Gebühr von 10,- Euro überwiesen. Dieser Ergänzungsausweis ist in drei Sprachen verfasst und hilft bei Irritationen die dadurch entstehen können, dass im Ausweis, Kreditkarten, Führerschein usw. der männliche Vorname steht und natürlich auch das Bild nicht so wirklich stimmig ist mit der Realität.

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<< Transition – möglicher Ablauf
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In kleinen Schritten, mein Weg zum Ich: 1966-2010

In sehr jungen Jahren fing es bei mir an, ich probierte Mutters Schuhe an. Dies schien aber für mich noch nicht von Bedeutung zu sein, denn erst in der Pubertät ging es mit kleinen Schritten weiter. Ich kann mich durchaus daran erinnern, dass ich früh schon das Gefühl hatte, dass mit mir etwas nicht stimmt. Ich glaubte schon ein Mädchen sein zu wollen, traute mich aber nicht mit irgendjemand darüber zu sprechen. In der Pubertät musste nachts mein Kopfkissen für den Frust herhalten. Ich weinte manchmal nächtelang und die Pubertät verging. Zwischendurch besorgte mir ein guter Freund ein Mieder, das ich aber auch gleich wieder vernichtete. Kurze Zeit später fand ich in einem Kleiderschrank ausgediente Damengarderobe. Ich „tobte“ mich aus mit den Hosen, Röcken, Pullovern und BHs. Es wurde wieder ruhiger und der Alltag brachte die Ablenkung, bis dann einige Jahre später das Verlangen, wieder Damenwäsche zu tragen, erneut aufkeimte. Das Gefühl, dass mit mir etwas nicht stimmte, war irgendwie immer zugegen. Hier und da tätigte ich mal eine Bestellung aus dem Katalog, aber eher stümperhaft und meist stimmten die Größen nicht. Zu Karneval habe ich mich einmal zurechtgemacht und bin durch die Stadt gezogen. In den 1990iger Jahren hatte ich dann mehr Erfahrung beim Kleiderkauf, weil ich nun meine Damengröße kannte. Mir wurde auch so langsam klar, dass es hier nicht nur um die Kleidung ging, konnte es aber erst etwas später mit Hilfe des Internets mehr und mehr zuordnen.

Bis zu meinem Coming-out 2004 und 2005 bei meiner Frau und Familie, hatte ich es meinem guten Freund zu verdanken, dass ich meinem Wunsch, ab und zu Frau sein zu können, ausleben konnte. Die Jahre bis zu meinem Outing 2004 war das mein Ventil. Ich weiß nicht wie das sonst ausgegangen wäre. Wir trafen uns ab und zu im Jahr zu einem „Männerabend“ und redeten über viele Dinge, auch über unsere Probleme. Ich hatte bei ihm einen kleinen Fundus an Damenbekleidung in zwei Koffern untergebracht. Daraus konnte ich mich dann bedienen. Mittlerweile quillt mein Kleiderschrank über und Männerklamotten habe ich kaum noch. Sogar Damen- und/oder androgyne Schuhe lassen sich im Alltag gut tragen. Eingekauft wird in der Stadt (Shopping macht so einen Spaß) und es wird immer normaler, dass es Xenia gibt.

Viele Jahre habe ich für diese Erkenntnis gebraucht, weil es immer klarer wurde, dass etwas mit mir nicht stimmt. Ich dachte ich bin krank, pervers und hab mich gegen mein zweites Ich gesträubt. Lange wäre das auch nicht mehr gut gegangen, was seelische und körperliche Folgen anbelangt. Endlich stehe ich dazu und es wird keine „Reinigungsaktion“ mehr geben (ich trauere nämlich den Sachen nach). Wichtig für jeden ist es, genau zu wissen, was er ist bzw. sein möchte. Für mich ist es die einzige Möglichkeit der Gesellschaft zu zeigen wie frau innerlich tickt.

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