August, 30.8.2013 und meine Gefühle fahren Achterbahn. Ist schon ein komisches Gefühl, etwas los zu werden was man eigentlich sein ganzes Leben nicht wirklich akzeptiert hat und doch ist man ja damit durchs Leben gegangen. Wie wird es nach der OP sein? Komme ich damit zurecht? Es stehen Fragen im Raum, die erst nach der OP Antworten finden werden, aber dann gibt es kein Zurück mehr. Die Entscheidung ist bereits gefallen, aber da sind doch immer wieder diese leisen Zweifel. Gut, dass ich heute noch im Büro abgelenkt bin. Ich freue mich auf danach und wenn es vorbei ist.
1. September 2013
Vor drei Wochen die Hormondosis von 4 auf 2mg reduziert und seit zwei Wochen keine Hormone mehr, wegen der Thrombosegefahr. Jetzt spielt hier alles in mir verrückt. Die Angst vor der Operation und was kommt danach, die Freude, dass es bald vorbei ist und ein langer Weg zu Ende geht. Ab heute darf ich nur noch flüssige Nahrung zu mir nehmen und morgen früh geht es zur Anmeldung in der Uni Essen. Mein Hormonhaushalt scheint nun total durcheinander.
2. September
Es ist soweit! Tasche ist gepackt und Papiere sind auch dabei und los geht`s. Vielen vielen lieben Dank an meine Frau, die mich fährt und begleitet. Gegen 8:00 Uhr in der Verwaltung der Uni Essen angemeldet, die noch mal die Kostenübernahme der Krankenkasse sehen wollte. Die Kostenübernahme hatte ich bereits bei dem Vorgespräch mit allen anderen Unterlagen abgegeben, aber dennoch wurde noch einmal danach verlangt. Also genug Kopien machen und damit bewaffnet sein!
Dann ging es zur Abteilung Urologie U1 und ich meldete mich mit "Hallo, ich bin die Neue" an. Meine Tasche wurde in Gewahrsam genommen und ich sollte schon mal zum EKG gehen, weil das Zimmer noch nicht klar war. Das war auch recht schnell erledigt und ich konnte gegen 10:00 Uhr mein Zimmer beziehen. Es hatte eine Terrasse mit Raucherlaubnis und ich war erst einmal alleine. Meine Frau und ich verabschiedeten uns und knuddelten noch einmal und dann war ich alleine.
Es folgten Gespräche mit Stationsschwester, Stationsärztin, Anästhesist usw. Dann noch die üblichen Untersuchungen (Blut, Puls, etc.) und die Abführtabletten, dann konnte ich noch ein wenig herum wandeln. Abends zeigten die Tabletten ihre Wirkung und ich sollte ab 0:00 Uhr nicht mehr rauchen und trinken - Essen durfte ich ja sowieso seit Sonntag schon nicht mehr. Gegen 22:00 Uhr machte ich mich Bettfertig und schlief ohne Tabletten ein.
3. September
Gegen 6:00 Uhr wurde ich wach und war erstaunlich ruhig. Ich putzte mir die Zähne und ging noch unter die Dusche um danach die Thrombosestrümpfe und das "Totenhemdchen" anzuziehen und schlüpfte wieder unter die Bettdecke. Gegen 7:15 Uhr wurde ich abgeholt. Jetzt endlich ging es los und ich musste weinen! Im OP-Bereich wurde ich vorbereitet u.a. mit Rückenmarkskatheder und gegen 8:15 Uhr ging, durch eine auf mich zukommende Maske, mein Licht aus.
Gegen 12:30 Uhr blickte ich vernebelt auf zwei Personen und eine sehr grelle Deckenbeleuchtung. Ein Mann und eine Frau standen neben mir und beobachteten mein wach werden. Sie hatten weder Flügel noch einen langen Bart und ich sagte, dass sie nun mit der OP anfangen könnten. Erst nach der zweiten Beteuerung der Beiden, glaubte ich, dass es vorbei war. Zirka 31/2 Std. muss die OP gedauert haben und beim Verlegen vom Aufwach- zum Beobachtungsraum wurde mir ein wenig schlecht und der Kreislauf kam noch nicht so ganz in Gang. Kurze Zeit später, ich hing bereits am Überwachungsmonitor, stabilisierte sich bereits alles wieder und da kam auch schon meine Frau um die Ecke, die erstaunt war, dass ich bereits so relativ fit war. Auch ich war über mich überrascht, dass ich doch relativ locker war, aber vielleicht lag es daran, dass ich endlich auch "Körperlich" angekommen und die Geburtsfehlerkorrektur überstanden war.
4. September
An Schlaf war nicht zu denken, weil ständig Action im Überwachungs- und Monitorraum war und teilweise wurde auch sehr laut geschnarcht bzw. mussten die Patienten versorgt werden. Mittlerweile war es 9:00 Uhr und wir hatten Gelegenheit zum Waschen bekommen und sogar einen Kaffee hatte ich. Da wurde ich von meiner Station abgeholt und wieder in mein Zimmer geschoben, das mittlerweile von noch einer Patientin belegt war. Viele Personen wuselten durch das Zimmer. Die neue Patientin musste versorgt werden, die vermutlich schwer an Krebs erkrankt war (Keine Haare mehr und schlechter Gesamtzustand) und ich wurde noch zurecht geschoben und befragt ob alles gut wäre. Da lief plötzlich noch eine fremde Person durch das Zimmer, hielt einen Blumenstrauß in der Hand und rief meinen Namen. Ja hier, rief ich ungläubig und sie bestätigte mir, dass der Blumenstrauß für mich sei, ich müsse noch den Empfang quittieren. Ganz durcheinander öffnete ich das Couvert und las von besten Genesungswünschen und erkannte, dass der Blumenstrauß von meiner Geschäftsleitung und unserem japanischen Präsidenten war. Ich war hin und weg, gerührt und Minuten später noch sprachlos. Mit so etwas hatte ich nun wirklich nicht gerechnet und ich fand diese Geste einfach nur toll, obwohl das noch untertrieben ist und den eigentlichen Wert der Geste nicht treffen kann. Ich war schlicht und ergreifend überwältigt. Der Blumenstrauß wurde versorgt und die Schwester meinte, dass dies nun das schönste dekorierte Zimmer wäre. Das Personal im Zimmer bekam natürlich mit, von wem der Blumenstrauß war und wo ich arbeite und dass die Uni Essen (auch die Abteilung Urologie) Kunde von uns ist.
So langsam kam wieder Ruhe in das Zimmer und mein Hunger meldete sich massiv, denn ich hatte ja seit Samstagabend nichts mehr gegessen. Außerdem hatte man mir in der Frühe ein Frühstück versprochen, also fragte ich noch einmal nach und siehe da, es kam gegen 11:00 Uhr noch ein kleines abgespecktes Frühstück für mich ans Bett, gefolgt vom Mittagsessen eine halbe Stunde später. So hing ich dann mit meinen Fläschchen und Beuteln im Bett herum, schluckte meine Tabletten und schlief oder guckte Fernsehen. Sonstige Schmerzmittel über Katheder usw. waren nicht mehr von Nöten, weil die Schmerzen aushaltbar waren und ich froh war, meinen Körper wieder "clean" zu bekommen.
5. September
Heute stand Verbandwechsel auf dem Programm und der behandelnde Arzt meinte, dass sich doch alles gut entwickeln würde und gut aussieht. Ansonsten verlief der Tag wie der vorherige und auch der Freitag brachte erst einmal keine neuen Erkenntnisse, nur das ich wieder das Zimmer für mich alleine hatte.
6. September
Wie schon gesagt, gab es keine neuen besonderen Erkenntnisse, so dass ich weiter vor mich hin lag.
7. September
Langsam wurde ich zunehmend zappeliger, denn 4 Tage ruhig auf dem Rücken liegen zehrt schon an den Kräften und Nerven. Nach dem Mittag holte mich schließlich ein Pfleger und der Verband kam endgültig runter und auch sämtliche Schläuche, Anschlüsse und Katheder wurden abgenabelt. Nur der Katheder zur Harnröhre blieb noch. Auch dieser Arzt war mit dem Heilungsprozess und der Entwicklung zufrieden. Nun hatte ich nur noch eine riesengroße Windel gehalten von einem Miederhöschen an.
Es ging wieder zurück auf Station und ich versuchte meine ersten Gehversuche. Da muss man doch tatsächlich erst einmal wieder gehen lernen und der Kreislauf muss auch mit kommen. So lief ich also los und strumpelte durch die Station. Diese Anstrengung machte hungrig und ich schlief früh ein, so dass ich mich verjagte als plötzlich die Nachtschwester am Bett stand und fragte ob ich noch etwas benötige.
8. September
Herrlich, wieder mobil zu sein. Erst mal ins Bad und ein wenig frisch machen und sich selber mit Tee und Wasser zu versorgen. Am Sonntag ging hier auf der Station alles etwas gemütlicher ab und so kam auch das Frühstück etwas später.
Kurz danach besuchten mich meine Frau, Sohn, Mutter, Schwager und Schwägerin, die bis zum Mittag blieben. Kurz danach bekam ich wieder eine Zimmernachbarin und es gab viel zu erzählen über Krankheiten aber auch über die Transidentität, weil gleich die ganze Familie dabei war und deren Sohn (15) vor kurzem noch eine Tochter war, also ein Transmann (FzM) und somit war das Thema bekannt.
9. September
Der sechste Tag nach der Operation. Laufen und liegen machen quasi keine Probleme mehr und auch der Toilettengang ist schon fast problemlos, aber sitzen bereitet doch noch einige Schmerzen. Mit dem medizinischen "Sitzring" (sehr zu empfehlen) ist aber auch dies für ein paar Minuten zu bewerkstelligen. Bei der Visite heißt es, dass sich heute der behandelnde Arzt wieder den Erfolg der Heilung anschaut und vielleicht kommt ja auch der letzte Katheder raus. Zudem möchte ich auch gerne meine Hormone wieder einnehmen, denn dieser Gemütszustand ist nicht wirklich schön.
Gegen Mittag ist es soweit und ich werde zur Untersuchung gebeten. Rauf auf den "Thron" und Katheder gezogen (unangenehm). Doch leider fängt es wieder an zu bluten und ein neuer Katheder muss noch einmal für 2 Tage hinein (unangenehm). Na gut, dann Mittwoch ein nächster Versuch. Aber ich kann wieder Hormone nehmen und ansonsten ist der Heilungsprozess doch ganz gut.
10. September
Keine besonderen Vorkommnisse und Rumgammeln.
11. September
Heute wurde es noch einmal aufregend, weil nun endgültig der Katheder raus sollte. Gegen Mittag wurde ich zur Untersuchung gerufen und nach ca. 1 Stunde konnte ich wieder einmal den "Thron" besteigen. Der Arzt zog mit viel Gefühl den Katheder heraus und sagte, dass alles gut aussieht. Ich konnte wieder zurück in mein Bettenzimmer und wartete nun auf mein erstes Wasser lassen, das dann später auch erfolgreich absolviert wurde. Okay, nun noch schön kühlen, pflegen und auf eine gute Heilung hoffen.
12. September
Endlich ausgiebig geduscht und weiter gekühlt.
13. September
Es sieht alles noch etwas kryptisch aus, aber klar, es ist noch geschwollen, hart und leicht blutig. Dafür gibt es ja dann noch in ca. 8 Wochen eine 2. Sitzung quasi die Feinjustage, die eine halbstündige OP und ca. 3 Tage Krankenhausaufenthalt beinhaltet.
Aber noch ist der Heilungsprozess nicht abgeschlossen!
Jetzt ist erst einmal Entlassung und es geht nach Hause.
Ich hatte mich ja bewusst für die Uni Essen entschieden, weil diese in Punkto GaOP einen sehr guten Ruf hat, aber meine Erwartungen wurden positiv übertroffen. Die Vorbereitungen und die Nachversorgung war wirklich positiv erwähnenswert und das komplette Personal immer freundlich, zuvorkommend, ruhig und sachlich. Man hatte nie das Gefühl eine "Nummer" zu sein und der Stress des Personals wurde nie auf den Patienten übertragen. Die Uni Essen ist auf jeden Fall zu empfehlen.
Wichtig bei meiner Entscheidung war auch die OP-Methode. Bei Männern sind im Intimbereich weniger Nerven als bei Frauen und so wird in Essen nicht so viel "geschnippselt" sondern geklebt, wodurch die Nerven fast zu 100% erhalten bleiben. Im Gegensatz zum Schneiden und Nähen, wo doch viele der Nerven in Mitleidenschaft gezogen werden, was dann schnell zu einer Gefühlslosigkeit führen kann. Hier hat Herr Dr. Hess die Methode von seinem Vorgänger Herrn Dr. Rossi noch einmal verbessert und verfeinert und ich bin froh, von Herrn Dr. Hess operiert und behandelt worden zu sein.
Nachteil dieser Methode, wenn man überhaupt hier von Nachteil sprechen kann, man muss nach der OP ca. 4 Tage ruhig auf dem Rücken liegen bleiben und darf nicht aufstehen. Die "geklebte" Haut mit den Nervensträngen muss in Ruhe auf natürlichem Wege wieder anwachsen können und mit Blut versorgt werden, da diese sonst abstirbt.
Noch ein paar Tipps von der Klinik:
14 Tage vor der OP die Hormone und möglichst andere Medikamente absetzen. Dann ca. 48 Stunden vor der OP keine feste Nahrung mehr zu sich nehmen. Nur noch Joghurts, Puddings und Brühe (ohne Bröckchen) und natürlich Getränke zu sich nehmen. Nach der OP 4 Tage ruhig liegen (Uni Essen) und kühlen. Zirka 5 Tage nach der OP können wieder die Hormone eingenommen werden (Einstellung wie vorher und abstimmen mit Endokrinologe). Zu Hause dann mindestens 2x am Tag kühlen, auf Bäder verzichten (Nähte weichen auf) und zum Duschen z.B. Baby-Seife benutzen. Nach ca. 14 Tagen noch einmal bei der Ambulanz vorstellig werden und bei Problemen sofort Kontakt aufnehmen.
Ansonsten viel Spaß und einen guten Heilungsprozess.
Und weil Bilder und Videos zum Verständnis beitragen, habe ich hier noch einige Links zusammen getragen:
Geschichte, Beschreibung der Operationstechniken, Fotos und Literatur
Erfahrungsberichte rund um die medizinischen Aspekte der Transition:
- In kleinen Schritten, mein Weg zum Ich
- Abschluss einer Transition: Tagebuch meiner geschlechtsangleichenden Operation
- Transsexuell und ins Krankenhaus
- Meine Erfahrung in der Uni Essen
Allgemeine Informationen zu medizinischen Themen im Gendertreff:
Vielen lieben Dank an alle die mir den Daumen gedrückt und Glück gewünscht haben. Und auch vielen lieben Dank an die vielen Genesungswünsche von meiner lieben Frau und Sohn, Familie, Freunden, Kollegen, Firmenleitung und Forenuser, sowie anderen Personen, die mich kennen.