Transsexuellengesetz von 1980 abgelöst

Der Bundestag hat am Freitag, 12. April 2024, dem Entwurf des Selbstbestimmungsgesetz zugestimmt. Mit dem Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) wird ein Kerngedanke des Grundgesetzes, dem Schutz der geschlechtlichen Identität, umgesetzt. Menschen haben dann künftig die Möglichkeit, ihren Geschlechtseintrag und ihren Vornamen diskriminierungsfrei ändern zu können. Für die Vorlage votierten in namentlicher Abstimmung 372 Abgeordnete, dagegen 251. Es gab elf Enthaltungen.

Mit dem SBGG können nun volljährige Menschen ihren Geschlechtseintrag (männlich, weiblich, divers) und ihre Vornamen künftig per Selbstauskunft beim Standesamt ändern. Drei Monate vor Änderung des Geschlechtseintrags muss der Verwaltungsakt beim Standesamt angemeldet werden. Für eine erneute Änderung gibt es eine Sperrfrist von einem Jahr. Damit soll verhindert werden, dass Entscheidungen übereilt getroffen werden.

Für Minderjährige bis 14 Jahre können nur die Sorgeberechtigten die Änderungserklärung gegenüber dem Standesamt abgeben. Ab 14 Jahren können es die Minderjährigen, mit Zustimmung der Sorgeberechtigten, selber tun. Die Sorgeberechtigten dürfen nicht über den Kopf des Minderjährigen hinweg einen Geschlechtseintrag ändern. In einem solchen Streitfall entscheidet das Familiengericht nach Maßgabe des Kindeswohls.
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Grundsätzlich begrüßt der Gendertreff das neue SBGG aber wie bereits in unserem Forderungspapier von 2023 geschrieben, hätten wir uns eine kostenlose vorgeschaltete Beratung, ähnlich wie bei der Schwangerschaft, gewünscht.

Grundsätzlich sollte jeder Mensch, der von dem neuen SBGG Gebrauch macht, darauf achten, dass
körperverändernde Maßnahmen kein Wundermittel für ihre Lebensprobleme darstellen.

Aber endlich fallen die diskriminierenden psychiatrischen Gutachten weg!

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Auszug aus dem Forderungspapier des Gendertreff 2023

[…]

Änderung der Vornamen:
Eine Vornamensänderung soll durch einen einfachen Verwaltungsakt möglich sein.

Geschlechtsinkongruenz:
Das Geschlechtsidentitätserleben stimmt nicht mit den Geschlechtsmerkmalen überein
aber es besteht kein Leidensdruck. Das bedeutet, dass keine medizinischen Maßnahmen
notwendig sind.

Geschlechtsdysphorie:
Das Geschlechtsidentitätserleben stimmt nicht mit den Geschlechtsmerkmalen überein
aber es besteht ein Leidensdruck. Das bedeutet, dass medizinische Maßnahmen
notwendig sind.

Die Geschlechtsdysphorie (der Leidensdruck) muss diagnostiziert werden, damit die
Behandlungskosten (Epilation, Mastektomie, Brustaufbau, GaOP, feminisierende und
maskulinisierende OPs etc.) durch das Gesundheitssystem getragen werden.
Medizinische Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und
dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten, sonst dürfen sie von
Leistungserbringern nicht erbracht werden und von Krankenversicherungen nicht bezahlt
werden. Im Rahmen dessen darf es keine medizinischen Sonderrechte für Inter*- und
Trans*- Menschen geben, so dass eine medizinische Gleichstellung aller gesetzlich
Krankenversicherten, insbesondere von CIS-Menschen, gewährleistet is

Zur Änderung der Geschlechtszugehörigkeit empfehlen wir, eine vorgeschaltete
Beratungsmöglichkeit zu schaffen. Die Beratung soll nicht verpflichtend eingeführt werden.
Die Beratung ist eine zusätzliche Expertise zur Diagnose Geschlechtsdysphorie. Sie soll vor
der Beantragung von medizinischen Leistungen erfolgen. Die Änderung des
Geschlechtseintrags soll ansonsten im Rahmen des Selbstbestimmungsrechts auch ohne
die Beratung erfolgen. Es darf kein Nachteil entstehen, wenn keine Beratung in Anspruch
genommen wurde. Die Beratung ist für die zu beratende Person kostenfrei.

Sinn und Zweck dieser Beratung soll sein, dass ein Beratungsschein dokumentiert, dass
eine reflektierte Auseinandersetzung mit notwendigen medizinischen Maßnahmen zur
Bewältigung der Geschlechtsdysphorie stattgefunden hat. Die Beratung ist ergebnisoffen
zu gestalten. Sie behält den reinen Beratungscharakter und stellt keine Begutachtung dar
und entscheidet nicht über die Genehmigung medizinischer Maßnahmen. Nach Abschluss
der Beratung erhält die zu beratende Person lediglich eine Bescheinigung, dass die
Beratung stattgefunden hat.

Die Beratungsstellen sollen anerkannte Stellen sein. Die Beratung soll durch Personen, die
durch ihre Ausbildung und berufliche Erfahrung ausreichend qualifiziert sind, stattfinden.
Sie muss nicht ausschließlich von psychologisch oder psychotherapeutisch tätigen
Personen durchgeführt werden. Hierzu schafft der Bund entsprechende Richtlinien für die
Qualifikation der beratenden Personen und die Anerkennung als Beratungsstelle. Sinnvoll
ist es, die Anerkennung an das Bundesamt für Familie anzusiedeln. Anerkannte
Beratungsstellen sollen Anspruch auf Förderung durch das Bundesministerium für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend haben.

Die Beratungsstellen können an bereits bestehende Transberatungsstellen angedockt
werden oder von diesen angeboten werden. Die Qualifikation und Förderung der
Beratungsstellen ermöglicht die personelle Ausstattung der Beratungsstellen.
Diese Regelung gilt auch für intersexuelle und non-binäre Personen.

Eine medizinische Diagnose darf von den Krankenkassen nicht ignoriert oder in Frage
gestellt werden und bildet, unabhängig vom Vorliegen eines Beratungsscheins, die
Grundlage zur Durchsetzung entsprechender Leistungsansprüche.

Eine Begutachtung durch den MDK kann nicht ausgeschlossen oder gar verhindert
werden. Dabei soll sich der MDK in Einzelfallprüfung nach der neuen S3 Leitlinie richten
und den möglichen Ermessensspielraum im Sinne des Selbstbestimmungsrechts nutzen.

[…]

>> Zum Forderungspapier des Gendertreff 2023

>> Diskussion im Forum

>> Deutscher Bundestag

>> Drucksache 20/9049 (1.11.2023)

>> Drucksache 20/11004 (10.4.2024)

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