Der lange Heilungsprozess eines Transmann

Autor: Hilling

So, ich dachte es wäre mal an der Zeit euch über den neuesten Stand aufzuklären.

Inzwischen habe ich nun auch meine Mastektomie hinter mir. Am 10. Juli 2014 war es soweit und seitdem ist ein langer Heilungsprozess von Nöten gewesen. Es war einerseits das Einfachste der Welt, da ich es mir schon immer gewünscht hatte und andererseits eine der ganz großen Hürden, da die Operation unbedachte Folgen hatte.
Die Operation an sich verlief super und es gab weder Komplikationen noch Probleme mit der Heilung. Nach 2 Tagen konnten die Drainagen schon raus, es waren nur ein paar Tropfen Blut raus gelaufen. Das Ergebnis sah am ersten Tag schon super aus. Nach 3 Tagen konnte ich entlassen werden und sah den nächsten 6 Wochen Ferien freudig entgegen. Ich musste nicht hart arbeiten, keinen Sport machen und wurde von meinen Eltern abwechselnd gepflegt.
Doch gerade dies sollte sich als eine der großen Hürden herausstellen. Ich schaffte es wenig Sport zu machen, ging zwar jeden Tag mindestens eine Stunde lang spazieren, doch dies genügte nicht um den sonst so hohen Kalorienverbrauch beizubehalten, den ich durch Sport erreichte. Ich nahm gewaltig zu, was sich zu dem Gewicht, welches ich durch Testosteron schon erlangte dazu addiert hatte und obwohl ich mich endlich schön fühlte litt mein Selbstbild doch gewaltig unter dieser Veränderung.

Nach den 6 Wochen Bewegungssperre durfte ich langsam wieder mit Sport anfangen, hatte jedoch immer noch nicht meine volle Beweglichkeit zurück erlangt. Dies führte auch zu Problemen in meiner Beziehung in der es aufgrund der Gewichtszunahme und der eingeschränkten Beweglichkeit zu immer weniger Körperlichkeiten kam, da ich mich nicht einmal auf einem Arm abstützen konnte.
Zum Glück erkannte ich jedoch den Hintergrund des Problems und als ich wieder etwas beweglicher wurde konnte ich mich überwinden meinen sonst so gerne gemachten Sport wieder aufzunehmen. Das Fett verschwand und die Muskeln wuchsen, was ich jedoch anfangs gar nicht mitbekam, das Gewicht blieb immer gleich. Bald sollten sich jedoch Komplimente zu meiner Abnahme häufen und ich merkte, dass die Anstrengung sich lohnte. Ich arbeitete weiter an mir und habe es inzwischen dank guten Operateuren und viel Schweiß geschafft einen Körper zu formen, dem man gut ansieht, dass er von Testosteron durchspült wird. Es kam nur unerwartet wie viel Arbeit ich darein investieren musste, nachdem die größte Unstimmigkeit, die Brust, entfernt bekam.

Allgemein bin ich nun zufriedener denn je, mein Körper stimmt immer weiter mit dem Selbstbild überein und ich schaffe es auch weiterhin an ihm zu arbeiten, denn meine Motivation hat durch die nicht mehr ganz so flache Brust (auch Brustmuskel genannt) einen erneuten Schub erlangt.

Und die Motivation steigt und steigt. Der so ersehnte Bart ist endlich da und lässt sich gut tragen. Die Stimme wird weiterhin tiefer, wenn auch nicht mehr so schnell (was sich durch die Hystorektomie nächsten Sommer jedoch auch noch ändern kann, so berichten viele Transmänner). Der Oberkörper wird breiter und die Hüfte schmaler. Alle meine Hosen sind zu groß und ich kann nun endlich normale Männerhosen kaufen ohne sie kürzen zu müssen, damit sie über die Hüften passen. Ich bin zufrieden all diese Schritte getan zu haben und ich bin stolz so gekämpft zu haben um mich so als neue Person zu erschaffen.

Ich habe an Selbstbewusstsein gewonnen. Ich habe an Mut gewonnen. Und ich habe gelernt für mich selbst einzustehen. Und das ist das wichtigste.

Ich werde weiter über folgende große Schritte berichten, wenn auch nicht mehr so häufig, da die Schritte mit der Zeit seltener werden und die kleinen Veränderungen oftmals im Alltag untergehen. Es ist ein schöner Alltag.
Und da ich die großen Hürden und das stressige Transitionsleben und die meisten Schulstresssituationen nun hinter mir habe würde ich diesen Alltag gerne auch öfter wieder mit euch teilen. Es tut mir Leid, dass ich euch so vernachlässigt habe, die mich am Anfang so gut unterstützt haben, aber dank euch waren diese Sprünge, welche für mich so bedeutend waren wie Mondlandungen, erst möglich und leider waren diese Sprünge auch zeitintensiv.

Es würde mich freuen, wenn ihr mich auch gerne wieder bei euren Treffen begrüßen würdet.
Alles Gute!

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