Mein Weg zur (fast) vollständigen Weiblichkeit – Teil 3

Autorin: MartinaL

So, ich befinde mich seit gestern im Krankenstand.
Was ist passiert? Nun, ich habe in einem Anflug von Schusseligkeit eine kleine Reihenfolgeänderung beim Schließen der Autotür eingeführt und mir den rechten Daumen ordentlich gequetscht und den Fingernagel zertrümmert. Ich könnte euch ein Bild von dem Gemetzel reinstellen aber mit Rücksicht auf Manche, nicht ganz so Abgebrühten, lasse ich das lieber mal bleiben.
Mein Hausarzt hat den Finger mit einer Bandage gesichert und ich soll, nach seinem Urlaub, am 11.10. zur Kontrolle vorbeischauen.
Was gibt es Neues von der OP-Front? Nun nicht viel, außer das es jetzt noch 32 Tage bis Schniedel-ab sind und ich das bestellte Blutooth-Headset für mein IPad bekommen habe. Ich werde ja auch im Krankenhaus nahezu täglich mit meiner Frau und mit Linde konferieren, und so sollte das am Problemlosesten funktionieren.
Achja, OP-Angst habe ich immer noch keine, warum auch, ich habe mir ja schließlich eine der erfahrensten Operateurinnen rausgesucht die schon viele 100 Kerben auf ihrem Skalpell hat (für erfolgreiche GaOPs in beide Richtungen). Zusammen mit der topmodernen urologischen Klinik sollte das für eine ausreichend hohe Überlebenschance sorgen.

Psychisch geht es mir, bis auf einen klitzekleinen Durchhänger vorgestern, sehr gut und ich freue mich zusehends auf mein Nach-OP Leben. Durch eine Unterhaltung mit einer Bekannten, die mir gestand das sie ein bisschen neidisch ist da ich sehr umfängliche Einblicke in das Leben beider Geschlechter haben darf, wurde mir klar wie privilegiert ich tatsächlich bin

Ne, das mit der Autotür war keine typische Frauenaktion, denn die passen besser auf ihre Nahkampfwaffen (Fingernägel) auf. Bei Männern erzeugt die Gewissheit das jemand beide Seiten kennt, eher Unbehagen, so meine Erfahrungen. Und was Männer immer wollen wissen wir ja Alle, das ist ja kein großes Geheimnis (in Ruhe Sportschau ansehen). Oja, das mit den Männerentscheidungen vorhersagen habe ich gestern erst ausgelebt. Da war ich mit meiner Angelika in einem sehr gut besuchten Biergarten hier in Neumarkt und wir haben es uns mit Folienkartoffel, Münchner Schnitzel und feinem Bier mal wieder richtig gut gehen lassen. An einem der Nachbartische haben sich zwei ca. 50 jährige männliche Kinder (ja, wir sind beide schon älter) niedergelassen und immer wieder zu uns rübergeschaut. Kurz bevor, wie ich vermutete, einer der Beiden zu uns rüberkam um Verbindung aufzunehmen, habe ich der Hand meiner Geli einen zarten Schmatzer verpasst. Das Interesse der zwei Dreibeiner ist schlagartig auf Null gefallen und sie haben uns keines Blickes mehr gewürdigt

So, in genau einem Monat werde ich zu dieser Zeit für die OP vorbereitet.

Nun, was ist gestern passiert? Meine Angelika hat sich mit dem Nürnberger Standesamt in Verbindung gesetzt, das wir nun endlich unsere Heiratsurkunde auf den neuen Namen umschreiben lassen können. Nachmittags sind wir in das türkische Restaurant hier im Ort, dessen Besitzerpaar wir schon lange kennen und haben uns einen Dönerteller gegönnt. Da wir dort immer die Portionen für „die wirklich guten Gäste“ bekommen, brauchte ich am Abend keinerlei Süßwaren mehr schnabulieren.
Um 17:15 Uhr hatte ich dann meinen 4. IPL-Termin im hiesigen hairfree-Studio bei dem diesmal mit höherer Intensität und mit Doppelimpuls gearbeitet wurde. Von einem Bartschatten ist nun bei mir wirklich nichts mehr zu sehen, Kunststück, viel hatte ich ja nie, aber die MRT und das Minoxidil haben auch im Gesicht für etwas mehr Haare gesorgt. Der Chefin vom Haarentfernungsstudio, mit der ich seit einer sehr launigen Bewertung ihres Studios meinerseits, so ein bisschen befreundet bin, habe ich die Vorgehensweise bei einer GaOP etwas nähergebracht. Ihre Frage ob da dann später ein Unterschied zu natürlich gewachsenen Körperteilen zu sehen wäre, konnte ich in der Weise beantworten das es da auf den Operateur ankommt wie akkurat der gearbeitet hat. Aber da ja jede Mu…. eh anders aussieht, müsste man schon sehr genau hinsehen um etwas zu bemerken (und wer tut das schon….). Dann kam die übliche Frage ob ich denn Angst hätte und darauf der erstaunte Blick wie ich verneinte. Auf jeden Fall ist diese IPL-Sitzung auch wieder toll verlaufen, die meisten Haare sind schon wieder weg (ausgefallen oder gezupft, was sehr einfach geht wenn die Wurzel verbrannt ist) und den nächsten Termin habe ich genau einen Tag vor Schniedel-ab OP.

Ich möchte mal auf ein spezielles Thema zum Eintritt in die Phase der GaOP eingehen, nämlich die Rolle des (Ehe-) Partners. Bei Vielen ist es vermutlich so, das die Partnerin (in den meisten Fällen sind es bei MtF ja Frauen) vielfach Angst davor haben das das letzte Stück Mann dann unwiderruflich Geschichte ist. Ein bisschen ist in vielen Partnerinnen im Hinterkopf der Gedanke das es nur eine Phase ist und irgendwann der Kerl, den man ja irgendwann mal gehabt hat, wiederkommt. Wenn dann das letzte, und für Viele wichtigste Bauteil des Mannes für immer verschwunden ist, wird auch der Letzten klar das die Beziehung nun anders laufen muss. Bei der mir, seit über 30 Jahren Angetrauten, verhält es sich ein klein wenig anders. Sie hat damals, vor gut 37 Jahren, ein geschlechtlich eher undefinierbares Subjekt an sich genommen und aus dem den Menschen geformt der ich heute bin. Sie sah es immer als ihre Aufgabe an mich vor der bösen Welt und auch vor mir selbst zu beschützen. Oftmals hat sie sich wie eine Löwin auf ein vermeintlich feindliches Gegenüber gestürzt wenn sie der Meinung war das etwas gegen mich gerichtetes stattfindet. Wenn jetzt geglaubt wird das das passierte weil ich mich nicht selbst hätte verteidigen können, dann ist das nur zum Teil richtig. Sie wollte vermeiden das ich, in meinem teilweise überzogenen Drang zur Männlichkeit, über das Ziel hinausgeschossen wäre und einen eventuellen Gegner einfach platt gemacht hätte. In meiner Jugend habe ich in vielen Jahren gelernt mich gegenüber körperlichen Angriffen zur Wehr zu setzen, außerdem habe ich eine sehr kurze Reaktionszeit die die Bewegung angreifender Menschen mir irgendwie wie in Zeitlupe vorkommen lässt.
Tja, nun ist es wieder soweit, sie meint mich beschützen zu müssen indem sie überdeutlich Zweifel an der, in ihren Augen mehr oder weniger überflüssigen OP, zu äußern. Sie sieht diesen Eingriff als vermeidbare Aktion an, da ich mich auf Gedeih und Verderb der ihr verhassten Ärzteschaft ausliefere und das um ein gut funktionierendes Bauteil in ein eventuell nicht so gut Funktionierendes umgestalten lasse.
Ich bin nun seit Wochen damit beschäftigt ihr zu erklären das ich im Vorfeld schon alles mir mögliche unternommen habe um das Risiko zu minimieren. So bin ich körperlich und geistig in einer sehr guten Verfassung, habe eine hervorragende Operateurin gefunden die auch die notwendige wissenschaftliche Neugier für so einen speziellen Fall wie den Meinen mitbringt und auch die Klinik, die ja erst Ende letzten Jahres fertig wurde, ist mit den modernsten Gerätschaften ausgestattet. Auch ist die Aufenthaltsdauer in der Klinik mit 9 Tagen sehr kurz und sie hat auch nur einfach 150 km zu fahren um mich zu besuchen. Trotz dieser unbestreitbaren Vorteile ist sie der Meinung das es besser wäre es nicht zu machen.
Ich setze nun meine Hoffnung auf den 16.10. (einen Tag nach ihrem 66. Geburtstag), dem OP- und Anästhesievorgespräch. An diesem Tag wird sie die Operateurin kennenlernen die ihr dann hoffentlich ein paar ihrer Ängste nimmt. Frau Doktor W. Ist ein bisschen so gestrickt wie meine Frau selbst, ziemlich resolut und auch absolut von ihrem Können überzeugt. Wenn meine Geli dann mitbekommt das sie mich in gute Hände abgibt, gehe ich davon aus das sie auch wieder etwas beruhigter schlafen kann.
Naja, im Endeffekt hat sich Geli schon mit dem Unvermeidlichen abgefunden, eigentlich will sie ja auch das die Frau, mit der sie einen Großteil ihres Leben verbracht hat, endlich komplett ist und ihren Frieden findet. Es ist der Weg, den man hierzulande gehen muss um zum Ziel zu kommen, der ihr Unbehagen bereitet. In einem so kaputten Land wie Diesem sich in Kriegszeiten freiwillig unters Messer zu legen ist in ihren Augen nun mal keine allzu gute Idee. Aber ich sag mal, es wird schon alles gut gehen.

>> Mein Weg zur (fast) vollständigen Weiblichkeit – Teil 4

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