Autorin: Drachenfrau
„Ich nehme das als Anlass und wage einmal, die provokative Frage zu stellen, warum wir unser Dasein so oft als Belastung für uns und Andere empfinden und darstellen? Die ständige Betonung negativer Aspekte zieht uns doch auch herunter. Oder irre ich mich da?
Als junger Mensch empfand ich mich als eine Belastung für meine Familie, denn das war das, was sie mir vermittelten, dass ich es ihnen schwer mache, sie belaste. Für mich war das enorm schlimm, denn ich fühlte mich schlecht und mies, wollte ich doch so gerne in Harmonie mit meiner Familie leben und dass ich geliebt und anerkannt bin. Mittelmäßig schaffte ich das nur, wenn ich mich selbst verleugnete und funktionierte so wie sie es wollten. Dies bewirkte jedoch in mir tiefe Leere, Einsamkeit und die Frage nach dem Sinn des Lebens, denn ich fühlte mich schrecklich. In der Welt gab es so viel zu entdecken und das wurde familiär abgetan als überflüssig, neumodischer Kram, unnötig – oder oder oder – als würde man einem Menschen die Luft zum Atmen nehmen und einem Adler die Schwingen abschlagen. Ich fühlte mich als eine Belastung für meine Familie, sah die Last im Spiegel, wenn ich mich anschaute und war verzweifelt, auf der Suche – lange Zeit auf der Suche nach mir selbst.
So wie mir geht es vielen Menschen und sie haben noch nicht einmal das Thema Trans*.
Irgendwann war mir klar, dass egal was ich tue, ich es meiner Familie wohl nie recht machen könne und dass ich selbst wohl am allermeisten auf der Strecke bleiben würde. Also begab ich mich auf eine Reise zu mir selbst, folgte den Spuren der Suche. Die Reise war geprägt von Versuch und Irrtum, aber auch von kleinen Schritten, die mir dann doch langsam aber sicher den Weg zu mir selbst zeigten.
Was es mir einbrachte, war und ist ein großer Konflikt mit meiner Familie. Meine zweite Ehe blieb auf der Strecke, doch um gesund zu bleiben (nach einer schweren Chronical Fatique Syndrome Krise) hatte ich keine andere Wahl als mein Verhalten und mein Denken, dauerhaft zu verändern. Es tat mir schrecklich weh, dass dieser wunderbare Mensch, den ich heiratete nicht mit meiner Entwicklung mitging, doch der Adler konnte nicht am Boden leben und der Igel konnte nicht fliegen lernen. Wir haben uns also getrennt, doch es war eine gute Trennung und ich wünsche ihm alles Glück und Segen auf der Welt.
Was macht uns also zu einer Belastung? Dass wir nicht den Erwartungen anderer entsprechen können?
Anders gefragt: wie sollen wir mit all unseren Talenten und Fähigkeiten die Welt und unsere Mitmenschen bereichern, wenn wir nicht so leben dürfen, wie wir sind? Wie soll die Welt von uns profitieren, wenn wir nicht unser Potential entfalten dürfen, das uns ausmacht und mit dessen Schwingen, wir das Leben für uns und andere Menschen aufblühen lassen?
Ist es rücksichtslos, egoistisch, dass man sein Leben lebt? Ich finde nein. Die Frage ist, wie man mit den Menschen umgeht. Mit meinem damaligen Mann habe ich geredet und ihn eingeladen, doch meinen Weg nach zu vollziehen und mitzugehen. Er konnte es nicht. Als ich dann nach etwa 2 Jahren spürte, dass es nicht anders ging, als sich zu trennen, fragte er, was er tun könne, um unsere Ehe zu retten. Ich antwortete: nichts.
Sicher hätte es etwas gegeben, doch die Zeit davor konnte er es nicht und etwas wollte ich absolut gar nicht: dass er sich für mich verbiegen würde, dass er jetzt anfangen würde, sich mir zu liebe zu verändern oder etwas zu tun, das ihm missfiel bevor das Thema Trennung aufkam. Denn, er hätte nie sein Leben gelebt, sondern nur versucht, meinen Erwartungen gerecht zu werden. Er wollte die Frau wiederhaben, die ich vor der gesundheitlichen Krise war, doch diese konnte es nicht mehr geben. Hätte ich mich wieder wie vorher verhalten, wäre ich wieder krank geworden. Wir haben unsere Beziehung im Guten geklärt, doch für ihn begann wieder eine schwere Zeit und ich musste Schuldgefühle mir ansehen und bereinigen. Er hat sich nach der Trennung in die passende Richtung für ihn weiterentwickelt und ich in meine. Wir können uns heute freundlich begegnen. Heute weiß ich auch, dass es für uns beide richtig war, dass ich ging, auch wenn es für ihn schwer war. Denn durch die Trennung ging er schließlich weiter vorwärts und bekam selbst die Chance, die Segel des Lebens neu zu setzen, sich in vielerlei Hinsicht noch einmal zu verändern (auch beruflich).
Nach der Trennung begann in meinem Leben langsam ein Aufschwung und ich würde heute nicht dort sein, wo ich jetzt bin, ohne diese Entscheidung – aber auch nicht ohne diese gemachte Erfahrung und viele Erkenntnisse daraus. War es jetzt rücksichtslos und egoistisch, dass ich gesund bleiben wollte, anstatt eine Beziehung aufrecht zu erhalten?
2 Jahre später traf ich Dee. Als sich letztes Jahr Denies immer mehr verdeutlichte, brauchte ich noch die Brücke, dass ich ihr den Kosenamen Dee gab, eine Mischung aus Detlef und Denies für mich.
Ihre Verwandten waren um diese Brücke sehr froh und Denies mag den Kosenamen Dee auch behalten. Schon sehr früh sagte ich, dass es den Mann für mich nicht mehr gibt und nur noch die Frau für mich erkennbar ist. Inzwischen kann ich das auch etwas besser benennen. Denn….
……. ich habe nie einen Mann kennengelernt und war nie mit einem Mann zusammen und war nie in einen Mann verliebt – sondern in eine Frau, die die Rolle eines Mannes spielte und äußerlich die Illusion eines Männerkörpers zeigte.
Ganz klar sehe ich rückblickend, dass ich zwar emotional (auf die Beziehung gesehen) den schwereren Part zu bewältigen habe, dadurch dass ich Denies ganz und gar von Anfang an bejahte und auch nie Grenzen setzte und setze – doch wie viel schwerer ist es in einem falschen Körper gefangen zu sein und nicht leben zu können, was darüber hinaus möglich ist? Egal, wie ich es hätte drehen und wenden wollen, dass sie sich als Frau anfangs gut fühlte und es „brauchte“, daran hätte ich nichts ändern können oder wollen, weil ich ja um meinen eigenen Weg wusste. Als sie mir dann im September letztes Jahr sagte, dass sie eine Frau ist gefangen im Körper eines Mannes, wie hätte ich da Grenzen setzen können? Da gibt es keine Möglichkeit mehr dazu, denn jede Grenze hätte für sie eine Form von Unterdrückung und Selbstverleugnung bedeutet. Das unvermeidliche wäre nur hinaus gezögert gewesen. Mein Ausdruck hierfür ist Leidverschiebung. Jeder Kompromiss, den sie für mich eingegangen wäre, wäre faul gewesen.
Was war also seitdem mit mir?
Ja, ich habe getrauert und mir war klar, dass ich die Illusion des Mannes loslassen musste. Geholfen hat es, dass ich mir psychologische Begleitung suchte, denn eine außenstehende Person sieht die blinden Flecken, denen wir selbst zu nahe sind, als dass wir sie erkennen könnten. Vorbei ist es noch nicht, es gibt immer noch Herausforderungen, doch ich stelle mich ihnen. Geholfen hat es, dass Denies und ich miteinander sprechen können. Immer wieder stellen wir fest, wir reden viel miteinander – und es könnte immer mehr und besser sein.
Geholfen hat, zu sehen, welchen eigenen Themen von mir möchte ich ausweichen und projiziere sie so auf sie – doch sie hat damit nichts zu tun. Denies war nicht immer und jederzeit bewusst, welche eigene Verwandlung ich durchschritt und noch durchschreite, doch wenn es ihr dann klar wurde, erkannte/erkennt sie auch die Tragweite für mich und konnte mir dann auch wieder leichter Raum geben für mich, damit ich Balance finden konnte/kann.
So sehr das eigene Leben aufzuräumen, kann einen schon an Grenzen bringen, doch so sehr ich nach Alternativen suche – ich finde keine.
Der Drache beendet hier mal den Beitrag, denn er ist so lang geworden.
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