erlebt und geschrieben von Gitta
Es war Freitag, der 15. Juli 2011. Reporter Günni vom Trannymagazin freute sich schon auf das bevorstehende Wochenende und beschloss, die Woche ruhig zu beenden. Doch sein Chefredakteur bereitete diesem Traum ein jähes Ende, als er mit einem Stapel Meldungen zur Tür hereinkam und diese auf den Schreibtisch warf. Er sagte in scharfem Ton: „Kümmere dich darum und bring mir nächste Woche eine Story!“ Missmutig warf Günni einen Blick auf den Stapel Papier und erkannte sofort, es waren genau die Meldungen, die er schon seit Montag wohlwollend ignoriert hatte:
„Das Rheinland macht mobil – Aufstand in der Bodenseeregion – Besetzung eines Ferienhauses – Katastrophenschutz in Alarmbereitschaft – Polizei und SEK in Marsch gesetzt – Bundesregierung verhängt den Ausnahmezustand – Demonstrationen und Kundgebungen auch in der Schweiz geplant – Thurgauer Kantonspolizei fordert deutsche Unterstützung an – Schweizer Lokalfernsehen berichtet live – usw.“
Günni blieb also wohl nichts anderes übrig, als sich in Richtung Bodensee zu begeben, um der Sache auf den Grund zu gehen. Kaum war er jedoch auf der Autobahn, als er vor sich ein ihm bekanntes Auto sah. In der Heckscheibe befand sich das unübersehbare blaue „Gendertreff“ – Schild und am Steuer erkannte er Gitta. Einen Augenblick lang überlegte er, ihr zu folgen, aber schnell verwarf er diesen Gedanken, denn sein Chef hatte ihm doch einen klaren Auftrag erteilt. „Schade,“ dachte er sich, „das hätte ja wohl eine interessantere Geschichte geben können, als die von Aufständen und Demonstrationen.“
Also überholte er Gitta und fuhr auf dem schnellsten Weg zu seinem Einsatzort.
Am Bodensee angekommen machte er sich erst einmal auf die Suche nach einem Zimmer, doch es war Urlaubszeit und so sehr er sich bemühte, es war alles ausgebucht. „Na, das fängt ja mal wieder gut an“, dachte er sich, als er in den kleinen Ort Bohlingen kam, aber auch hier war keine Übernachtungsmöglichkeit mehr zu bekommen. Er wollte gerade wieder weiter fahren, als er im letzten Moment jemanden auf der Terrasse eines Ferienhauses erkannte. Es war Gitta, die dort faul in einem Liegestuhl lag und es sich gut gehen ließ. Wie hatte die es wieder geschafft, ein Zimmer zu bekommen? Kurzerhand beschloss er, die Nacht unter einem Baum im Garten zu verbringen, sein eigentlicher Auftrag hatte ja noch bis zum nächsten Morgen Zeit.
Es dauerte jedoch nicht lange, und die Idylle wurde jäh gestört. Laut hupend kamen zwei Autos die stille Dorfstraße heruntergebraust und parkten genau vor dem Ferienhaus. Der Reporter ahnte schlimmes, und dies sollte sich bestätigen.
Die Ereignisse überschlugen sich, Gitta sprang auf, als sie die Autos hörte, und auf dem Parkplatz konnte er sie erkennen: Aus den Autos stiegen Xenia, Hydra, Rita, Frau Rita, Ava, Marina und Katja. Schwer bepackt mit Holzkohle, Salaten, Fleisch und Getränken stürmten alle auf die Terrasse und begrüßten Gitta. Schnell war der Grill angezündet und bald saßen alle an dem großen Tisch auf der Terrasse vor der Ferienwohnung. Doch ein paar Plätze waren noch frei, sollten da etwa noch mehr kommen? Und richtig, kurze Zeit später und pünktlich zum Essen erschienen tatsächlich noch Julchen, Maria und Ella.
Nach dem Essen wurde es wieder hektisch, einige der Mädchen liefen in die Garage des Hauses und kamen bald mit einem Bollerwagen wieder zurück. Neugierig spähte Günni aus seinem Versteck und sah, wie blaue „Gendertreff“ – Schilder an dem Bollerwagen befestigt und eifrig Getränke, Kisten und auch ein Ghettoblaster verstaut wurden. Auch ein riesengroßes Banner mit dem „Gendertreff“ – Logo und Schriftzug wurde entrollt. Als alles gut verladen war, wurde der Wagen wieder in die Garage geschoben und alle saßen wieder gemütlich am Tisch, als wenn überhaupt nichts gewesen wäre.
Sie quatschten und lachten bis spät in die Nacht. Pünktlich um Mitternacht wurde noch „Happy – Birthday“ angestimmt, und alle gratulierten Katja zu ihrem Geburtstag. Bald darauf gingen alle zu Bett und Günni versuchte, es sich unter seinem Baum bequem zu machen. Doch er konnte nicht einschlafen, einige Fragen beschäftigten ihn jetzt doch:
Was hatte das alles zu bedeuten?
Bestand da etwa ein Zusammenhang zwischen den Pressemeldungen aus seinem Büro und den Geschehnissen hier?
Der nächste Morgen sollte Klarheit bringen. Bereits in aller Frühe wurde es in der Wohnung Nr. 9 lebendig. Jäh schreckte auch unser Reporter hoch, als die Geräusche der Kaffeemaschine ihn weckten. Schemenhaft konnte er erkennen, dass Ava es sich mit einem frischen Kaffee im Badezimmer gemütlich machte, während Gitta auf der Terrasse die morgendliche Ruhe genoss. Bald wurde der Tisch gedeckt, die Vermieterin schleppte tütenweise frische Brötchen heran und pünktlich um halb acht saßen alle genüsslich kauend beisammen. Nach dem Frühstück wurde aufgeräumt, der Bollerwagen wieder aus der Garage gezogen und es wurden die Autos bis unters Dach gepackt. Schon bald starteten alle in Richtung Konstanz.
Dort angekommen wurden die Autos wieder entladen und die gesamte Gruppe stöckelte in Richtung Grenzübergang nach Kreuzlingen zum Bärenplatz. Dort war bereits einiges los. Vereinzelt standen ein paar Gruppen zusammen, ein Verkaufsstand war aufgebaut, in der Mitte stand ein mit einer Regenbogenflagge geschmückter Wagen und langsam füllte sich der Platz immer mehr. Auch das Schweizer Lokalfernsehen war vor Ort und interviewte einige der Anwesenden, auch Xenia und Ava wurden befragt.
Als der Platz sich immer mehr füllte, versuchten einige Ordner verzweifelt, das Chaos ein wenig aufzuräumen, und pünktlich um 11:00 Uhr standen alle Gruppen und Wagen in der richtigen Reihenfolge. Es konnte also losgehen, doch niemand rechnete mit der Schweizer Langsamkeit. So wurde es halb zwölf, als sich endlich der Zug in Bewegung setzte.
Es war CSD in Kreuzlingen und Konstanz, das war also die geplante Demonstration am Bodensee!
Langsam schlängelte sich der Zug durch einige Nebenstraßen, bevor er die Kreuzlinger Hauptstraße in Richtung Grenze erreichte. Stolz trugen Xenia und Kirsten den Banner, der über die gesamte Straßenbreite reichte und für Aufsehen sorgte, die anderen verteilten fleißig Flyer und CD’s mit dem „Zwei Seelen Song “. Entsprechend groß war das Interesse bei der Bevölkerung und auch den Fotografen.
Nach etwa zwei Stunden erreichte der Zug die Marktstätte in der Konstanzer Innenstadt, wo die Abschlusskundgebung stattfand.
Hier trafen sie auch Maria, Julchen und Ella wieder, die sich unter die Zuschauer gemischt hatten. Die beiden Erstgenannten verabschiedeten sich von den anderen, sie machten sich bereits auf den Heimweg, da sie noch in den Schwarzwald wollten.
Anschließend zogen die Damen in Richtung Hafen, um sich ein Café zu suchen. Nach einer Stärkung ging die Gruppe zum Stadtgarten, wo auf der Bühne das Programm zum CSD stattfand.
Am späten Nachmittag machten sich die Rheinländerinnen auf den Rückweg in ihr Urlaubsdomizil. Auch Reporter Günni konnte nach dem turbulenten Tag erst einmal verschnaufen.
Doch die Ruhe dauerte nicht lange an, denn schon kam wieder Bewegung in die Reisegruppe. Sie verteilten sich wieder in ihre Autos und fuhren in Richtung Überlinger See. Ja, es war Zeit zum Abendessen und nach einiger Suche fanden alle auch ein Restaurant direkt am Seeufer von Ludwigshafen.
Das Restaurant war sehr gut besucht, so dass sie ausnahmsweise an verschiedenen Tischen Platz nehmen mussten, aber sie wurden mit einem sehr guten und preiswerten Essen entschädigt. Nach einem kurzen Spaziergang über die Uferpromenade machten sich alle müde aber glücklich wieder auf den Heimweg nach Bohlingen.
Auch Reporter Günni konnte es sich endlich auf seinem Notlager im Garten so bequem wie nur möglich machen.
Doch auch diese Nacht war für ihn schnell zu Ende, denn auch am Sonntag war wieder frühes Aufstehen angesagt. Die anderen hatten nämlich Gitta versprochen, mit ihr eine schöne Tour zu unternehmen, als Entschädigung, dass sie nicht die ganze Woche dabei sein konnte. So wiederholte sich das morgendliche Ritual wie am Samstag und bald trafen sich alle wieder zum Frühstück auf der Terrasse vor der Wohnung Nr. 9. Nach dem Kaffee verabschiedete sich Ella von allen, denn auch sie wollte nach Hause fahren. Die anderen beeilten sich jetzt, in die Autos zu steigen und Günni folgte ihnen bis zum Fährhafen in Konstanz.
Dort stellten sie die Fahrzeuge ab und überquerten mit der nächsten Fähre den See nach Meersburg. Dort angekommen schlenderten sie gemütlich zum Hafen und kauften sich todesmutig Fahrkarten für das nächste Passagierschiff nach Lindau. Als sie gemeinsam an der Kasse anstanden, machte sie der freundliche Kassierer darauf aufmerksam, als Gruppe doch besser eine verbilligte Fahrkarte für alle zu kaufen. Dieses Angebot nahmen sie natürlich auch gerne an und schon bald kam das Motorschiff „Karlsruhe“ in den Hafen. Doch als sie das Schiff bestiegen, fing es leider an zu regnen und so mussten sie im Innendeck Platz nehmen. Nach einer wunderschönen Fahrt entlang des Ufers erreichten sie gegen Mittag die Inselstadt Lindau.
Unter der bewährten Führung der „Alte-Steine-Beauftragten“ Ava besichtigten sie die Altstadt mit ihren beiden Kirchen, bis sie wieder am Bahnhof ankamen. Die acht entschlossen sich, mit dem nächsten Zug nach Friedrichshafen zu fahren. Wieder erwarben sie preisgünstig eine Gruppenkarte und stiegen in letzter Minute in ihren Zug. So erreichten sie am Nachmittag ihr nächstes Ziel und spazierten bei noch trockenem Wetter durch die Stadt in Richtung Seeufer. Gerade bevor es wieder anfing zu regnen fanden sie Platz in einem kleinen Café an der Promenade, rückten mal wieder Tische zusammen und stärkten sich erst einmal mit heißen Getränken und leckerem Kuchen.
Hier erlebten sie noch ein besonderes Highlight des Bodensees, das Dampfschiff „Hohentwiel“ fuhr nämlich in den Hafen ein. Es ist der letzte Schaufelraddampfer auf dem See aus dem Jahre 1913.
Nach der Pause ging die Gruppe zum Busbahnhof in der Nähe und schon kam auch der Linienbus, der sie wieder zurück nach Meersburg bringen sollte. Hier nahmen sie die nächste Fähre nach Konstanz und fuhren mit ihren Autos in die Innenstadt zum „Brauhaus Joh. Albrecht“.
Mittlerweile war es Zeit zum Abendessen und mit leckeren Bieren und brauhaustypischen Speisen beendeten sie den Tag. Wieder in der Urlaubsunterkunft angekommen trafen sich alle zum Abschluss des Abends noch einmal in der großen Ferienwohnung Nr. 1, um die letzten Vorräte leer zu trinken und den Urlaub gemütlich ausklingen zu lassen.
Am nächsten Morgen wurde Reporter Günni von einer ungewohnten Hektik geweckt. Die Terrasse wurde aufgeräumt, Mülltüten geschleppt und auch schon die ersten Koffer verladen. Die Hauswirtin schleppte eine ungewohnt große Menge an Brötchen heran, über die sich bald alle hermachten. Aber auch nach dem Frühstück ging es mit der Hektik weiter. Alle räumten die Wohnungen auf und verluden ihr Gepäck in die Autos. Das sah nach Aufbruch und Heimreise aus und so packte auch unser Reporter eilends seine Sachen zusammen, denn auf keinen Fall wollte er die Rheinländerinnen aus den Augen verlieren. Er musste ja auch sowieso nach Hause, denn der Chefredakteur wartete ja auch auf seinen Bericht.
So folgte er den anderen zunächst in einen Supermarkt, wo das Leergut noch schnell zu Geld gemacht werden sollte und nach einiger Zeit trafen sich alle auf dem Rasthof Schönbuch an der A 81 wieder. Hier wurde die erste Pause gemacht, und die mitgenommenen Brötchen verzehrt. Nun fuhren sie weiter und erreichten nach einer kurzen Pause in Hockenheim den Rasthof Brohltal an der A61. Dies sollte die letzte Rast werden, denn hier wollte sich Gitta von den anderen sieben verabschieden, denn sie wohnt ja nicht weit von hier. Und so kam es auch, dass sie sich ein letztes Mal herzlich umarmten, bevor sie die letzte Etappe ihrer Heimreise antraten.
Doch die war schnell zu Ende, denn nach wenigen Kilometern sah Gitta als Erste den Wagen von Xenia auf dem Seitenstreifen stehen. Sie hatte doch tatsächlich eine Panne. Gitta hielt an und bald kam auch schon Marina mit ihrem Auto dazu. Es wurde ein wenig überlegt und da das Eintreffen des Pannendienstes noch etwas dauern konnte, wurden die Insassen des defekten Autos auf die anderen verteilt und so fuhr Gitta noch Rita und Kirsten nach Hause. Kurz vor Hilden meldeten sich auch Xenia und Ute telefonisch, auch sie waren inzwischen auf der Weiterfahrt, es war Gott sei Dank nur eine Kleinigkeit an dem Wagen gewesen.
So konnten alle am Abend wieder zu Hause in ihren Betten schlafen und die wunderschönen Tage noch einmal an sich vorbei ziehen lassen.
Auch Reporter Günni konnte beruhigt einschlafen, denn erstens hatte er wieder ein Dach über dem Kopf und musste nicht mehr im Garten übernachten und zweitens hatte er wieder eine wunderschöne Geschichte für das Trannymagazin in der Tasche. Und vor allem hatte er wieder einmal bewiesen, dass hinter Unheil verkündenden reißerischen Schlagzeilen oft nur ein harmloser Hintergrund ist.
So wurde aus der „Mobilmachung des Rheinlandes“ und der „Besetzung eines Ferienhauses“ nur der seit über einem Jahr geplante Urlaub einiger Freundinnen und aus den „Demonstrationen“ und dem „Aufstand am Bodensee“ nur die Teilnahme an der CSD – Parade in Kreuzlingen und Konstanz.
Dieser Urlaub wird uns allen noch lange in Erinnerung bleiben.
Es waren wieder einmal ein paar sehr schöne Tage, zu deren Gelingen alle hervorragend beigetragen hatten und die wieder einmal, besonders für Gitta viel zu schnell zu Ende gingen.
Aber uns allen bleibt ein kleiner Trost:
Die nächste Tour ist schon wieder geplant, und bestimmt wird auch Trannyreporter Günni wieder von Anfang an unerkannt mitreisen und berichten können.
>> Bunt ist die Welt – auch am Bodensee (Die ersten Tage)
>> Gendertreff meets CSD Konstanz (Schweizer Fernsehen)
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